Langer Atem – Die #LaTdH vom 5. Juni

Gibt’s eine Zeitenwende im Arbeitsrecht der römisch-katholischen Kirche? Außerdem: Ökumenische Zukunft für Katholikentage, kritische Theolog:innen und ein Sprachenwunder.

Herzlich Willkommen!

Freuen Sie sich auch wie Bolle über das neue „#9EuroTicket“? Und haben Sie „jüngst zu Pfingsten“ überlegt, sich nach der langen Corona-Pause mal wieder in den ÖPNV zu trauen? Dann genießen Sie das Leben in vollen Zügen!

Für jeweils neun Euro können Sie im Juni, Juli und August ein Monats-Ticket kaufen und so viel Sie möchten (oder aushalten) mit den Angeboten des Regionalverkehrs fahren. „In der Bibel werden nicht selten Menschen vor ihrer Reise gesegnet“, weiß die Evangelische Kirchengemeinde Leverkusen-Mitte. Deren Pfarrer Dr. Detlev Prößdorf bietet daher jetzt einen „9-Euro-Ticket Reisesegen“ an.

Den kann man gut brauchen, wenn man mit Bus & Bahn fährt, denken Sie sich jetzt vielleicht? Oder soll es statt frommer Gebete lieber ein kühles Getränk aus dem Bord-Bistro sein? Doch nicht vergessen: Bereits die aus dem Mittelalter stammende Pfingstsequenz „Veni Sancte Spiritus“ kennt den Heiligen Geist als „dulce refrigerium“. Und wenn Sie meinen, Sie könnten nur noch entnervt „Senk ju for träwelling wiss Deutsche Bahn“ seufzen, dürfte Ihnen der „consolator optime“ eine wertvolle Hilfe sein:

In labore requies, In der Mühe bist du Ruhe,
In aestu temperies, In Erregung Mäßigung,
In fletu solatium. Im Weinen Trost.

Einen guten Start in die Pfingstoktav wünscht Ihnen
Ihr „begeisterter“ Bahnfahrer Thomas Wystrach


Debatte

Eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Kardinal Woelki, der u.a. römisch-katholische Bischöfe und Generalvikare, Vertreter:innen des Deutschen Caritas-Verbandes sowie des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) angehören, hat einen Entwurf für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts erarbeitet. Dieser wurde überraschend am vergangenen Montag vorgestellt.

Neben dem Entwurf der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ selbst hat die Deutsche Bischofskonferenz (@dbk_online) auf ihrer Website auch „bischöfliche Erläuterungen“ veröffentlicht, die den vorgeschlagenen Gesetzestext und seine Ziele kommentieren.

Reform der Grundordnung: Die Arbeitgeberin Kirche will loyal sein – Felix Neumann (katholisch.de)

Bisher fordere die römisch-katholische Kirche ihren Beschäftigten viel ab – bis ins Privatleben hinein, stellt Felix Neumann (@fxneumann) in seiner ausführlichen Analyse bei @katholisch_de fest: Das solle nun anders werden!

Der Entwurf einer neuen Grundordnung sehe stattdessen die „Dienstgeber“ in der Pflicht, für Nächstenliebe, Vielfalt und andere christliche Werte einzustehen. Der Vergleich mit den Forderungen des „Synodalen Weges“(@DerSynodaleWeg) zeige, wie weit die römisch-katholische Kirche seit diesem Frühjahr gekommen sei:

Ein bei allen noch vorhandenen Defiziten derart klares Plädoyer für Vielfalt als Ressource und Auftrag wäre vor #OutInChurch kaum denkbar gewesen.

