Evangelikaler Kitsch mit alten Feindbildern
Der prominent besetzte Animationsfilm „Der König der Könige“ soll ein emotional und spirituell aufregendes Kinoerlebnis sein. Dabei werden jedoch antisemitische Vorurteile reproduziert.
Luke Skywalker, Gandhi, Hercule Poirot und James Bond in einem Trickfilm? Nicht alle Tage kommt ein Animationsfilm für Kinder in die Kinos, in dem Schauspieler*innen sprechen, die normalerweise in Mainstream-Blockbustern wie „Star Wars“, „James Bond“, „Kill Bill“ oder „Dune“ auftreten. Mark Hamill, Kenneth Branagh, Uma Thurman, Oscar Isaac, Ben Kingsley und Pierce Brosnan gehören zur Riege der Hollywood-Stars, deren Stimmen im US-amerikanisch-südkoreanischen Trickfilm „Der König der Könige“ (Originaltitel: The King of Kings) erklingen, der gerade in deutschen Kinos angelaufen ist.
Der Film wird in der evangelikalen Bewegung wärmstens aufgenommen, von Gemeinden im „Kirchen-Kino“ vorgeführt und von evangelikalen und rechtsradikalen Influencer*innen empfohlen. Ein spannendes popkulturelles Crossover also zwischen Hollywood-Mainstream und evangelikalen Szenen: Nicht ohne Vorbild, wie man an der international sehr erfolgreichen Jesus-Serie „The Chosen“ beobachten kann. Produziert wird „Der König der Könige“ von den Angel Studios, einer christlichen Produktionsfirma mit Sitz in Utah (USA), die auch ein eigene Online-Streaming-Plattform betreibt und anfänglich „The Chosen“ produzierte. Dass (rechts-)evangelikale Influencer*innen die Produkte der Angel Studios loben, verwundert daher nicht. Dass so viele Schauspieler*innen am Film mitwirken, die bisher nicht im christlich-evangelikalen Genre tätig waren, jedoch schon.
Bei „Der König der Könige“ handelt es sich um eine lose Verfilmung von Charles Dickens Nacherzählung des Lebens Jesu: „The Life of Our Lord“. Dickens schrieb die Geschichte exklusiv für seine Kinder und verbot ihre Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten. Als Privattradition wurde sie zu Weihnachten im Familienkreis vorgelesen. Veröffentlicht wurde „The Life of Our Lord“ erst 1934, nach dem Tod seines letzten Kindes.
Die Handlung des Films verbindet Szenen des erzählenden Vaters mit der Lebensgeschichte Jesu: Dickens erzählt die Geschichte auf Bitte seiner Frau seinem Sohn Walter, der sich normalerweise nur für Geschichten von kämpfenden Königen interessiert. Ihm verspricht er, seine Geschichte handele vom „König der Könige“. Von dort entfaltet sich eine sehr klassisch gehaltenen Erzählung des Lebens Jesu über Geburt und Kindermord in Bethlehem, das Verlorengehen im Tempel, die erste Berufung der Jünger, mehrere Heilungswunder, die verhinderte Steinigung der Ehebrecherin, die Speisung der Fünftausend bis zum Einzug nach Jerusalem, zur Kreuzigung und Auferstehung.
Walter als missionarische Identifikationsfigur
Dabei erlebt Walter das Leben Jesu hautnah mit und wird auch selbst zum Akteur. So bietet er Jesus bei der Speisung der Fünftausend seine Kekse an. Immer wieder wechselt der Schauplatz auch zum Arbeitszimmer des erzählenden Dickens zurück. Walter dient dabei als Identifikationsfigur für das junge Zielpublikum, deren Verständnisschwierigkeiten durch seine Rückfragen behoben werden.
Als Identifikationsfigur modelliert Walter auch das Verhalten, das der Film sich von seinem jungen Publikum wünscht: Er hat beim Kindermord Angst um Jesus, wird immer interessierter an der Geschichte, möchte Jesu Freund werden und weint schließlich bei der Kreuzigung. In einer auf den Tod Jesu folgenden Rückblende zu dessen Wundertaten ertrinkt schließlich Walter anstelle von Petrus (vgl. Matthäus 14,22-33) und bittet Jesus um Rettung, woraufhin dieser ihm sagt: „Glaub an mich und du wirst gerettet werden!“ Jesus fasst ihn an der Hand, gemeinsam fliegen sie von salbungsvoller Musik begleitet gen Himmel. Eine evangelikale Lebensübergabe mit klarem Vorbildcharakter für das Publikum. Dazu passend bewirbt Angel Studios den Film auch mit Videos von jungen Kindern, die zum ersten Mal darüber weinen, dass Christus für sie gestorben ist.

