Solidarität in der Welt der Igel
Wie können wir solidarisch leben in einer Welt, in der es zur Gewohnheit geworden ist, sich einzuigeln? Wie der Glaube dabei helfen kann, Egozentrik und Vereinzelung zu überwinden:
Albert war ein braves Tier. Unheimlich treu, mit Teddybärenaugen und semmelbraunem Kuschelpelz. Ein Potpourri aller Hunde der umliegenden Höfe. Nur eine Leidenschaft war größer als das Fressen: Igel. Raus aus dem Haus, ab in die Hecke, rauf auf den Igel – bis die Schnauze blutig war. Unbelehrbar, Herbst für Herbst die gleichen Dramaszenen vor der Tür. „Rühr mich nicht an!“, diese Botschaft der Igelstacheln war für Albert nicht verständlich.
Menschen hingegen scheinen die Igelsprache nicht nur zu verstehen, sie sprechen sie immer mehr auch selbst. Mein Haus, mein Leben, meine Welt – unberührt, unbewegt, bleibt mir alle weg. Die Corona-Pandemie tut ihr Übriges dazu. Physische Distanz ist eine Notwendigkeit, um die Verbreitung des Virus unter Kontrolle zu bringen. Aber muss „physical distancing“ gleichbedeutend sein mit „social distancing“? Wie lässt sich Solidarität, die es zur Bewältigung kollektiver Krisen braucht, in einer Gesellschaft fördern, die sich über Jahre und Jahrzehnte in einzelgängerische Igel aufgespalten hat? In meinem Igelbau, da hause ich.
Solidarität wird in diesen Tagen auf vielen Seiten beschworen. Man möge doch an die Schwächsten der Gesellschaft denken, Verzicht auf lieb gewonnene Tätigkeiten üben, um das Leben anderer zu schützen. Doch sind die gegenwärtigen Gesellschaften Europas noch zu jener umfassenden Solidarität fähig, die es braucht, damit sich Leben in Fülle entfalten kann? Es sind einige exemplarische Momentaufnahmen, die an dieser Fähigkeit zweifeln lassen und wie ein Brennglas auf drängende Probleme der Menschlichkeit hinweisen.
Schauplatz Grundschule. In Corona-Zeiten gilt es Abstand zu halten, Handhygiene zu üben. Doch wie soll dies gut funktionieren bei Sechs- bis Zehnjährigen? Manche Schule greift zu drastischen Mitteln. Anna leiht Paul einen Stift? Mitarbeitsminus. Oder Max wagt es das Lineal zu verborgen? Noch dickeres Minus. Maßnahmen sind notwendig, um dem Virus Einhalt zu bieten. Aber welche Generation wird hier herangezogen, die über Jahre – und damit ist zu rechnen – konditioniert wird, nicht zu helfen, die für Solidarität bestraft wird?
Schauplatz Abendeinladung. Annehmen oder nicht? „Ach, irgendwann kriegen wir das Virus doch alle. Und bis dahin sterben halt ein paar Alte und Kranke weg, die in ein paar Wochen oder Monaten eh gestorben wären. Runter mit den Maßnahmen. Warum sollen wir alle unsere Wirtschaftsleistung ruinieren lassen und auf soziale Freuden verzichten?“ Sie wagen es hier Widerspruch einzulegen, auf Solidarität zu pochen? Die Antwort lautet nur zu oft: „Jetzt stell dich nicht so an. Enttäusch uns nicht! Was soll das Getue?“ Wer Solidarität mit den Verwundbarsten üben will, wird auf anderer Seite zum Asozialen stigmatisiert.
Schauplatz Arbeitsplatz. Händeringend sucht Arbeitgeber XY Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein angesehenes Unternehmen, gute Arbeitsbedingungen. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit müsste es doch Suchende geben. Es gibt sie, aber auf mehrfache Anrufe des Unternehmens wird nicht reagiert, taucht Frau X doch beim Gespräch auf, wird deutlich gesagt: „Ich arbeite nur von 9 bis 12 und nur in dem Ausmaß, wie ich die staatlichen Beihilfen nicht verliere.“ Bewerber Herr Y fordert: „Ich arbeite nur 20 Stunden, damit ich möglichst wenig Steuern zahle.“ Doch wer leistet die Solidarabgaben, damit tatsächlich Bedürftige Unterstützung erfahren können und Beihilfen erhalten?
