Eine polnische Seligsprechung
Kardinal August Hlond half der katholischen Kirche in Polen durch NS-Zeit und Weltkrieg, wegen seines Antisemitismus und Stimmungsmache gegen Deutsche steht er auch in der Kritik. Nun soll er seliggesprochen werden.
Wie die Katholische Nachrichtenagentur berichtet, hat das Seligsprechungsverfahren für den polnischen Kardinal August Hlond eine wichtige Hürde genommen. Die Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen des Vatikan befürwortet nach Aussage von Bogusław Kozioł, der als Anwalt des Seligsprechungsverfahrens wirkt, die Anerkennung des „heroischen Tugendgrades“. Die Unterschrift des Papstes allerdings stünde noch aus.
Dann wäre offiziell bestätigt, dass Kardinal Hlond „die christlichen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung in herausragender Weise gelebt hat und verehrenswürdig ist“. Zu einer Seligsprechung fehlte dann nur noch die Anerkennung eines Wunders, „das in Folge eines Bittgebets an Hlond nach dessen Tod eingetreten ist.“
Der umstrittene Kardinal
Dass Kardinal Hlond selig gesprochen werden soll, wird seit Beginn des Verfahrens 1992 immer wieder kritisiert. Hlond hatte sich als Primas der Polnischen Bischofskonferenz von 1926 bis 1948 für die Eigenständigkeit der Kirche eingesetzt. Papst Pius XI. ernannte ihn 1926 zum Erzbischof von Posen und Gnesen, schon ein Jahr später berief er ihn in das Kardinalskollegium.
Nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen floh Hlond in den Vatikan, von wo aus er in Berichten für Radio Vatikan über die Verfolgungen und Verbrechen der Besatzer aufklärte. Diese Berichte fanden später Eingang in die Unterlagen, welche die polnische Regierung dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal zur Verfügung stellte. Durch den Druck deutschfreundlicher Kreise aus Rom vertrieben, verbrachte Hlond die nächsten Kriegsjahre in Lourdes, bevor er – von den Amerikanern aus Gestapo-Haft befreit – im Juli 1945 nach Polen zurückkehrte.
Kritik am Seligsprechungsverfahren wurde zunächst von deutschen katholischen und evangelischen Publizisten geäußert. Im Zentrum der Kritik steht sein eigenmächtiges Handeln bei der Absetzung der deutschen Bischöfe auf dem Gebiet des heutigen Polens nach Kriegsende. „Unter Verletzung des Kirchenrechts und Vortäuschung päpstlicher Vollmachten habe er im Sommer 1945 die deutschen Jurisdiktionsträger aus den Oder-Neiße-Diözesen zur Resignation gezwungen und anschließend in den verwaisten Sprengeln eine polnische Kirchenverwaltung installiert.“ (*)
In der Tat wurden die zum Teil seit der Reformation bestehenden evangelischen Gotteshäuser zügig und ohne großes Federlesen re-katholisiert. Kardinal Hlond meldete dem Vatikan stolz: „Der Spuk des Luthertums östlich von Oder und Neiße ist beendet.“ Evangelisch sein wurde mit Deutsch sein verknüpft. Vor dem 2. Weltkrieg zählte die Nach Flucht und Vertreibung der meisten Deutschen verblieben auf dem Gebiet Polens nur wenige Protestanten. Heute gehören 85 000 von 38,5 Millionen Polen einer protestantischen Kirche an.
„Haltet euch fern vom schädlichen Einfluss der Juden ..“
Judenfeindliche Äußerungen des Kardinals sind schon länger bekannt, sie galten lange als zeittypisch für das katholisch-polnische Milieu, in dem Hlond wirkte. 1946 bezeichnete Hlond in einem Brief an Pius XII. die neuen polnischen Behörden in Breslau als die „am rötesten und am stärksten verjudet in ganz Polen“ – eine Äußerung, in der die vielgelobte Gegnerschaft Hlonds gegenüber dem Kommunismus mit antisemitischem Ressentiment verknüpft ist.
