Katholische Kirche: Männer unter sich, Foto: Z I (Unsplash)

Die Spaltung der Bischöfe über die Frauenordination

Die katholischen Bischöfe streiten sich über die Weihe von Frauen. Das nachsynodale Schreiben „Querida Amazonia“ ist nur die letzte Station eines andauernden Konflikts.

Was ist nur mit unseren Bischöfen los? Die streiten sich auf offener Bühne über eine angeblich „unfehlbare“ Lehre, über die sie eigentlich nach dem Willen von Papst Johannes Paul II. gar nicht streiten dürften.

Beispiel 1: Am 30. Oktober 2019 wurde der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in einem Interview des Magazins Cicero befragt, wie er dazu stehe, dass der Münchner Kardinal Reinhard Marx zu Papst Franziskus gesagt habe, die Diskussion über das Priesteramt für Frauen sei nicht beendet: „Ist sie das wirklich nicht?“ Die Antwort Woelkis:

„Ich muss Kardinal Marx da widersprechen. Diese Diskussion ist beendet. Und zwar durch eine lehramtliche Entscheidung von Papst Johannes Paul II. 1984 und durch eine verbindliche Interpretation der Glaubenskongregation 1995. Damit ist die Debatte über das Priesteramt für Frauen definitiv abgeschlossen. Alles andere sind Taschenspielertricks, mit denen eine trügerische Hoffnung genährt wird. So produziert man Frustrationen und vielleicht sogar Spaltungen. Menschen, denen man Unmögliches in Aussicht stellt, könnten sich dann enttäuscht abwenden.“

Zudem wandte sich der Kardinal gegen die Ansicht, die Kirche lehne mit dem Nein zur Frauenweihe die Gleichberechtigung ab. Die katholische Kirche fühle sich wie die orthodoxen und orientalischen Kirchen an den Willen Jesu gebunden, der beim letzten Abendmahl die Eucharistie und das Priestertum eingesetzt und dieses männlichen Aposteln übertragen habe. Tatsächlich hatte der Leiter der Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Ladaria, im Mai 2018 in einem Beitrag für die Vatikanzeitung Osservatore Romano erklärt „dass es sich um eine Wahrheit handelt, die zum Glaubensgut der Kirche gehört“. Daher sei diese Lehre „endgültig und unfehlbar“.

Sowohl Johannes Paul II. als auch Ladaria verschweigen, dass während der Herrschaft des Kommunismus in der tschechoslowakischen Untergrundkirche Bischof Felix Maria Davídek auch eine Frau (Ludmila Javorova) zur katholischen Priesterin ordiniert hatte. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus hat der Vatikan diese Ordination nicht mehr anerkannt. Ein Brief an Papst Benedikt XVI. vom 12. Januar 2008 mit der Bitte um Rehabilitation und um Anerkennung der Ordination von Ludmila Javorova blieb unbeantwortet.

Beispiel 2: Nicht nur Kardinal Marx, auch der Essener Bischof Franz Overbeck ist anderer Meinung als Kardinal Woelki. In einem Interview mit der Bild vom 28. Oktober 2019 sagte Overbeck:

„Kann man zum Beispiel an einem Y-Chromosom den Zugang zum Priesteramt festmachen, indem man das mit dem Willen Jesu begründet? Die allermeisten Menschen verstehen das nicht mehr und glauben es auch nicht. Ich bin ebenfalls mehr als nachdenklich.“

In seinem Amt habe er sich verändert, bekannte der 55-Jährige, der seit 10 Jahren „Ruhrbischof“ ist: „Wenn Sie mir heute bescheinigten, ich wäre noch derselbe wie vor zehn Jahren, dann empfände ich das als Niederlage.“ Und an anderer Stelle sagte er:

„Das Gesicht der Kirche vor Ort ist schon jetzt ein weibliches, die Arbeit etwa der Ordensfrauen unverzichtbar. … Die Gleichstellung wird langfristig kommen, auf welche Weise auch immer.“

Beispiel 3: Wie kaum anders zu erwarten, mischt sich auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in den Streit ein. Auch er kritisiert die Positionierung seines bischöflichen Mitbruders Overbeck in der Debatte in Sachen Frauenordination. In einer Predigt zum Fest des Regensburger Bistumspatrons Wolfgang bezeichnete Voderholzer die Äußerung „einer namhaften kirchlichen Stimme“ als „einigermaßen verwunderlich“.