Haben wir es also mit einem giant leap for mankind zu tun? Der Text und insbesondere die bischöflichen Erläuterungen zeugten zwar von einer Bereitschaft, „Spannungen zum universalen Kirchenrecht und zur lehramtlichen Sexualmoral“ in Kauf zu nehmen:

Zur Auslegung dürfte aber dort, wo die Grundordnung nicht explizit wird – also etwa beim Umgang mit Transmenschen – das kirchliche und im Zweifel lehramtliche Verständnis herangezogen werden. (…)

Weitere offene Enden mit Blick auf den Diskriminierungsschutz liegen bei den pastoralen und katechetischen Berufen. Im Grundordnungstext wird lediglich bei den Klerikern und Ordensangehörigen der Diskriminierungsschutz aufgrund der Lebensgestaltung ausgenommen.

Dass es wie bisher nicht weitergehen könne, sei spätestens jetzt allen Bischöfen bewusst, meint Neumann, eine Zustimmung mit großer Mehrheit (und auch die anschließend erforderliche Umsetzung in jedem einzelnen Bistum), scheine durchaus möglich:

Wenn nicht aus innerer Überzeugung, so doch mit Blick auf die Rechtsprechung wie den Fachkräftemangel ist wohl allen Bischöfen klar, dass Loyalitätsobliegenheiten alten Stils schon faktisch nicht mehr durchzuhalten sind, und dass sie einer gerichtlich oder politisch mandatierten Minimierung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nur mit deutlichen Signalen der Selbstbeschränkung zuvorkommen können.

Persönlichkeitsrechte statt Schlafzimmerpolizei im kirchlichen Arbeitsrecht – Felix Neumann (Artikel 91)

Den Entwurf der Bischöfe als „Paradigmenwechsel“ zu bezeichnen, greife zu kurz, meint Felix Neumann – diesmal auf seinem Datenschutz-Blog Artikel 91 (@Artikel91): Es sei „geradezu eine Revolution“! Nicht nur, weil in einem öffentlichen Beteiligungsverfahren ein später bundesweit einheitlich geltendes Kirchengesetz beraten werde, sondern auch, weil mit der Umsetzung ein großer Fortschritt erreicht werde:

Wenn der Entwurf Gesetz wird, dann ist es gelungen, die Grundordnung von einer Legitimation der Schlafzimmerspitzelei zu einer modernen Arbeitsverfassung weiterzuentwickeln, die die Autonomie und Würde der Beschäftigten schützt. (…)

Aber auch nach der Reform wird nicht alles rosig: Am Ausschluss von Streik und der Nichtanwendung des Betriebsverfassungsgesetzes zugunsten der weitaus weniger Beteiligungsrechte vorsehenden Mitarbeitervertretungsordnung soll festgehalten werden.

Verpasste Chance zur Erneuerung – Sylvia Bühler (ver.di)

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (@_verdi) übt entsprechend deutliche Kritik am Entwurf für das neue Arbeitsrecht der römisch-katholischen Kirche:

Der Entwurf bleibt weit hinter dem zurück, was dringend erforderlich wäre, um den rund 700.000 Beschäftigten allein bei der Caritas endlich umfassende Rechte einzuräumen. Die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern, von Kranken-, Alten- und Heilerziehungspflegern, Sozialarbeitern, Notfallsanitätern, Ärztinnen und Ärzten sowie all den anderen wichtigen Berufen bei der katholischen Kirche und der Caritas unterscheidet sich nicht von der Arbeit bei staatlichen Trägern oder weltlichen Wohlfahrtsverbänden. Die Sonderrechte, die der Staat den kirchlichen Arbeitgebern zubilligt, gehören abgeschafft,

so Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Das kirchliche Arbeitsrecht sei längst nicht mehr zeitgemäß. Doch statt eine Modernisierung einzuleiten, beharrten die Verantwortlichen auf ihrem Sonderweg:

Nach der sehr eindrucksvollen Aktion #OutInChurch drängt sich der Eindruck auf, dass die Spitze der katholischen Kirche immer nur so viel Veränderung zugesteht, wie es unter dem öffentlichen Druck sein muss. Echter Reformwille ist nicht zu erkennen.

