Pestalozzistraße in Helbra, Foto: Robert Agthe (Flickr), CC BY 2.0

Der andere Bürgermeister

Kein Rathaus für die AfD, nach der Oberbürgermeisterwahl in Görlitz wird durchgeatmet. Doch es wird noch anderswo gewählt: Im Mansfelder Grund hat ein Kandidat gute Chancen der erste AfD-Bürgermeister zu werden.

In Görlitz gewinnt der von allen demokratischen Parteien unterstützte CDU-Kandidat für den Posten des Oberbürgermeisters, Octavian Ursu, letztlich deutlich gegen den Kandidaten der AfD. Viele Görlitzer*innen atmen durch und wenn man sich heute Morgen die Nachrichten anschaut, gewinnt man den Eindruck, so geht es vielen Menschen hierzulande, ob sie sich bisher mit Görlitz beschäftigt haben oder nicht.

Ursus Sieg verdankt sich dem Umstand, dass nach dem ersten Wahlgang die Kandidatinnen der Grünen und Linken zurückzogen und zur Wahl des CDU-Mannes aufriefen. Am Ende standen sich in Görlitz also ein Allparteienlager der Demokraten und die AfD gegenüber. Bei Bürgermeisterwahlen spielt darüber hinaus das Charisma der Kandidaten eine große Rolle. Beides sollten auch die CDU-Politiker*innen nicht vergessen, die sich noch am Wahlabend auf die eigene Schulter klopften. Eine Signalwirkung in Richtung Sächsischer Landtagswahl im Herbst hat die Görlitzer Wahl eher nicht.

Stichwahl zwischen Kandidaten der SPD und AfD

In Görlitz wird es also keinen AfD-Bürgermeister geben. Aber es gibt ja noch die Verbandsgemeinde Mansfelder Grund / Helbra. Nie gehört? In der Verbandsgemeinde leben immerhin 14 000 Menschen, sie liegt zwischen Lutherstadt Eisleben und Mansfeld, im mitteldeutschen Kernland. Trotzdem nimmt vom Landstrich kaum einer Notiz, das Mansfelder Land ist eine vergessene Region, die unter einer erheblichen Strukturschwäche zu leiden hat.

Im Landkreis Mansfeld-Südharz ist die AfD seit der Landtagswahl 2016 stark. Bei der Europawahl schlug sie hier knapp die CDU und wurde stärkste Kraft. In den Kreistag und die Stad- und Ortschaftsräte ziehen zahlreiche Abgeordnete der Partei ein. Besonders die CDU (- 9 %) und die LINKE (- 11 %) haben hier bei den zurückliegenden Wahlen stark verloren, was auch auf katastrophal schlechte Wahlkämpfe zurückzuführen ist.

Zeitgleich zur Europa- und Kommunalwahl fand im Mansfelder Grund die Wahl des neuen Bürgermeisters der Verbandsgemeinde statt. In diesem ersten Wahlgang erhielt Norbert Born von der SPD 32 %, gefolgt vom Kandidaten der AfD, Gunter Wakan, mit 25 % und der für die CDU und FBM angetretenen parteilosen Claudia Renner mit 24 %. Für den Einzelbewerber Frank Bayer entschieden sich 12 % Prozent und für den FDP-Kandidaten Ingo Bodtke 5 % Prozent der Wähler*innen. Am kommenden Sonntag stehen sich nun Born und Wakan in der Stichwahl gegenüber.

Allparteienkandidat der SPD

Wie Octivian Ursu in Görlitz wird Born gegen die AfD von Persönlichkeiten aus allen demokratischen Parteien unterstützt. Schon zum ersten Wahlgang fand sich nicht auf allen seinen Plakaten das SPD-Logo. Für den zweiten Wahlgang spendiert ihm ein CDU-Kommunalpolitiker die Zeitungsannonce, unter seinen Unterstützer*innen aus der Region sind Mitglieder der LINKE, CDU, FDP und Parteilose.

Norbert Born stammt aus dem Mansfelder Land und ist vor allem unter den Sportler*innen der Region verwurzelt. Der ehemalige Landtagsabgeordnete ist stellvertretender Landesvorsitzende und Kreisvorsitzender seiner Partei und war in der letzten Legislatur Präsident des Kreistages, in den er auch bei der Kommunalwahl am 26. Mai wieder einzog.

Eigentlich, so müsste man annehmen, dürfte Born seinen Vorsprung aus dem ersten Wahlkampf verteidigen dürfen – zumal er Unterstützung weit über die Grenzen seiner Partei erhält. Doch das Wahlverhalten der Mansfelder ist tückisch.

AfD hat sich breit gemacht

Das Wählerpotential der AfD verdankt sich hier nicht dem Protest, sondern hat sich über die Urnengänge der vergangenen Jahre hinweg verfestigt. Dabei sind es vor allem ehemalige Wähler*innen der CDU und LINKE, die bei der Partei ihr Kreuz machen. Also durchaus aktive, bürgerliche Wähler*innen, denen anders als einmaligen Protestwähler*innen zugetraut werden kann, dass sie auch bei einem zweiten Wahlgang ihre Stimme abgeben werden. Dass sich die AfD im Mansfelder Land breit machen konnte, ist Folge der hohen Indifferenz vieler Menschen und Institutionen gegenüber der Politik.

Nach dem 26. Mai hatten sich einige Lokalpolitiker noch damit beruhigt, dass die Trends der Europawahl durch den gemeinsamen Wahltermin auch auf die Ergebnisse zu Stadtrats- und Kreistagswahlen durchschlugen. Das gilt vor allem für die für Mansfelder Verhältnisse überdurchschnittliche Wahlbeteiligung. Die wird am kommenden Sonntag mit Sicherheit deutlich geringer ausfallen. Das könnte für Born und seine Unterstützer*innen nach hinten losgehen, wenn sein Vorsprung von sieben Punkten im ersten Wahlgang den Wähler*innen zur Beruhigung der Wahllust gereicht.

Im Mansfelder Grund appellieren keine Hollywood-Schauspieler*innen an die Vernunft der Wähler*innen. Vielleicht ist das auch besser so. Andererseits droht der Wahlgang wieder im zynischen Desinteresse an der Demokratie unterzugehen. Wenn die Wähler*innen am Sonntag nicht aufpassen, könnte es sein, dass sie am Montag mit dem ersten AfD-Bürgermeister des Landes aufwachen.