Berufung – Die #LaTdH vom 7. Oktober

Ge-, Ver- und Berufen sind die Christ_innen. Wozu? Da spalten sich die Geister. Außerdem: Erntedank, Kirchentag und vermeintliche Alternativen.

Debatte

In Rom trifft sich die Bischofssynode zu Jugendfragen. Im Mittelpunkt scheint allerdings weniger die Bewegung hin zu jugendlichen Lebenswelten zu stehen, als die Frage, wie es auch in Zukunft noch genug junge Männer geben wird, die sich in besonderer Weise zum Katholizismus berufen fühlen, sei es als Ehepartner oder als zölibatär lebende Priester und Ordensleute.

Für eine Rückkehr zur guten alten Zeit plädierten diese Woche Rudolf Gehrig in der Tagespost (@DieTagespost) und Josef Jung bei The Cathwalk (@the_cathwalk). Pointe: Es gäbe durchaus genug junge Männer, die sich auf eine zölibatäre Lebensweise einlassen wollten. Allein, sie wären nicht mehr im Mainstream der röm.-kath. Kirche zu Hause. Die Kirche täte darum gut daran, sich mehr um diese jungen Männer zu scheren, als um diejenigen jungen Christ_innen, die sich z.B. vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) vertreten sehen. Josef Jung schreibt:

Man braucht sich nichts vorzumachen: Die Piusbruderschaft und die Petrusbruderschaft – zusammen mit anderen traditionell ausgerichteten Gemeinschaften – werden bald mehr Priesterweihen in Deutschland zu verzeichnen haben als alle deutschen Bistümer zusammen. Das müsste allen Bischöfen schlaflose Nächte bereiten. Denn die diözesanen Seminare sind leer, die Familien kinderarm, die Jugendlichen nicht da. Die Wahrheit kann wehtun, aber sie muss gesagt werden.

Puh, das ist so voraussetzungsreich, dass es einem schwindelig wird: Ob die geistlichen Gemeinschaften, die Jung und Gehrig ins Feld führen, tatsächlich eine erfolgreichere Berufungspastoral auf die Beine stellen als die immerhin 27 röm.-kath. Bistümer in Deutschland, das wird Die Eule in den nächsten Wochen recherchieren.

Was jetzt schon als widerlegt gelten kann: Der BDKJ vertritt immerhin 600 000 Jugendliche. Die Jugend ist also sehr wohl da, und anders als es Gehring in seinem Artikel darstellt, sind das beileibe nicht alles „laue“ Christ_innen, sondern junge Menschen, die ihr Leben ganz bewusst vor Gott verantworten, auch und besonders dann, wenn sie von Dogmen ihrer Kirche abweichen.

Hinter solch einer Haltung verbirgt sich doch die Meinung, die realexistierenden röm.-kath. Gemeinden und Bistümer wären irgendwie zu liberal, um die Mengen an frommen Jugendlichen zu kommodieren. Sorry, aber das scheint mir abwegig zu sein. Da halte ich es mehr mit BDKJ-Sprecher Thomas Andonie (@derwahreDon), der auf der Bischofssynode in Rom im Angesicht alter Männer mutige Worte für das Dilemma röm.-kath. Berufungsarbeit fand (das komplette Statement):

Ein Großteil der jungen Menschen lehnt die Sexualmoral der Kirche, vor allem ihre Haltung zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und zu vorehelichem Geschlechtsverkehr, ab. Sie verstehen sehr gut, was die Kirche von ihnen fordert, vertreten aber – als getaufte und gefirmte Christinnen und Christen – schlichtweg eine andere Auffassung. Dabei sind ihnen Werte wie Treue und Verantwortung füreinander übrigens besonders wichtig. Nur wenn die Kirche bereit ist, diese Lebenswirklichkeiten anzuerkennen, wird sie in diesen wichtigen Fragen mit jungen Menschen neu ins Gespräch kommen können.

Natürlich bliebe auch der röm.-kath. Kirche der Weg, die eigenen Ämter für eine größere Basis zu öffnen. Die Eule erhält fast wöchentlich Nachricht von Weihen ständiger Diakonen in den röm.-kath. Bistümern. Das sind häufig verheiratete Männer, die sich für den Gemeindedienst voll einsetzen. In welchem Verhältnis stehen diese Weihen zur sinkenden Zahl von Priesterweihen?

