Eine Ausstellung der Reformation – Joseph Leo Koerners „Die Reformation des Bildes“
Eine Perle im Acker der Bücher, die zum Reformationsjubiläum erschienen sind, ist „Reformation des Bildes“ von Joseph Leo Koerner, das endlich in deutscher Übersetzung vorliegt.
Endlich ist 500. Reformationsjubiläum und dieser Tage kommt man nicht weit, ohne dass man deutlich darauf verwiesen wird: Plakate für Ausstellungen, Reklame für neueste Lutherliteratur oder Werbung für diverse Filme im Fernsehen. Erinnert sich mancher noch an die Zeit, da es entweder schwierig war, etwas Reformationshistorisches im Buchhandel zu finden oder man Wartezeiten in Kauf nehmen musste, so stapeln sich jetzt die Bücherstände noch und nöcher, frei nach dem Motto: Hauptsache Luther!
Gesteigertes Glück
Es ist selbstverständlicher Bestandteil des gewinnbringend inszenierten Jubiläums, dass manch aktueller Band eher mit der heißen Nadel gestrickt und durchaus fragwürdig erscheinen mag. Eine erfreuliche Erscheinung neben all dem Lutherkommerz ist zweifelsohne, dass mancher alter Klassiker eine Neuauflage in frischem Gewand erhält. Gesteigert wird das Glück dann nur noch, wenn sogar lang ersehnte deutsche Übersetzungen internationaler Fachliteratur anlässlich des Jubiläums herausgebracht werden.
Zu letzterer Gruppe gehört Die Reformation des Bildes von Joseph Leo Koerner, das bereits 2004 unter dem englischen Titel The Reformation of the Image erschienen ist und nun im Verlag C. H. Beck in deutscher Übersetzung durch Rita Seuß auf den Markt kommt. Koerner ist Professor für Kunstgeschichte in Harvard. Spezialisiert hat er sich auf die Kunst der nordalpinen Renaissance und das 19. Jahrhundert.
Eine Ausstellung der Reformation
Mit Die Reformation des Bildes führt er den Leser anhand des Mediums Bild durch die Reformation, im Zentrum steht dabei der Wittenberger Altar, der 1547 von Lukas Cranach d. Ä. für die Wittenberger Stadtkirche geschaffen wurde. Dabei belässt er es aber nicht.
Denn den großen Gang durch die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts ergänzt er mit zahlreichen weiteren Bildmaterialien, darunter illustrierte Flugblätter und -schriften oder weitere Altargemälde von reformatorischer, aber auch altgläubiger Seite. Auch Portraits bekannter Persönlichkeiten oder die Sakralarchitektur ausgewählter Kirchen nimmt er in den Blick.
Die Beschreibungen der Werke sowie ihre historische und theologische Einordnung geschehen dabei präzise, ohne den Leser mit kunsthistorischen oder theologischen Fachwörtern vor den Kopf zu stoßen. Lebendig und nachvollziehbar lässt er mit Worten die jeweils für die Untersuchung interessanten Werke beim Lesen entstehen, verortet sie elegant in ihren Kontext – sowohl zeitlich und räumlich als auch in Bezug auf ihre Intention und Rezeption.
Die qualitativ hochwertigen und zahlreichen Abbildungen laden dazu ein, sich selbst der Bildbetrachtung zu widmen und eigene Entdeckungen zu machen. Fortlaufend mit dem Text gibt es Drucke und Abbildungen in schwarz-weiß, in der Mitte des Bandes finden sich Farbtafeln ausgewählter Altargemälde.
Glauben sichtbar gemacht
Koerner verbindet gut gelungen und fundiert die Bildinhalte mit ihrer theologischen und zeitgeschichtlichen Bedeutung. Mit und in den Bildern eröffnet er einen Verstehenshorizont für die Bilderstürme, kann Auslöser und Reaktionen nachvollziehbar darstellen und sogar den für die Reformation und weitere Kulturgeschichte relevanten Ertrag daraus formulieren.
Die vielen visuellen Beispiele zeigen eindringlich jenseits von Streit- oder Bekenntnisschriften, wie um Glaubensvorstellungen auf allen Seiten gerungen wurde. Er zeigt auf, auf welchem ikonographischen Erbe die bildende Kunst der Reformationszeit steht und wie sich ein dezidiert reformatorischer Stil entwickeln konnte, der es vermochte, theologische Kernaussagen bildlich in Gestalt von Altargemälden oder Holzschnitten umzusetzen.
Der Aufbau des Buches geht von einer allgemeinen Annäherung der Beziehung zwischen der Reformation und der bildenden Kunst über in eine Auseinandersetzung anhand von Schrift- und Bildquellen zu den Bilderstürmen.
Summiert unter der Überschrift Das Wort widmet Koerner sich dann christologischer Motivik und geht der Frage nach, wie das Gottesbild, Kreuzestheologie und auch die Frage nach Gesetz und Evangelium im Medium Bild umgesetzt werden.
Letzter inhaltlicher Schwerpunkt ist dann das Kapitel Das Sakrament, in dem vornehmlich die Messe, das Amt und der Sakralbau an sich mit ihren vielfältigen untersucht werden. Dabei differenziert Koerner fein zwischen altgläubigen und reformatorischen Werken ohne in ein Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen.
Die Begegnung mit den Kunstwerken steht bei Koerner stets im Vordergrund, von ihr ausgehend eröffnet sich ein neuer, faszinierender Blick auf die Zeit der Reformation jenseits der reinen Fokussierung auf theologische Schriften.
(Der Autorin wurde vom Verlag ein kostenfreies Rezensionsexemplar zu Verfügung gestellt.)
Die Reformation des Bildes
Joseph Leo Koerner
Rita Seuß (Übersetzung)
C. H. Beck
598 Seiten
38,95 €