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Haushalt 2026: „Ein Armutszeugnis für diese Koalition“

Der Bundestag beschließt den Haushalt für das Jahr 2026: Trotz einiger positiver Ergebnisse, gibt es beim Gewaltschutz und bei den Hilfen für Betroffene Lücken. Außerdem: Meetings von Bischöfen, Lai:innen und Lesben.

Liebe Eule-Leser:innen,

heute beschließen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages den Bundeshaushalt für 2026. Die Koalition aus CDU/CSU und SPD nimmt eine Menge Geld in die Hand, um ihre politischen Ziele zu verwirklichen. Sondervermögen für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz stehen neben einem Bundeshaushalt, mit dem im erheblichen Maße auch Renten und Sozialleistungen abgestützt werden. Wo bleiben da die Interessen junger Menschen? Und wie schaut es mit den Interessen der Kirchen aus?

Ein Blick in den Haushalt für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend macht schlau. Am Dienstag dieser Woche, also ausgerechnet am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, wurde der entsprechende Einzelplan des Bundesministeriums von Karin Prien (CDU) im Bundestag verhandelt (Video, Zusammenfassung des Bundestages, Plenarprotokoll). Die CDU-Haushalterin Melanie Bernstein (Schleswig-Holstein, evangelisch) zeigte sich zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis: „Wir sortieren um, wir priorisieren, und wir beginnen mit der Konsolidierung.“

Doch wie sieht es beim Gewalt-, Kinder- und Jugendschutz aus, den sich die Koalitionäre doch auf die Fahne schreiben? Bernstein sprach gar vom „stärksten Akzent“ des Haushalts für Kinder und Familien. Und wie sieht es mit den Langzeitfolgen von (sexualisierter) Gewalt aus?

Eine positive Nachricht vorweg: Für die Freiwilligendienste wird es im kommenden Jahr deutlich mehr Geld aus dem Bundeshaushalt geben. 50 Millionen Euro gibt es zusätzlich für Freiwilliges Soziales Jahr und Bundesfreiwilligendienst. Das entspricht wohl ca. 13.700 neuen FSJ- und 3.400 neuen BFD-Stellen. Auch eine „Taschengelderhöhung“ für die Freiwilligen, die im Vergleich zu freiwillig Wehrdienstleistenden deutlich weniger „verdienen“, könnte damit drin sein. Nachdem noch im letzten Jahr bei den Freiwilligendiensten gekürzt werden sollte, ist dieser Aufwuchs ein Fortschritt. Und sicher auch im Sinne der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände, bei denen reichlich FSJler:innen und Bufdis beschäftigt sind.

Mehr Schutz für Frauen?

Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen wurde in diesem Jahr intensiv über die schwierige bis katastrophale Lage bei Frauenhäusern und in den Frühen Hilfen für Familien diskutiert und berichtet: Beide Systeme leisten wichtige Hilfen für Opfer von Gewalt im Ernstfall einer Intervention. Und beide stehen aufgrund des allgegenwärtigen Spardrucks in Kommunen, Ländern und im Bund unter starkem Druck.

An einer Reform des Gewaltschutzgesetzes arbeitet die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Stefanie Hubig (SPD). Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung liegt vor, mit dem stärker gegen häusliche Gewalt vorgegangen werden soll, die in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreicht hat. In seiner Stellungnahme zum Gesetzgebungsverfahren bezeichnet der Kinderschutzbund die Vorschläge der Bundesregierung als einen „guten Baustein“ des Gewaltschutzes, die „aber für sich genommen nicht ansatzweise reichen, um dem Problem von häuslicher Gewalt flächendeckend und wirksam entgegenzutreten. Insbesondere muss im Feld der Prävention und im Ausbau der Infrastruktur viel geschehen.“

