End Clerical Abuse – Die #LaTdH vom 24. Februar

Was hat das Bischofstreffen im Vatikan zum Missbrauch (#PBC2019) gebracht? Wie schauen die Reaktionen aus Deutschland aus? Außerdem: Ne vloggige Pfarrerin, Kirchenasyl und streikende Kinder.

Debatte

Heute geht in Rom das Treffen zum Missbrauch mit den Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen und Ordensoberen aus aller Welt zu Ende. Die Eindrücke der vergangenen Tage sind frisch, vielfältig und ungeordnet.

Nach der Messe heute Morgen wird Papst Franziskus abschließende Bemerkungen vortragen. Von einigen Beobachter*innen wurde auch ein umfassendes Abschlussdokument inkl. konkreter Beschlüsse gefordert, doch dazu wird es wohl nicht kommen. In seiner Eröffnungsrede am Donnerstag hatte der Papst 21 Maßnahmen vorgeschlagen – mal schauen, was davon noch übrig ist bzw. von Papst Franziskus konkretisiert wird.

Papst Franziskus überrascht zum Auftakt – Jörg Seisselberg (Deutschlandfunk)

Mit den Vorschlägen des Papstes beschäftigt sich Jörg Seisselberg beim Deutschlandfunk und hält auch gleich die Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Person ihres Vorsitzenden Kardinal Reinhard Marx bereit:

Dass es weltweit in den Ortskirchen unabhängige Anlaufstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs geben soll. Dass angehende Priester überall in ihrer Ausbildung sich intensiv mit dem Kampf gegen sexuellen Missbrauch beschäftigen. Dass sie psychologisch überprüft werden, bevor sie ihren Dienst antreten. Und dass die Kirche in allen Ländern bei Missbrauch konsequent mit den Strafermittlungsbehörden zusammenarbeitet. – Vorschläge, die den Beifall der Deutschen Bischofskonferenz finden.

Betroffenenorganisationen beobachten die Vorschläge und Diskussionen der Konferenz zurückhaltender. Wann wird konkret gehandelt, wie es auch Kardinal Marx immer wieder fordert? Matthias Katsch vom Eckigen Tisch:

„Wenn der Bischof aus den Philippinen sagt, wir haben in der Vergangenheit vertuscht. Jawohl, das habt ihr. Und jetzt müsst ihr den Bischöfen bitte weltweit Vorgaben machen, wie sie mit Ermittlern und Untersuchungsbehörden zusammenarbeiten, um das zu beenden und für die Vergangenheit aufzuarbeiten. […] Es darf nicht nur bei Betroffenheit bleiben. Es müssen halt konkrete Aktionen auch beschlossen werden.“

Es wird wohl eine Weile dauern, bis die Impulse des Treffens in den nationalen Bischofskonferenzen und Bistümern überall auf der Welt aufgenommen werden, die bisher noch keine Reformschritte unternommen haben. Die Bekämpfung der Ungleichzeitigkeit der Reaktionen auf den Missbrauchsskandal der Kirche, war als ein Ziel des Treffens ausgegeben worden.

Missbrauchsgipfel in Rom: Das Ende der Geduld – Maximiliane Koschyk (Deutsche Welle)

Für die Deutsche Welle berichtet Maximiliane Koschyk (@MaxKoschyk) aus dem Vatikan über das Missbrauchstreffen. Sie nimmt in diesem Bericht auch die Proteste und Treffen der Betroffenen in den Blick. Mit einer deutschen Pointe: Die aus der MHG-Studie der DBK bekannten Lücken in den Kirchenakten erklärte Kardinal Marx in Rom so:

„Akten, die die furchtbaren Taten dokumentieren und Verantwortliche hätten nennen können, wurden vernichtet oder gar nicht erst erstellt“.

Leider ließe sich die Verantwortung dafür nicht genau „zuweisen“. Einen Versuch wäre es dennoch wert! Z.B. könnte man die betroffenen Archive ja tatsächlich völlig unabhängigen Ermittlungen zugänglich machen. Mit den Mitteln der Kriminalistik sollte sich doch so einiges aufklären lassen.

Schwester Veronica Openibo – Die Rede der Konferenz

Unter den Redner*innen stachen die drei Frauen heraus, weil ihre Reden besonders mutig und – auch das bemerkenswert – authentisch waren. Linda Ghisoni empfahl die Überarbeitung des sog. „Päpstlichen Geheimnisses“, das schon als Ausrede bei der Vertuschung von Missbrauchsfällen vorgebracht wurde. Kardinal Marx kann sich vorstellen, es in Missbrauchsfällen auszusetzen.

