Abpfiff! – Die #LaTdH vom 5. November

Ein weiser alter Mann, ne Moralpredigt, Peter Steudtner und weitere gewöhnliche Radikale. In der Debatte bringen wir das Reformationsjubiläum zu Ende. Versprochen!

Bevor wir zur Aufarbeitung des Reformationsjubiläums kommen allerdings erst einmal ein Text von besonderer Qualität. Teil der Kritik am Jubiläumszirkus war ja die vermutete Inhaltsleere. Was gleichfalls auch für manche Kritik gilt. Über nachstehendes Interview mit Jürgen Moltmann war ich darum besonders glücklich:

„Der Sinn des Lebens bringt Menschen auf die Suche“ – Alexander Schwabe mit Jürgen Moltmann (Christ in der Gegenwart)

Es tut gut, wenn von altersweiser Seite nicht nachgelegt und dem eigenen Ego gedient, sondern im entspannten Ton und hoffnungsvoll gesprochen wird. Auf die Fragen von Alexander Schwabe hat Jürgen Moltmann zur Lage des Glaubens etwas von Substanz zu sagen. Es fällt mir deshalb schwer, hier ein Zitat aus dem langen Gespräch der beiden rauszupicken. Am besten ist es, das Interview ganz zu lesen. Und dann vielleicht nicht endlos viel mehr.

Debatte

Reformationsrede von Erik Flügge: Es sterbe das Zitat. Es lebe die Reformation. – Erik Flügge (erikfluegge.de)

Die Rede von Erik Flügge (@erik_fluegge) hat diese Woche in der digitalen Kirche für Furore gesorgt. Flügge gibt darin einen Einblick in seine Kirchenkritik, die vor allem eine Sprach- und Kulturkritik ist. Wie für sein Buch „Der Jargon der Betroffenheit“ (meine Rezension auf theologiestudierende.de) gilt auch für die Rede: „Hier schreibt ein Liebender, der die Relevanz kirchlicher Verkündigung gar nicht in Abrede stellt. Ja, der sie sogar noch dann behauptet, wo er sie vermisst.“ Allerdings gilt leider auch: „Flügges Buch Rede löst kein Problem.“

Was Flügge will, ist nahezu Konsens bei den Leuten, die wie er unter ihrer Kirche leiden und sie doch nicht lassen. Seine Sprache hebt sich gut vom kritisierten Kirchendeutsch ab, ist aber in ihrer Eigentümlichkeit auch irgendwie erwartbar. Die Rede fügt ihre eigene Echokammer. Ich hoffe sehr, dass es uns – die Reaktionen auf die Rede lassen es befürchten – nicht nur um die Form geht und sich nicht ausgerechnet „die Jungen“ in Stilfragen festrennen.

Ordinary Radicals – RJ Grunewald (Grunewald, englisch)

Eine Antwort darauf, was jetzt zu tun ist, könnte in diesem Text liegen. RJ Grunewald (@rjgrune) hat auf seinem Blog noch einige weitere lesenswerte Texte, die die deutsche Kirchendebatte nur befruchten können.

An ordinary radical embraces the ordinary. […] The temptation in our modern world is to do what was fought against in the Reformation. In seeking to do something radical for God, we ignore the sacredness of the ordinary. In Luther’s day, it was the priests who had a sacred, spiritual calling and not the average person. But Luther embraced an understanding of vocation that understood everybody had a sacred calling whether that be in the church, in the home, or on the farm.

Ein Spiel dauert 90 Minuten – Mathias Benckert (NORDEN)

Jetzt sind wir schon mittendrin in den Reformationsjubiläums-Abrechnungen. Ein Fazit, das tatsächlich erst nach „Spielende“ gezogen wurde, stammt von Mathias Benckert (@MathiasBenckert). Weil sein Fazit auch den eigentlichen Festtag miteinbezieht und er sich nicht schon im Vorhinein und mit unguter Vorahnung wund redet, kommt sein Rückblick hoffnungsfroh und dankbar daher.

Ein Spiel dauert 90 Minuten und ich würde sagen: in den letzten Minuten hat sich der Spielstand noch geändert. Stand es nach 85 Minuten noch unentschieden, so hat in den letzten Minuten das Jubeljahr den Siegtreffer erzielt! Danke an die Christenmenschen in den Kirchengemeinden und den vielen regionalen Menschen, die so wunderbare lokale und regionale Projekte während und bis zum Ende des Reformationsjubiläumsjahres gestaltet, umgesetzt und gefeiert haben. Danke an die vielen klugen Gedanken und Texte, die ich hören und lesen durfte. Auf zum nächsten Spiel, die Reformation geht weiter: 500+!

Die Reformation des Lebens – Carola Scherf (PastoraCara)

Dieser persönliche Reformationstext von Carola Scherf (@PastoraCara) soll hier mal der letzte Anschlag sein. Reformation ist ein persönliches Geschehen, bevor sie überhaupt ein Gruppenereignis werden oder viele Menschen erreichen kann. Wollen wir das, dann brauchen wir mehr Menschen wie Pastorin Scherf, die eben nicht nur aus den tief ausgetretenen Pfaden des Kirchen-Kultur-Bürgertums rauslugen. Und deshalb müssen wir uns dringend anschauen, wer bei Kirchens arbeitet und warum das so ist.

