Essay Kirchenreform

Hierarchie in Bewegung?

Frauen, Diakone und Laientheolog:innen spielen in der katholischen Kirche längst eine bedeutsame Rolle. Doch stellen sie die Hierarchie grundsätzlich in Frage?

Das hierarchische Denken im Feld der römisch-katholischen Kirche ist schon seit langem in Bewegung, wenn auch nicht im Schwinden. Tabus fallen, die auch symbolisch die früheren Machtgewichte zwischen Laien und Priester im kirchlichen Feld bestimmten.

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ergriffen die Laien in der liturgischen Kommunion „barhändig“ – austeilend und empfangend – das „Allerheiligste“. Das war zuvor nur Priestern gestattet. In der Eucharistiefeier kamen Laien und Priester auch über die Änderung ihrer Zelebrationsrichtung (versus populum) tatsächlich auf „Augenhöhe“.

Weitere Relativierungen erfährt die priesterliche Position über den weitgehenden Wegfall der Priestersprache Latein. Das eschatologische Drohpotenzial der priesterlichen Predigten erlitt einen empfindlichen Plausibilitäts- und Geltungsverlust und auch darüber der Klerus einen kaum zu unterschätzenden Steuerungs- und Gewichtsverlust, indem Gott als unendlich Liebender zivilisiert wurde, sein Höllenfeuer erlosch und die Laien ihre Sündengeständnisse nicht mehr im Beichtstuhl deponierten.

Neue kirchliche Berufe – „Ständige Diakone“ und nichtgeweihte Laienberufe – bespielen schon seit Jahrzehnten Felder, die ehedem Priesterdömänen waren, und konfrontieren „die Kirche in geradezu exemplarischer Weise mit der Geschichtlichkeit ihrer eigenen Ämter“ (Rainer Bucher). Frauen sind (noch) nicht in das erneuerte Diakonenamt zugelassen, aber im „Ehrenamt“ der Kirche schon seit Jahren im Vormarsch, auch bei den Hauptamtlichen der Caritas.

Das Schwinden priesterlicher Präsenz und Macht im Alltag der Kirche täuscht aber darüber hinweg, dass das katholische soziale Feld nach wie vor von einer Grammatik der hierarchischen Kombinatorik binärer Logiken („Codes“) geprägt ist. Von Feinheiten abgesehen, gelten im Blick auf dieses katholisch-kirchliche Feld die folgenden primären Menschen- und Körperklassifikationen: 1. Menschen werden klassifiziert nach „ungetauft/getauft“ („gefirmt/nicht-gefirmt/gefirmt“); 2. Getaufte werden klassifiziert nach „weiblich/männlich“; 3. Männer werden klassifiziert nach „beweibt/unbeweibt“ bzw. „verheiratet/unverheiratet“; 4. Unbeweibte werden klassifiziert nach „ungeweiht/geweiht“.

Das Monopol über die sakramentalen Heilsmittel

Diese binären Logiken sind hierarchisch kombiniert, woran sich bereits eine Spezifik des römisch-katholischen Feldes erkennen lässt: Mit dieser Kombinatorik wird etwas, was in anderen gesellschaftlichen Feldern als sinn- und bedeutungslos gilt, in etwas umgewandelt, was allen Ernstes sinn- und bedeutungsvoll sein soll. Denn mit diesen Klassifikationen oder Codes geht ein evaluatives bzw. devaluatives Moment einher:

Getauften werden prinzipiell höhere, wenn nicht exklusive Chancen der Zuteilung von Heilsprämien zugeschrieben als Ungetauften. Getaufte Männer werden höher geschätzt als getaufte Frauen. Letztere werden dadurch devaluiert, dass ihnen nicht die Konsumption aller sieben Sakramente erlaubt ist. Ich erspare mir hier Zitate, die auch auf der semantischen Ebene erhebliche Diskriminierungen von Frauen im Feld der Kirche belegen.

Für getaufte, aber beweibte bzw. verheiratete Männer ist der Zugang zur Karriere innerhalb der Hierarchie der Geweihten ebenso blockiert wie der Zugang zu nach Geschlechtern streng separierten asketischen Kreisen des römisch-katholischen Feldes. Der Zugang zu dieser Form der Intensivierung katholischer Frömmigkeit, etwa Ordensgemeinschaften, wurde freilich auch unbemannten Frauen erlaubt, was sie den unbeweibten Männern insofern ähnlich macht, als sie sich vom „reproduktiven Geschäft zwischen den Geschlechtern“ (Hartmann Tyrell) fernhalten.

