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Kirche

Gemeinsam für die Bewahrung der Schöpfung?

Können die Religionen ihren Streit überwinden und gemeinsam für die Bewahrung der Schöpfung eintreten? Viel hängt von den Ressourcen ab, die Religionsgemeinschaften zur Verfügung stehen.

Dass Fragen zum Eucharistieverständnis, der Ämterstruktur oder der Transzendenzvorstellung zwischen unterschiedlichen Kirchen – und noch viel mehr zwischen unterschiedlichen Religionen – zu Differenzen führen können, ja, in gewisser Weise sogar müssen, liegt in der Natur der Dinge. Schliesslich berühren sie den Kern dessen, was sie ausmacht und sind nicht selten Grund sich ihnen zugehörig zu fühlen oder aber gerade den Abstand zu suchen oder den Bruch zu machen.

Ganz anders sieht es mit Themen aus, die eigentlich verbindend sind.

Denn im Gegensatz zu „klassisch“ dogmatischen Kernthemen, die zum Teil seit Jahrhunderten erforscht und diskutiert werden, bieten manche solcher Art „neuen“ Themen eine Spielwiese, auf der „ökumenische Kooperation light“ getestet werden kann. Ein, vielleicht sogar das aktuell spannendste Thema in dieser Hinsicht ist der Themenbereich Umwelt und Religion.

50 Jahre bis „Laudato si“

Was vielen neu und unverbraucht erscheinen mag, ist bei genauerer Betrachtung nicht ganz so neu. Auch wenn man nicht bis zum Heiligen Franziskus oder der Heiligen Hildegard von Bingen zurückgeht, findet man in den letzten 50 Jahren eine kontinuierliche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik vor dem Hintergrund unterschiedlicher Religionen.

Sowohl im Islam als auch im Christentum wurde quasi unbemerkt von der Öffentlichkeit – auch der inner-religiösen – eine Fülle an wissenschaftlichen Werken verfasst. Ob dieses Interesse durch den von vielen, vor allem US-amerikanischen, Forschern betonten Dominium Terrea-Entwurf (wie ihn Lynn White 1968 formuliert hat) getriggert worden ist oder aber einem allgemeinen, gesamtgesellschaftlichen Trend nach dem erstmaligen Hinweis auf die „Grenzen des Wachstums“ folgte (durch den Club of Rome erstmals 1972 so bezeichnet), ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen.

Sicher ist jedoch, dass Papst Franziskus mit „Laudato si“ zwar einen Meilenstein auf dem langen Weg zu religiöser ecological consiousness und einer „grüneren“ Kirche verfasst hat – keinesfalls aber steht dieses Dokument am Anfang einer nun neu einsetzenden Reflexion.

Ist das Klima nur ein Thema der Reichen?

Dies führt zur Frage, warum ökologische Belange im ökumenischen Dialog bislang immer noch ein solches Schattendasein führen. Liegt es am verstärkten Outsourcen von Bereichen, die nicht als konstituierend und zentral wahrgenommen werden? Oder vielleicht an der fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft, die ganz allgemein immer weniger Platz für religiöse Reflexionen lässt? Könnte der Umstand, dass Forschende unterschiedlicher Religionen diverseren Ergebnissen kommen als eingangs vermutet, zu einer Unmöglichkeit (oder zumindest Erschwerung) des Dialogs führen? Oder liegt das Problem nochmal ganz wo anders?

Letztere Vermutung bestärkt zumindest die Aussage von Zeynep Bogowitch*:

„Umweltschutz ist so ein Thema für die Wohlhabenden. Das heisst, wenn man alle Themen abgeschlossen hat, wenn man keine finanziellen Schwierigkeiten hat, wenn man weiss: Ja, morgen habe ich genug zu essen, morgen kann ich den Strom in der Moschee bezahlen, morgen kann ich den Imam bezahlen, das wird kein Problem sein, dann kann man sagen: Okay, jetzt können wir uns auch diesem Thema widmen. Aber wenn man immer in dieser finanziellen Zwickmühle ist, wie es bei 99 Prozent der Moscheen der Fall ist […], dann hat man einfach keine Zeit, sich mit diesem Thema richtig zu beschäftigen.“

Wenn man dagegen die finanzielle Ausstattung einer katholischen (Gross-)Pfarrei im gleichen Kanton betrachtet, die vor gut 10 Jahren aus Steuer- und Einnahmeüberschüssen mit 1,4 Millionen Franken den Grundstock für einen seitdem immer weiter ausgebauten Umweltfonds generieren konnte, liegt die Vermutung von Fabian Huber, einem der Forscher im Urban Green Religionsprojekt an der Universität Basel gar nicht mehr so fern: viel grösser als die Unterschiede, die sich aus dogmatischen Grundsatzfragen oder schöpfungstheologischen Interpretationen ergeben, sind die ressourcenbestimmten Rahmenbedingungen.

Wieviel muten wir uns gegenseitig zu?