Overbeck habe so den Blick auf die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau auf die Genetik verengt und damit eine „Quasi-Gleichheit der Geschlechter“ unterstellt – anstatt die verbindliche Lehre der katholischen Kirche zu vertreten „und vor dem Hintergrund einer philosophisch-theologischen Anthropologie nachvollziehbar zu machen“, so Voderholzer. Und gleich noch weiter: „Sollte mit dem genannten biologistischen Argument das Argumentations-Niveau des bevorstehenden Synodalen Weges vorgezeichnet sein, dann sehe ich ehrlich gesagt wenig Sinn darin, dabei mitzumachen“.

Beispiel 4: Der St. Gallener Bischof Markus Büchel setzte sich im St. Galler Pfarreiblatt öffentlich für die Frauenordination ein: „Wir müssen Schritte suchen, die dahin führen. Ich könnte mir vorstellen, dass der Diakonat der Frau ein solcher Schritt sein könnte.“ Eine Weile lang habe man über die Frauenordination nicht diskutieren dürfen. „Das können wir uns nicht mehr leisten. Wir können beten, dass uns der Heilige Geist die Zeichen der Zeit erkennen lässt.“ Die Medienbeauftragte des Bistums bekräftigte: „Was Bischof Büchel hier sagt, meint er auch so.“ Für einen Bischof sind das sehr weit gehende Aussagen. Sie bedeuten einen katholischen Tabubruch. Im kanonischen Recht ist jedes ordinierte Amt auf Männer beschränkt.

Auch der Magdeburger Bischof Gerhard Feige hält die Frage einer Priesterweihe von Frauen für weiterhin offen. „Dies rigoros abzulehnen und lediglich mit der Tradition zu argumentieren, überzeugt nicht mehr“. Zugleich betonte er, momentan halte er die Möglichkeit, Frauen zu Priestern zu weihen, noch für unwahrscheinlich, da dies von zahlreichen Katholiken nicht mitgetragen und die Einheit der Kirche daran zerbrechen würde. „Andererseits aber wird dies kommen“, setzte Feige hinzu. „Vor einiger Zeit hätte ich das so noch nicht denken können.“ Unter Berufung auf Papst Franziskus erklärte er, die Lehre der Kirche sei nicht zu bewahren, ohne ihre Entwicklung zuzulassen.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf meinte mit Blick auf die Protestbewegung Maria 2.0, die unter anderem einen Zugang von Frauen zu allen Ämtern in der Kirche fordert: „Das sind hoch engagierte Frauen – und auch Männer – aus der Mitte unserer Gemeinden.“ Er habe den Aktivistinnen von Maria 2.0 versprochen, ihr Unverständnis nach Rom weiterzugeben. „Wir schauen gemeinsam in dieselbe Richtung“. Zudem müsse er „schlicht konstatieren, dass die Einwände Roms gegen die Frauenordination vielfach nicht überzeugen“.

Und last not least bezeichnet auch der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr eine Zulassung von Frauen zum Priesteramt „theologisch denkbar“, auch wenn sie derzeit mit Blick auf die Weltkirche „absolut unvorstellbar“ sei. Diese Sicht hatte auch der 1988 verstorbene Bischof von Rottenburg, Georg Moser, geteilt: „…hier hat die Kirche Spielraum“.

Kooperation mit imprimatur

Seit 52 Jahren erscheint die Zeitschrift imprimatur, ein Magazin für kritische Katholik*innen. Wir haben mit der Redaktion eine Kooperation vereinbart. Ausgewählte Beiträge des Magazins werden wir – insbesondere in unserer Kolumne „Die Internationale“ – in der Eule veröffentlichen.

imprimatur– und Eule-Leser*innen und Autor*innen gehören unterschiedlichen Generationen an, uns verbindet der kritische Blick auf Kirche und Gesellschaft. Vom Austausch der Generationen können wir nur profitieren. Zur Website der imprimatur.