Und dann wagt es doch tatsächlich ein älterer Herr namens Papst Franziskus am Schauplatz Assisi von universaler Geschwisterlichkeit zu sprechen und einer umfassend solidarischen Welt zu träumen – Fratelli Tutti (ergänzen wir: e sorelle). Die Reaktionen im Feuilleton, zumindest in Österreich? „All you need is love“ bzw. „diese Enzyklika ist sozialethisch und politisch unterkomplex. Auch theologisch gibt sie nicht viel her“, so der evangelische Theologe Ulrich Körtner in der Wiener Zeitung. Franz Schellhorn, Direktor des neoliberalen Think Tanks Agenda Austria, titelt: „Ein Papst auf Abwegen.“
In meinem Igelbau, da hause ich
Gewiss, es sind dies Momentaufnahmen und immer wieder hören wir auch von Solidaritätsbekundungen, der Organisation von Einkaufstouren für Mitmenschen etc., aber sie sind doch in vielem exemplarisch für unsere Gesellschaft.
Wir drohen in dieser Krisenzeit unsere Kinder zu soziopathischen Egomanen zu konditionieren und dies mit „ethischem social distancing“ zu legitimieren. Zugleich gehen Gräben, ja Abgründe zwischen Freunden und Familienmitgliedern auf, zwischen jenen, die Solidarität üben wollen und jenen, die die sozialen Konsequenzen ihres individuellen Handelns nicht sehen können oder wollen.
Der Sozialstaat europäischer Prägung gerät tiefer und tiefer in die Krise, weil seine Bürgerinnen und Bürger jene Tugenden, die ihn erst zum Leben bringen – darunter Demut, Solidarität, Dankbarkeit – immer weniger teilen. Das steht mir zu, das hol ich mir. Wer in einer fragil gewordenen Welt es wagt, dem überbordenden Egozentrismus und dem außerhalb demokratischer Kontrolle geratenen Kapitalismus die Vision einer geschwisterlichen Welt entgegenzustellen, wird als Naivling (oder: „Gutmensch“) verurteilt, und sei er auch ein Papst.
Die Zukunft der Solidarität: Heinz Bude und Papst Franziskus im Gespräch
„Solidarität – Die Zukunft einer großen Idee“, unter diesem Titel publizierte der Soziologe Heinz Bude 2019 seine Kleinstudie zu Ursprung, Krise und Zukunft von Solidarität. Ein Jahr später ist das Buch aktueller denn je und in vielem anschlussfähig an die Enzyklika Fratelli Tutti und die Programmatik der ihr vorausgehenden Enzykliken Laudato Si‘ und Evangelii Gaudium.
Für Bude wie für Papst Franziskus ist Solidarität eine notwendige Grundhaltung des Gemeinwesens, doch darf sie nicht beim Menschen stehen bleiben. Solidarität, tiefe Geschwisterlichkeit, spannt ein Netz der Beziehungen auf, das den gesamten Kosmos umfasst. Franziskus setzte bereits in Laudato Si‘ auf das Bild des gemeinsamen Hauses, Bude beruft sich u.a. auf Bruno Latour und die Metapher der Erde / Erdgebundenheit für ein neues „Wir“.
Beiden dient das Gleichnis vom barmherzigen Samariter als entscheidende Folie ihrer Idee von Solidarität. Der Samariter war kein Igel. Er lässt sich auf das Leiden am Weg ein. Es ist ein tiefes Berührtsein vom Mitmenschen, das ihn zum Handeln bewegt. Hier erfasst Heinz Bude ein wesentliches Moment christlicher Mystik. Ihr geht es nicht um bloße Achtsamkeit oder „selbstgerechten Seelenfrieden“, wie er auf dem Wellness-Markt gerne gepredigt wird, sondern um eine Erschütterung der Seele.