Dieser Rahmen gibt auch vor, wie sich die Betroffenen mit ökologischen Themen auseinandersetzen (können): Geht es darum, den eigenen Mitgliedern auf keinen Fall zu viel abzuverlangen und ökologische Forderungen nur dann in die tägliche Routine zu übernehmen, wenn sie keinen finanziellen Mehraufwand mit sich bringen? Oder erlaubt das finanzielle Polster, der eigenen Rolle als Teil der Zivilgesellschaft treu zu sein/werden/bleiben und nicht nur politische Mindestvorgaben zu erfüllen, sondern darüber hinaus den Selbstansprüchen und den Erwartungen vorauseilender Mitglieder gerecht zu werden?

Oder, wie es Manuel Mauerer, ein im Rahmen des Forschungsprojekts interviewter Pfarrer, formulierte:

„Wobei, wissen Sie, wenn ich schaue, das Publikum, welches sich in der Kirche engagiert. Das muss ich nicht mehr „bepredigen“ mit ökologischen Themen. Die haben eigentlich alle eine Sensibilität für Fragen der Nachhaltigkeit.“

In anderer Weise stehen auch Freikirchen in Deutschland und der Schweiz vor einem Ressourcenproblem. Dem Umweltschutz stehen sie, im Gegensatz zu vielen ihrer Schwesterngemeinden in den USA, keineswegs (so) kritisch wie diese gegenüber. Dies zeigen bereits existierende Strukturen, wie beispielsweise AKU (Arbeitsgemeinschaft Klima, Energie und Umwelt) in der Schweiz und die WEA (Weltweite Evangelische Allianz)-Gründung eines Zentrums für Nachhaltigkeit in Bonn. Vielmehr erlaubten es vor allem die personellen Ressourcen während längerer Zeit nicht, sich intensiver mit der Thematik auseinander zu setzen und eine konsequente Inklusion in das Verkündigungswesen umzusetzen.

Interreligiöse Vorurteile überwinden

Den großen Unterschieden in der Ressourcenverteilung, aber auch dem sich daraus ergebenden Herangehen und Behandeln von Themen widmete sich die US-Amerikanerin Carrie Dohe in ihrem Forschungsprojekt „Stewards of Creation and Children of Mother-Earth Bodhisattva: A Comparative Analysis of Religious Environmentalist Ethics and Action among Religion-Specific Groups and their Interreligious Networks in Germany“ (2017-2020). Sie kam als Forscherin, Beobachterin und Dokumentatorin mit der interreligiösen Naturschutzwoche in Kontakt. In der Folge organisierte sie diese dann zweimal selbst in Köln.

Diese Woche gehört zum Projekt „Religionen für biologische Vielfalt“, das vom Bundesamt für Naturschutz gefördert wird. Spannend daran ist, dass trotz des vordergründigen Interesses der Teilnehmer:innen am gemeinsamen Umweltschutz sehr bald Differenzen vor allem zwischen Christen und Muslimen sichtbar wurden, wobei vor allem Christen ihren „Mitschützern“ sehr vorurteilsbehaftet gegenübertraten. Besonders Fragen zur Stellung der Frau und zur Radikalisierung im Rahmen der Moscheegemeinde überschatteten das Miteinander auf dem Weg zu mehr ökologischem Engagement. Differenzen, an denen die Zusammenarbeit scheiterte oder zumindest litt, rührten von Vorurteilen her, nicht von theologisch unterschiedlichen Überzeugungen zur Umwelt.

Wissenschaftlich spannend wäre es zu untersuchen, ob in einer mehrheitlich beispielsweise muslimisch geprägten Gesellschaft die „Hauptlast“ der ecological consciousness auch dort bei den Mitgliedern dieser Religion liegt und dann im Gegensatz dazu beispielsweise Christen nur bedingt Interesse für diesen Pastoralbereich aufbringen. Erste Untersuchungen deuten in diese Richtung, endgültige Ergebnisse liegen hierzu aber noch nicht vor.

Trotz der unterschiedlichen Möglichkeiten, auf die Religionsgemeinschaften in ihren Bemühungen um mehr Schöpfungsbewahrung zurückgreifen können und den damit einhergehenden, sich fundamental unterscheidenden Potentialen, scheint es wünschenswert, auch im ökumenischen Dialog vor Ort verstärkt auf die gemeinsame Schöpfungsbewahrung zu bauen.

Der Austausch zwischen den letzten drei Päpsten und dem „grünen Patriarchen“ Bartholomäus sowie dessen Vorgängern, aber auch die Kooperation mit anderen Glaubensführern, die unter anderem zum Verfassen und Veröffentlichen eines Apells zur Weltklimakonferenz COP26 führte, weisen einen Weg. Ohne eine Umsetzung vor Ort in den Gemeinden wird sich aber nur bedingt etwas ändern.



* Alle Namen von zitierten Interviewpartnern wurden von der Autorin geändert, da die Interviews im Rahmen des Urban Green Religions-Projekts an der Universität Basel geführt worden sind und den Gesprächspartnern Anonymität zugesichert worden ist.