Divided4Rescue – Die #LaTdH vom 8. Dezember

Die evangelische Kirche setzt sich für die Seenotrettung (und die Bekämpfung von Fluchtursachen) ein. Außerdem: Bunte Meldungen zum Advent und Diskussionen über „People of Color“.

Debatte

„Nicht nur reden, handeln“ – Reinhard Bingener (FAZ)

Für die FAZ fasst Reinhard Bingener (@RBingener) den neuesten Stand der Bemühungen von EKD und deren Ratsvorsitzenden @landesbischof Heinrich Bedford-Strohm um die Unterstützung der Seenotrettung zusammen. Wie bereits zur EKD-Synode angekündigt, wurde nun ein Verein als Gefäß für Spenden gegründet (#United4Rescue) und auch die Pläne zum Erwerb eines neuen Rettungsschiffs für die Organisation Sea Watch haben sich konkretisiert:

Als mögliches neues Rettungsschiff hat „United4Rescue“ derzeit das Forschungsschiff „Poseidon“ im Blick, das am 30. Januar vom Land Schleswig-Holstein versteigert wird. Die möglichen Kosten der Anschaffung werden auf rund eine Million Euro geschätzt, hinzu kommen weitere Kosten für Umbau und Betrieb. „Sea Watch“ arbeitet zudem an einem „Plan B“, falls die Ersteigerung nicht gelingt.

Das Spendenziel erscheint erreichbar. Tatsächlich wäre der Angelegenheit wohl durch eine deutschlandweite einmalige Kollekte zu einem beliebigen Sonntagsgottesdienst besser gedient gewesen, als durch einen – wenn auch drängenden – Spendenaufruf. Eine solche Kollekte hätte die Kirche etwas „gekostet“, die Diskussion um die Seenotrettung wäre stärker forciert worden.

Dem neuen Bündnis haben sich bisher gut fünfzig Organisationen angeschlossen, in der Mehrzahl kirchliche Einrichtungen, aber auch Organisationen wie „Pro Asyl“. Bedford-Strohm sagte, man sei auch auf der Suche nach Unterstützern „eher aus dem konservativem Spektrum“, die bisher kaum vertreten sind.

Das „breite gesellschaftliche Bündnis“ wabert als Wille und Vorstellung nun schon ein halbes Jahr durch die Pressemitteilungen. Man darf sich fragen, wie häufig eigentlich das immer selbe bekanntgegeben und berichtet werden muss. Immerhin sind nicht allein Kirchgemeinden und kirchliche Werke mit dabei. Auftrieb erhält das Projekt z.B. durch Zusagen der Landeskirchen aus dem Rheinland und Oldenburg, die insgesamt 120 000 € dazu geben. Wozu braucht es das Bündnis sonst, wenn nicht zum Spendensammeln?

Vielleicht ja dazu, den politischen Druck für eine Neuorganisation der europäischen Flüchtlingspolitik zu erhöhen. Diese Forderungen gehen unter den kirchenorganisatorischen Fragen nämlich weitgehend unter. Bedford-Strohm ist bei allem Mut, den er in dieser Sache aufbringt, kommunikativ darauf bedacht, seinen innerkirchlichen Kritiker*innen nicht mehr Futter zu geben. Deshalb wurde in den vergangenen Monaten der „diakonische“ Aspekte des Projekts gegenüber dem politischen in den Vordergrund gestellt.

Verpeiltes Kirchenschiff – Ulrich Körtner (zeitzeichen)

Die grundsätzlichen Bedenken gegenüber einem solchen politischen Engagement hat beispielhaft der Wiener Theologieprofessor Ulrich Körtner bereits im September in den zeitzeichen thematisiert. Ansonsten bleiben die Kritiker*innen dieser „Kopfgeburt von HBS“ (O-Ton eines EKD-Synodalen) erstaunlich still. Man will sich wohl nicht dem Vorwurf aussetzen, etwas gegen die Seenotrettung zu haben bzw. nicht noch mehr Wasser auf die Mühlen des rechtsradikalen Mobs contra Bedford-Strohm gießen.

Indem sich die EKD nun direkt an den umstrittenen Aktionen privater Seenotrettungsdienste beteiligen will, mutiert sie eben doch zum politischen Akteur, allerdings zum Akteur einer fragwürdigen Migrationspolitik. Seenotrettung ist unteilbare moralische und rechtliche Pflicht. So sagt es das internationale Seerecht, und soweit verdienen private Seenotretter Respekt und Unterstützung. Im Fall ihrer Aktionen im Mittelmeer sprechen wir allerdings nicht von spontanen Rettungsaktionen, sondern von einer langfristig geplanten und koordinierten Strategie, die mit bestimmten migrationspolitischen Motiven verknüpft ist.

