Die Islamkonferenz gehört abgeschafft!

Im Nachgang der aktuellen Ausgabe des Dialogformats wird deutlich: So eine Islamkonferenz braucht niemand. Die Beteiligten haben sich in ihren eigenen Missverständnissen verstrickt.

Seit 12 Jahren gibt es die Deutsche Islamkonferenz (DIK). Im Jahr 2006 wurde sie vom damaligen Bundesminister des Innern Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen, um die Integration der muslimischen Bevölkerung zu fördern. Und sie ist eine Erfolgsgeschichte. Sie hat durch ihre Projekte und gemeinsam verantwortete Problemanzeigen die Integration gefördert. Und sie hat durch umfassende wissenschaftliche Untersuchungen unter Muslimen, die im Auftrag der Islamkonferenz entstanden, den Islam in Deutschland für eine kritische Öffentlichkeit transparent gemacht.

Das Dialogformat der DIK aber hat sich totgelaufen. Statt die Zusammenarbeit muslimischer Verbände zu verstetigen und zu vertiefen, inszeniert sie Widersprüche und Streit unter den Teilnehmern. Das gilt auch für die Dialogpartner aus der Politik, die Treffen der DIK dazu nutzen ihrer Anhängerschaft ihr persönliches Verständnis von Integration vorzuführen. Auf öffentlicher Bühne siegen Darstellungsdrang und Marktmechanismen, für Fairness und Differenzierung scheint kein Platz mehr zu sein.

Blutwurst auf dem Buffet mag geschmacklos sein, widersprüchlich zum Ziel der Veranstaltung ist sie ganz sicher. Den unmäßigen Aufschrei einiger muslimischer Verbände deswegen muss man allerdings ebenfalls nicht goutieren. Wer sich über Blutwurst aufregt, die zu essen niemand gezwungen wurde, dokumentiert seine mangelnde Souveränität.

Schwierige Erwartungshaltungen

Die Politik hat mit der Islamkonferenz vor allem die Erwartung verbunden, die Muslime mal an einen Tisch zu bekommen. Die muslimischen Communities aber haben das im letzten Jahrzehnt nicht etwa als Initialzündung für die Gründung bzw. Zusammenlegung deutscher Islamverbände genutzt, die tatsächlich eine Mehrheit der Muslime vertreten können.

Der Zentralrat der Juden vertritt über 90 % der jüdischen Gemeinden in diesem Land, ist als Körperschaft öffentlichen Rechts deutschlandweit anerkannt und in internationale jüdische Organisationen eingebunden. Der geschickt (und missverständlich) benannte und von Aiman Mazyek vertretene Zentralrat der Muslime in Deutschland repräsentiert nicht einmal 5 % der deutschen Muslime. Gegenwärtig streitet man sich vor dem Bundesverfassungsgericht darum, überhaupt als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Deutsch-Türken, die die Mehrheit der Muslime in Deutschland bilden, bleiben fast gänzlich außen vor.

Gleichzeitig haben sich vormals zuverlässige Dialog-Partner wie die DITIB, die Außenstelle des türkischen Religionsministeriums, aus politischen Gründen als schwierig erwiesen. Dass die DITIB an Lehrplänen für den islamischen Religionsunterricht an Regelschulen mitarbeitet (eine Errungenschaft der Islamkonferenz!), ist in einer Zeit, in der jeder DITIB-Iman und -Funktionär sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht ein Agent Erdogans zu sein, kaum vermittelbar.

Bis hin zu liberalen Muslimen (Rabeya Müller in der SZ, 28.11.18) hält sich die Erwartung an die Islamkonferenz, sie möge bitte den schwierigen Prozess der Einigung muslimischer Repräsentanz organisieren. Rabeya Müller erteilt der Forderung der Politik nach klaren Ansprechpartnern allerdings eine Absage, indem sie verkürzt davon spricht, im Islam gäbe es nun mal keinen Papst. Ohne Lehrautorität aber wird es keine Anerkennung als Religionsgemeinschaft geben.

Diese Lehrautorität muss sich ganz und gar nicht in einem Papstamt ausdrücken, wie die Evangelischen Kirchen hierzulande ja vor Augen führen. Die Islamkonferenz aber ist nicht die Generalsynode der Muslime und kann es nicht sein. Wenn die Muslime den Weg der Einigung gehen wollen, dann kommen sie um eine Art der selbstverantworteten „Protestantisierung“ nicht herum.