Zum Schluss ein Bild-Kommentar zur Berufungskrise der röm.-kath. Geschwister aus der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO):

nachgefasst

#digitaleKirche

Am vergangenen Wochenende traf sich die #digitaleKirche in Köln zum Barcamp mit vorgelagertem Blogger_innen-Treffen. Ein umfassendes Fazit zieht Ines Hansla (@Ineshansla) auf ihrem Blog Kirchengezeiten. Besonders erwähnenswert: der Beitrag von Tobias Sauer (@sigmahlm):

Ein Kernelement des Dialogs sei die Beantwortung von gestellten Fragen. Bei Kirche, so Tobias Sauer, sei das anders, da gebe es ungefragt Antworten auf nicht gestellte Fragen. Hart formuliert, aber treffend. Eine Vermutung, dass dies aus der eigenen Angst heraus geschehe, dass eben keiner mehr Fragen an Kirche habe? Quasi im vorauseilenden Aktionismus. Kommt mir oft so vor.

Kirche kann immer noch und wieder dazu lernen, ohne sich auf das Spiel einlassen zu müssen, ein für alle Mal die Premiumlösung aus dem Ärmel zaubern zu müssen. Das gilt umso mehr, als dass vor Ort tatsächlich häufiger Digital-Nomaden Verantwortung übernehmen. Ein positives Verhältnis zum Digitalen Ehrenamt, wie es Selina Fucker (@selinafui2) beschrieben hat, ist dringend notwendig.

Digitalisierung kann eine Hilfe dabei sein, den Abstand von Mensch zu Mensch zu verringern. Dazu braucht es aber nicht einfach mehr „Internet“, sondern einen Kulturwandel. Der stünde der evangelischen Kirche so und so gut zu Gesicht. Ralf Peter Reimann (@ralpe, Internetbeauftragter der EKiR) schreibt in einem praxisorientierten post-Barcamp-Beitrag dazu:

#digitalekirche sind nicht nur große Digitalisierungsprojekte, sondern sie beginnt, wenn wir persönliche Serienbriefe schreiben und die Website pflegen. Digitalisierung ist aber kein Selbstzweck, sondern wir brauchen gleichzeitig einen Kulturwandel: als Kirche müssen wir einladend sein und Menschen freundlich ansprechen: online und offline.

Als Abschluss zum Thema ein Beitrag von Tim Baumann (@_Tim_Baumann_) für den Deutschlandfunk, der das Wochenende zusammenfasst. Gerade für Neueinsteiger hörenswert.

Diskutieren mit der AfD. Wo, wenn nicht beim Kirchentag? – Tilmann Kleinjung (katholisch.de)

Tillmann Kleinjung (@TilmannKk) schreibt in seinem Standpunkt über die Ausladung der AfD vom kommenden Kirchentag auf katholisch.de so ziemlich genau das Gegenteil dessen, was ich unter der Woche geschrieben habe („Warum der Afd-Boykott klug und richtig ist“). Kleinjung schreibt u.a.:

Es gibt in den Kirchen Sympathien für die Positionen der AfD. Auch deshalb muss sich ein Kirchentag mit dieser Partei auseinandersetzen. Und da man nicht nur über jemanden sprechen kann, muss man mit denen reden, auch wenn es weh tut.

Es stimmt, dass es auch innerhalb der Kirchen Sympathien für die AfD gibt. Meine bisher noch unbeantwortete Frage ist allerdings: Was haben diese Menschen von einem „Dialog“, der nicht mit ihnen, sondern mit prominenten Funktionären auf Kirchentagsbühnen geführt wird?

Die Klugheit des „Doppel-Beschlusses“ ist ja gerade die Mühe, die er sich macht, zwischen AfD-Sympathisanten und Funktionären zu unterscheiden. Wenigstens für den Versuch, das Dilemma aufzulösen, dass man so häufig beim Versuch mit „abgehängten Bürger_innen“ zu reden schnurstracks bei der AfD landet, gebührt dem Kirchentagspräsidium Anerkennung.

Buntes

„Wir sind die Mehrheit“: JSUD ruft zum Protest gegen „Juden in der AfD“ auf (Jüdische Allgemeine)

Die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) ruft für heute zum Protest gegen die neue AfD-Gruppe „Juden in der AfD“ auf. Dalia Grinfeld (@DaliaGrinfeld), die Präsidentin des JSUD, begründet den Protest:

„Wir wollen der Gesellschaft zeigen, dass wir nicht Teil dieser radikalen Bewegung sind.“ Die AfD zeige eine „Fake-Judenfreundlichkeit“, dagegen müsse Position bezogen werden. „Es ist auch für unsere eigene Gemeinschaft wichtig, dass wir uns klar äußern. Wir wollen auch ein Zeichen in unsere Gemeinschaft hinein setzen.“

Zum Start rechnen die „Juden in der AfD“ mit 15 bis 20 Mitgliedern. Gegenwärtig hat die AfD ca. 30 000 Mitglieder. Über das – gelinde gesagt – verquere Ansinnen der Gruppen-Gründung und ihren Gründer gab es letzte Woche bei den Salonkolumnisten Bedenkenswertes von Daniel Killy (@dkilly) zu lesen, inkl. eines historischen Rückblicks auf nationalsozialistische Juden in den 1930er-Jahren.