Rabbi David Rosen, Direktor für Internationale Interreligöse Angelegenheiten des American Jewish Comittee, äußerte anlässlich des Fortschritts des Seligsprechungsverfahrens nun weitere Kritik. In einem Brief an Kardinal Kurt Koch, Präsident der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, zitiert er aus weiteren Quellen und wirft Hlond vor, sich in der Nachkriegszeit nicht schützend vor die Juden Polens gestellt zu haben. Nach Ende des deutschen Besatzungsregimes wurden z.B. in Kielce bei einem Pogrom 42 Juden getötet und weitere 40 verletzt.
Sieben Tage später hielt Kardinal Hlond eine Pressekonferenz, “aber er verurteilte das Pogrom nicht, noch forderte er von den Polen, keine weiteren Juden zu ermorden. Stattdessen wies er darauf hin, dass alle Juden Kommunisten oder Unterstützer des Kommunismus wären und das Pogrom darum ihr eigener Fehler gewesen sei.“
Bereits 1936 hatte Hlond, so Rosen, in einer pastoralen Handreichung die Juden und das Judentum wegen ihre Ablehnung Jesu verdammt und sich für einen Boykott jüdischer Geschäfte ausgesprochen. Rosen zitiert aus dem Schreiben:
„Es ist gut, die eigenen Leute zu bervorzugen, wenn ihr einkaufen geht, jüdische Läden und jüdische Marktstände zu meiden […] Haltet euch fern vom schädlichen Einfluss der Juden, bleibt weg von ihrer anti-christlichen Kultur und, vor allem, boykottiert die jüdische Presse und unmoralische jüdische Publikationen.“
Kardinal Hlond, ein gutes Vorbild?
Die Verknüpfung von Antikommunismus und Antisemitismus im polnischen Katholizismus wird seit Jahren immer wieder problematisiert. Umso mehr als sich die gegenwärtige PiS-Regierung auf die Katholische Kirche und den Widerstand gegen den Kommunismus beruft. Der PiS-Vorsitzende und Strippenzieher der reaktionären polnischen Regierung Jarosław Kaczyński inszeniert sich bis heute als unbeugsamer Gegner der Kommunisten, obwohl er in der Wendezeit selbst an Verhandlungen mit den kommunistischen Machthabern beteiligt war, die einen friedlichen Übergang in die Demokratie garantierten.
Durch ein neues Gesetz der PiS-Regierung ist es seit diesem Jahr strafbar polnische Kollaboration beim Massenmord der Nationalsozialisten an Juden als solche zu bennennen. Dass Polen bis heute ein Antisemitismus-Problem hat, wird von Regierung und Katholischer Amtskirche gleichermaßen bestritten und als Verleumdung Polens abgetan. Die Allianz der Katholischen Kirche mit der gegenwärtigen polnischen Regierung und einem Netzwerk reaktionärer Medien und Organisationen steht regelmäßig in der Kritik. So engagieren sich polnische Geistliche auch gegen die Aufnahme von Geflüchteten, weil diese „kulturfremd“ und muslimischen Glaubens sind.
Ob Kardinal Hlond für ein modernes Polen und die katholische Kirche ein verehrungswürdiges Vorbild abgibt, darf im Angesicht der bekanntgewordenen Vorwürfe bezweifelt werden. Gleichwohl wird der Fortschritt des Seligsprechungsprozesses von national-katholischen Kreisen als Symbol für die durch die PiS-Regierung unternommene reaktionäre Wende verstanden und bejubelt.
In seinem Brief an Kardinal Koch, der auch dem Vatikanischen Staatssekretariat und der Seligsprechungskongregation zuging, schreibt Rabbi Rosen, dass ein weiteres Vorantreiben der Seligsprechung „innerhalb der jüdischen Gemeinschaft und darüber hinaus als Zustimmung zu Kardinal Hlonds extrem negativer Einstellung gegenüber der jüdischen Gemeinde aufgefasst würde“.