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15 Jahre – Die #LaTdH vom 19. Januar

Vor fünfzehn Jahren begann mit den Enthüllungen am Canisius-Kolleg die Missbrauchskrise der Kirche in Deutschland. Außerdem: Bayerische Versäumnisse und Albert-Schweitzer-Jubiläum.

Herzlich Willkommen!

Alles begann mit dem Mut der Betroffenen. „Der Stein, der alles ins Rollen brachte, was später als ‚Missbrauchsskandal‘ in der katholischen Kirche in Deutschland bekannt wurde“, war das Gespräch, das drei ehemalige Schüler des Canisius-Kollegs in Berlin am 14. Januar 2010 mit dem damaligen Schulleiter Pater Klaus Mertes führten. Sie legten darin den jahrelangen systematischen sexuellen Missbrauch von Lehrern an mehreren Schülern des angesehenen Westberliner Gymnasiums offen. Mertes glaubt ihnen und bemüht sich um Aufklärung. Er schreibt einen Brief an alle ehemaligen Schüler und er sucht den Weg in die Öffentlichkeit. „Die Aussage, es wären immer nur Einzelfälle, war schlagartig weggefegt“, erklärt er bei Benjamin Lassiwe im Tagesspiegel anlässlich des 15. Jahrestages.

15 Jahre ist die Aufdeckung der Missbrauchsverbrechen am Canisius-Kolleg nun her. Für die Missbrauchskrise der Kirchen in Deutschland bleibt dieses Datum bedeutsam, auch wenn durch Forschung und Recherchen erwiesen ist, dass nicht nur die Missbrauchsverbrechen, sondern auch das institutionelle Wissen, die Mitwisserschaft von Verantwortlichen und Bystandern, Jahrzehnte hinter das Jahr 2010 zurückreichen. Dass auch in Deutschland in den Kirchen Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen sexualisierte Gewalt angetan wurde (und wird), war für viele Menschen vor 15 Jahren ein Schock. Sie verorteten den Missbrauch allein bei Sekten oder in den verbrecherischen, stickigen katholischen Kulturen einiger US-amerikanischer und irischer Bistümer.

Doch weit gefehlt: Nicht nur gab (und gibt) es sexuellen Missbrauch, wie wir heute wissen, überall auf der Welt und in allen noch so unterschiedlichen Kirchen, Frömmigkeiten und Institutionen, er fand (und findet) auch direkt in unserem Umfeld statt, in den Familien, Gemeinden, Vereinen, in der Pflege, in Kindergärten und -Heimen, in Internaten und Schulen.

Vor 15 Jahren begann die Missbrauchskrise der Kirchen in Deutschland, weil zunehmend eine Öffentlichkeit fand, was zuvor unter Betroffenen, Angehörigen und Gemeindemitgliedern nur verschämt gemunkelt und von vielen verantwortlichen Vorgesetzten und Bischöfen vertuscht wurde. Dabei sind die Enthüllungen am Canisius-Kolleg in vielerlei Hinsicht paradigmatisch für die Aufarbeitung seitdem: Alles beginnt mit den Betroffenen, die den Mut aufbringen, Aufklärung einzuklagen. Immer wieder ist es an ihnen gelegen, trotz aller Beteuerungen von Kirchenvertreter:innen, doch selbst aufklärisch wirken zu wollen. Dann braucht es Menschen in Verantwortung, die zuhören und den Betroffenen Glauben schenken. Hier hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich einiges getan, denn sexualisierte Gewalt ist in den des Möglichkeitsraum des Denkens gerückt.

Dann muss, oder besser: müsste, die anfängliche Enthüllung in einen Prozess überführt werden, der Betroffenen – wenn gewünscht – umfassende Aufklärung „ihres“ Tatkontextes und eine angemessene institutionelle Verantwortungsübernahme ermöglicht, zu der auch eine finanzielle Entschädigung gehören kann, die das tatsächlich verursachte Leid berücksichtigt, d.h. auch die (Spät-)Folgen des Missbrauchs. Aus den Dynamiken und Strukturen des Missbrauchs der Vergangenheit müssen die Kirchen zudem für die Zukunft lernen: Was muss anders werden, damit sich sexualisierte Gewalt möglichst selten ereignet, damit sich Täter in der Kirche nicht verstecken können, damit Betroffenen schnell und umfassend geholfen werden kann?