Auch Christiane Florin (@ChristianeFlori) geht der siebenseitige Entwurf für die „zentrale Rechtsquelle der katholischen Arbeitsverfassung in Deutschland“ (so die DBK) nicht weit genug. Im Gespräch mit Susanne Fritz vom Deutschlandfunk (@DLF) weist sie darauf hin, dass sich trotz Zugeständnissen in der arbeitsrechtlichen Bewertung die geltende kirchliche Lehre nicht ändere. In die gleiche Kerbe schlägt auch der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose (@HoseBurkhard) im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung:

Das Hauptproblem ist die Lehre, mit der sich nach wie vor diskriminierendes Vorgehen auch im Rahmen der neuen Grundordnung rechtfertigen lässt. (…) Die Bischöfe müssen sich also jetzt mit ganzer Kraft in Rom für eine Änderung des Katechismus und der veralteten negativen Bewertung nicht-heterosexueller Orientierungen und nicht-binärer Identitäten einsetzen.

Michael Brinkschröder von der Initiative #OutInChurch kritisiert, dass keine queeren Organisationen bei der Erarbeitung des Entwurfs eingebunden waren und sieht im Interview mit dem Domradio (@domradio) an mehreren Stellen Nachbesserungsbedarf.  Für den Tübinger Arbeitsrechtler Hermann Reichold hingegen ist das geplante neue Regelwerk für Arbeitsverhältnisse der römisch-katholischen Kirche in Deutschland „ein Aufschlag, der sich sehen lassen kann“.

„Wir sind traurig! Wir sind desillusioniert! Wir sind zerrissen!“ – Monika Hungerbühler (kath.ch)

Die am Schweizer Kantonsspital Winterthur als Krankenhaus-Seelsorgerin tätige römisch-katholische Theologin Veronika Jehle hatte im Herbst 2021 dem zuständigen Churer Bischof Joseph Bonnemain einen persönlichen Abschiedsbrief geschrieben und ihm ihre missio canonica zurückgegeben:

Die Missio als Beauftragung durch den Bischof sollte der Seelsorgeaufgabe einen Rahmen geben und ein Ausdruck sein von Sendung und Vertrauen, von Tauglichkeit und Kompetenz. Diese Funktion hat die Missio nach meiner Wahrnehmung verloren:

Intern deshalb, weil die Missio von Verantwortlichen als Kontrollinstrument missbraucht wurde und wird, um abweichende Überzeugungen und Kritik durch Mitarbeitende zum Schweigen zu bringen; nach aussen hin, weil die Institution und ihre klerikalen Repräsentanten ihre gesellschaftliche Glaubwürdigkeit verspielen.

Danach folgten viele Gespräche; der Schritt von Veronika Jehle wurde erst am 27. Mai 2022 durch Veröffentlichung des Nachrichtenportals kath.ch (@kathch) bekannt – und damit zu einem kirchenpolitischen Statement. Nun haben sich 50 Seelsorger:innen in der Schweiz mit ihrer Kollegin solidarisiert und sich einem Offenen Brief der feministischen Theologin Monika Hungerbühler (@MonikaHungerbh1) angeschlossen:

Aus Freundschaft zu und in Solidarität mit all jenen, die aus verschiedenen Gründen aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten sind, die ihre Missio zurückgegeben oder erst gar keine Missio bekommen haben – zum Beispiel auf Grund ihrer offen gelegten sexuellen Orientierung, in Freundschaft und Solidarität mit all jenen, die spirituell und sexuell ausgebeutet, in ihrer Würde tief verletzt worden sind –, ist es uns wichtig, unsere Trauer über den Weggang von guten Theolog:innen und Seelsorgenden wie Veronika Jehle und vielen anderen und unsere Zerrissenheit als Seelsorgende in der römisch-katholischen Kirche zu zeigen. Dieser Schritt lässt uns nicht kalt.

nachgefasst

Am letzten Sonntag ist der 102. Deutsche Katholikentag 2022 (@katholikentag) in Stuttgart zu Ende gegangen. In vielen Social-Media-Kommentaren wurde die erste römisch-katholische Großveranstaltung seit der Corona-Pandemie als „Klassentreffen“ bewertet, das durch „gute Stimmung und gutes Wetter“ geprägt gewesen sei.

