11 Weihnachtspredigten, die wir nicht mehr hören können

Erik Parker ist lutherischer Pastor in Kanada. Die meiste Zeit seines Lebens aber hat er Weihnachten in Kirchenbänken verbracht und unter diesen Predigten gelitten.

Wir haben es alle schon erlebt: Es ist Heiligabend. Die Kirche ist voll. In den Reihen sitzen viele Leute, die normalerweise sonntagmorgens nicht in die Kirche gehen. Vielleicht bist Du ja einer von ihnen.

Weihnachtslieder werden gesungen. Vielleicht hat auch ein Krippenspiel stattgefunden mit einer leibhaftigen Heiligen Familie – Maria, Josef und das Kind. Vielleicht singt die Kurrende gerade eine possierlich schiefe Version von „Alle Jahre wieder“. Es gibt ein paar Gebete und noch mehr Gemeindegesang, und jemand hat die bekannte Weihnachtsgeschichte vorgelesen: „Es begab sich aber zu der Zeit …“

Doch bevor es ans Kerzenanzünden geht und alle „O du fröhliche“ singen, muss auch der Pfarrer noch eine Weile schwafeln. Davor scheust Du dich immer. Was wird der Pfarrer dieses Jahr zu sagen haben?

Als Pfarrer weiß ich nur zu gut, dass die meisten Leute, die am Heiligen Abend in der Kirche sind, nicht gekommen sind, um mir zu lauschen. Für uns ist es ein komischer Abend, an dem wir da predigen sollen. Ich wage zu behaupten, dass viele Kirchgänger in Sonntagsgottesdiensten auf die Predigt warten, oder sie zumindest als wichtigen Teil des Gottesdienstes empfinden.

Doch Heiligabend ist anders. Die Kirchen sind ungewohnt voll. Gäste, Fremde, unbekannte Gesichter füllen die Kirchenbänke. Es fühlt sich an wie der Super Bowl des Kirchenjahres. Die kleine Gruppe ergebener Fans war das ganze Jahr über mit dabei, doch nun will die ganze Welt die Show sehen … na ja, nicht wirklich die Show, eigentlich sind sie für die Werbepausen da.

Ich habe in meinem Leben zu Heiligabend häufiger in der Kirchenbank gesessen als auf der Kanzel gestanden. Und ich wurde Opfer scheußlicher Weihnachtspredigten. Predigten ansonsten guter Prediger, die mich seufzen lassen „He? Hab ich grad was verpasst?“

Aus irgendeinem Grund erwählen sich Pfarrer merkwürdige Themen für ihre Weihnachtspredigten, Subtexte, die eigentlich von etwas ganz anderem handeln. Ich nenne das „Junk-Food-Predigten“, weil sie vor allem leere Kalorien enthalten, die uns nicht wirklich satt machen. Sie drehen sich mehr um die Sorgen des Predigers, als um die Geschichte von Jesus.

Hier sind 11 Beispiele:

1) Die „Komm zur Kirche“-Predigt: Der Pfarrer versucht allen Gästen mitzugeben, dass sie doch an anderen Tagen des Jahres auch einmal zur Kirche kommen sollten, weil Jesus in einer Krippe geboren wurde. Dazu beschreibt er Kirchen als Orte, an denen man gerne abhängt, oder die zumindest nicht so übel sind, dass man sie meiden sollte. Viele Pfarrer versuchen, einladend zu sein. Dabei kommen sie als einsame Leute rüber, die dringend Freunde brauchen.

2) Die „Komm zurück zur Kirche“-Predigt: Diese Predigt ist mit der vorhergehenden verwandt, richtet sich aber vor allem an die Kinder und Enkel der regelmäßigen Kirchgänger. Der Pfarrer beharrt auf der Bedeutung Jesu‘ Geburt und auf der Verpflichtung, die sich daraus ergibt. Jesus ist für dich geboren, da wäre es schon angemessen, du würdest Teil einer Gemeindegruppe werden oder spendest anständig für die Kirchengemeinde. So direkt sagt er es natürlich nicht, aber wir bekommen das komische Gefühl, dass wir für eine Aufgabe ohne unsere Zustimmung rekrutiert werden.

3) Die „Warum sind Sie hier?“-Predigt: Diese Predigt wird von Pfarrern gehalten, die ein paar „Komm-zur-Kirche“-Predigten zu viel gehalten haben. Sie ist eine passiv-aggressive Unterrichtung für die Weihnachtsgemeinde. Die Predigt erinnert sie daran, dass der Besuch der Christvesper nicht wirklich als Kirchgang zählt, und wir uns alle schämen sollten, dass wir an sonst keinem Sonntag gekommen sind.