Diese Fragen von Intervention und Prävention sind in den Kirchen hierzulande ausführlich bearbeitet worden. Die „ForuM-Studie“, die im Januar 2024 veröffentlichte Studie zur sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen in der Evangelischen Kirche und Diakonie (wir berichteten), spricht darum von einer „Flucht in die Prävention“. Sich bessern wollen die Kirchen durchaus, aber gehen doch trotzdem an den Bedürfnissen der Betroffenen vorrüber, wie sie zum Canisius-Jahrestag lautstark beklagen.

Bis heute trauen sich viele Betroffene von sexualisierter Gewalt aus guten Gründen nicht, sich bei der Kirche zu melden. Das Vertrauen in die kirchlichen Aufarbeitungsprozesse ist mehr als angekratzt. Das behindert bis heute eine umfassende Aufklärung und Aufarbeitung, wie es sie in anderen Ländern durchaus gegeben hat. „Die Kirche kann sich nicht selbst aufklären“, ist deshalb einer der Sätze geworden, den man in der Missbrauchskrise von vielen Akteur:innen hört, von Betroffenen(-sprecher:innen), Bischöfen, Expert:innen und wenigen Politiker:innen. Die Kirchen müssen ein eigenes Interesse an umfassender Aufklärung und Aufarbeitung entwickeln. Lernen, dass sie nur so Glaubwürdigkeit wieder herstellen können.

Zugleich braucht es „15 Jahre nach Canisius“ endlich auch den politischen Willen, sexualisierte Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem in all seiner Vielfalt anzuerkennen und mutige Schritte für Prävention, Aufklärung und Entschädigung zu gehen.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Canisius-Kolleg: Missbrauchs-Opfer warten weiter auf angemessene Entschädigung – Jo Goll und Torsten Mandalka (RBB)

Zum 15. Jahrestag der Enthüllungen am Canisius-Kolleg hat in Berlin ein Treffen von Betroffenen stattgefunden. Der RBB hat die Chronologie des Canisius-Skandals in diesem Jahr mit mehreren Berichten flankiert, u.a. einem etwas längeren Beitrag von Jo Goll und Torsten Mandalka über den Stand der Aufklärung und Entschädigung nach 15 Jahren.

Breiten Raum in diesem Artikel und in der weiteren Berichterstattung (z.B. Bericht von Claudia Laak im DLF) nimmt die Forderung der Betroffenen nach angemessener finanzieller Entschädigung ein. Zur Erinnerung: Beide großen Kirchen haben sich seit Anfang der 2010er-Jahre auf sog. Anerkennungsleistungen festgelegt, die sowohl eine Form der institutionellen Verantwortungsübernahme darstellen als auch Betroffenen ohne den Weg vor ein staatliches Gericht den Erhalt von finanziellen Unterstützungsleistungen, z.B. für Therapien, und Anerkennungszahlungen ermöglichen sollen. Zugleich ist deutlich geworden, dass über viele Jahre viel zu geringe Summen an Betroffene gezahlt wurden, die sich den kirchlichen Anerkennungsleistungsverfahren ausgesetzt haben.

Die Kirche bot den Betroffenen zunächst pauschal 5.000 Euro, […] [i]m Lauf der Jahre hat sich die Summe erhöht, auf durchschnittlich rund 20.000 Euro pro Betroffenem. Im Gespräch mit dem rbb erklärt Pater Manfred Kollig, Generalvikar des Erzbistums Berlin, warum die Katholische Kirche bis heute den Terminus Entschädigung vermeidet und nie direkt mit den Betroffenen verhandelt hat. „Es ist aus meiner Sicht schwierig, es mit den Betroffenen auszuhandeln“, sagt er.

Es sei eine juristische Frage, „letztendlich würde da nur helfen, wenn man das wirklich unabhängig klären lässt“. Doch wenn die Betroffenen für diese „unabhängige“ Klärung vor ein Zivilgericht ziehen, verweigert sich die Kirche immer wieder und beharrt darauf, dass die Fälle längst verjährt seien. Deswegen fordert der „Eckige Tisch“ inzwischen von der Politik, die so genannte „Verjährungseinrede“ in diesen Fällen durch eine Gesetzesinitiative auszusetzen. Eine weitere Forderung der Betroffenen läuft darauf hinaus, eine Entschädigungsfonds einzurichten, aus dem Schmerzensgelder und Entschädigungen bezahlt werden.