Gleichzeitig wurden angesichts der zahlenmäßig eher mauen Teilnahme viele Fragen zur zukünftigen Bedeutung der früheren Heerschau des deutschen Laienkatholizismus‘ und zur zukünftigen Gestaltung des kostenintensiven Großevents aufgeworfen.

Gemeinsam statt einsam – Christian Schnaubelt (kath.de)

In seinem Wochenkommentar bei kath.de (@kath_de) plädiert Christian Schnaubelt (@cschnaubelt) dafür, ab 2025 die Weichen „voll auf Ökumene“ zu setzen, auf getrennte Kirchen- und Katholikentage zu verzichten und mit zukünftigen (ökumenischen) Kirchentreffen wieder „back to the roots“ zu gehen, wieder spiritueller und politischer zu werden:

Spiritueller: Die „Pilgerreise“ und vor allem die Begegnung von Gemeindemitgliedern mit anderen Gläubigen war immer ein wichtiges Element der Kirchentreffen. Deren Herzstück bildeten mehr die Übernachtung in Turnhallen und bei Gastfamilien sowie der Austausch in den Gemeinden als die Diskussionen in den Messeräumen. Die spirituellen Elemente der Kirchentreffen sollten wieder mehr in den Vordergrund rücken (wobei sich Spiritualität nicht auf das Feiern Hl. Messen begrenzen sollte).

Und gleichzeitig sollten die Kirchentreffen auch wieder politischer werden und stärker über die reine „Kirchen-Bubble“ und „Komfortzone“ hinaus in Kirche, Politik und Gesellschaft hineinwirken. Bei früheren Kirchentagen wurde über Resolutionen gestritten und abgestimmt. Mit Demonstrationen, Menschenketten und Gebeten wurde gezeigt: Kirche lebt und hat die Zeichen der Zeit erkannt.

Dieser Wunsch schließt den Kreis in der Frage, wie die Zukunft der Katholikentage aussehen könnte. Und warum sollte diese Zukunft nicht ökumenisch und auch digitaler (hybrider) sein?!

Was können wir aus dem Katholikentag in Stuttgart für die Zukunft von Kirchen- und Katholikentagen lernen? Ökumene, Digitalisierung, Kontrollverlust – oder doch das Pausieren? Darüber haben sich auch Hanno Terbuyken (@dailybug) und Philipp Greifenstein (@rockToamna) hier in der Eule Gedanken gemacht.

„Gibt es in 50 Jahren nur noch ökumenische Gemeinden?“, fragt sich Gabriele Höfling (@EleHoefling) beim Nachdenken über das „im Vergleich zur geringen Besucherzahl völlig überdimensionierten Treffen“ in Stuttgart. Ob aber „der Zwang zur praktischen Zusammenarbeit auch auf dieser Ebene“ einfach als „Katalysator für eine Annäherung“ wirkt oder angesichts der kleiner werdenden Herde nicht eher der Wunsch nach mehr konfessioneller „Profilierung“ wiederkehren wird, scheint noch nicht ausgemacht.

„Was fehlt in der katholischen Kirche?“, fragen sich Rainer Bucher und Birgit Hoyer bei @feinschwarz_net – nicht nur am und nach dem Katholikentag. Die Antworten kurz gefasst: „die Einsicht in ihre wirklich desaströse Lage“, „die Rezeption der menschenrechtlichen, anti-totalitären Errungenschaften der Moderne“ und „die wirkliche Rezeption des Konzils“.

