Brückenbauer – Die #LaTdH vom 5. August
Junge katholische Christ*innen auf dem Christopher-Street-Day in der Debatte. Außerdem: Antisemitische Karikaturen in der Kirchenzeitung, Özil-Debatten und endlich andere Fluchtgeschichten.
Debatte
„Jesus hatte auch zwei Väter“: Junge Katholiken gewinnen CSD-Preis – Jan Petter (bento)
Es ist nicht sonderlich häufig, dass bento, das Jugendportal des SPIEGEL, über Kirche berichtet. Der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) aus Rottenburg-Stuttgart ist das mit ihrer Beteiligung am Christopher-Street-Day (CSD) in Stuttgart gelungen: Sie sind rausgegangen und haben Farbe bekannt für ihren Glauben:
„Unser tiefer Glaube ist das Vertrauen in Gottes Liebe, die keine Grenzen kennt. Deshalb will die KjG, dass die Kirche sich allen Menschen gegenüber öffnet und alle gleich behandelt. Dazu gehört, ihre Lebensrealität nicht nur wahrzunehmen, sondern ernstzunehmen. Wenn zwei Menschen sich lieben, gibt es keinen Unterschied, ob sie hetero- oder homosexuell sind.“
Naturgemäß (Naturrecht, hihi) gab es unter den katholischen Geschwistern für den Auftritt nebst Preis nicht nur Lob, in den einschlägigen Hetzjournalen der Rechtsaußen-Katholiken wurde Zeter und Mordio geschrien. Der CSD verdankt seinen Namen eben nicht dem heiligen Christopherus, obwohl dieser als Schutzheiliger der Reisenden nicht unpassend wäre, sondern den ersten Protesten Homosexueller gegen Polizeiwillkür 1969 in der Christopher Street, New York.
Diese Provokation hilft der Kirche nicht – Kilian Martin (katholisch.de)
Differenziert kritisiert Kilian Martin (@kilianmartin) auf katholisch.de den Auftritt der Katholischen jungen Gemeinde (KjG). Ihm geht es nicht darum, Homosexuelle aus der Kirche auszugrenzen und ihre Fürsprecher zu verdammen, sondern um Mitgefühl mit der Kirche. Sein Kommentar enthält gerade genug Einschränkungen und Kunstgriffe, dass nicht sogleich deutlich wird, worum es im Besonderen geht: Kirchliche Verbände haben keine Politik zu treiben:
Das Engagement der Jugendverbände ist lobenswert. Aber es ist ein Problem, wenn dabei das „sentire cum ecclesia“ [„Mitfühlen mit der Kirche“] fehlt. Jugendbischof Stefan Oster hatte zu seinem Amtsantritt moniert, bei den Jugendverbänden gäbe es zu viel Politik und zu wenig Glaube. Der Einsatz der Verbände dreht sich in der Tat selten um kirchliche Kernthemen wie den Lebensschutz oder die Neuevangelisierung. Die Provokationen richten sich hingegen allzu oft gegen die Kirche selbst. Das zeigt auch der Auftritt der KjG in Stuttgart.
Wo bleibt dabei das „Mitgefühl“ mit Ausgrenzten und Angegriffenen, z.B. in der LGBTQ-Community? Warum ist nicht auch der Kampf für die Rechte gegen die Diskriminierung von LGBTQ ein „kirchliches Kernthema“? Im Evangelium steht dazu jedenfalls gerade so viel wie zum „Lebensschutz“. Was hilft die Ausgrenzung von Menschen mit anderen Geschlechtsidentitäten und sexueller Neigung der Kirche?
Wer hilft den Ausgestoßenen und was hilft der Kirche? Antworten darauf sollten nicht im Widerspruch zueinander stehen. Der heilige Christopherus wird „häufig als Hüne mit Stab dargestellt, der das Jesuskind auf den Schultern über einen Fluss trägt“. Genau das hat die KjG mit ihrer Beteiligung beim CSD gemacht: Jesus über den Graben der Trennung zwischen LGBTQ-Community und Kirche getragen.