Ein Umdenken in der Koalition, für das die Opposition von Grünen und LINKE Autor:innenschaft beansprucht, gab es zum Ende der Haushaltsverhandlungen bei der Finanzierung von Frauenhäusern. Aus dem Sondervermögen für Infrastruktur kann nun in die Sanierung der Häuser investiert werden (150 Millionen Euro). Anders als von CDU/CSU und SPD eigentlich gewollt, tritt der Bund bereits im kommenden Jahr auch mit regulären Haushaltsmitteln in die Finanzierung der Maßnahmen ein (30 Millionen Euro). Eigentlich war das erst ab 2027 vorgesehen. Und etwas mehr Geld – 5 Millionen Euro – gibt es auch für die Stiftung Frühe Hilfen. In dieser Woche fand außerdem im zuständigen Ausschuss ein Fachtag „Gemeinsam Gewalt gegen Frauen verhindern“ statt, bei dem Expert:innen sprachen.

Betroffene fallen hinten runter

Kein neues Geld sieht der Haushalt 2026 allerdings für den Fonds sexuellen Missbrauch (FSM) vor. Beim Fonds konnten Betroffene sexualisierter Gewalt unabhängig vom Kontext ihrer Tat erste Unterstützungshilfen beantragen, bevor sie – wenn überhaupt – auf dem Wege von Zivilklagen oder durch das staatliche Opferentschädigungsrecht Entschädigungen erhalten konnten. Die FSM-Leistungen sind häufig auch den Anerkennungsleistungen derjenigen Organisationen, in denen Betroffenen Gewalt angetan wurde, wie z.B. den Kirchen, vorausgegangen.

Der Fonds stellte niedrigschwellig Geld für Therapien, medizinische Hilfsmittel und Beratungen zur Verfügung, das Betroffene sexualisierter Gewalt auch weiterhin dringend benötigen. Die Mittel des Fonds wurden in den vergangenen Jahren nicht nur ausgeschöpft, sondern mit mehr als 50 Millionen Euro überzogen. Während der Ampel-Regierung wurde darum an seiner Abwicklung gearbeitet, ohne dass die damals zuständige Ministerin Lisa Paus (Grüne) sich um eine dringend notwendige Anschlussregelung gekümmert hätte (s. taz-Kommentare von Simone Schmollack von 2024 und von 2025).

Trotz eines Offenen Briefes an die Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (UBSKM), Kerstin Claus, sowie an die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsfraktionen, Matthias Miersch (SPD) und Jens Spahn (CDU), hat sich daran bisher nichts geändert. Im Brief, der von vielen Kinderschutzorganisationen sowie von Diakonie und Caritas gezeichnet ist, heißt es:

„Der FSM stellt häufig die einzige Möglichkeit für von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend Betroffene dar, eine Form der staatlichen Anerkennung und Unterstützung zu erhalten. Deshalb hat der Fonds eine besonders große Bedeutung für Betroffene. Uns – verschiedene Organisationen und Initiativen, die wir uns zu ganz unterschiedlichen Themen engagieren – eint die Überzeugung, dass der Fonds Sexueller Missbrauch weitergeführt werden muss.“

In der Haushaltsdebatte des Bundestages gab es von der Regierung selbst und aus den Regierungsfraktionen zu diesem anhaltenden Versäumnis keine Stellungnahme. Nur die Grüne-Abgeordnete Nyke Slawik (NRW, katholischer Background) und die Frauenpolitische Sprecherin der LINKE-Fraktion, Kathrin Gebel (NRW) sprachen den FSM kurz an.

Slawik berichtete davon, viele Abgeordnete und auch Ministerin Prien hätten sich erst in der letzten Sitzungswoche des Bundestages an einer Öffentlichkeitskampagne für den Schutz vor sexualisierter Gewalt beteiligt, „skandalös ist aber, dass Betroffene seit Monaten vor verschlossenen Türen stehen und vergeblich auf Hilfe warten“. Sie forderte: „Schließen Sie endlich die Versorgungslücke und sorgen Sie dafür, dass neue Anträge bearbeitet werden können!“

Immerhin einen Zwischenruf gab es von der CDU-Abgeordneten Anne König (Nordrhein-Westfalen, römisch-katholisch), die auch Mitglied in der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (KFD) ist: „Hätte sich Ihre Ministerin [die Grüne Familienministerin Lisa Paus, s.o.] frühzeitig gekümmert, wäre das alles gar kein Problem!“ Die Folgen sexualisierter Gewalt, die von Betroffenen nicht selten ein Leben lang getragen werden müssen, müssen für wechselseitige Schuldzuschreibungen von Politiker:innen herhalten.