Warum es allerdings weiterführen soll, einmal mehr das sattsam bekannte Narrativ zu bemühen, die „grundlegende theologische und geistliche Wende“ des Zweiten Vatikanums sei durch die nachkonziliare Entwicklung „vor allem im Kirchenrecht (…) sabotiert und torpediert“ worden, ohne zu erkennen, dass die Konzilsväter vor 60 Jahren an den grundlegenden Festlegungen des Ersten Vatikanums unverändert festgehalten haben, bleibt unklar. Ein Teil der Antworten könnte das Kirchenvolk womöglich verunsichern …

„Wozu brauchen wir die Kirche noch?“ – so die noch grundsätzlichere Frage, die Jo Schück (@joschueck) in einem sehenswerten 45-minütigen Beitrag für die ZDF-Sendung „Aspekte“ (@zdfaspekte) von den Passionsspielen in Oberammergau über die Beerdigung des umstrittenen Aktionskünstlers Hermann Nitsch durch den Jesuitenpater Friedhelm Mennekes bis zur Demonstration von „Maria 2.0“ beim Katholikentag in Stuttgart führt.

Daneben kommen in Interviews u.a. die evangelische Pastorin und Influencerin Josephine Teske (@josephine_teske), der Kommunikationsberater Erik Flügge (@erik_fluegge) oder die römisch-katholischen Theologin und Autorin Doris Reisinger (@ReisingerWagner) zu Wort.

Buntes

Frist für Woelki-Rücktritt ist abgelaufen: Papst schweigt weiter – Felix Neumann (katholisch.de)

In seinem Hirtenbrief vom 2. März 2022 hatte Rainer Maria Kardinal Woelki davon berichtet, er habe während seiner „Auszeit“ dem Heiligen Vater sowohl seinen Dienst als auch sein Amt als Erzbischof von Köln zur Verfügung gestellt. Wann genau Woelki dem Papst seinen Rücktritt angeboten hat, ist nicht bekannt – nur, dass es vor Aschermittwoch war. Damit ist die vom Kirchenrecht vorgesehene Annahmefrist nun sicher abgelaufen.

„Diese Kirche ist kein Rechtsstaat“ – Interview mit Norbert Lüdecke (Rheinische Post)

Auch der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke bestätigt im Interview mit der Rheinischen Post (@rponline), mit dem Ablauf der Frist sei das Rücktrittsgesuch von Kardinal Woelki zwar „hinfällig“ – entschieden sei damit aber noch nichts:

Weil der Papst über dem Recht steht und an diese Dinge nicht gebunden ist. Der Papst ist jederzeit frei, einen Bischof, den er seelsorglich nicht mehr für fruchtbar hält, aus seinem Amt zu nehmen.

Das Rätselraten um die Zukunft des krisengeschüttelten Erzbistums Köln und seines Erzbischof geht also weiter. Weder von den Berichten der beiden päpstlichen Visitatoren vom letzten Jahr (vgl. die #LaTdH vom 30. Mai bzw. vom 26. September 2021) noch des Apostolischen Administrators sede plena Rolf Steinhäuser, der die rheinische Erzdiözese während Woelkis „geistlicher Auszeit“ leitete, sei inhaltlich irgendetwas bekannt geworden, so Lüdecke:

Das hat die Transparenz einer Dunkelkammer. Niemand kennt wirklich die Argumentation. Das heißt: Auch die Überprüfung, ob Woelki sich etwas hat zuschulden kommen lassen, läuft unter Bischöfen und Kardinälen. Das ist eine Sache, die allein unter Brüdern entschieden wird. Und irgendwann kommt dann aus Rom der Hinweis: Es ist alles in Ordnung. Mir sagen Leute, das sei doch verrückt. Worauf ich entgegne: Nein, das ist katholisch.

Ehevorbereitungsprotokoll: Wie Lebensrealitäten die Kirche beeinflussen – Benedikt Heider (katholisch.de)

Wer eine römisch-katholische Ehe eingehen will, muss vieles beachten – und alles muss dokumentiert werden. Dafür gibt es nun eine neue Vorlage, das „Ehevorbereitungsprotokoll“, ein „amtliches Formular der Deutschen Bischofskonferenz“ mit acht engbedruckten Seiten in kleiner Schrift. Was sich im Detail bei der „Niederschrift zur kirchlichen Ehevorbereitung und Eheschließung“ geändert hat …

Zukünftig sind jetzt die leiblichen Eltern im EVP einzutragen. Diese Anpassung soll beispielsweise verhindern, dass das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft übersehen wird.