Die Rede der Konferenz bisher aber hielt Schwester Veronica Openibo (Video, Text). Die nigerianische Ordensoberin sprach „mit Vollmacht“ aus jahrelanger Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Sie forderte u.a., die Studienseminare auf den Prüfstand zu stellen und die Beteiligung von Laien bei der Auswahl von Bischöfen:

Es besorgt mich, wenn ich in Rom und anderswo erlebe, dass die jüngsten Seminaristen behandelt werden, als ob sie etwas Besonderes wären. So werden sie schon am Beginn ihrer Ausbildung zu der Annahme ermutigt, sie stünden in einem erhabenen Status. […] Welchen Schaden hat solches Denken der Mission der Kirche zugefügt? Haben wir die Erinnerung des 2. Vatikanums in „Gaudium et Spes“ an die gleiche „göttliche Berufung und Bestimmung“ vergessen, die allen Menschen zu eigen ist? Außerdem müssen wir verantwortungsvolle und verständige Laien und Nonnen nach einer wahrheitsgetreuen und ehrlichen Evaluationen von Bischofskandidaten fragen. (Übersetzung von mir)

Magnus Striet: „Gewaltenteilung ins System Kirche einziehen.“ (SWR, 3:26 Min)

Im Gespräch mit dem SWR präzesiert Magnus Striet, Professor für Fundamentaltheologie an der Uni Freiburg, was mit Gewaltenteilung in der Kirche gemeint ist, und warum jetzt die Zeit für Reformen ist:

„Weil die Missbrauchskrise so fundamental ist, dass man um der Betroffenen Willen jetzt endlich vernünftig werden muss und tatsächlich etwas ändert. Die Krise hat sozusagen in die Grundfesten der Kirche eingegriffen und alle, die meinen, man könne so weitermachen, müssen sich fragen, ob sie dann nicht auch weiteren Missbrauch begünstigen.“

In seinem Newsletter Morning Briefing lobt der Journalist Gabor Steingart (@gaborsteingart) die Bemühungen von Papst Franziskus um das Bischofstreffen:

Wann hat sich je ein Unternehmen auf dieser Welt vier Tage lang mit den eigenen Verfehlungen beschäftigt? Wie oft kam es bislang vor, dass nach den ökonomischen Missbrauchsfällen im Finanzsektor (Bankenkrise, Libor-Fälschung, Panama-Papiere), der Pharmaindustrie (Contergan, Lipobay) und der Energiebranche (Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima) eine ganze Branche tagelang, weltweit und öffentlich in sich gegangen wäre? Womöglich wird in dem Vorgehen des Papstes das sichtbar, was Jeremy Rifkin als „Empathic Civilization“ bezeichnet, die mitfühlende Gesellschaft. Das Hoffen ist wieder möglich geworden.

Ob die Emphase Steingarts begründet und die Hoffnungen von Katholik*innen auf der ganzen Welt nicht umsonst gewesen sind, werden die kommenden Monate zeigen. Ein Indikator für den Erfolg des Treffens ist, ob auch in Ländern, die bisher keine öffentliche Debatte über den Missbrauch durch Kleriker erlebt haben, das offene Gespräch über (sexuelle) Gewalt gegenüber Kindern, Jugendlichen und Frauen in der Kirche beginnt.

Dort aber, wo – wie in Deutschland – schon umfänglich für das Thema sensibilisiert wurde, ist jetzt die Zeit für konkrete Reformen gekommen. Der Papst hat mit seinem Bekenntnis zur regionalen Selbstständigkeit der Bistümer und Bischofskonferenzen dafür schon vor Jahren die Grundlage gelegt.

nachgefasst

Papst Franziskus – Der Jesuit, der schweigt (englisch)

Zwei längere, englischsprachige Artikel befassen sich mit der Rolle, die Papst Franziskus in der Missbrauchskrise seiner Kirche und den Machtkämpfen spielt, die sie durchweben. Christopher Lamb (@ctrlamb) unternimmt in seinem Artikel in The Tablet den Versuch, das beharrliche Schweigen des Papstes gegenüber seinen innerkirchlichen Kritikern (z.B. die Dubia-Kardinäle Burke und Brandmüller oder Carlo Maria Viganò) zu erklären. Und Nicolas Senèze wendet sich in La Croix dem Papst als Jesuiten zu. Beide Artikel sind wertvolle Quellen, um die gegenwärtige Lage der röm.-kath. Kirche zu verstehen.