Allein diejenigen Akteure, die getauft, männlich, unbeweibt und geweiht sind, haben im Prinzip den Zugangsschlüssel zum Monopol über die sakramentalen Heilsmittel, einen Schlüssel, der selbst sakramental bestimmt ist. Und nur dieser Kombinationsschlüssel ermöglicht ab der mittleren Weihestufe des Priesters den Zugang zu den bischöflichen Ehrenrängen und zu jurisdiktionellen Kompetenzen, schließlich auch zur papalen Top-Position der Jurisdiktionshierarchie (Presbyter – Bischof – Papst).

Ständige Irritationen

In dieser positionellen Grammatik des Feldes lassen sich jedoch Ungetaufte nicht wegdenken, wenn von Getauften die Rede ist, Frauen nicht wegdenken, wenn von Männern die Rede ist, Verheiratete nicht wegdenken, wenn von Unverheirateten die Rede ist und Ungeweihte nicht wegdenken, wenn Geweihte zur Sprache kommen.

Es sieht so aus, dass diese konfessionsspezifische Grammatik immer weniger überzeugen kann, die äußeren und inneren Relationen und Grenzziehungen des römisch-katholischen Feldes zu markieren. Zumal diese binären Logiken im „Feld der Macht“ – also im Verkehr mit den anderen gesellschaftlichen Feldern – kaum mehr von Relevanz sind und „ungläubiges Staunen“ hervorrufen. Erodiert diese hierarchische Kombinatorik binärer Positionslogiken nicht auch innerhalb des kirchlichen Feldes? Mindestens fünf Irritationen der positionellen Grammatik im katholischen Feld lassen sich hierfür anführen:

(1) Die Neuinterpretation der Position des (Ständigen) Diakons seit dem 2. Vatikanischen Konzil sorgt für Irritation im Ordo, d.h. in der Hierarchie der geweihten Ämter. Zu 100 Prozent getauft und männlich, zu gut 90 Prozent verheiratet, unterscheiden sich diese Diakone, wie Rainer Bucher schreibt, „von allen anderen Klerikern in der katholischen Kirche – sieht man von verheirateten Priestern in den unierten Ostkirchen oder konvertierten Protestanten ab“. Diakone sollen „dem Volk Gottes in der Diakonie der Liturgie, des Wortes und der Liebe dienen“ (Can. 1009 § 3 CIC). Die Ständigen Diakone sind Kleriker, aber ohne Eucharistievollmacht. Als Kleriker unterscheiden sie sich von den Laien, und bringen in dieser positionellen Zwittrigkeit im kirchlichen Feld das klerikale Positionsgefüge „in Bewegung“, freilich nur „auf einer niedrigeren Stufe der Hierarchie“ (Lumen Gentium 29.1).

(2) Noch in den 1950er-Jahren spielte die Kombination „getauft“ und „unverheiratet“ bei der Besetzung von Positionen der verbandlichen Caritas eine erhebliche Rolle, waren doch 57 Prozent der damals gut 100.000 Mitarbeitenden Ordensleute, also „unbemannt“ und „unbeweibt“. Auch auf Leitungspositionen der Caritas war lange Zeit die erweiterte Code-Kombination „männlich“ und „geweiht“ Bedingung. Doch hat sich im Zuge des expansiven Anbaus dieses Leistungsbereichs des katholischen Felds in den vergangenen Jahrzehnten schon die Relevanz der ersten binären Logik abgeschwächt: „ungetauft/getauft“. Bei der Besetzung von hauptamtlichen Stellen kommt die Caritas hierzulande ohne Ungetaufte gar nicht mehr aus.

Auch die Unterscheidung „weiblich/männlich“ scheint in ihrer faktischen Präferenzstruktur bei der Caritas umgekehrt, sind doch Frauen unter den inzwischen mehr als 700.000 Beschäftigten der Caritas hierzulande mit ca. 82 Prozent deutlich überrepräsentiert. Die anderen beiden Unterscheidungen („unverheiratet/verheiratet“; „ungeweiht/geweiht“) werden bei der Caritas ebenso irrelevant gesetzt. Sogar auf den Spitzenpositionen vieler Diözesancaritasverbände und des Deutschen Caritasverbandes haben getaufte – und freilich ungeweihte – Frauen Platz genommen und die geweihten Männer abgelöst.

(3) Seit der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre ist zu beobachten, dass getaufte Frauen, bemannt oder unbemannt und selbstverständlich ungeweiht, im kirchlichen Ehrenamt im Vormarsch sind und viele der vormaligen Positionen von getauften und ungeweihten, beweibten oder unbeweibten Männern mehrheitlich ersetzen – bis in bestimmte liturgische Vollzüge und bis in die Vorstände der Pfarrgemeinderäte hinein.

