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Die Kirchen und Corona: 5 Wochen ohne

Kirche in Zeiten des Corona-Virus: Es gibt keinen Grund zur Panik, aber für koordinierte Vorsichtsmaßnahmen. Denn in den Kirchen versammelt sich der Querschnitt der Gesellschaft.

In den Kirchen und Religionsgemeinschaften wird über den richtigen Umgang mit dem Corona-Virus diskutiert. Ehren- und Hauptamtliche kennen seit Tagen kaum ein anderes Thema, das sie so sehr bewegt wie die fortschreitende Ausbreitung von COVID-19. Während in einigen Diözesen und Kirchenkreisen bereits Maßnahmen ergriffen werden, die helfen sollen, die Verbreitung von Corona zu verlangsamen, wird die Epidemie anderswo noch auf die leichte Schulter genommen.

Der bunte Förderalismus innerhalb der Kirchen sorgt daher auch für Verwirrungen. Kann die Lage wirklich ernst sein, wenn in der Nachbargemeinde noch Abendmahl gefeiert wird? Gerade mit Blick auf die Risikogruppe der älteren Menschen aber empfehlen sich einige Sicherheitsmaßnahmen, die für die Kirchen besonders relevant sind. Gefordert sind darum jetzt auch die Kirchenleitungen, die vorgeschlagenen Maßnahmen innerhalb ihrer Kirchen und untereinander zu harmonisieren.

Maßnahmenkataloge der Kirchen

Ältere Menschen gehören zu den treuesten Kirchgänger*innen, weshalb sie selbst Verantwortung für ihren Schutz übernehmen sollen. Dahingehend äußern sich gleich mehrere Kirchenleitungen. Allerdings sind ältere Gläubige eben auch Gewohnheitstiere und einige von ihnen recht störrisch, wenn es um das Festhalten an liebgewordenen Traditionen geht. Auch ich finde einen Karfreitag ohne Abendmahl gewöhnungsbedürftig, aber umgekommen ist davon noch keine*r.

Die Katholische Kirche in Oberösterreich und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland haben zum Beispiel gestern je unterschiedliche Vorsichtsmaßnahmen für ihre Zuständigkeitsbereiche erlassen. Wenn die Katholische Kirche in Oberösterreich von Eucharistie, Friedensgruß und sogar Gottesdienstbesuch abrät, brauchen gerade Protestanten nicht „katholischer“ zu sein als die katholischen Geschwister.

Bischof Scheuer in Linz dispensiert bis auf Weiteres von der Sonntagspflicht und verweist auf das breite Angebot von Gottesdiensten in den Medien sowie auf die vielfältigen Materialien zum privaten Gottesdienst, die den Gläubigen gerade in der Passionszeit zur Verfügung stehen. Die Corona-Epidemie könnte auch zur Stunde der Kirche im digitalen Raum werden.

Wissenschaftler*innen und Gesundheitspolitiker sind sich darin einig, dass die Hauptaufgabe vor der wir stehen, darin besteht, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, so dass Krankenhäuser und Ärzteschaft vom Ansturm von Erkrankten nicht überwältigt werden. Dazu müssen auch Kirchgemeinden ihren Beitrag leisten, in denen vor allem ältere Menschen gemeinsam feiern und beten.

Vorsichtsmaßnahmen auch für kleine Gemeinden

Das gilt auch für die Gemeinden, die üblicherweise die Veranstaltungsgrößen von 500 – 1000 Teilnehmer*innen nie erreichen, die inzwischen flächendeckend als problematisch erkannt werden. In Oberösterreich sagt man mit gutem Grund inzwischen Gottesdienste ab 100 Personen ab.

Problematischer noch ist, dass der Teilnehmer*innenkreis vieler Veranstaltungen unverbindlich ist. Bei größeren Gruppen sollten die Teilnehmer*innen protokolliert werden, damit bei Erkrankungen Infektionsketten rekonstruiert werden können, empfiehlt die Nordkirche.