Walter Dickens dient als Identifikationsfigur für die jungen Zuschauer:innen (Bild: Angel Productions)
Auch nach der Auferstehung begegnet Christus Walter am leeren Grab und nimmt ihn in den Arm. Damit endet die Erzählung seines Vaters. Walter ist so begeistert davon, dass Jesus lebt, dass er prompt zur Freude seiner Eltern seine schlafenden Geschwister aufweckt, um ihnen von Jesus zu erzählen. Auch hier ist die Aufforderung an das junge Publikum eindeutig: Genauso wie Walter sollen sie ihren Geschwistern und Freund*innen von Jesus erzählen und Missionsversuche starten.
So fallen das Marketing für den Film und Missionsversuche in eins: Evangelikale Influencer*innen rufen zum Kinobesuch gemeinsam mit (bisher noch) nicht-gläubigen Freund*innen und Bekannten – und insbesondere deren Kindern – auf. Auch das auf den ersten Blick wohltätige Projekt, marginalisierten Kindern in Ghana und Nigeria den Kinobesuch zu ermöglichen, ist letztendlich ein Missionsversuch im Geiste des Filmes. Doch was für ein Bild von Jesus und seinem Leben wird diesen Kindern im Film vermittelt?
Jesus als König und Wundermann
Auffällig ist, was im Film nicht erzählt wird und wie bestimmte Ereignisse geframed werden. Walters Begeisterung für Geschichten über Könige führt dazu, dass die Königlichkeit Jesu gerade zu Beginn der Erzählung im Vordergrund steht: Die heiligen drei Könige, ihre Begegnung mit Herodes und die Suche nach dem neuen König der Juden werden auserzählt, die Hirten kommen hingegen nur ganz knapp vor. Man könnte sagen, sie werden im Film abermals marginalisiert. In der biblischen Geburtserzählung des Lukas sind sie hingegen außerordentlich wichtige Protagonisten. Durch ihre Inklusion in die Erzählung wird ihre gesellschaftliche Ausgrenzung thematisiert und messianisch entkräftet.
Statt der biblischen Hirtenszenen wird eine hochdramatische Suche nach dem neugeborenen Jesuskind in Bethlehem inszeniert, die Soldaten werden erst vom Stallbesitzer aufgehalten. Die Flucht nach Ägypten selbst rutscht allerdings in den Hintergrund, sodass Anklänge an aktuelle Fluchtbewegungen vermieden werden. Stattdessen wird mit einer Verfolgungsjagd Spannung erzeugt.
Von der Wirksamkeit des erwachsenen Jesus werden hauptsächlich die Wundergeschichten erzählt. Auch abweichend von Dickens‘ Vorlage wird kein einziges Gleichnis geschildert. Außerhalb der Heilungs- und Berufungsgespräche schaffen es bis zur Passionsgeschichte fast keine Worte Jesu auf die Leinwand. Die gezeigten Heilungswunder geschehen stets auf Grund des Glaubens der Geheilten. Die Menschen strömen laut Darstellung des Films zu Jesus, um die Kraft dieses Glaubens zu erleben, nicht wegen der Heilung selbst. Die Botschaft ist deutlich: Wer glaubt, kann auch heute noch Heilungswunder erwarten, wer nicht glaubt, hingegen nicht.

Die Pharisäer klagen die Ehebrecherin an (Bild: Angel Productions)
Die Pharisäer als Feindbild
Diese Kraft des Glaubens passt in der Welt des Films nicht allen. Den bereits im Werbematerial als Antagonisten und Feinde Jesu dargestellten Pharisäern ist sie ein Dorn im Auge. Schon diese klare Antagonisierung ist ein antijudaistisches Narrativ. Im Film wird Jesus immer von den gleichen drei Pharisäern beobachtet. Diese versuchen ihm, zum Beispiel durch die Ehebrecherin, Fallen zu stellen und freuen sich über den Tod des Lazarus, da dieser Jesu Einfluss ein Ende setzen könnte.
Immer wieder treffen sich die Pharisäer, um Pläne zu schmieden, wie sie Jesus aufhalten könnten, da dieser das Gesetz nicht halte und sonst bald alle Menschen an ihn glauben würden. Vollkommen entgegen den historischen Begebenheiten ist ihr Anführer der Hohepriester Kaiphas. Durch die narrative Vermischung von Pharisäern und dem Hohen Rat entsteht der Eindruck einer bedrohlichen, Jesus verfolgenden und sich heimlich treffenden Organisation, die starke Züge einer antisemitischen Verschwörungserzählung über die jüdische Weltverschwörung trägt.