Im September 2024 wurden im Bistum Limburg 12 Pastoralreferent:innen beauftragt. (Foto: Marius Jacoby)

(4) Auch vor dem Hintergrund massiver Einbrüche bei den Priesterweihen wurde Ende der 1960er und in den 1970er Jahren ein neuer Beruf in der pastoralen Arbeit eingeführt, für den die feldspezifische Kombinatorik von „weiblich/männlich“, „unverheiratet/verheiratet“ und „ungeweiht/geweiht“ außer Kraft gesetzt wurde. Laientheolog:innen stellen die Grammatik der kirchlichen Hierarchie durch die Einführung einer neue Unterscheidung, nämlich „theologisch unqualifiziert/qualifiziert“, in Frage. Inzwischen (2023/24) erreichen auch unter den „Laientheologen“ die Pastoralreferentinnen einen ähnlichen Anteil (1.479) wie ihre männlichen Kollegen (1.553), und zusammen mit der älteren Berufsgruppe der Gemeindereferent:innen, die traditionellerweise einen Überhang von Frauen kennt (2023: 3.181 zu 863), dominieren die Frauen (2023: 4.660 zu 2.416) unter diesen beiden Berufsgruppen von Laien im kirchlichen Feld mit 66 Prozent.

Wenn in der alltäglichen Vergangenheit die Kleriker nicht nur das sakrale, sondern auch das studierte – das gelehrte – katholische Christentum repräsentierten, ist zumindest dieses Monopol auf das kulturelle theologische Kapital mit den „Laientheolog:innen“ wohl irreversibel in Bewegung geraten, auch wenn der Run auf das Studium der Theologie an den elf theologischen Fakultäten in Deutschland erheblich eingebrochen ist. Unter den professoral Lehrenden finden sich dort übrigens noch weniger Frauen (ca. 20%) als auf den sogen. „mittleren“ und „oberen“ Führungspositionen an den kirchlichen Ordinariaten bzw. Generalvikariaten in Deutschland.

(5) Spätestens seit 2018 überlagern rein quantitativ ungeweihte Männer die geweihten Männer in den „oberen“ Führungspositionen in den deutschen Ordinariaten und Generalvikariaten. Sahen sich noch im Jahr 2013 83 ungeweihte Männer in den oberen Führungspositionen 108 Geweihten gegenüber, kehrte sich diese Dominanz regelrecht um: 2023 stehen mit 106 oberen Führungskräften mehr als doppelt so viele männliche Laien 49 Klerikern in diesen Spitzenpositionen gegenüber. Nimmt man noch die Frauen hinzu, die seit gut zehn Jahren programmatisch in die oberen Leitungsposition der bischöflichen Verwaltungen in Deutschland platziert wurden, haben wir dort inzwischen ein Verhältnis von knapp einem Viertel Klerikern zu drei Vierteln Laien.

Inzwischen besetzen sogar mehr Frauen (59) als Kleriker (49) Positionen der „oberen Leitungsebene“ in den Ordinariaten bzw. Generalvikariaten der deutschen Bistümer. Unter den mittleren Führungskräften stellen die männlichen Laien mit 329 Personen sogar rund das Zehnfache der Kleriker (32). Frauen stellen das Sechsfache der Kleriker in diesen mittleren Führungspositionen. Zusammen mit den 190 Frauen macht der Laienanteil auf der mittleren Führungsebene 94 Prozent aus.

Mittlerweile sind Frauen auch in kooperativen Modellen mit dem Generalvikar in der Leitung der deutschen Generalvikariate bzw. Ordinariate vertreten und mit Beate Gilles hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) eine Generalsekretärin: auf einer Position, die vorher Prälaten, also geweihte Männer, eingenommen hatten. Unter Papst Franziskus wurden Schwester Simona Brambilla an die Spitze des vatikanischen Ordensdikasteriums, Schwester Nathalie Becquart als Untersekretärin des Synodenrates und Schwester Raffaella Petrini als Generalsekretärin des Governatorats der Vatikanstadt berufen.

Hierarchie in Bewegung?

Die für das katholisch-kirchliche Feld typische Differenzierung und Hierarchisierung von bestimmten Menschen- und Körpersorten ist tatsächlich in Bewegung geraten. Ungetaufte, weibliche, verheiratete und ungeweihte „Wesen“ scheinen das katholisch-kirchliche Feld zu erobern. Das römisch-katholische Feld wird an allen Punkten seiner binären Unterscheidungen irritiert, von der Ausschlussseite dieser Leitdifferenzen gewissermaßen „unterspült“.