Kirchenämter verweisen zurecht auf staatlichen Stellen, die z.B. über konfessionelle Kindergärten und Schulen die Aufsicht ausüben. Gegenseitige Rücksichtnahme und Verantwortung, die angesichts der Corona-Epidemie von allen Bürger*innen gefordert sind, sollten aber auch zu eigenständigem Denken motivieren. Viele Regeln in den Kirchen gehen aufgrund der Komplexität des Geschehens sehr ins Detail. Stattdessen könnte man die Corona-Vorsichtsmaßnahmen auch als geistliche Übungen in der Passionszeit nutzen:

Verzicht üben, auch was Gottesdienste und Gemeindekreise angeht – 5 Wochen ohne. Das ist einfacher nachzuvollziehen als komplexe und lokal abweichende Regelungen. Wenn der Verzicht flächendeckend umgesetzt und von den geistlichen Leitungspersonen offen kommunziert wird, gibt es dadurch auch wesentlich weniger Verwirrungen und Diskussionen in den einzelnen Gemeinden.


Folgende Maßnahmen lassen sich aus den wissenschaftlichen Ratschlägen für die Kirchen ableiten:

1. Gottesdienste ausfallen lassen. Besonders jene, zu denen erfahrungsgemäß viele oder ausschließlich ältere Menschen kommen. Damit entfällt auch der soziale Druck, sich trotz Sorgen oder Unwohlsein auf den Weg in die Kirche zu machen.

2. Wenn doch Gottesdienst stattfindet, dann ohne Abendmahl / Eucharistie. „Tunken statt Trinken“ (schlecht) oder der Einzelkelch (besser) sind Behelfsmaßnahmen, die auch unterbleiben können. Früher war der Verzicht auf das Abendmahl eine geistliche Übung.

3. Kein Händeschütteln. Kein Friedensgruß. Kein Händehalten zum Gebet. Kein Anfassen.

4. Besonders zu meiden sind Veranstaltungen, bei denen sich ältere Menschen bei Kindern oder anderen Personen anstecken könnten (Gemeindefeste, Kindergärten-Pflegeheim-Besuch, Bibelwochen, etc.).

5. Veranstaltungen in engen, überheizten Räumlichkeiten sind auch bei geringer Teilnehmer*innenzahl ideal für Ansteckungen. Auch Seniorenkaffeerunden können ausfallen!

6. Mitarbeiter*innen, die in Schulen Religionsunterricht erteilen oder anderweitig in Institutionen mit vielen Menschen in Kontakt treten, sollten nicht auch in der Seelsorge bzw. Gottesdiensten in Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden.

7. Gottesdienste in Pflegeeinrichtungen sollten für einen begrenzten Zeitraum ganz entfallen.

8. Kasualien, Familiengottesdienste und Gottesdienste zu besonderen Anlässen wie Konfirmationen, Konfirmandenvorstellungen, Amtseinführungen, etc. sollten verschoben werden.

9. Zusammenkünfte von ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Regionen sollten ausfallen bzw. verschoben werden, wenn sie nicht dringend notwendig sind.

10. In Gemeindehäusern, konfessionellen Kindergärten und Schulen sowie allen kirchlichen Einrichtungen ist für ausreichend Seife und Papierhandtücher zu sorgen. Regelmäßiges Händewaschen zwischen Terminen, vor Beginn und nach Ende von Veranstaltungen ist angeraten.


Was Kirchgemeinden und Ehren- und Hauptamtliche stattdessen tun können:

1. Bewusst Verzicht üben.

2. Privater Gottesdienst, Bibellese, Gebet und Beschäftigung mit geistlichen Fragen gelingen mit Hilfe des wirklich zahlreich vorhandenen Angebots von Materialien gerade zur Passionszeit.

3. Zum Mitfeiern der Fernseh- und Radiogottesdienste ermuntern.

4. Ältere Gemeindemitglieder freuen sich über ein persönliches Telefonat eben so sehr wie über den sonst üblichen Besuch oder Kirchgang.

5. Ein persönlich gehaltener „Fastenbrief“ mit allen notwendigen Erklärungen und einem geistlichen Gedanken von der Ortspfarrer*in dringt vielleicht sogar mehr durch als die übliche Abfolge von Sonntagsgottesdiensten während der Passionszeit. Von den vielerorts stattfindenen Passionsandachten mit häufig geringer Teilnehmer*innenzahl gar nicht zu sprechen.

6. Angebote der digitalen Kirche können genutzt werden oder Pfarrer*innen und Ehrenamtliche probieren gerade jetzt einmal neue Medien für den Gemeindedienst vor Ort aus. Statt des Gottesdienstbesuchs kann es regelmäßig Neuigkeiten auf der Gemeindewebsite oder in einer Fasten-Messengergruppe geben. Persönliche Videobotschaften können mit wenig Aufwand vor Ort produziert werden.