Dabei macht sich der gesamte Bundestag beim Thema sexualisierte Gewalt gewohnheitsmäßig einen schlanken Fuß, nicht nur bei einer Neuregelung des FSM oder bei der Finanzierung der Arbeitsstellen bei der UBSKM. Auch von einer Initiative für ein (eigentlich dringend notwendiges) Bundesaufarbeitungsgesetz ist bisher nichts zu sehen, trotz anhaltender Forderungen von Fachgesellschaften und auch der Kirchen. Die LINKE-Abgeordnete Gebel klagte, dass es keine „dauerhafte Lösung“ für den FSM gebe:

„Menschen, die Schlimmstes erlebt haben, müssen weiter bangen, ob ihre Anträge bearbeitet werden, ob sie eine Entschädigung [sic!] bekommen, ob sie vielleicht noch mal einen Antrag stellen können. Sie lassen diese Menschen allein, und das ist ein Armutszeugnis für diese Koalition.“

Über die politische Dimension beim Thema sexualisierte Gewalt und über aktuelle Entwicklungen beim „Missbrauch evangelisch“ hatte ich vor wenigen Tagen anlässlich der EKD-Synode in Dresden hier in der Eule geschrieben. Und ein kleiner Hinweis: Auch im Monatsrückblick „RE: November 2025“ des „Eule-Podcast“, der morgen erscheint, wird es um dieses Thema gehen.

Aktuell im Magazin

Papst Leo über KI: Keine Ehrfurcht vor der Schönheit der Schöpfung – Philipp Greifenstein

Papst Leo XIV. hat seine Kritik an generativer Künstlicher Intelligenz erneuert. Auf einer Jugendkonferenz warnte er: „KI kann keine wahre Weisheit bieten.“ Kommt seine Mahnung in Kirche und Gesellschaft an?

„Mit seiner Mahnung zu Vorsicht und Zurückhaltung im Umgang mit „KI“ und zur Nachdenklichkeit angesichts von Algorithmen und Plattformmacht liegt Papst Leo XIV. sicher nicht auf der Linie der Interessen der großen Medienkonzerne, könnte aber zum Anstifter eines neuen digitalen Zeitgeistes werden, der stärker an der tatsächlichen conditio humana, an einer authentischen Sicht auf Menschheit und Schöpfung interessiert ist als an der Gewinnmaximierung der Plattform-Giganten.“

Die Kraft des gemeinsamen Verzichts – Philipp Greifenstein („Re:mind“-Newsletter)

Viele Kirchen und Organisationen verzichten lautstark auf das Investment in klimaschädliche Industrien. Auf der Weltklimakonferenz wird der Ausstieg aus fossilen Energien wenigstens diskutiert. Außerdem: Dokumentarfilm „Die Kinder aus Korntal“ und Bußtag und Ewigkeitssonntag.

„Der Klimakrise allein mit persönlichem Verzicht, mit „Klimafasten“ oder christlicher Genügsamkeit und Rhythmik zu begegnen, reicht nicht. Es kann nicht um eine individualethische Auflösung von gesellschaftlichen und politischen Problemen gehen. Als adventliche Praxis aber ergibt das Verzichten auch politisch Sinn.“


Zum Ende des Gedenkjahres an das Ökumenische Konzil von Nicäa vor 1700 Jahren, treffen sich heute der römisch-katholische Papst Leo XIV. und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel in der Türkei. Bei feinschwarz.net schreibt Katherine Kelaidis vom Institute for Orthodox Christian Studies in Cambridge zu diesem Anlass über aktuelle konfessionelle Verschiebungen mit und in der Orthodoxie:

„All dies zeigt, dass die Spannungen zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und dem Patriarchen von Moskau weit älter sind als der Krieg in der Ukraine und die gegenwärtigen globalen Kulturkämpfe, auch wenn beides am häufigsten als Erklärungsversuch für den wachsenden Riss in der orthodoxen Welt herhalten muss. Dieser lange gewachsene Riss macht die innerorthodoxe Verständigung inzwischen auch im größeren Rahmen unmöglich.“


Mit einem einstimmigen Beschluss einer Satzung für eine künftige Synodalkonferenz der katholischen Kirche in Deutschland ist die Sitzung des Synodalen Ausschusses in Fulda am vergangenen Wochenende zu Ende gegangen (s. Pressemitteilung). Die Satzung muss jedoch noch vom Vatikan gebilligt und von der Deutschen Bischofskonferenz und vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) einzeln verabschiedet werden.

Von einem „Minimalkompromiss“ spricht der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller, der an den Beratungen beteiligt war. Dem epd sagte Schüller, es sei „ein mit römischer Zustimmung rechtlich etabliertes Beratungsorgan“ geschaffen worden, doch zentrale Erwartungen des Synodalen Wegs hätten sich nicht erfüllt. Im Januar 2026 trifft sich der Synodale Weg zu seiner abschließenden Sitzung in Stuttgart.


Über das 40. Jubiläum der Lesbentagungen an der Evangelischen Akademie Bad Boll berichtet queer.de. Die traditionellen Treffen lesbischer Frauen haben eine bewegte Geschichte: Waren sie zunächst „eine Oase inmitten einer heteronormativ geprägten Gesellschaft“ und auch ein Ort des innerkirchlichen Widerstands, gebe es heute „mehr Offenheit, mehr Vernetzung, mehr Stimmen für Gleichberechtigung“. Trotzdem bleibe die „Realität ambivalent“.

„‚Es geht darum, dass wir Lesben unsere von Gott gegebene Würde und unsere Lebensrechte in den Kirchen ohne Diskriminierung leben können… Es geht um wirkliche Gleichwertigkeit und Gemeinschaft… um Raum zum Leben… um volle Menschlichkeit für alle‘, formulierten Teilnehmerinnen der Lesbentagung 1989.“


Erstmals sprachen in dieser Woche Betroffene sexualisierter Gewalt auf der Tagung der Landessynode der hannoverschen Landeskirche. Dafür hatten sie lange gekämpft. Einige der Betroffenen, die vor der Synode sprachen und zur Initiative „Vertuschung beenden“ gehören, kritisierten die Vorgänge im Nachgang auf Instagram und in einem eigenen Podcast.

Die Landessynode verabschiedete nach den Betroffenenstatements eine Erklärung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt, in der sie auch eigene Versäumnisse einräumte. Für den NDR kommeniert Florian Breitmeier das Geschehen, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat:

„Kritische Rückmeldungen von Betroffenen an die Kirche gab es zuhauf, auch konstruktive Vorschläge, wie der Tag anders hätte organisiert werden können. Dass die hannoversche Landeskirche hier nicht eine Lösung im Sinne aller Vortragenden fand, ist ein Armutszeugnis für eine Kirche in Umkehr. Die Vorwürfe lauten dann verständlicherweise: Kontrolle statt Offenheit, kirchlicher Selbstschutz statt ehrlicher Partizipation. Kaum etwas stößt Betroffenen im Umgang mit der Kirche aber so bitter auf wie erlebte Machtdemonstrationen im Deckmantel der Fürsorge.“

Im Monatsrückblick „RE: November 2025“ des „Eule-Podcast“, der morgen erscheint, sprechen Podcast-Host Michael Greder und ich auch über die Chancen und Probleme, die Betroffenenbeteiligung auf evangelischen Synodentagungen mit sich bringt. Was bringt das überhaupt? Und wie müssten evangelische Synoden an ihrem Selbstverständnis arbeiten, um betroffenensensibel und sachgemäß auf dem Handlungsfeld „Missbrauch evangelisch“ zu agieren?

Ein schönes erstes Adventswochenende wünscht
Philipp Greifenstein


Ein guter Satz

„Uns alle eint das Bestreben, Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt keinen Raum in unserer Kirche zu geben.“

– Versprechen der Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers


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