Kardinal „Donald“ Müller

Genau das Gegenteil sagt, wie nicht anders zu erwarten, der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller:

„Da das Lehramt des Papstes und der Bischöfe keine Vollmacht über die Substanz der Sakramente hat, kann auch keine Synode mit und ohne den Papst, auch kein ökumenisches Konzil oder der Papst allein, wenn er ex cathedra spräche, die Weihe von Frauen zum Bischof, Priester und Diakon ermöglichen. Dies stünde in einem Gegensatz zur definierten Lehre der Kirche. Sie wäre ungültig.“ *

Papst Franziskus hat ihn erst unlängst gelobt: „Er hat gute Absichten, er ist ein guter Mann. Der Papst mag ihn. Aber er ist wie ein Kind“. Interessant in diesem Zusammenhang, dass Fürstin Gloria von Thurn und Taxis bei der Vorstellung von Müllers Buch „Römische Begegnungen“ in Washington sagte: „Die einzigen beiden Menschen auf der Welt, die uns heute Klarheit geben, sind Donald Trump und Gerhard Ludwig Müller…Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass Gerhard Ludwig Müller der Donald Trump der katholischen Kirche ist“.

Könnte es der Fürstin entgangen sein, dass Donald Trump eine unerschöpfliche Quelle von Fake News ist? Wie kein Zweiter nutzt er die neuen Medien, um Falschheiten und Irreführungen in die Welt zu setzen. Trumps Behauptungen in den sozialen Medien umfassen inzwischen Tausende nachweisbarer Falschaussagen. Derart lax ist sein Umgang mit der Wahrheit, dass Journalisten in Washington verzweifeln. Einer äußerte sich dazu mit den inzwischen geflügelten Worten: „Das ist es, was es so schwierig macht, über Trump zu berichten: Was meint er, wenn er Worte sagt?” Kardinal Müller – Was meint er, wenn er Worte sagt?

Querida Amazonia

In seinem nachsynodalen Schreiben „Querida Amazonia“ schreibt Papst Franziskus davon, die Weihe von Frauen würde sie unnötig „klerikalisieren“. Frauen hätten ihre eigenen Charismen, die sie für die Kirche einsetzen könnten – jenseits der Weiheämter. Als Vorbild stellt ihnen der Papst Maria vor Augen. Frauen sollten allerdings überall in der Kirche mitarbeiten können, meint der Papst, auch in der Leitung von Gemeinden. „Querida Amazonia“ wird weithin als Absage an die Weihe von Frauen zu Diakoninnen und Priesterinnen wahrgenommen.

Ratlose Artisten in der Zirkuskuppel

Die einen Bischöfe sagen: „Nichts darf sich ändern!“, die anderen: „Es muss sich etwas ändern!“ Kardinal Woelki sagt, Entscheidungen stünden allein der bischöflichen Autorität zu. „Damit berühren wir natürlich eine für den heutigen Mainstream schwierig zu akzeptierende Glaubensposition … Diese ist nicht hintergehbar“. Andere „hintergehen“ die (angeblich) „unfehlbare“ lehramtliche Entscheidung Johannes‘ Pauls II. vom 22. Mai 1984. Offensichtlich wissen die Bischöfe selbst nicht mehr, wo es nun langgehen soll in der römisch-katholischen Kirche.

Das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigte zwar das Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeit, ging aber einen entscheidenden Schritt darüber hinaus, indem es die Unfehlbarkeit in den größeren ekklesiologischen Zusammenhang des „Volkes Gottes“ stellte: Die Unfehlbarkeit kommt zunächst der Gemeinschaft der Glaubenden zu und dann seiner Leitung, dem Kollegium der Bischöfe unter Führung des Papstes.

Ihre Irrtumslosigkeit macht diese Gemeinschaft „durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie ‚von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien‘ (Augustinus) ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert“. Was gilt nun eigentlich? Offenbar sind – frei nach Alexander Kluge – „die Artisten in der Zirkuskuppel ratlos“.

