Nicht vom Brot allein – Die #LaTdH vom 10. März

Der Karneval ist endlich vorüber, die Fastenzeit vor Ostern hat begonnen. Außerdem: Kommunikative Ambivalenzen, katholische Narren und letzte Versuchungen.

Fastenzeit

Der Papst, das Fastengebot und die Umweltbewegung: Von der Tragweite einer gemäßigten Überlegung – Sören vom Schloß (y-nachten.de)

Fleischkonsum und Fleischverzicht sind Aufregerthemen – Forderungen wie nach einem #veggieday rufen sofortige Kritik hervor. In der Alten Kirche war dies kaum anders. Sören vom Schloß zeigt in seinem Beitrag im Theologie-Blog y-nachten (@ynachten), welche Potenziale in der alten christlichen Frömmigkeitspraxis des maßvollen Verzichts liegen könnten:

Die Bußtage der Fastenzeit sollen auch „Werken der Frömmigkeit“ dienen. Nicht nur, dass man mit einem kleinen Beitrag zum Erhalt der Schöpfung beisteuert. Als fromm dürfte auch gelten, sich dadurch auf die Gemeinschaft mit ärmeren Regionen der Welt zu besinnen. Nun mag das manchen Umweltaktivist*innen, überzeugten Veganer*innen und Vegetarier*innen vielleicht reichlich blass und gering erscheinen. Dem ist aber zu entgegnen, dass allein schon durch die Einhaltung einer alten Tradition viel bewegt werden kann, nicht obwohl, sondern weil sie, im Sinne eines für alle leicht machbaren Mittelweges, gemäßigt ist und damit auch für eine große Zahl von Menschen leicht zu plausibilisieren – mit dem Blick auf das viel bemühte Schlagwort der Nachhaltigkeit gewiss auch für diejenigen, die der Kirche und ihrer Botschaft eher fern stehen.

Sieben Wochen anders & der Fasten-Wegweiser 2019 (Andere Zeiten)

Fasten ist eine religiöse Praxis des Neuwerdens. Viele Wege tun sich auf, etwas im Leben anders zu machen. Wer aufbricht, um Neues ins Auge zu fassen, wer zu wandeln beginnt, hat schon den ersten Schritt dahin getan, auch sich selbst zu wandeln.

Mit der Aktion Sieben Wochen anders sowie vielfältigen Texten, Gedichten und Gedanken begleitet der gemeinnützige Verein Andere Zeiten Interessierte durch die Fastenzeit. Der Fasten-Wegweiser „wandeln“ folgt der besonderen Dynamik durch die sieben Fastenwochen. Er ermuntert zum Aufbruch und zur Neugier, bietet aber ebenso Raum für nachdenkliche Töne und schmerzhafte Themen.

Keine Fastenzeit to go – Tobias Rösmann (FAZ)

Die wahre Bedeutung der Fastenzeit werde im rasanten Alltag zunehmend verdrängt. Denn für eine innere Einkehr muss man sich auch Zeit nehmen können, meint Tobias Rösmann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Einem in der römisch-katholischen Stadtkirche in Frankfurt verteilten „Aschekreuz to go“ kann er daher nichts abgewinnen:

Kaum geistreicher sind die Aufrufe, in den nächsten 40 Tagen auf das Auto zu verzichten. Am besten stammen die noch von Betrieben des öffentlichen Nahverkehrs. Solche Aktionen entspringen dem herrschenden Geist moralisch einwandfreier Selbstoptimierung, mit dem Grundgedanken katholischer Fasten- und evangelischer Passionszeit haben sie wenig zu tun. Wo Verzicht auf Alkohol, Fleisch und Verbrennungsmotor gepredigt wird, müssen die Kirchen darauf achten, nicht zu Hilfskräften hochemotionaler Ersatzreligionen wie Klimaschutz und korrekter Ernährung zu werden.