Sowohl in den pastoralen Funktionsbereichen als auch in den seelsorglichen und diakonischen Leistungsbereichen haben sich immer mehr vielfältige professionelle Unterscheidungen anderer gesellschaftlicher – sozusagen „weltlicher“ – Felder eingeschrieben. Diese funktionalen Logiken anderer Felder, die das Feld der Kirche durchziehen und durchdringen, es gestalten und prägen, geraten in Spannung zu der überkommenen spezifischen Logik des kirchlichen Feldes und seinen traditionellen Unterscheidungen.

Schaut man genauer hin, ist für die Euphorie von Laien jedoch kein Anlass. Denn ihre durchaus vermehrte Positionierung folgt nach wie vor der das römisch-katholische Feld bestimmenden Grammatik. Den Priestern beider Hierarchien des kirchlichen Feldes, dem Klerus der mittleren und höheren Weihe- und der unteren Jurisdiktionsstufung, ist es bislang erfolgreich gelungen, den Zugang zur „bevollmächtigten“ Verwaltung der feldspezifischen sakramentalen Heilsmittel zu schließen.

Die Unterscheidung „ungeweiht/geweiht“ bzw. „profan/sakral“ ist hierbei leitend. Sie bedeutet, eine Selektion und einen Ritus der Trennung durchlaufen zu haben, einer Trennung „nicht etwa von denen, die ihn noch nicht durchlaufen haben, sondern von denen, die ihn unter gar keinen Umständen durchlaufen werden“ (Pierre Bourdieu). Bestimmte Positionen werden nach wie vor als – wortwörtlich – „theologisch zwingend“ mit der Sakralsphäre verbunden definiert. Diese Verknüpfung gilt erst recht für die Besetzung der kirchlichen Spitzenämter, der Bischöfe, Kardinäle und der Position des Papstes.

So kann alles, was als profan definierbar ist, Laien – selbst Frauen und bei der Caritas auch Ungetauften – überlassen werden, nicht nur wenn sie unbemannt sind. Damit wird aber auch zum Ausdruck gebracht, die Verwaltung und Spendung von Sakramenten, von Mitteln zur Erlangung der Heilsgüter, als das Zentrum des kirchlichen „Selbstvollzugs“ (Karl Rahner) zu sehen. Dies liegt zugleich auf einer historischen Linie der Spiritualisierung der Kirche, die sich seit dem 19. Jahrhundert als Gegenprozess zur politischen Demokratisierung verfolgen lässt. Um dieses spirituell-institutionelle Zentrum herum wird die jederzeit reversible, faktisch aber wachsende Anlagerung profaner Elemente zugelassen, solange sie das Zentrum zu stabilisieren vermögen und nicht basal tangieren.

Dass Nichtkleriker und nun zunehmend sogar bemannte und unbemannte Frauen in kirchliche Führungspositionen gelangen und sogar in der päpstlichen Kurie Ordensfrauen, mag in der massenmedial bestimmten Aufmerksamkeitsökonomie als spektakulär erscheinen, liegt aber ganz auf der bisherigen Linie der sekundären Stabilisierung der Sakralhierarchie. Mit solchen Hirten- oder „Schäferspielen“ (Bourdieu) erfolgt jedenfalls kein irreversibler Eingriff in die sakral-institutionelle Positionsstruktur. Insofern haben wir hier interessante Beispiele dafür, dass Traditionen „nur überleben“ können, „wenn sie sich dauernd an veränderte Umweltbedingungen anpassen, etwa durch Interpretation vorhandener oder durch die Einfügung neuer Elemente“ (Helmut Zander): Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um Beispiele radikaler Innovationen, sondern allenfalls um Transformationen.

Allein diejenigen, die über den kumulierten Code der vier Unterscheidungen auf der Haben-Seite verfügen, also getauft, männlich, unbeweibt und geweiht sind, besitzen den Zugangsschlüssel zum sakramentalen Verwaltungsmonopol. Nach wie vor. Der sakra(menta)le Hauptbau bleibt für alle anderen nur auf der Empfängerseite geöffnet. Seine als göttlich vorgegeben definierte Hierarchie wird für sie nicht um- oder gar neugebaut. Sie ist bloß in Bewegung, weil ein- und angebaut wird – Baustellen zur Euphemisierung der Laien und zur sekundären Stabilisierung des klerikalen Hauptgebäudes.

Ein Rückzugsgefecht?