Dass die Pharisäer als Menschen dargestellt werden, die sich von der Gnade Gottes bedroht fühlen und Heilungen am Sabbat für ein todeswürdiges Verbrechen halten, reproduziert die falsche Vorstellung, das Judentum sei eine Gesetzes-, das Christentum hingegen eine Gnadenreligion. Durch ihre Rolle im Prozess gegen Jesus, in dem sie ihr gemütliches Leben unter römischer Besatzung bewahren wollen und sich über den ungebildeten Zimmermann erheben, bestätigt der Film zudem das Stereotyp, Pharisäer – und Juden allgemein – seien eingebildete Heuchler. Zugleich wird den Pharisäern und damit explizit den Juden die Schuld an Jesu Tod gegeben.
Dieses Feindbild zeigt sich auch in den Werbematerialien. So werden in einem Reel Filmsequenzen zusammengeschnitten und die Tonspur leicht verändert, sodass einer der Pharisäer den Hohepriester Kaiphas fragt, ob er sehe, dass Jesus von Nazareth einen Film habe, den Millionen von Menschen sehen würden. Sie müssten etwas tun, und diesen Aufstand unterdrücken. Die Videocaption lautet: „Not the pharisees trying to cancel the main character … 💀“
So stellen sich die Filmemacher in ihrer Werbung in direkte Parallele zu dem – in ihrer Erzählung durch die Verschwörung der Pharisäer ans Kreuz gebrachten – Jesus und verbreiten die Idee, böswillige Kräfte, die direkt mit Juden in Verbindung stehen, würden gern die Verbreitung ihres Films verhindern, um dem Christentum zu schaden. Zugleich wird auf rechte Cancel Culture-Diskurse angespielt. „Der König der Könige” ist nicht der erste Film von Angel Studios, der mit antisemitischen Verschwörungserzählungen spielt, schon ihr erster Blockbuster „Sound of Freedom“ stand wegen der Nähe zu Q-Anon und Ritualmordlegenden in der Kritik.
Besonders ins Gewicht fallen diese antisemitischen Erzählmuster auch dadurch, dass die Pharisäer als einzige im Film Tefillin, Tallit und Schläfenlocken tragen. So werden sie auch für das junge Publikum explizit als Juden gekennzeichnet, während nicht gezeigt wird, dass quasi alle anderen Figuren auch Juden bzw. Jüdinnen sind. Jesus selbst wird als König der Juden bezeichnet, aber nie als Jude. Seine Beschneidung wird nicht erzählt, geschweige denn der Fakt wiedergegeben, dass die Pharisäer diejenige religiöse Gruppe waren, denen der historische Jesus von Nazareth vermutlich am nächsten stand.

Der Hohepriester Kaiphas (Bild: Angel Productions)
Frauen nur hilfreich im Hintergrund
Die Frauen um Jesus spielen im Film nur eine untergeordnete Rolle: Seine Mutter Maria kommt bloß anfangs kurz als hilflose Schwangere und dann wieder weinend unter dem Kreuz vor. Die Verkündigung durch den Engel, die Begegnung mit Elisabeth, das „Magnificat“ als ihr Lied fallen weg. Mit diesen Entscheidungen entspricht der Film seiner Buchvorlage, lässt so aber auch alle Aspekte von Maria weg, die einem konservativen, angepassten Frauenbild widersprechen.
Martha und Maria, die Schwestern des Lazarus, kommen nur vor, um ihren Bruder zu beweinen, bis Jesus ihnen hilft. Maria Magdalena wird visuell mit der sündigen Ehebrecherin gleichgesetzt und kommt sonst nur bei der Fußsalbung vor. Durch den Fokus auf Walters persönliche Bekehrung bei der Auferstehung werden die Frauen als deren erste Zeuginnen unsichtbar. Von Jesu zahlreichen Begegnungen mit Frauen wird allein die mit der Ehebrecherin erzählt, die im Framing des Films vor den Pharisäern gerettet werden muss.
In dieses Bild passt auch die Darstellung von Catherine Dickens, der Ehefrau des Autors: Sie setzt zwar die Geschichte in Gang, da sie ihren Mann überredet, Walter von Jesus zu erzählen und bemüht sich so darum, dass ihrem Sohn der Glaube nahegebracht wird. Die Unterweisung im Glauben überlässt sie allerdings Charles, während sie wohlwollend beobachtend zuschaut und ihrem Mann gelegentlich assistiert, indem sie Bücher aus dem Regal holt oder Walter Kekse vorbeibringt. Im Werbematerial zum Film erklärt Uma Thurman, die Catherine Dickens und Maria, die Mutter Jesu, spricht, ihre größte Rolle sei das Muttersein, weswegen sie sich so gut mit Catherine Dickens identifizieren könne.