LGBTQ-Community als latente Kirche – Philipp Greifenstein (philipp-greifenstein.de)
Aus diesem Anlass habe ich aus meinem Blogarchiv einen kurzen Text herausgekramt, der sich mit der LGBTQ-Community als latente Kirche nach Paul Tillich befasst:
Im Politischen muss die Kirche „sich von ihrer vormaligen Heiligung einzelner Sozialformen lösen. Sie darf weder heterosexuelle, noch homosexuelle Partnerschaften an sich heiligsprechen. Sie muss sich dort investieren, wo Menschen nach dem Unbedingten fragen. Die Gleichstellung homosexueller Menschen muss daher als Anliegen der Christenheit gelebt werden.“
nachgefasst
Der Fall Danial M.: Seehofers 70. Afghane ist seit vier Wochen im Kirchenasyl – Heike Sicconi (domradio.de)
Buchstäblich nachgefasst hat Heike Sicconi für das Domradio: Sie hat mit Simon Froben gesprochen, Pfarrer der evangelisch-reformierten Gemeinde in Bayreuth, die dem 70. Geflüchteten Kirchenasyl gewährt, der am Geburtstag des Bundesheimatministers Horst Seehofer (CSU) hätte abgeschoben werden sollen. Mehr zum Thema Kirchenasyl gibt es in unserem Interview mit der EKM-Migrationsbeauftragten Petra Albert zu lesen.
Legal, sicher, christlich – Ein Film von Ellen Trapp (BR, Das Erste)
Ein wichtiger Beitrag in der Debatte um Geflüchtete ist der Film von Ellen Trapp (@elltra), der am Montag ausgestrahlt wurde und in der Mediathek zur Verfügung steht (Wiederholungstermine auf tagesschau24: 9. August um 19:15 Uhr & 12. August um 9:15 Uhr). Der Film begleitet Geflüchtete, die auf legalem Weg über „humanitäre Korridore“ nach Europa gelangen. Es sind vor allem christliche Hilfsorganisationen, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben. Im christlichen Medienmagazin pro urteilt Martin Jockel über die Dokumentation: „Es gehört zu den stärksten Momenten des Films, wenn die sonst stimmlosen Geflüchteten wie hier selbst zu Wort kommen.“
Buntes
Kirchenzeitung bedauert Karikatur über Israel (Jüdische Allgemeine, epd)
Die Jüdische Allgemeine berichtet über die Evangelische Wochenzeitung für Berlin, Brandenburg und die schlesische Oberlausitz dieKirche, der wegen der Veröffentlichung einer Karikatur zum Nationalstaatsgesetz in Israel Antisemitismus vorgeworfen wird. Die Redaktion bedauert in einem Statement die Veröffentlichung und Markus Dröge, der Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz (EKBO), der zugleich Herausgeber der Zeitung ist, zeigt sich in einer eigenen Stellungnahme entsetzt:
„Gegen eine differenzierte und sachliche Kritik an dem neuen israelischen Nationalstaatsgesetz ist nichts zu sagen. Auch in Israel selbst ist die Kritik groß, stark und laut. Opposition, Staatspräsident und Justiz haben sich klar gegen das Gesetz ausgesprochen. Es sind also nicht „die Juden“, die dieses Gesetz befürworten und sich damit füttern lassen wollen! In einer so vielschichtigen Problemlage, wie wir sie derzeit im Nahen Osten haben, dienen einseitige Zuschreibungen von Schuld verbunden mit platten religiösen und ethnischen Identifizierungen nicht der so notwendigen Versöhnung. Im Gegenteil: Sie gießen Öl ins Feuer!“
Die mangelnde Sensibilität für Antisemitismus in der Redaktion soll laut Dröge Thema im Herausgeberkreis werden. Sensibel jedenfalls reagierten die Leser_innen der Zeitung, die Redaktion und Bischof auch zu sommerlicher Zeit auf ihr Missfallen aufmerksam machten.
Mehr Sensibilität – Christoph Markschies (dieKirche)
Ebenfalls in der EKBO-Kirchenzeitung dieKirche fordert der Berliner Theologieprofessor Christoph Markschies (@markschies) anlässlich des heutigen Israelsonntages mehr Wissen um die komplizierte gemeinsame geteilte Geschichte von Juden und Christen, mehr Respekt für den jüdischen Teil unserer Bibel und mehr Sensibilität für alltäglichen Antisemitismus, der sich gerade derzeit wieder breit macht.
Aber in diesem Jahr ist doch manches anders als sonst und auch deswegen ist der Israel-Sonntag nicht einer unter vielen im Jahr. In Berlin ist es zu einigen spektakulären Vorfällen gegen jüdische Menschen oder solche, die aufgrund einer Kippa dafür gehalten werden, gekommen und im weltweiten Web häufen sich auch hierzulande antisemitische Ausfälle. […] Und dann schlägt man noch seine Kirchenzeitung auf und findet eine ganz trübe Karikatur darin.