Dass es sich bei der seit langem beobachtbaren Verteidigung der feldspezifischen Grammatik hierarchischer Differenzierung und seiner grundlegenden Klassifizierung nach Klerus und Laien, insbes. Klerus und Laiinnen, um ein – metaphorisch gesprochen – klerikales Rückzugsgefecht handelt, dem eine Niederlage droht, halte ich für unwahrscheinlich.

Die Tatsache, dass Frauen – trotz jahrzehntelanger Forderungen – nach wie vor der Zugang zum Diakonat verwehrt wird, ist ein wichtiger Indikator für die Unwahrscheinlichkeit von Innovationen im kirchlichen Feld, dessen zentrale Akteure mit der jahrhundertelangen Trennung von Sexualität und Kult im Sinne der Unterscheidung von „unrein/rein“ bzw. „weiblich/männlich“ sozialisiert wurden. Wenigstens die rituelle Eingeschlechtlichkeit soll erhalten bleiben. Es fällt schwer, die Wahl von Kardinal Robert F. Prevost zum neuen Papst Leo XIV. nicht auch als ganz auf dieser Linie liegend zu interpretieren. In der Zulassung von Frauen zur Sakralhierarchie sah er zwar eine mögliche Problemlösung, doch eine solche mit noch größeren Folgeproblemen.

Schließlich wollen auch die meisten Reformgruppen zwar die Zugänge zu den Weiheämtern verändern, nicht aber die grundlegende Unterscheidung von Klerus und Laien. Selbst heterodoxe Akteure wie Paul Zulehner, die von einer verbunteten „Taufberufungskirche“ schwärmen und die Bezeichnung „Laie“ als „ekklesiologisches Unwort“ canceln wollen, verschieben den Zusammenbruch der positionellen Grammatik der katholisch-kirchlichen Feldes auf den Sanktnimmerleinstag: „Der Weg zu einer Kirche des Volkes Gottes, wie sie das II. Vaticanum ‚beschlossen‘ hat, ist noch sehr weit und beschwerlich“.

Auf Veränderung drängt jedoch, der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 6) zufolge, die Masse der katholischen Frauen und Männer. 90 Prozent von ihnen fordern zum Beispiel, dass Führungspersonen der Kirche durch die Kirchenmitglieder demokratisch gewählt werden können. Die Mehrheit der Kirchenmitglieder hierzulande scheint sich somit auf einer heterodoxen Feldposition zu bewegen. Woran liegt es, dass sie und Kirchenreformer:innen sich mit ihren Überzeugungen nicht durchsetzen können?

Der Schlüssel zu Erklärung des Misserfolgs der heterodoxen Akteure im Kirchenkampf wird man – folgt man einer von Pierre Bourdieu gelegten theoretischen Spur – einerseits in der Beharrungskraft der orthodoxen reformfeindlichen Kräfte und ihrem Drohpotential – z.B. mit Kirchenspaltung, Häresievorwürfen und der Kürzung finanzieller Mittel – und andererseits in der fragmentierten Positionierung der Heterodoxen zu suchen haben. Ihnen steht eine vergleichsweise geschlossene und international vernetzte Priesterschaft entgegen, die an ihren durch die Weihe zugeschriebenen ontologischen Sonderstatus tatsächlich glaubt und sich darin vor den Augen der Laien wechselseitig bestätigt und von diesen legitimieren lässt – nicht zuletzt bei den Riten der Priesterweihe oder jüngst im Kontext der Papstwahl. Die aus dem „Konklave“ Ausgeschlossenen bestätigten in einer Art von sekundärem Plebiszit den Pontifex maximus und seine hierarchische Gefolgschaft.

Diese und andere Formen der Kollaboration von Laien bei der Legitimierung und Stabilisierung des Status quo sind nicht zu unterschätzen, wenn etwa im neuesten Bericht über Frauen in kirchlichen Führungspositionen das Postulat zu lesen ist, dass eine Frau, wenn sie vom Bischof „als seine Stellvertreterin zu Gesprächen in Gremien, Gemeinden, Verbänden oder als seine Repräsentantin“ gesandt werde, dort „ebenso anzuerkennen“ sei „wie ein Weihbischof oder der Generalvikar“. Die Sakralhierarchie zuckt vielleicht und vibriert, aber sie kollabiert nicht. Sie bewegt sich immer wieder neu in ihrer singulären Pracht.


Der vorliegende Essay ist eine bearbeitete Fassung des Vortrags des Autors „Hierarchie in Bewegung? Neue Strukturen in der katholischen Kirche. Möglichkeiten und Grenzen“ im Haus am Dom (Frankfut am Main) vom 22. März 2025.


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