4) Die „Jesus, nicht der Weihnachtsmann“-Predigt: Diese Predigt ist ein kleiner Spielverderber. Der Pfarrer versucht, die „wahre“ Weihnachtsgeschichte zu erklären, indem er uns sagt, der Weihnachtsmann wäre nicht echt. Leute, die sich in einem Kulturkampf um Weihnachten wähnen, lieben diese Art Predigt. Alle anderen macht sie etwas verlegen darüber, die „falsche“ Freude an Weihnachten und den Kindern „Vom Weihnachtsmann“ auf die Geschenke geschrieben zu haben. (Die Kulturkämpfer schreiben „Von Jesus“).

5) Die „Dieser Gott-Kram klingt unglaublich, aber Du kannst es ruhig glauben, weil wir einander lieben“-Predigt: Diese Predigt kann etwas ins Esoterische kippen. Der Pfarrer spricht über Jungfrauengeburten, Engel und Magier, die Sternen folgen. Das klingt alles fantastisch und zugleich skeptisch. Aber der Pfarrer versichert dir, dass das schon okay ist, weil der Rest von uns diesen irren Kram glaubt.

6) Die „Zauber der Weihnacht“-Predigt: Eine Predigt voll Gefühl. Und Nostalgie. Vielleicht erzählt der Pfarrer von einem Weihnachten aus seiner Kindheit, komplett mit strickender Großmutter und Christbaum usw. Die einzige Erwähnung Jesu ist eine ungelenke Entschuldigung für seine Gegenwart.

7) Die „Hühnersuppe für die .. he?“-Predigt: Hier werden Geschichten erzählt. Der Pfarrer gibt vor die Weihnachtsgeschichte aus der Perspektive des Esels zu erzählen, der Maria nach Bethlehem trug. Oder aus der des Wirts oder seiner Frau. Oder der eines Baumes mit guter Aussicht auf das Geschehen. Die Predigt scheint irgendetwas mit der Weihnachtsgeschichte zu tun zu haben, aber niemand ist sich sicher was genau … offenkundig nicht einmal der Pfarrer.

8) Die Predigt als Theologievorlesung: Diese Predigt ist lang, trocken und verwirrend. Sie enthält viele große Worte wie Inkarnation, Eschatologie, Missio Dei. Der Pfarrer scheint einmal wirklich zu erklären, was es mit diesem Weihnachten auf sich hat. Aber du hörst Schnarchen und einen Jugendlichen auf seinem Smartphone spielen und ein Baby, das die ganze Zeit über weint. Niemand weiß, wann es endlich vorbei sein wird.

9) Die „Konsumkritik“-Predigt: Diese Predigt ist voller hochstehender Werte und Moralappelle. Jeder fühl sich beschämt, weil er die Weihnachtswerbung im Fernsehen gerne schaut oder aus Versehen die falschen Weihnachtslieder im Radio mitsingt – und das auch noch im Advent! Die gute Nachricht ist, dass die örtliche Suppenküche bereits informiert wurde, dass wir nach dem Gottesdienst alle rüber kommen, um zu helfen.

10) Die „Der Geist der Weihnacht macht dich glauben“-Predigt: In dieser Predigt geht es viel um den Glauben, ums gläubig werden, die Suche nach Gott; darum, unsere Herzen zu öffnen und den Geist hinein zu lassen. Der Pfarrer rät, einfach zu glauben, aber was oder an wen wir zu glauben haben wird nicht klar. Ist es Jesus? Oder der Weihnachtsmann? Der Christbaum? Die Liebe? Alle erscheinen als gute Möglichkeiten.

11) Die „Glaube an Jesus, weil mein Job dran hängt“-Predigt: Diese Predigt wird von Pfarrern gehalten, die unter Druck stehen, mehr Gläubige zu akquirieren. Wir werden ermuntert, an Jesus zu glauben, auch wenn es nicht cool ist. Aber das Christkind war cool. Und wenn du schon dabei bist, dann werd doch Mitglied unserer Kirche, auch wenn es nicht cool ist. Aber unser Jugendwart ist cool! Diese Predigt wirkt verzweifelt.

Bitte versteht mich nicht falsch. Ich weiß: Es gibt jedes Jahr viele großartige Weihnachtspredigten. Ich weiß, dass viele meiner Pfarrerkollegen hart daran arbeiten, die Geburt Jesu‘ in die Welt und für uns zu verkündigen. Aber ich glaube, Weihnachten kann Pfarrer aufputschen, nervös machen. Sie stehen unter dem Druck jedes Jahr eine gute Predigt zur immer gleichen Geschichte zu halten. Wenn du Heiligabend eine der obenstehenden Predigten hörst, vergib deinem Pfarrer. Er oder sie versucht einfach, einen guten Job zu machen, am für sie oder ihn vielleicht aufreibendsten Tag des Jahres.

An meine Kollegen: Ich habe die Antwort auf die Frage nach der guten Weihnachtspredigt auch nicht. Ich bin ein unbußfertiger Geschichtenerzähler. Versucht, es einfach zu halten. Erzählt die Geschichte von Gott, der in die Welt kommt. Sorgt euch nicht, was wir glauben sollten oder ob eure Gäste wiederkommen werden. Lasst Gott das besorgen. Predigt wie die Engel:

„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“