Polen: Bericht über Missbrauch veröffentlicht (ORF)

Am Freitag berichtete der ORF über einen Missbrauchsbericht einer Betroffenenorganisation in Polen. Der Bericht dokumentiert 384 Missbrauchsfälle in Polen in den vergangenen Jahren.

Er erwähnt 85 Priester, die wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurden, 88 weitere Fälle, die von Medien enthüllt wurden, sowie 95 Fälle, die von Opfern angezeigt wurden. 24 Bischöfen und Erzbischöfen wird in dem Bericht vorgeworfen, in ihren Diözesen Fälle von Missbrauch vertuscht zu haben. […] Ein Sprecher der polnischen Bischofskonferenz sagte am Donnerstag, er habe den Bericht nicht gelesen. Die Bischofskonferenz hatte vor zehn Jahren eine Null-Toleranz-Strategie bei Kindesmissbrauch verabschiedet. Demnächst will sie einen eigenen Bericht über die Verfehlungen der Geistlichen in Polen veröffentlichen.

Zahl der Kirchenasyle drastisch gesunken: Nach verschärften Regeln (epd, Domradio)

Seit der Verschärfung der Verfahrensregeln beim Kirchenasyl im letzten Sommer ist die Zahl der neugewährten Kirchenasyle stark gesunken. Aktuelle Zahlen hält dieser Artikel beim Domradio bereit. Besonders bei sog. Dublin-Fällen erweist sich das Kirchenasyl immer öfter als wirkungslos, weil die Verlängerung der Frist für den „Selbsteintritt“, d.h. für die Übergabe der Verantwortung für die Geflüchteten vom EU-Erstaufnahmeland auf die Bundesrepublik, von 6 auf 18 Monate hier Wirkung zeigt.

An der schwierigen Situation dieser Menschen, die z.B. nach Italien in die Obdachlosigkeit geschickt werden, ändert dieser „Erfolg“ der Innenminister nichts. Offenbar wird: Das Dublin-System bedarf auch vier Jahre (!) nach dem Flüchtlingssommer immer noch der Reform.

Buntes

Zukunft? Es geht um die Gegenwart! – Lucia Parbel (taz)

Ein bisher in den #LaTdH sträftlich unterrepräsentiertes Thema ist die Klimastreik-Bewegung #FridaysforFuture. Das liegt auch daran, dass sich die hiesige Presselandschaft in Horrormeldungen darüber ergeht, was passieren könnte, fehlten die Schüler*innen mal ein paar Stunden in der Schule. Bei soviel Wertschätzung gegenüber der Bildung unserer Jugend wird einem ganz schummrig. Schön, wenn sich das auf andere Bildungsdebatten ausweiten würde!

Zur Streikbewegung selbst hat Lucia Parbel in der taz alles Notwendige aufgeschrieben:

So, wie heute Klimapolitik gemacht wird, werde ich in fünfzig Jahren meinen siebzigsten Geburtstag in einer Welt feiern, die mit den Folgen des Zerbrechens der Ökosysteme zu kämpfen hat. Sie wird von humanitären Katastrophen, Kriegen um Ressourcen, von Flucht geprägt sein. Das sind die Szenarien, die hinter der Formulierung „schwer abschätzbare Folgen“ stecken. […]

Das Einzige, das ich über diese Version der Zukunft jetzt schon sagen kann, ist, dass ich keine Kinder haben werde. Denn meine Kinder würden noch über 2100 hinaus leben – was davor schon außer Kontrolle geraten ist, wird danach noch bedrohlicher. Es gibt keine Alternative zu radikalem Klimaschutz.

Theresaliebt – Pfarrerin in Berlin (Youtube)

Theresa Brückner, frische Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) ist eine umtriebige Influencerin auf Instagram und Twitter, und nun auch auf Youtube unterwegs. Dieser Tage ist ihr zweiter Vlog über ihre Arbeit als Pfarrerin erschienen: Es geht zum Pfarrkonvent, außerdem beobachten wir sie bei der Gottesdienstvorbereitung und an ihrem freien Tag.

Marie Kondo bei Kirchens:

Ein guter Satz