… und warum durch die Zuwanderung von Gläubigen aus verschiedenen mit Rom unierten Ostkirchen nach Deutschland die „Sensibilität für die Pluriformität der katholischen Kirche“ zugenommen hat, stellt Benedikt Heider (@_DerHeidi_) in seiner akribischen Recherche bei katholisch.de vor.

Ungeduld mit langem Atem – Zum Tod von Harald Pawlowski (Publik-Forum)

Am 2. Juni ist Harald Pawlowski, 1972 Gründer und langjähriger Chefredakteur, später Herausgeber der Zeitschrift Publik-Forum (@publikforum), im Alter von 92 Jahren gestorben.

„Mit heißem Herzen und kühlen Kopf“ habe er Unmögliches möglich gemacht, würdigt ihn Richard Bähr, Geschäftsführer der Publik-Forum-Verlagsgesellschaft. Man trauere „um einen mutigen Planer, Baumeister und Visionär“, heißt es auf der Website des seit fünfzig Jahren „von Kirchen und Banken unabhängigen“ Medienprojekts, das früher mit dem Untertitel „Zeitung kritischer Christen“ erschien:

Ein Zukunftsplaner für eine lebenswerte Welt unserer Kinder und Enkelkinder. Ein Baumeister für Frieden und Versöhnung auf Erden. Einer, der die Hoffnung nicht aus der Hand gab, sich solidarisch mit denen fühlte, die nicht von oben herab auf die Gesellschaft blickten.

„Recherche von unten“ nannte er seinen medienethischen Auftrag, den er an seine Journalisten-Kolleginnen und -Kollegen weitergab. Mit Publik-Forum hat Harald Pawlowski eine Zeitschrift gegründet, von der nur wenige glaubten, dass sie sich gegen den Koloss Amtskirche länger halten könnte.

Theologie

White Churches, It’s Time to Go Pro-Life on Guns – (Christianity Today, englisch)

Die weiße christliche Mehrheit in den USA müsse ihr Zögern ablegen und mit den schwarzen Pastoren zusammenarbeiten, um die Gewalt bei Schießereien zu beenden, fordert Charlie Dates (@CharlieDates), Hauptpastor der Progressive Baptist Church in Chicago (@ProgressChicago), in seinem Gastbeitrag („Speaking Out“) für die Online-Ausgabe der 1956 von Billy Graham gegründeten evangelikalen Zeitschrift Christianity Today (@CTmagazine).

Während der texanische Gouverneur Greg Abbott kürzlich den Tod schwarzer Kinder durch Schusswaffen-Gewalt in Chicago als Beweis dafür anführte, dass Waffengesetze nicht funktionierten, startete Dates – unterstützt von einigen schwarzen Kollegen – einen Appell für eine Reform des Waffenrechts insbesondere an Schulen:

Ich sitze hier, als einer der jungen Pastoren Chicagos in einer der historischsten schwarzen Kirchen der Stadt, und bitte die größeren, politisch dominierenden weißen evangelikalen Konfessionen in Amerika um eine positive Antwort. (…)

Ich bin nicht der erste schwarze Pastor, der an die weiße christliche Mehrheit appelliert, ihr Unbehagen abzuschütteln und dringende Fragen der Gerechtigkeit anzugehen. Martin Luther King Jr. richtete 1963 einen ähnlichen Appell von einem anderen ungewöhnlichen Ort aus: einem Gefängnis in Birmingham. Die Themen sind unterschiedlich, aber die Ermahnung ist dieselbe. Es muss einige weiße Christen guten Willens geben, die spüren, dass mit der Waffengewalt unter den Kindern in unserem Land etwas furchtbar falsch läuft. (…)