Offenbar fällt die Beschäftigung mit politischen Konsequenzen des Glaubens schon unter das Verdikt „Ersatzreligion“. Letztlich fordert Rösmann den Rückzug in die private Spiritualität: es gehe in der Fastenzeit darum,

„zur Ruhe zu kommen, sich auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist. (…) Die Frage nach Gottes Existenz muss jeder für sich klären.“

Aschermittwoch: Bistümer warnen vor ätzenden Aschemischungen – Felix Neumann (katholisch.de)

Das Aschenkreuz zu Beginn der Fastenzeit soll für Besinnung sorgen – dabei gilt es aber, vorsichtig zu sein: Nicht sachgemäß gesegnete Asche kann sogar zum Gesundheitsrisiko werden, informiert Felix Neumann (@fxneumann)! Mehrere Diözesen warnen daher – und geben klare Regeln aus, wie etwa das Bistum Erfurt:

„Wer sich außen um verletzte Hautpartien kümmern muss, hat weniger Zeit, sein Inneres in Ordnung zu bringen“, teilte ein Sprecher der Diözese am Montag augenzwinkernd mit. Die Gefahr bestehe „nicht für die Bußgesinnung, aber für die Haut des Büßers, selbst wenn der ein dickes Fell hat“.

nachgefasst: #digitaleKirche

Nicht alles geht in 280 Zeichen – Wolfgang Huber (zeitzeichen)

Hinter der Paywall von zeitzeichen (@zeitzeichenNET) lässt sich Altbischof Wolfgang Huber (@Prof_Huber) – nach bescheidener Selbstauskunft „einer der profiliertesten Theologen Deutschlands und (…) Vordenker in ethischen Fragen“ – in über 3.000 Zeichen über „die Ambivalenz moderner Kommunikation“ aus. In seinem Beitrag stellt der frühere EKD-Ratsvorsitzende erneut sein Unverständnis des Phänomens #digitaleKirche unter Beweis – und beklagt sich über den für ihn ungewohnten Gegenwind:

Unlängst haben sich mehrere Kübel digitalen Spotts über mich ergossen, weil ich davor warnte, die digitalen Medien als Allheilmittel für die Kirche zu betrachten. Dass ich einen kurzen Ausschnitt aus einem Diskussionsbeitrag ausgerechnet auf Twitter veröffentlichte, machte die Sache noch schlimmer.

Ohne Namen zu nennen („das bleibt in solchen Zusammenhängen besser unerwähnt“), teilt der „Troll emeritus“ gegen Hanno Terbuyken (@dailybug), Leiter Digitale Kommunikation im Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP), und seinen Blog Confessio Digitalis aus.

Dort veröffentlichte Beiträge, die sich kritisch-konstruktiv mit seinen Thesen beschäftigen (etwa hier, hier oder hier), hat Huber offenbar bis heute genausowenig wahrgenommen wie die unfreiwillige Ironie, seine unterkomplexe Warnung vor der #Twitterfalle „ausgerechnet auf Twitter“ zu platzieren, anschließend dort aber jeder Kommunikation „aus dem Weg zu gehen“.

Um es mit Hubers eigenen Worten „etwas polemisch“ zu formulieren: Wer auch immer ihm morgens ausgewählte Tweets und Blogbeiträge mittels beweglicher Lettern ausdruckt, damit Vordenker Huber beim kohlenstofflichen Frühstück über den „medialen Quantensprung“ nachdenken kann, „den die Kunst des Buchdrucks für die Reformation bedeutete“, möge ihm den Beitrag „Wir brauchen (andere) Digitalprominente“ von Philipp Greifenstein (@rockToamna) empfehlen:

Die unfassbare Vielfalt der digitalen Kirche zeigt deutlich, dass der christliche Glaube immer noch Milieugrenzen überwinden kann. Wer Sinn und Geschmack für die Vielfalt christlicher Lebensentwürfe entwickeln will, der schaue auf die #digitaleKirche! Dort werden Menschen sichtbar, die in evangelischen Kirchgemeinden häufig unsichtbar bleiben. (…) Das müssen nicht zwangsläufig junge Menschen sein. Es braucht sichtbare Typen, die Digitalität grundsätzlich bejahen und kritisch reflektiert leben, die sich im Netz zuhause fühlen und die durch ihr öffentliches Auftreten deutlich machen, dass Kirche im Digital auch nur Kirche ist.

„Digitale Kirche“ ein Missverständnis – Knut Dahl-Ruddies (Pastorenstückchen)

In seinem Blog erklärt Knut Dahl-Ruddies (@knuuut) die Debatte über die #digitaleKirche nach dem jüngsten Beitrag von Huber für beendet:

Die Argumentation von Altbischof Huber hinkt der Zeit um mindestens zehn Jahre hinterher, als man noch erklären musste, ob pfarramtliche Zeit überhaupt für Tweets geopfert werden dürfte. Inzwischen darf Mann, sogar als Altbischof. Und man darf sogar die Erfahrung machen, dass die Welt voller Ambivalenzen ist, eben auch in moderner Kommunikation.