Papst Franziskus arbeitet das anthropologische Fundament der Geschwisterlichkeit heraus. Nur in der Liebe zum Mitmenschen kann der Mensch auch den Wert des Lebens erfassen und zu Vollkommenheit finden. Die Vervollkommnung der menschlichen Seele spielt für einen Soziologen (verständlicherweise) keine Rolle. Budes Argumentation kreist um einen schwachen Begriff von Solidarität, den er vor allem aus einer marxistisch geprägten Soziologie der Arbeitswelt herleitet. Solidarität beziehe sich auf die Verwundbarkeit des Einzelnen und seiner Arbeitskraft durch Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit und das Alter.
Ähnlich wie bei Papst Franziskus spielen Beziehung und echte Nähe eine tragende Rolle, wenngleich in sehr zurückhaltender Form: „Solidarität sagt nur, dass Treue, Bindung und der gemeinsam erlebte Schmerz die Grundlage einer gelebten Nähe darstellen, die das Ich nicht mit sich allein lässt.“ Wesentlich erscheint vor allem eins, Solidarität kann nicht erzwungen werden: „Niemand muss solidarisch sein. Man muss nur eine Ahnung davon haben, was man verliert, wenn man vergisst, was wir uns schulden.“
Papst Franziskus wie Heinz Bude fordern zur Imagination einer neuen Gemeinschaft heraus. Für Franziskus ist es das neue „Wir“, das begründet wird in der wahren Begegnung, der existenziellen Beziehung. Bude wiederum spricht vom „gemeinsamen Dritten“, das die Grundlage für das „Wir“ ist.
Die offene Frage: Was ist das „gemeinsame Dritte“?
Es sind große Plädoyers, die Papst Franziskus und Heinz Bude vorlegen, doch bleiben Fragen: Ist es tatsächlich ausreichend, wie Bude Verwundbarkeit primär aus der Lebenssituation des arbeitenden Menschen abzuleiten? Gilt es nicht existenzieller vorzugehen, tiefer zu bohren? „Solidarität kann man weder durch Argumente moralisch erzwingen noch als Therapie für ein verwundetes Ich empfehlen“, diesem Befund ist absolut zuzustimmen. Doch wie kann sie dann tatsächlich generiert, gefördert, gelebt werden? Wie entstehen Vertrauen, Beziehung, Leben?
Bude wirft eine soziologische Gesellschaftsdiagnose in den Raum mit Querverbindungen zu Bibel und Entwicklungspsychologie, aber seine Ansätze zu einer Förderung neuer Solidarität bleiben an der Oberfläche. Im gesamten Text finden sich zahlreiche Verweise auf die jüdisch-christliche Geschwisterlichkeit und die christliche Liebesmystik, ja fast schon eine kleine Theologie der Geschwisterlichkeit. Doch eine „jüdische-christlich-muslimische Brüderlichkeitsethik“ ist für Bude außerhalb des Denkbaren.
Fratelli Tutti ist das Rundschreiben eines Papstes, der in Sorge ist um die Zukunft der Menschheit. Franziskus will nicht be–lehren, sondern blickt mit pastoraler Aufmerksamkeit auf die Brennpunkte der Gegenwart und ruft zu einer geschwisterlichen Antwort – insbesondere mit Muslimen – auf die Krisen der Zeit. Vieles wird angerissen, die wissenschaftliche Vertiefung steht aus.
Budes Solidaritätsstudie wie die Enzyklika bleiben fragmenthaft. Wir finden knackige Aussagen, Aufrufe, aber doch bleibt die eifrige Leserin unzufrieden zurück. Geht es nicht um mehr als das Dasein als Arbeiter bzw. Arbeiterin, viel grundsätzlicher um die Zerbrechlichkeit des Lebens an sich? Die unausweichliche Verwiesenheit des Menschen aufeinander, die Unverfügbarkeit, die sich insbesondere in der Sterblichkeit zeigt?
Und wie kann dieses „Dritte“ oder gemeinsame „Wir“ entstehen, auf das Bude und Franziskus immer wieder hinweisen. Was ist es oder könnte es sein? Kann Glaube eine Ressource für Solidarität sein? Oder ist er der beständige Treiber von Rivalität und Gewalt?