Too Two – Christian Bartels (Medienkolumne, evangelisch.de)
Vor einiger Zeit hat evangelisch.de das tägliche Medien-Watchblog Altpapier eingestellt (inzwischen beim MDR auferstanden). Einer der Altpapier-Stammautoren schreibt auf evangelisch.de nun eine wöchentliche Medienkolumne. In der aktuellen Ausgabe arbeitet Christian Bartels (@ChrBartels) die Rassismus- und Integrationsdebatten im Nachgang des Fall Özil auf – mit vielen Links für die Urlauber_innen und einem vorläufigen Fazit.
Die Mormonen: Werden wie Gott – Fabian Maysenhölder (Secta)
Eine neue Folge des @sectapodcast von Fabian Maysenhölder (@f_mayse), diesmal über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, kurz Mormonen. Wie immer hörenswert geht Fabian Maysenhölder auch der Frage nach, ob die Mormonen nun eine christliche Kirche sind oder nicht.
Der Waldmacher in Afrika – Johannes Dieterich (Frankfurter Rundschau)
Ja, es ist ziemlich heiß bei uns. Wichtiger ist allerdings die anhaltende Dürre, die wir in Mitteleuropa so bisher eher weniger gewohnt sind. Anders verhält sich das in zahlreichen afrikanischen Ländern, die unter Dürre, Ausbeutung und Misswirtschaft leiden. Beim Lesen dieser eindrücklichen Reportage über Wiederaufforstung im Schöpfungsstyle musste ich an Jesaja 43, 19 denken, auch wenn hier nicht der Schöpfer selbst, sondern kluge Menschen in seinem Sinne handeln.
Als nächstes musste Rinaudo beweisen, dass seine These auch der Praxis standhielt. Er zäunte ein Versuchsareal ab, um das Vieh draußen zu halten, und schnippelte die langsam heranwachsenden Büsche geduldig zu Bäumen zurecht. Schon wenige Jahre später war aus dem ödem Versuchsfeld ein spärlich bewachsenes Wäldchen geworden – und heute stehen in der von Rinaudo betreuten Region im Niger auf jedem Hektar 45 statt lediglich vier Bäumchen. Insgesamt ist die Zahl der Bodenschützer von fünf Millionen auf heute 200 Millionen in die Höhe geschossen.
Bibel
Sonnengott: Theologie im Angesicht der Hitzewelle – Till Magnus Steiner (Dei Verbum)
Till Magnus Steiner (@TillMSteiner) schreibt passend zu Dürre und Hitze über biblische Gottesbilder, durch die Licht des sonnigen Himmelskörpers fällt, und zeigt wieder einmal: Die Bibel ist nicht im luftleeren Raum entstanden oder vom Himmel gefallen, sondern im Kontext anderer Kulturen entstanden und in einer bestimmten Region (und deren Klima).
In Ägypten wurde der Sonnenlauf – der Ablauf von Aufgang, Himmelsüberfahrt, Untergang und angenommener Durchquerung der Unterwelt in der Nacht – als sich täglich wiederholende Überwindung der das Leben bedrohenden Chaosmächte gedeutet. Das die Dunkelheit am Morgen durchbrechende Licht wurde als Durchsetzung der Schöpfungsordnung verstanden.
Predigt
Von Glaubensbrüdern und Hoffnungsschwestern – Kristina Petzold (jesus.de)
Ein Auszug aus einem Buch, der als Predigt über die durchgeleierte „Glaube, Liebe, Hoffnung“-Botschaft im 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth taugt:
Wenn wir mal ehrlich sind, ist der Vers ein versiffter Kauknochen, auf dem wir schon viel zu oft unkonzentriert und gedankenverloren herumgebissen haben. Schmeckt ja auch immer wieder gut. Am Ende bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe. Wie schön! Ein Kauknochen zum übers Bett hängen. Wenn man das nicht eklig findet. Und die Liebe ist das Größte? Sowieso. Halleluja! Auch das ist schnell geschluckt. Doch Kauknochen schluckt man nicht so einfach. Die bleiben einem sonst im Hals stecken.
Ein guter Satz
„Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.“ – Jesaja 43, 19, Erstes Testament, Die Bibel