Über 40 Millionen Euro hat die katholische Kirche inzwischen insgesamt an Betroffene sexualisierter Gewalt gezahlt. Das UKA-Verfahren (Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen) hat seit 2021 diese Zahlungen „in Anerkennung des Leids“ der römisch-katholischen (Erz-)Bistümer in Deutschland vereinheitlicht und beschleunigt. Betroffene kritisieren bis heute die Intransparenz der Verfahren und die zum Teil geringe Höhe der zugesprochenen Summen.

In den Kirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) steht eine Harmonisierung der Anerkennungsleistungen und Verfahren noch aus. Eine zentrale Kommission für die Anerkennungsleistungen für die EKD-Gliedkirchen soll es nicht geben, sondern nur eine (weitestgehend) Vereinheitlichung von Verfahrensordnung und Leistungen. Eine endgültige Entscheidung dazu soll im Frühjahr 2025 gefasst werden.

Doch Anerkennung geht nicht im Überweisen von Geldsummen auf. Es geht, fordern Betroffenensprecher:innen immer wieder, um eine umfassende Verantwortungsübernahme, auch ein öffentliches Eingeständnis und Schuldbekenntnis der Kirchen, nicht in einer allgemeinen Form, sondern in jedem Tatkontext. Auch darum bedarf es der umfassenden Aufklärung der Tatvorgänge. Andernfalls geraten kirchliche Zahlungen doch wieder in den Geruch, „Almosen“ zu sein, wie Matthias Katsch, selbst Betroffener am Canisius-Kolleg und Sprecher des Betroffenenvereins „Eckiger Tisch“ gerade wieder im Interview bei Annette Zoch in der Süddeutschen Zeitung (€) beklagt.

Im Bilanz-Interview bei Steffen Zimmermann von katholisch.de problematisiert auch Pater Klaus Mertes die Anerkennungsleistungsverfahren der katholischen Kirche. Er sieht vor allem die Politik am Zug, wenn es um die Rechte der Betroffenen geht.

Claus: Betroffene stehen nicht wirklich im Zentrum kirchlichen Handelns – Interview mit Kerstin Claus von Louis Berger (Kirche + Leben, €)

Im Interview bei Kirche + Leben lobt die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM), Kerstin Claus, die katholische Kirche für ihre Bemühungen um die Prävention sexualisierter Gewalt und verteidigt auch das UKA-Verfahren als Form der kirchlichen Verantwortungsübernahme. Zugleich brachte sie in den vergangenen Tagen abermals die Idee einer nationalen Stiftung in die Debatte ein, die Entschädigungszahlungen unabhängig von Tatkontexten und Institutionen an Betroffene sexualisierter Gewalt auszahlen könnte.

Claus wiederholt auch ihre Forderung, das „Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ noch in dieser Legislatur zu beschließen. Die letzte Gelegenheit dazu bietet sich in der Sitzungswoche des Deutschen Bundestages, die am 29. Januar beginnt.

Es ist ein verheerendes Signal, dass dieses Gesetz bis heute nicht verabschiedet wurde. Es gibt einen übergreifenden Konsens unter allen demokratischen Parteien, den Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen über solch ein Gesetz zu stärken. Die Ampelregierung hatte sich im Koalitionsvertrag hierzu verpflichtet, die Union unterstützt dies ausdrücklich. Möglicherweise haben die Verantwortlichen gedacht, dass sie auch morgen noch darüber sprechen können, nur irgendwann ist „morgen“ dann zu spät.

Deshalb muss sich die Politik Kritik gefallen lassen: Der klare Wille hat am Ende gefehlt. Derzeit ist für mich weiter unklar, ob das Gesetz in der letzten Januarwoche im Bundestag noch beschlossen wird oder nicht. Für Betroffene ist das ein Schlag ins Gesicht, dass die aktuelle Bundesregierung hier konsequentes Handeln versäumt hat.

Egal, ob es um eine nationale Aufarbeitungsstiftung, die Verjährungsfristen in Zivilprozessen oder die eigentlich dringend notwendige Reform des staatlichen Opferentschädigungsrechts (deutlich geringere Nachweispflichten) geht: „Die Politik“ hat sich in den vergangenen Jahren extrem zurückgehalten, obwohl die Dringlichkeit offenbar ist. Viele Betroffene, gerade aus diakonischen und caritativen Kontexten, haben längst das Rentenalter erreicht. Dass Missbrauch nicht allein ein Problem der Kirchen ist, müsste längst antizipiert sein. Doch viele Abgeordnete des Deutschen Bundestages und Akteur:innen in Berlin und in den Ländern machen einen weiten Bogen um das unangenehme Thema.