Dieser Prozess ist historisch nicht beispiellos. Unter gesellschaftlichem Anpassungsdruck und getrieben auch von der eigenen deutsch-patriotischen Gesinnung organisierten sich jüdische Gemeinden im Kaiserreich in dieser Art. Sie bauten dabei auf einer jahrhundertealten Geschichte der jüdischen Toleranz auf.

Der Ansatz, ein immerwährendes Zusammenhocken der „Vielfalt des Islam“ würde eine solche Toleranz schon irgendwie befördern, darf als gescheitert gelten. Der Verein Deutsch-Türkische Akademiker rief auf Facebook in einem inzwischen gelöschten Beitrag den Organisatoren und liberalen Teilnehmerinnen derartig geschmacklos nach, dass man sich fragen darf, was erst weniger „gebildete“ Teilnehmer der Konferenz noch für dialogfähig halten. Bei den deutsch-türkischen Akademikern muss es nach solchen Entgleisungen zu Rücktritten kommen, wenn man sich als Muslime und Akademiker ernst nimmt.

Integration, nicht Einheit

Ziel der Islamkonferenz war es ursprünglich weder wohlgefälligen muslimischen Repräsentanten eine Öffentlichkeit zu geben noch ein Islam-Parlament in Deutschland zu etablieren. Das Zwischenziel der Vereinheitlichung ergibt sich allein aus der Struktur des üblichen Zusammenwirkens von Religion und Staat in Fragen der Wohlfahrt, in Schulen und Universitäten. Immer wieder und immer noch hakt es daran, dass sich die Muslime nicht einig werden.

Daraus ergibt sich aber, anders als auch Rabeya Müller in der Süddeutschen Zeitung meint, keine Pflicht des Staates, diese Einheit herzustellen, zu organisieren, zu fördern. Vielleicht ist diese ungute Bemutterung und Pädagogisierung innermuslimischer Konflikte nicht nur Symptom, sondern Ursache der mangelnden Repräsentanz deutscher Muslime durch ihre Verbände? Selbstbewusste Verbände sollten nicht meckernd beim Innenminister aufschlagen und bei Problemen hektisch auf die anderen Verbände zeigen.

Niemand braucht und muss den muslimischen Verbänden vorschreiben, wie sie ihre Zusammenarbeit in Zukunft gestalten wollen. Wer an den Gestaltungsmöglichkeiten partizipieren will, die der Staat Religionsgemeinschaften einräumt, der muss nach den gleichen Regeln spielen, an die andere Religionsgemeinschaften sich auch halten. Da kann man noch so sehr beklagen, dass diese Regeln nach Jahrhunderten des Miteinanders eher auf kirchliche Strukturen zu passen scheinen.

Der Protestantismus hat sich immer staatssynchron aufgestellt, nicht immer zu seinem Glück. Aber seinen Kirchenmitgliedern hat er dadurch gut gedient. Zugunsten von islamischen Religionsunterricht, islamisch-theologischen Instituten zur Lehrer- und Imamausbildung an Universitäten und des Wachstums der islamischen Wohlfahrt sei es den muslimischen Verbänden empfohlen, diesen Prozess nachzuvollziehen. Gestalten müssen sie ihn alleine.

Die Islamkonferenz war einmal dazu da Integration zu fördern. Ihre Studien beweisen, dass die Mehrheit der deutschen Muslime hervorragend in die Mehrheitsgesellschaft integriert ist – so sehr, dass sie von ihren eigenen Verbänden nichts wissen will. Das liegt nämlich, anders als die neuen „säkularen“ und liberalen Muslime meinen, nicht am Konservatismus der etablierten Verbände, sondern daran, dass viele Muslime Verbände für unsinnig halten, die sich in Grabenkämpfen verzetteln, statt dem Wohle der Muslime zu dienen.

Die Islamkonferenz als Schaufenster für interessengetriebene Religionspolitik braucht kein Mensch, sie bestätigt so nur gängige Vorurteile gegenüber Muslimen und behindert echte Integrationsbemühungen.