Die „JAfD“ ist ein Irrweg. Und der durchsichtige Versuch, Minderheiten gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen – zur späteren Ehre der toitschen Heimat. Wer da mitmacht, kann nicht Jude sein, ethisch betrachtet – und manchmal auch rein halachisch. Denn nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.

Gemeinsam mit so ziemlich allen anderen jüdischen Gruppierungen Deutschlands hat die JSUD eine „Gemeinsame Erklärung gegen die AfD! AfD – keine Alternative für Juden!“ initiiert. Daraus:

Die Partei ist ein Fall für den Verfassungsschutz, keinesfalls aber für Juden in Deutschland.
Die unterzeichnenden jüdischen Organisationen und Verbände rufen alle demokratischen Kräfte innerhalb und außerhalb der jüdischen Gemeinschaft auf, sich gemeinsam offen und sichtbar gegen jede Form von antidemokratischem, antisemitischem, rassistischem und völkischem Gedankengut zu engagieren!

Das ist AfD (ehem. „Wir sind AfD“)

Und noch ein kleiner Nachschlag zur AfD: Auf dieser Website werden belegte Zitate von AfD-Politiker_innen gesammelt, die das ganze Ausmaß der Hetze, des Rassismus und der Demokratiefeindschaft der Partei offenbaren. Der Macher der Website ist der Partei inzwischen zwei Mal vor Gericht unterlegen und ist darum mit seinem Angebot zu einer anderen Internetadresse umgezogen.

Nicht ohne mein Schatzi – Franziska Tschninderle (DATUM – Seiten der Zeit)

Eine lustige und nachdenkliche Reportage aus dem Kosovo, wohin jeden Sommer die sog. „Schatzis“ zurückkehren: Kosovar_innen, die in der Diaspora leben und mit ihrem Geld das Land am laufen halten. Doch die „Schatzis“ fehlen dem Land auch, und das Land fehlt ihnen.

Am Rande steht ein junges Mädchen – 17 Jahre vielleicht – die im schweren Schweizer Dialekt spricht. Sie tanzt, wie Albaner tanzen. Mit den Armen über dem Kopf, die Hüften leicht schwingend. So, dass es federleicht aussieht. Wie ist das, ein „Schatzi“ zu sein? Ihre Antwort folgt prompt: „Du bist nicht hier und nicht dort zu Hause“, sagt sie. Viele werden das im Laufe dieser Recherche sagen. Denn eine Geschichte über „Schatzis“ ist nicht nur eine über Wohlstand und Reichtum. Sie erzählt von Zerrissenheit und Heimweh. Und von der Schwierigkeit, Wurzeln zu schlagen, weil man zwischen zwei Welten lebt.

Bibel

Die Macht alter Besen: Wider den Irrtum des Klerikalismus – Werner Kleine (Dei Verbum)

Das Thema Berufung verfolgt Werner Kleine (@WernerKleine) auf Dei Verbum (@Verbum_Dei) aus katholischer Perspektive anhand neutestamentlicher Texte und liefert damit gleichzeitig den abschließenden Kommentar zur allgegenwärtigen Kritik des „Klerikalismus“. Lesen!

Predigt

100 Sermons (Sojourners, englisch)

Die us-amerikanische Plattform Sojourners hat aus zahlreichen Zusendungen ihrer Leser_innenschaft ein Feature von 100 Predigten über häusliche und sexuelle Gewalt zusammengestellt. Jede Predigt wird mit einem Zitat angeteasert, die Liste ist nach Denomination und Bibelstelle durchsuchbar. Die Predigten sind natürlich in Englisch, aber trotzdem ein geradezu endloses Reservoir für Christ_innen und Pastor_innen, die sich mit dem Thema auch in Predigten auseinandersetzen möchten.

Erntedank

Ein wahrhaft evangelisches Fest wird heute gefeiert. Oder doch schon letzte Woche, oder wann denn nun? Die Antwort hat Heiko Kuschel (@citykirche_sw). Der Erntedank, gerne auch mit Konservendosen.

Dazu schon etwas betagt ein paar Gedanken von mir und ein Liedchen von den Fantastischen Vier. Und diese Erinnerung:

Ein guter Satz

„Denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.“

-Psalm 127, 2