Nun droht selbst die gesetzliche Verankerung des Amtes der UBSKM und der bei ihr angesiedelten Kommission und Arbeitsstellen der vorgezogenen Bundestagswahl zum Opfer zu fallen. Im UBSKM-Gesetzentwurf sind ohnehin nur jene Maßnahmen noch enthalten, die Politik und Steuerzahler kein zusätzliches Geld kosten sollen. An dieser Stelle ein verärgerter Gruß an den ehem. Bundesminister der Finanzen von der FDP, Christian Lindner. Das Gesetz ist jetzt schon kein großer Wurf, aber es wäre ein Armutszeugnis aller Abgeordneten im Deutschen Bundestag, wenn es jetzt nicht den Weg in die 2. Lesung und Abstimmung fände.

nachgefasst

Schwere Vorwürfe gegen Pfarrer aus Berchtesgaden wegen Kinderpornografie – Susanne Schröder (epd, Sonntagsblatt)

Ein pensionierter evangelischer Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) wurde zwei Mal wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt. Doch schon während seiner Dienstzeit soll er sexualisierte Gewalt verübt haben. Eine Gruppe Betroffener macht darauf nun aufmerksam. Kirchenvertreter haben offenbar nicht (genau) zugehört. Den kirchlichen Ansprechstellen vertrauen die Betroffenen nicht (die entsprechenden Strukturen der ELKB stehen immer wieder in der Kritik). Alles hängt wieder einmal am Engagement einzelner Akteur:innen.

Den ehemaligen Kirchenvorsteher [Jürgen Bannasch] treiben diese [Betroffenen-]Geschichten um, die er zum Teil aktiv erfragt, zum anderen Teil angetragen bekommen hat. Er ordne im Rückblick manche Dinge anders ein. „Es ist die Aufgabe der damals Aktiven, die eigene Rolle zu hinterfragen und sich um Aufklärung zu bemühen – im Sinne der Opfer“, sagt er.

Auf die konkreten Vorwürfe reagiert der Münchner Regionalbischof Thomas Prieto Peral auf epd-Anfrage mit Betroffenheit. […] „Es tut mir unendlich leid, dass Kinder so etwas ein Leben lang als Erinnerung mit sich herumschleppen müssen“, sagt der Theologe, der im Rahmen der Aufarbeitung Betroffene gebeten hat, sich bei der kirchlichen „Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt“ zu melden. Dass jemand von den Betroffenen diesen Schritt tut, bezweifelt Jürgen Bannasch. „Viele empfinden diesen Aufruf als Augenwischerei, als Versuch der Kirche, die Deutungshoheit zu behalten“, […]. Er selbst habe jedoch nach seinem Leserbrief rund 25 Zuschriften bekommen. Eine habe ihm deutlich gemacht, dass Betroffene das, „was wir vielleicht neutral als unangemessene Handlung oder Übergriffigkeit bezeichnen“, viel drastischer empfanden: Der Absender habe es als „an ihm hinterlassene Handschrift“ bezeichnet.

Im Dezember 2024 war in der bayerischen Landeskirche ein Missbrauchsfall bekannt geworden, nachdem juristische Verfahren und die kirchliche Befassung bereits mehrere Monate lang hinter den Kulissen liefen. Täter war ein Pfarrer, der als junger, verheirateter Familienvater exakt dem entspricht, was die „ForuM-Studie“ als typisches Täterbild in den evangelischen Landeskirchen beschrieben hat. Auch bei diesem Fall stellen sich gewichtige Fragen an den Umgang mit dem Fall, den Betroffenen und der Gemeinde, berichtet der BR.

Der epd berichtet mit Rückgriff auf eine Abfrage bei den evangelischen Landeskirchen, dass sich seit der Veröffentlichung der „ForuM-Studie“ deutlich mehr Betroffene sexualisierter Gewalt bei den kirchlichen Ansprechstellen gemeldet haben.