Theologische Erkenntnisse vs. Unfehlbarkeitsdogma

Die meisten Theologen sind sich freilich längst darin einig, dass es keine stichhaltigen Argumente für das Verbot der Frauenordination gibt. So schreibt der emeritierte Bamberger Dogmatiker Georg Kraus in den Stimmen der Zeit:

„Fundamentale dogmatische Prinzipien zeigen, dass der Ausschluss der Frauen von der Ordination vom Glauben her nicht gerechtfertigt ist; vielmehr sprechen diese dogmatischen Prinzipien dezidiert dafür, dass die Frauen voll die geistliche Qualifikation für eine Ordination zu allen kirchlichen Ämtern besitzen.“

Die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel sieht es ähnlich:

„Als unfehlbar definiert ist eine Lehre nur anzusehen, wenn dies offensichtlich feststeht. … Die lehramtliche Verkündigung hinsichtlich der Nichtzulassung von Frauen zur Priesterweihe ist nicht unfehlbar und damit angesichts neuer theologischer Erkenntnisse und rechtlicher Erfordernisse veränderbar.“

Und der emeritierte Bonner Neutestamentler Rudolf Hoppe lässt aus biblischer Perspektive verlauten:

„In der Ablehnung der Zulassung von Frauen zum Priesteramt stützt sich die Erklärung des Vatikans auf den vermeintlichen neutestamentlichen Befund. Die aus dem Neuen Testament abgeleiteten Begründungen sind freilich mehr als verwegen. Das Priesteramt direkt aus dem jesuanischen Zwölferkreis abzuleiten und darin die patriarchale Struktur der Kirche legitimiert zu sehen, ist exegetisch unhaltbar. Offenbar haben die Verfasser der ‚Ordinatio Sacerdotalis‘ auch Röm 16,7 übersehen, wo eine Junia in apostolischer Funktion genannt wird. ‚Von oben‘ wird sich die Diskussion um das kirchliche Amt sicherlich nicht abwürgen lassen, hier sind meines Erachtens vor allem die Theologen zum Widerstand verpflichtet.“

Der offen zu Tage tretende Dissens zwischen den Bischöfen offenbart eine viel tiefer liegende und grundsätzliche Frage nach dem System des Kirchlichen Lehramts. Eine Frage, die dem gesamten Lehrgebäude gefährlich werden kann, wenn nicht ernsthaft und rasch versucht wird, eine Lösung herbeizuführen: Eine von den meisten Theologen und Exegeten längst als „fehlbar“ erkannte „Begründung“ wird für das „unfehlbare“ Verbot der Frauenordination herangezogen.

Wie kann eine Erklärung bindend, endgültig sein, wenn die Begründung brüchig ist? Kann ein Papst unter Berufung auf seine „Unfehlbarkeit“ inhaltliche, wissenschaftlich fundierte Argumente einfach ignorieren? Wer das autoritäre, „unfehlbare“ Wahrheitssystem in Frage stellt, bekommt sofort zu hören, welche Lehre von welchem Papst „endgültig und definitiv“ beantwortet wurde. Inhaltliche Argumente, mögen sie theologisch-wissenschaftlich und exegetisch noch so gut untermauert sein, werden ignoriert.

2016 hatte der inzwischen über neunzigjährige Hans Küng an Papst Franziskus appelliert, eine „freie ernsthafte Unfehlbarkeitsdiskussion“ zuzulassen:

„Man täusche sich nicht, ohne eine konstruktive ‚Revision‘ des Unfehlbarkeitsdogmas wird eine wirkliche Erneuerung kaum möglich sein […] Unausgesprochen hat das Tabu der Unfehlbarkeit alle Reformen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil blockiert, die eine Revision früherer dogmatischer Festlegungen erfordert hätten.“

Der Dissens unter den Bischöfen auch über die Auslegung des nachsynodalen Schreibens „Querida Amazonia“ zeigt, wie recht der hochverdiente Theologe hat.