Verwundbar, bist du Mensch – nicht nur als „Arbeitskraft“
Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Alter – das sind nach Heinz Bude die drei Demütigungen des arbeitenden Menschen. Doch Verwundbarkeit ist nicht nur Phänomen der Arbeitswelt, sie ist dem Menschen von Beginn an eingeschrieben. Der Mensch ist in die Welt geworfen. Wer hat sich aus freiem Willen dazu entschlossen in die Welt zu treten? Jeder Blick auf den eigenen Bauchnabel erinnert daran, dass es ein Woher gibt, in das es kein Zurück gibt. Der Nabel ist ein Mal, eine Narbe.
Menschen sind Nesthocker (manchmal länger, als den Eltern lieb ist). Sie brauchen Fürsorge, Beziehung, Nähe – vom Lebensanfang bis zum Lebensende, manchmal mehr, manchmal weniger. Kein Mensch erschafft sich selbst. Doch es geht noch eine Ebene tiefer. Der Anthropologe Ernest Becker beschreibt den Menschen als ein Wesen, dessen Existenz vom Wissen um den eigenen Tod tragisch geprägt ist:
„Er weiß um seine eigene herrliche Einmaligkeit, weil er sich überall von der Natur abhebt und sie überragt, und doch braucht er nur ein paar Meter unter die Erde zu gehen, um blind und stumm zu verwesen und für immer zu verschwinden. Es ist ein schreckliches Dilemma, mit dem er leben und sich abfinden muss.“ (Ernest Becker, „Dynamik des Todes. Die Überwindung der Todesfurcht“, S. 34)
Es ist dieses Wissen um die eigene Vergänglichkeit, die den Menschen zu kultureller Höchstleistung treibt – auf der Suche nach zumindest symbolischer Unsterblichkeit, oder tief in Gewalt versinken lässt. Schmerzerfahrungen, das Scheitern an Idealen und Standards, die Verwiesenheit auf die Fürsorge anderer, all dies lässt im Alltag den Stachel der Endlichkeit und damit des Todes spüren.
In der Sozialpsychologie baut die Terror-Management-Theorie auf Beckers Erkenntnissen auf. Mit Pufferstrategien versuchen Menschen die eigene Vergänglichkeit zu bearbeiten. Eine wesentliche Strategie ist dabei die Abgrenzung von allem, das meine Weltanschauung gefährden könnte. Auseinandersetzung und Beziehung werden ersetzt durch Fundamentalismus und eine Igelmentalität: Es ist mein Bau, hier herrsche ich und wenn es sein muss hinter hohen Mauern, Stacheldraht und Überwachungssystem.
Beziehung – geht’s noch?
Nein, es geht nicht. Wird die Angst vor der permanenten Gefährdung des Lebens verdrängt, so werden Nähe und Beziehung und damit auf gesellschaftlicher Ebene Solidarität unmöglich. Auf politischer Ebene wird dies sichtbar im Aufstieg autoritärer Führergestalten, allen voran Donald Trump. Trump lebt geradezu den Idealtyp des Herrschers im Igelbau vor. Inszenierte er sich während seiner COVID-19-Erkrankung als unsterblicher Held, so führt er nun gemeinsam mit Rudy Giuliani et al. vor, wie die Furcht vor dem eigenen Versinken im Niemandsland bekämpft wird durch die Flucht in eine abstruse Parallelwelt. Wer nicht folgt, wird gefeuert. In meiner Welt entscheide ich, was wahr ist.
Auf zivilgesellschaftlicher Ebene führt die Verdrängung der existenziellen Verwundbarkeit in die Abkapselung vom Mitmenschen. Warum sollte ich mehr in den Topf einzahlen und dadurch vielleicht riskieren, dass ich weniger herausbekomme? Warum mitfühlen, die Not des Nächsten spüren, ja erschüttert werden wie der Samariter? Das drückt unnötig auf das Gemüt und drängt aus der wohligen Komfortzone.