Muttersein, das heißt in der Welt des Films, auf (s)einen Mann angewiesen zu sein und als verlässliche Helferin im Hintergrund zu agieren. Die einzigen Rollen, die Frauen im Film außerhalb davon einnehmen, sind die der rettungsbedürftigen Sünderin und der trauernden Angehörigen.
Ein heldenhafter Jesus
Letzteres hängt auch damit zusammen, dass die Figuren im Film Emotionen nur sehr gedämpft zeigen. Dies ist besonders bei den männlichen Figuren auffällig, vom jesusbegeisterten Walter einmal abgesehen. Die meisten Jünger Jesu bleiben so blass gezeichnet, dass sich bei ihnen kaum Charakterzüge oder Emotionen finden lassen. Lediglich Petrus sticht durch den Seewandel und die Verleugnung heraus. Diese Szene wird im Vergleich zu den Evangelien und auch zur Vorlage von Charles Dickens stark dramatisiert:
Petrus wird als Jünger Jesu erkannt, die ganze Menge ruft, er sei einer von diesen, woraufhin er nach der ersten Verleugnung schnell fliehen muss. Nach den weiteren Verleugnungen und einer Fluchtsequenz sitzt Petrus mit dem Rücken zum Publikum. Sein bitterliches Weinen ist nicht sichtbar, lediglich leises Schluchzen ist zu hören. Aus Trauer und Reue die Fassung zu verlieren, gehört sich für einen Mann scheinbar nicht.
Auch Jesus bleibt stets stoisch und salbungsvoll. Er zeigt keinerlei Emotionen, als er vom Tod des Lazarus hört. Selbst in Gethsemane bleibt er standhaft. Seine Stimme wird lediglich leicht brüchig, als er meint, das Gewicht von Gottes Zorn erdrücke ihn. Wieder ist das Gesicht vom Publikum abgewendet. Von verzweifelndem Zusammenbruch und geschwitztem Blut keine Spur. Lediglich am Kreuz keucht Jesus leise und vergießt einige Tränen, wie auch der am Kreuz stehende Johannes. Die Kreuzigung Christi ist offenbar der einzige angemessene Ort für männliche Tränen.
In Teilen lässt sich der fehlende Ausdruck von Emotionen auch mit der Animation erklären, die des Öfteren an Knetfiguren erinnert. Die Gesichter sind einfach nicht fein genug animiert, um Emotionen abbilden zu können. Auch der hochkarätige Cast schafft es nicht, stimmlich eine emotionale Atmosphäre aufzubauen. Lediglich dem jungen Walter, gesprochen von Roman Griffin Davis, nimmt man seine Begeisterung ab. Kenneth Branagh als Dickens mimt zwar den sich für seine eigene Geschichte begeisternden und seine Zuhörerschaft in diese hineinversetzenden Erzähler, schlägt dabei aber einen zu hohen Ton an, sodass die Inszenierung dauerhaft bemüht wirkt. Oscar Isaacs Jesus schließlich spricht stets würde- und salbungsvoll, echte Emotionen kennt seine Stimme nicht einmal bei den letzten Worten am Kreuz.
Kein bleibender Eindruck
Die emotionale Atmosphäre des Films wird letztendlich allein durch den stets bedeutungsschwangeren, salbungsvollen Soundtrack hergestellt, der entweder aufgewühlt, dramatisch oder kitschig ist. So weiß das Publikum stets, welche Emotionen der Film gerade auslösen möchte. In einigen Passagen entfaltet sich die gewünschte Wirkung durchaus, über die Dauer des Films wird allerdings deutlich, wie manipulativ diese Strategie ist. Zumindest bei mir stellte sich deswegen eine genervte Distanziertheit ein.
Insgesamt fällt der Film hinter die Erwartungen zurück, die man schon auf Grund der prominenten Stimmen haben könnte. Weder die Geschichte an sich noch die problematische Erzählweise sind neu, sondern vielmehr für evangelikale Filme geradezu typisch. Obwohl die Werbekampagne ein hochemotionales und spirituell bedeutsames Erlebnis verspricht, das eine Erzählung von Jesu Leben, Sterben und Auferstehung auch heute sicher sein kann, hinterlässt „Der König der Könige“ kaum bleibenden Eindruck – und wahrscheinlich ist das auch besser so.
„Der König der Könige: Eine Geschichte von Charles Dickens“ („The King of Kings“), FSK: ab 6 Jahre, Dauer: 101 Minuten, Produktionsjahr: 2025, Trailer auf YouTube
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