Als ich Jugendliche war, war ich immer noch kein guter Umgang, denn ich habe im Kirchengebäude heimlich hinter dem Altar geraucht, hing mit Leuten ab, die nicht gut für mich waren, und hatte eine Einstellung zu Alkohol, die ich meinen Konfirmand*innen heute lieber nicht erzähle. Meine höchst biederen Großeltern waren regelmäßig geschockt über meine Kleidung und meine Haare. Und über alles andere, was mich ausgemacht hat, eigentlich auch. Später, im Vikariat, war meine Kirche das auch, in vielerlei anderer Hinsicht.

Mehr:

Das Reformationsjubiläum haben mehrere Blogger zum Anlass genommen, die gute alte Tradition der Link-Empfehlungen aufleben zu lassen. Weitere gute Leseempfehlungen findet ihr z.B. bei der Pressepfarrerin und bei Tobias Faix. Und wer den Jubiläums-Rückblick hier in der Eule noch nicht gelesen hat: Da entlang.

Randständiges

Peter Steudtner kommt langsam an – Florian Schumann (Der Tagesspiegel)

Peter Steudtner ist zurück in Deutschland und in seiner Heimatgemeinde. Willkommen zu Hause! Dazu die Pfarrerin der Gethsemanekirche:

„Peter hat die Gemeinde begrüßt und sich für die Unterstützung bedankt.“ Es sei ihm wichtig gewesen, das persönlich zu tun. Steudtner habe gesagt, er könne sich vorstellen, die Erfahrungen, die er während der Haft gemacht hat, in Gesprächsgruppen weiterzugeben, beispielsweise an Konfirmanden. Die Planungen dazu seien jedoch noch nicht angelaufen. „Im Moment freut er sich sehr, zu Hause zu sein. Er stabilisiert sich“, sagte Bellmann. Gleichzeitig habe er aber auch betont, dass er noch Zeit brauche.

Würzburg – Das Kopftuch ist erst der Anfang, am Ende trifft es alle – Thomas Matterne (Intellektuelles Weichei)

Eine Muslima soll in der Vorlesung ihr Kopftuch abnehmen. Thomas Matterne (@matterne) schreibt leidenschaftlich gegen die Diskriminierung von Muslimen, die uns alle betrifft, denn …

„Mit dem ersten Glied ist die Kette geschmiedet. Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, dann sind wir alle unwiderruflich gefesselt.“

Digitale Bildungspolitik: Der Staat kommt seinen Aufgaben und Pflichten nicht nach – Johnny Häusler (Spreeblick)

Digitalbürgermeister Johnny Häusler (@spreeblick) schreibt über die Skepsis angesichts privatwirtschaftlichen Engagements an Schulen, vor allem von den bösen amerikanischen Technologieunternehmen. Der eigentliche Punkt:

Der Staat kommt seinen Aufgaben und Pflichten nicht nach.

Die CDU ist nicht schuld am Erfolg der AfD – Thomas Schmid (WELTonline)

Die Überschrift ist etwas irreführend, weil es im Artikel gar nicht so sehr darum geht, wer für den Aufstieg der AfD verantwortlich zu machen ist, sondern darum, dass die CDU nie eine (nur) konservative Partei war. Als solches corpus permixtum fällt sie nach Thomas Schmid als Projektionsfläche für die Wünsche ehemaliger CDUler nach ihrer traditionell konservativen Partei aus. Ändert selbstverständlich nichts daran, dass der Polylux läuft.

Keine wirkliche Reformation in Sicht – Dorothee Markert (beziehungsweise weiterdenken)

Dorothee Markert schreibt über ihren Ärger am Reformationsjubiläum(-sgottesdienst). Im Zentrum: Die mangelnde Reform von liturgischer Sprache und Liedtexten, so dass sie die (geschlechtliche) Vielfalt von Gottesbildern widergeben. Ein berechtigtes Anliegen, eingedenk der Tatsache, dass Gott weder Mann noch Frau ist. Allerdings glaube ich schon, dass es zahlreiche Veranstaltungen im Jubiläumskalender gegeben hat, wo das nicht nur problematisiert, sondern sogar umgesetzt wurde. Schade, dass die Autorin stolz darauf ist, jedweder Jubiläumsveranstaltung erfolgreich aus dem Weg gegangen zu sein.

Predigt

Predigt am Reformationstag 2017 in der Wittenberger Schlosskirche – Heinrich Bedford-Strohm (ekd.de)

Die Moralpredigt des Ratsvorsitzenden (@landesbischof) vom Jubeltag. Ich bezweifle, dass man gegen irgendeine Aussage der Predigt etwas von Substanz vorbringen kann. Viele schöne Momente! Bei mir springt trotzdem kein Funke über. Vielleicht liegt es an diesem „Wir Christen …“, der permanenten Binnenorientierung? Immerhin tappt Bedford-Strohm nicht in die von der Wittenberger Schlosskirchkanzel zu den Reformationstagen sattsam bekannte Lutherflash-Falle.

Ein guter Satz

– Das ist ein Bot. Was das ist, steht hier.


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