Die Kirche im emphatischen Sinne ist immer politischer Akteur, auch wenn man natürlich nach der Wahl der Mittel fragen kann. Was bei „klassischen“ Kirchenthemen wie „Lebensschutz“, Sterbehilfe und Sonntagsruhe zur Anwendung kommt, kann selbstverständlich auch in der Migrationspolitik zur Anwendung kommen. Was genau soll an der Agenda von #United4Rescue denn „fragwürdig“ sein? Noch einmal aus dem FAZ-Artikel von Reinhard Bingener:

In der Grundsatzerklärung von „United4Rescue“ heißt es dazu nun, die Bootsflüchtlinge müssten Zugang zu fairen Asylverfahren bekommen. „Dies kann es nur in Europa geben“, […]. Eine Verbringung nach Nordafrika der Geretteten dürfe es aus humanitären Gründen nicht geben. Zudem fordert das Bündnis, den europäischen Städten und Kommunen zu ermöglichen, nach eigenem Ermessen zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen. Bisher liegt diese Entscheidung auf der Ebene der Nationalstaaten. […] Städte sollten künftig „auch ohne Zustimmung des Bundesinnenministeriums“ zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen dürfen. [Hervorhebung von mir]

Beide Forderungen sind weder neu – die Organisation Seebrücke setzt sich seit längerem vor allem mit der Kampagne „Sichere Häfen“, der sich 120 Kommunen und Städte angeschlossen haben, dafür ein -, noch entbehren sie migrationspolitischer Vernunft und humanitärer Verantwortung. Eine Rückweisung in afrikanische Staaten bedeutet ebenso wie das andauernde Heckmeck um die Verteilung der geretteten Schiffbrüchigen einen Angriff auf die Menschenwürde. Warum Kommunen nicht vor Ort Probleme lösen sollten, die andere zu Gunsten ihrer politischen Agenda erst züchten, ist eine Frage, die z.B. der Bundesminister des Inneren zu beantworten hat.

Das liebe Geld

Innerkirchlich befürchten nicht wenige Akteure, dass #United4Rescue auf Kosten von „Brot für die Welt“ Spenden sammeln wird. Die kirchlichen Hilfswerke sammeln traditionell im Advent und zu Weihnachten für ihre Projekte. Die Präsidentin von „Brot für die Welt“ und der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel, gab darum auf der EKD-Synode zu verstehen, dass das vielfältige Engagement der Kirchen in der Entwicklungshilfe sich gegen die Fluchtursachen richte. Das Engagement dürfe darum nicht unter einer Kampagne für die Seenotrettung leiden.

Schärfer formulieren Kirchenleute nur intern: #United4Rescue werde „Brot für die Welt“ viel Geld kosten, dafür müsse der Ratsvorsitzende dann gerade stehen. Was mit solchen Unkenrufen anzufangen ist, da kaum jemand seine Kritik öffentlich und argumentativ vertritt, bleibt offen. Fakt ist: Es gibt immer weniger Spender*innen für gute Zwecke, ihre Zahl sinkt sogar noch schneller als die der Kirchenmitglieder. Andererseits hat das bisher kaum Auswirkungen auf das Spendenvolumen, weil die Höhe der Einzelspenden gestiegen ist. Wer spendet, tut dies sogar häufiger als früher.

Da nun also die Frage, ob die Evangelen genug Geld für Seenotrettung und Fluchtursachenbekämpfung übrig haben, individualethisch aufgelöst wird, bleibt also nur die Tat. Oder man klopft doch noch einmal bei der eigenen Landeskirche an, ob sie sich nicht auch mit einem Beitrag aus Kirchensteuer- oder Kollektenmitteln beteiligen möchte. (Kann man vielleicht sogar bei einzelnen röm.-kath. Bistümern versuchen.) Reinhard Mawick (@MawickReinhard) vermutet auf @zeitzeichenNET, dass sich die Landeskirchen beim Beitritt zum Bündnis nicht lumpen lassen werden. Dazu braucht es vor Ort wohl noch Überzeugungskraft.

nachgefasst

Nicht mit leeren Händen – Gabriele Lesser (taz)

Unter der Woche hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das ehemalige deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz besucht. Das erste Mal in ihrer 14-jährigen Amtszeit. Nach Helmut Schmidt und Helmut Kohl ist Merkel die dritte deutsche Regierungschefin, die Auschwitz besuchte. Nach Polen reiste Merkel mit Geld im Gepäck, das für die Erhöhung des Stammkapitals der Stiftung gedacht ist, die sich um den Erhalt der Gedenkstätten kümmert.