Sie haben uns gebeten, sich dem Kampf für eine Pro-Life-Gesetzgebung anzuschließen, und jetzt bitten wir Sie, das Gleiche zu tun. Setzen Sie sich für das Leben ein, indem Sie Ihre Kongressabgeordneten auffordern, das Leben von Schulkindern zu schützen, die durch Waffen sterben, die zu leicht in die falschen Hände geraten. Fordern Sie Ihre Senatoren auf, ein moralisch einwandfreies Waffengesetz zu verabschieden. Bleiben Sie demselben Buch treu, das Sie am Sonntag predigen!

Rosemary Radford Ruether was a groundbreaking feminist theologian and global sister – Mary E. Hunt (National Catholic Reporter, englisch)

Am 21. Mai ist Rosemary Radford Ruether im Alter von 85 Jahren in Claremont (Kalifornien) gestorben. Seit den frühen 1960er Jahren engagierte sich die römisch-katholische Theologin in der US-Bürgerrechtsbewegung. 1984 unterzeichnete sie die Kampagne „A Catholic Statement on Pluralism and Abortion“ zur Reform der Theologie in der Abtreibungsdebatte, seit 1985 engagierte sie sich im Vorstand der Organisation „Catholics for Choice“ (@Catholic4Choice). Ihre Kollegin Mary E. Hunt (@MaryEHunt) würdigt die Weggefährtin in einem Nachruf im National Catholic Reporter (@NCRonline):

Rosemary war eine Theologin von Weltrang. Sie war eine der ersten Feministinnen, die ausgiebig reiste, um Vorträge zu halten und zu lernen, und dabei Konzepte und Strategien vorstellte, die anderen Frauen dabei halfen, ihre eigenen Stimmen, Geschichten und Wege zu finden. Sie ging dorthin, wo sie eingeladen und gebraucht wurde, überall auf der Welt. Sie hörte zu, und es machte ihr Spaß. Wenn eine Gruppe etwas lernen wollte, war sie da, um zu lehren.

Weitere Erinnerungen finden sich auf der Website der „Women’s Alliance for Theology, Ethics and Ritual“ (@WATERvoices).

Predigt

Vom Atem der Sprache und dem Feuer der Schrift – Egbert Ballhorn (Pastoralblatt)

Pfingsten sei das einzige Fest im Kirchenjahr, an dem die neutestamentliche Lesung (Apg 2, 1-4) ein höheres Gewicht zu haben scheine als das Tagesevangelium, stellt Egbert Ballhorn in seinem exegetischen Beitrag für das Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin, Hildesheim, Köln und Osnabrück fest. Doch das sei sowohl nach der Konzeption des Gesamtwerks des Lukas als auch nach dem liturgischen Verständnis von „Evangelium“ als „froher Botschaft“ stimmig:

Die Taten Jesu fanden nicht allein in einer vergangenen und abgeschlossenen Sonderzeit statt, sie stehen vielmehr in einem großen Zusammenhang göttlichen Heilshandelns, (…] das sich nach Ostern in der Verkündigung der Apostelinnen und Apostel und im Handeln der Gemeinde fortsetzt. (…)

Was zu Pfingsten allgemein „Sprachenwunder“ genannt wird, ist ein komplexer Vorgang. Es ist ein Schöpfungswunder, ein Belebungsvorgang, es ist ein Wunder der Stimmwerdung, es ist ein Wunder der Aktualisierung und Deutung von Schrift, und es ist ein Wunder des Verstehens. (…)

Es braucht die Schrift, um das Erlebte zu deuten, um zur Sprache zu kommen. Ohne die deutenden Worte des Petrus bleibt das, was die Menge erfährt, Geräusch und Mirakel, Anlass zum Staunen, aber noch folgenlos. Erst die schriftgesättigte mystagogische Rede des Petrus bildet das Initialereignis der Deutung und des Verstehens.

Ein guter Satz