Und schließlich: Warum eine Beziehung mit jemandem eingehen, der nicht alle meine Ideale zu 150 Prozent erfüllt? Irgendwann wird mich jede bzw. jeder enttäuschen, verletzen, verwunden. Soll ich mir sein Foto aufs Handy speichern oder ist das schon zu viel Verbindlichkeit? Wollen wir die Wohnung teilen oder doch bei „living apart together“ bleiben? Die Annehmlichkeiten teilen, wenn’s nicht passt, dann kannst du gehen. Die Ärztin und Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger spricht passenderweise vom „Mingle“ – weder zusammen, noch getrennt, man will ja nix riskieren.
Solidarität für Visionäre
Doch das Wissen um die eigene Vergänglichkeit mündet nicht notwendig in Einsamkeit, Beziehungslosigkeit und Totalitarismus. Entscheidend ist viel mehr, wie mit diesem Wissen umgegangen wird. „Man weiß den Gewinn der Solidarität nur zu ermessen, wenn man die Einsamkeit kennt“, hält Heinz Bude fest. Doch wie kann ein Weg in Beziehungsfähigkeit und Solidarität als Grundlagen einer demokratisch organisierten Gesellschaft aussehen?
Beziehung, Nähe, Geschwisterlichkeit lassen sich weder erzwingen, noch einfordern. Fratelli Tutti plädiert hier zusammenfassend für Liebe als politische Haltung, die auf ein neues „Wir“ hin orientiert ist. „Jetzt liebt doch mal!“, so wird es nicht funktionieren. Haltungen brauchen eine lebenslange Einübung, von Geburt an. Der Ruf zur „politischen Liebe“ ist kein naives Unterfangen, sondern die Ermutigung sich vertrauensvoll in Beziehung zu begeben und wieder neu Kraft zu schöpfen, einen Zukunftshorizont zu eröffnen und zu wachsen auf diesen Horizont hin.
Glaube als Erfahrung der Gottesnähe in all meiner Zerbrechlichkeit kann hier eine wertvolle Ressource sein. Christinnen und Christen bekennen: Gott wird Mensch durch Krippe und Kreuz hindurch, schonungslos und vertrauensvoll wird alles aufs Spiel gesetzt. Menschwerdung ist Beziehung in ihrer tiefsten Form. Bude’s Frage „Wofür lohnt es sich zu leben?“ ist hier noch zu wenig scharf. Was ist wirklich wichtig, wenn alles Wichtige vergeht? Wofür gebe ich mein Leben? Wofür lege ich Zeugnis ab? Durch Krippe und Kreuz hindurch?
Sich berühren zu lassen und Beziehung zu wagen setzt voraus, dass sich Menschen ihrer existenziellen Verwundbarkeit bewusst sind. Mystik als eine Lebensform, die den Menschen immer schon in tiefer Verwiesenheit auf ein Anderes versteht und zugleich von einer grundlegenden Einheit der Welt ausgeht, kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, jenseits religiöser Grenzen.
Rufen Päpste zur Mystik, so erscheint dies naiv. Die akademische Theologie tut sich mit Spiritualität und Mystik mitunter schwer. Vielleicht sind die Soziologen heute die besseren Theologen, wenn sie, wie Heinz Bude, die christliche Liebesmystik als gesellschaftliche Ressource stark machen oder, wie Hartmut Rosa, Resonanz und Unverfügbarkeit entdecken?
Solidarität hat Zukunft, doch es braucht die bewusste Entscheidung für diesen Weg, für die Einübung in Beziehung, Nähe, Vertrauen. Damit aus „meinem Bau“ ein gemeinsames Haus werden kann. Die Vision ist der erste Schritt.
Mehr:
„Solidarität: Die Zukunft einer großen Idee“, Heinz Bude, Hanser 2019 (Verlagswebsite)
„Fratelli Tutti“, Enzyklika von Papst Franziskus (PDF), mehr Informationen und Stellungnahmen auf der Website der Deutschen Bischofskonferenz
„Diagnose: Mingle“, Martina Leibovici-Mühlberger, Edition a 2014