Auch wenn Auschwitz-Birkenau heute weltweit als Symbol für die Schoah angesehen wird, so sind die meisten polnischen Juden doch nicht hier, sondern in den drei Lagern der sogenannten „Aktion Reinhard“ weiter östlich ermordet wurden: Treblinka bei Warschau, Sobibor und Belzec bei Lublin. Auch das ehemalige deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek gehört teilweise dazu. Insgesamt töteten die Deutschen über 90 Prozent aller damals in Polen lebenden Juden – über 3 Millionen von einst 3,5 Millionen polnischen Juden.

Welche Farbe haben Juden? – Michael Wuliger (Jüdische Allgemeine)

In seiner launigen Kolumne „Wuligers Woche“ geht Michael Wuliger auf eine Kolumne von Ferda Ataman („Es brodelt in Kanakistan“, Spiegel) ein, in der sie Jüdinnen und Juden zu den „People of Color“ (PoC) rechnet. Wuliger verwehrt sich dagegen, dass Jüdinnen und Juden wie PoC aufgrund ihrer „Sichtbarkeit“ rassistischer Gewalt ausgesetzt sind. Und:

Okay, das ist natürlich polemisch. Was Ferda Ataman sagen will, ist, dass, weil Juden von der deutschen Mehrheitsgesellschaft diskriminiert werden, sie nolens volens mit anderen Minderheiten im selben Boot sitzen. Nolens volens ist lateinisch und bedeutet »ob man will oder nicht«. Ich für mein Teil möchte lieber nicht. Zumindest nicht so lange, bis sicher ist, dass sich die neue Allianz bei allen anderen Bootsinsassen herumgesprochen hat.

Das Risiko für Jüdinnen und Juden „von „People of Color“ aus dem mediterran-arabischen Kulturkreis als »Yahudi« eins auf die Nase zu kriegen“, sei mindestens so hoch, wie von biodeutschem Antisemitismus betroffen zu sein.

Buntes

„Menschen auf Augenhöhe begegnen! Darum geht es!“

Anna-Sofie Gerth (@AnnaHBTC) leitet die Citystation der Berliner Stadtmission und erzählt davon auch auf Twitter. Nun hat der RBB bei ihr vorbeigeschaut:

Adrift & Alone: The Bishops Meet, and Miss the Point – Massimo Faggioli (Commonweal Magazine, englisch)

Für das Commonweal Magazine schreibt Massimo Faggioli (@MassimoFaggioli) in englischer Sprache über die Herbsttagung der US-amerikanischen Bischofskonferenz. Die US-Bischöfe seien abgespalten von den synodalen Entwicklungen in der Weltkirche und damit zunehmend auch allein. Und: Der „Synodale Weg“ findet als „synodal pathway“ Eingang in den Sprachgebrauch.

So werden Sie Mogul – Florian Harms (zenith)

Zum Jubiläum schreibt T-Online-Chefredakteur Florian Harms (@FAHarms) an alter Wirkungsstätte auf, warum Islamwissenschaftler sich so gut für den Journalismus (und eigentlich alle anstehenden gesellschaftlichen Aufgaben, scheint’s) eignen, sollten sie nicht einen der gängigen Wege für den Broterwerb wählen.

Erstens, die geruhsame akademische Laufbahn, zweitens der abwechslungsreiche Auswärtige Dienst, drittens eine supergeheime Tätigkeit bei den Sicherheitsbehörden, viertens ein entspanntes Dasein auf Kosten der Bundesanstalt für Arbeit. Wer keine dieser Optionen für erstrebenswert erachtet, wählt den fünften Weg und macht was mit Medien. Wir Islamwissenschaftler können nämlich Dinge, die andere Journalisten nicht können.

Wie würde ein solcher Text aus christlich-theologischer Perspektive wohl aussehen?

Der Wissenschaftliche Ansatz zur Homosexualität – Roland Stettler (Evangelisch-methodistische Kirche, YouTube)

Das Thema Homosexualität und Kirche lässt viele Christ*innen nicht los. In der Schweiz wurde gerade eben erst über die #Ehefüralle in der Reformierten Kirche gestritten. Anderswo widmet man dem Thema einen Studientag für irdische Langzeitbewohner, um sie gegen die Schwulen einzustimmen.

Doch es gibt auch auch andere Stimmen, die empathisch und wissenschaftlich fundiert an das Thema rangehen. Roland Stettlers Vortrag ist sehr zu empfehlen und sollte an Schwestern und Brüder weitergereicht werden, die sich mit dem Thema schwer tun.

Predigt

Singender Adventskalender mit Landesbischof Kramer (EKM, YouTube)

Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM, @EKMnews), Friedrich Kramer, war schon vor seiner Wahl in das höchste geistliche Leitungsamt der Kirche dafür bekannt, gerne mit der Gitarre um die Ecke zu kommen. Im singenden Adventskalender spielt und singt Kramer nun mit unterschiedlichen Gästen oder mal alleine adventliches Liedgut und ist damit ein bischöflicher Christfluencer.

Ein guter Satz