Und als so ziemlich letztes Wort zum Twitter-Nutzungsverhalten Hubers und seiner Botschaft an die analogen Leser der zeitzeichen:

Aber man muss schon eine besonders „idyllische Blase“ erwischt haben, wenn man zuerst steil behauptet, die „Kirche sei ein Ort der Begegnung an dem Menschen sich nicht durch twittern aus dem Weg gehen“, und sich dann wundert, dass genau dieses aus-dem-Weg-gehen nicht stattfindet, sondern einen Dialog öffnet, dem man sich dann aber verschließt. Dem geneigten Zeitzeichen Leser* wird dies freilich verschlossen bleiben, während die Phantasie, welche „Kübel des Spottes“ sich auf Twitter ergossen haben mögen, sicher an die Qualität reformatorischer Schmähschriften heranreichen dürfte.

Buntes

Islamdebatte: Wider die großen Schlagwörter – Tarek El-Sourani (feinschwarz.net)

Der Leipziger Islamwissenschaftler Tarek El-Sourani plädiert im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net) dafür, dass sich MuslimInnen konstruktiv mit ihrer lebendigen geistesgeschichtlichen Tradition auseinandersetzen. In der Debatte werde vorschnell eine „liberale Modernisierung“ als einzige Reformoption für den Islam genannt, ohne zu berücksichtigen, dass die

vollständige Infragestellung religiöser Traditionsbestände die MuslimInnen von grundlegenden Ressourcen für die so wichtige innermuslimische Selbstreflexion abschneidet.

El-Sourani hält den oft bemühten Verweis auf Martin Luther für „ein wenig hilfreiches Reformvorbild“ und fordert, den MuslimInnen sei „ein eigener Weg zur ethischen Erneuerung“ zuzugestehen:

Nicht selten beschleicht einen das Gefühl, dass der reformatorische Ruf zur bloßen Parole geworden ist, um den kulturellen Besitz auf der einen und das Defizit auf der anderen Seite anzuzeigen. Ähnlich wie bei IslamistInnen aller Couleur verbirgt sich hinter der Vorstellung noch die Idee des Islam als eines abgeschlossenen und totalen Gefüges, statt das Bild einer lebendigen Religion.

Die politische Theologie der neuen Rechten – Rolf Schieder (feinschwarz.net)

Ist die Ideologie der Neuen Rechten als Theologie zu betrachten? Und was unterscheidet diese von der Politischen Theologie der 1960er und 70er Jahre? Rolf Schieder analysiert ebenfalls auf feinschwarz.net eine Apokalyptik, die den gewünschten Ausnahmezustand selbst generiert:

Theologisch wäre es an der Zeit, die Differenz zwischen einer apokalyptischen und einer eschatologischen Politischen Theologie stark zu machen. Apokalyptiker sehnen den Endkampf zwischen Gut und Böse herbei. Eschatologiker hingegen sind von einer Theologie der Hoffnung erfüllt. Sie arbeiten nicht an der Apokalypse, sie verstehen sich vielmehr als geduldige Mitarbeiter am kommenden Reich Gottes. Dies markiert die theologische Differenz zwischen der Politischen Theologie der 68er Jahre und der Politischen Theologie der Neuen Rechten.

Gottes missbrauchte Dienerinnen – Eric Quintin und Marie-Pierre Raimbault (ARTE)

Nach zahlreichen Pädophilie-Skandalen erschüttert ein weiterer Vorwurf die römisch-katholische Kirche: Überall auf der Welt sollen Priester Nonnen schamlos missbraucht haben. Über zwei Jahre stellten die Filmemacher Eric Quintin und Marie-Pierre Raimbault Ermittlungen an. In dem Dokumentarfilm, der noch bis Anfang Mai in der Mediathek von ARTE (@ARTEde) zu sehen ist, enthüllen nun Opfer eines der bestgehüteten Vergehen der Kirche: #NunsToo!