Buntes

Papst Franziskus klagt über die Welt – und hofft – Christoph Strack (Deutsche Welle)

Seit bald 12 Jahren ist Jorge Bergoglio als Papst Franziskus Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Nun hat er gemeinsam mit dem italienischen Journalisten Carlo Musso eine Autobiografie vorgelegt, aus der katholische Medien wie katholisch.de in der vergangenen Woche gleich mehrere Nachrichtenmeldungen destillierten. Bei der Deutschen Welle gibt Christoph Strack einen Überblick darüber, wie das Werk entstanden und was im Buch zu stehen gekommen ist:

In kirchlicher Sprache ist das, was Franziskus erzählt, „Theologie des Volkes“. Dazu passt – ein zentraler, auch graphisch hervorgehobener Text des Buches – sein „persönliches Glaubensbekenntnis“. Ein Text wie ein Testament. Die Heldinnen und Helden in seiner großen Erzählung sind nicht die Mächtigen, sondern Menschen, die Leid erfahren haben. Bei diesen Ausführungen scheint Franziskus einfach nur Seelsorger, den der Schmerz der Betroffenen erschüttert.

Kritik am Buch formuliert mit Austen Ivereigh ein anderer Franziskus-Biograf bei The Tablet (€) (Zusammenfassung auf Deutsch bei katholisch.de): Das Buch sei fehlerhaft, würde wenig Neues enthalten, dafür aber Passagen, die „zu offensichtlich“ nicht von Franziskus selbst stammten.

Die Shortlist des Evangelischen Buchpreises steht fest (Evangelisches Literaturportal)

Vierzehn Bücher, darunter 4 Romane, 5 Kinder- und Jugendbücher sowie 5 Sachbücher, stehen auf der Shortlist des in diesem Jahr erstmals mit 10.000 € dotierten Evangelischen Buchpreises. Beim Evangelischen Literaturportal, dem Verband für Büchereiarbeit und Leseförderung, der mit 400.000 € p.a. aus dem Haushalt der EKD finanziert wird und Gemeinde- und Patientenbibliotheken und Ehren- und Hauptamtliche in diesen Arbeitsbereichen unterstützt und vernetzt, finden sich Informationen zu allen Büchern auf der Shortlist, aus der im Februar ein Siegerbuch gewählt wird. (Mein offensichtlicher Favorit: „Oma verbuddeln“ von Birgit Schössow.)

Happy Birthday Albert? – Philipp Greifenstein (zeitzeichen)

In der „z(w)eitzeichen“-Kolumne bei den zeitzeichen habe ich über den 150. Geburtstag von Albert Schweitzer geschrieben, der in diesen Tagen – u.a. mit einem Festvortrag des ehem. bayerischen Landesbischofs und EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm (Link im Artikel) – gefeiert wird. An Schweitzers Werk und Leben wird postmortal reichlich Kritik geübt.

Wie auch beim anderen, noch ein wenig prominenteren protestantischen Heiligen des 20. Jahrhunderts, Dietrich Bonhoeffer, gehört es sich heute wohl, dem Pathos von Jubiläen und Gedenktagen – die Ermordung Bonhoeffers jährt sich im April zum 80. Mal – auch eine gründliche Historisierung und Kritik beizugesellen. […]

Es ist die Hoffnung, von der Bedford-Strohm meint, dass Christ:innen und Kirchen sie der Gesellschaft schuldig sind, gerade in Zeiten, die doch recht trostlos und hoffnungsleer erscheinen. „Zuversicht“ wird in Deutschland auf Wahlplakaten derzeit geradezu eingefordert. Die Kraft dazu bringen momentan nicht allzu viele Menschen auf, auch weil unter dem Ansturm der Hiobsbotschaften und schlechten Nachrichten unbestreitbare Fortschritte auf dem Weg zu mehr Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung untergehen zu drohen.

Vielleicht ist es darum doch nicht ganz falsch, von Albert Schweitzer, Dietrich Bonhoeffer und den anderen Christenmenschen zu erzählen, die in noch viel hoffnungsloserer Zeit gelebt haben? […] Aber allein durch die Geschichten und auch durch das feierliche Zelebrieren von Jubiläen stellen sich Hoffnung und Zuversicht nicht ein. Womöglich müssen wir neu mit einer Hoffnung rechnen lernen, die sich vorübergehend in der Form von Abwesenheit darstellt, die nicht verfügbar ist und bei allem guten Willen nicht erzeugt werden kann.

Ein guter Satz

„Auch die Kirche soll einen Raum bieten, wo Menschen hinkommen können, so, wie sie sind. Ganz oft schaffen wir das nicht, sondern werden als eingrenzender oder gefährlicher Ort wahrgenommen.“

– Eva Puschautz, eine der Initiatorinnen des theologischen Taylor-Swift-Workshops an der Universität Wien in einem Die Presse-Bericht (mehr dazu unter „Theologie“ in den #LaTdH von vergangener Woche)


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