#NunsToo: Sexueller Missbrauch an Ordensfrauen. Fakten und Fragen – Doris Reisinger (Stimmen der Zeit)

„Sexueller Missbrauch von Ordensfrauen ist weltweit verbreitet. In vielen Fällen nutzen die Täter hierfür ihre Rolle als Beichtväter oder geistliche Begleiter der Frauen aus“,

schreibt Doris Reisinger (@ReisingerWagner), Theologin und Buchautorin, frühere Nonne und Missbrauchsopfer. Ihr lesenswerter Beitrag aus den Stimmen der Zeit, Heft 6/2018, ist jetzt auch barrierefrei im Netz verfügbar:

Auf den erschreckenden, in diesem Artikel zusammengetragenen Befund scheint es mir nur eine angemessene Reaktion von kirchlicher Seite zu geben: Die Bedingungen des Missbrauchs zu untersuchen, die Täter zu konfrontieren und zur Rechenschaft zu ziehen und wirksame Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Fälle zu ergreifen. Zuallererst aber gilt es den Opfern die Angst vor dem Sprechen zu nehmen und ihnen Gehör zu schenken.

Hatte Luther nicht doch recht? – Alexander Görlach (katholisch.de)

In seinem Standpunkt auf @katholisch_de fragt sich Alexander Görlach (@agoerlach) nach der Lektüre des Enthüllungsbuches „In the Closet“ von Frédéric Martel (@martelf), ob Martin Luther nicht recht gehabt hat mit seiner Kritik am desaströsen Sittenleben, das er seinerzeit im Vatikan vorfand. Schlimmer noch:

Nichts hat sich geändert, glaubt man den Interviewten in Martels Buch. Die römische Kirchenhierarchie, ihr geistlicher Stand, ist moralisch erledigt. Den Gläubigen reißt zurecht die Hutschnur.

Wolfgang Thielmann (@ThielmannW) hat in der ZEIT-Beilage Christ & Welt (@christundwelteine ausführliche Rezension des Buches veröffentlicht.

Bibel

Der Narr von Nazareth. Über notwendige Korrekturen eines harmlos gewordenen Jesusbildes – Werner Kleine (Dei Verbum)

Werner Kleine (@WernerKleine), Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal, sieht „die Zeit ewig währender Karnevaliade“ in der römisch-katholischen Kirche noch nicht vergangen. Gerade dort sei „die Gefahr offenkundig groß, den Mangel an innerer Haltung mit äußerem Gepränge zu kompensieren“. In seinem Beitrag im Blog Dei Verbum (@Verbum_Dei) kritisiert er den kirchlichen Anspruch, die Botschaft Jesu bedürfe einer amtlichen Vermittlung, als Gefahrenquelle für Missbrauch und Vertuschung:

Anstand, Lauterkeit und Aufrichtigkeit sind die Waffen, mit denen der wahre Narr die Wahrheit aufdeckt und die Unverständigen entlarvt, indem er ihnen die Masken wegreißt. Dafür ist Energie nötig und Kraft. Lauter Widerstand ist nötig, bloß betend und kniend wollen nämlich nur die eine Kirche, die hinter dem Schein der Masken den Schutz vor denen suchen, die Rechenschaft fordern. Wer hingegen Jesus wirklich nachfolgt, darf nie schweigen – in diesen Zeiten schon gar nicht! Lautere Narren schweigt nicht: Shout out loud!

Predigt

Die letzte Versuchung – Josef Mohr (Stadtkirche Heidelberg)

In seiner Predigt über das Evangelium vom 1. Fastensonntag (Lk 4, 1-13) erinnert Pfarrer Josef Mohr an den Aufruhr um die Romanverfilmung „Die letzte Versuchung (Christi)“ vor dreißig Jahren und bekennt, es habe ihn „als junger Pfarrer und noch heute dann doch sehr nachdenklich gemacht, (…) wogegen wir glauben, uns schützen zu müssen, wenn uns schon der Gedanke unerträglich ist, Jesus habe, wie jeder normale Mensch, auch mit seiner Sexualität gerungen“:

Wenn uns dagegen die österliche Bußzeit dazu verhelfen könnte, unsere Schattenseiten, unsere geheimen Versuchungen und Abhängigkeiten vor Gott aufzudecken und ihm hinzuhalten; wenn wir Jesus, dem Christus, glauben könnten, dass er das alles am eigenen Leib, an der eigenen Seele erfahren hat und gerade deshalb zu heilen vermag, dann erst kommt dieser innere  Umwandlungsprozess voran, den die Bibel Umkehr nennt. Dann bekommt unsere Taufe wieder neuen Glanz, weil deutlich wird, dass Gott uns das neue Leben der Gnade nicht einfach überstülpen (will), sondern dass wir es mitten in den Versuchungen und Bewährungen des alltäglichen Lebens zum Vorschein bringen sollen.

Ein guter Satz