Generalvikare zum Valentinstag: Heiraten ist ok

Elf Generalvikare aus deutschen (Erz-)Bistümern fordern eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts und den sofortigen Stopp von Sanktionen gegenüber LGBTQI* und Wiederverheirateten.

Pünktlich zum Festtag des heiligen Valentin wenden sich elf Generalvikare aus deutschen (Erz-)Bistümern mit einem Offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing (Limburg). In ihrem Brief (PDF) fordern sie eine zügige Reform der Grundordnung für kirchliche Arbeitsverhältnisse (PDF) und den sofortigen Stopp von arbeitsrechtlichen Sanktionen, insofern diese eine Bestrafung bei „einer zivilen gleichgeschlechtlichen Ehe oder einer zivilen Wiederheirat bei bestehender kirchenrechtlich gültig geschlossener Erstehe“ darstellt.

Die Generalvikare der (Erz-)Bistümer Berlin, Paderborn, Hamburg, Essen, Limburg, Magdeburg, Speyer, Hildesheim, Münster und Trier sowie Reinhold Bartmann vom Militärbischofsamt bitten die Bischöfe darum, eine „kurzfristige Änderung des kirchlichen Arbeitsrechtes herbeizuführen und auf alle Bezüge auf die persönliche Lebensführung in der derzeit geltenden Grundordnung zu verzichten“. Insbesondere geht es ihnen um Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. Nrn. c und d (s. PDF).

Diese Paragraphen regeln die sog. Loyalitätsobliegenheiten katholischer Beschäftigter, zu denen auch gehört, „die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre“ anzuerkennen und zu beachten. Sie sehen bei einem „kirchenrechtlich unzulässigen Abschluss einer Zivilehe“ oder beim „Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft“ eine Kündigung vor, insofern beides „objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen“. Letzteres wird bei Mitarbeiter:innen in Verkündigungdienst und Lehre „unwiderlegbar vermutet“.

Solidarität mit #OutInChurch

„Das Arbeitsrecht darf kein Instrument sein, um eine kirchliche Sexual- und Beziehungsmoral durchzusetzen, die derzeit ohnehin zur Diskussion steht und die komplexe Lebenswirklichkeit von Menschen außer Acht lässt“, fordern die Generalvikare demgegenüber. Mitarbeiter:innen müssten die Kirche als „angstfreien Raum“ erleben dürfen, halten sie fest, und verdienten „vollständige Rechtssicherheit“.

Die bereits laufenden Gespräche über eine Neufassung der Grundordnung für kirchliche Arbeitsverhältnisse innerhalb der DBK und des Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) sollen von den Bischöfen in ein „transparentes Verfahren“ überführt werden, fordern die Generalvikare weiter. Eine Forderung, die erstaunen darf, weil den Autoren des Offenen Briefes als zweit-höchsten Amtsträgern ihrer (Erz-)Bistümer im Vergleich zu einfachen Priestern und katholischen Laien eigentlich erhebliche Befugnisse zukommen. Ein Grund für die öffentliche Forderung nach Reformen liegt sicher in der von den Autoren beschriebenen „Schwierigkeit in der Deutschen Bischofskonferenz, in vielen Fragen zu einvernehmlichen Entscheidungen zu kommen“.

Die elf Generalvikare wollen ihren Offenen Brief als Unterstützung der Reformforderungen der vergangenen Wochen verstanden wissen. Im Nachgang des Outings von über 120 Mitarbeiter:innen der römisch-katholischen Kirche (#OutInChurch) und eines aufsehenerregenden Dokumentarfilms (mehr hier in der Eule) hatten bereits 7 der 27 deutschen (Erz-)Bistümer (Speyer, Osnabrück, Essen, Würzburg, Freiburg, Münster und Magdeburg) „klargestellt“, dass geoutete LGBTQI*-Personen unter ihren Mitarbeiter:innen keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr befürchten müssen. Eine entsprechende Selbstverpflichtungserklärung hatte der Bischof von Würzburg, Franz Jung, vor einer Woche veröffentlicht. Andere (Erz-)Bistümer äußerten eher lose Solidarität mit #OutInChurch, verwiesen auf die Beratungen beim Synodalen Weg verwiesen oder schweigen bisher.

Auch „wiederverheiratete“ Heteros im Fokus

In ihre Forderung inkludieren die Generalvikare ausdrücklich auch jene heterosexuellen Katholik:innen, die nach einer Ehescheidung erneut geheiratet haben. Diese sog. „Wiederverheirateten“ haben in der römisch-katholischen Kirche nicht nur arbeitsrechtliche Konsequenzen zu befürchten, sondern sind in den meisten (Erz-)Bistümern weiterhin vom Empfang der Eucharistie ausgeschlossen.

Nach römisch-katholischer Lehre ist eine zweite Eheschließung – außer bei Ableben der/des Gattin/Gatten – nur möglich, wenn die erste Ehe von einem Kirchengericht „annuliert“ wird, eine Ehescheidung sieht das kirchliche Recht nicht vor. Mit solchen Ehe-Annulierungen befassen sich die Kirchengerichte auch der deutschen (Erz-)Bistümer regelmäßig, die meisten Katholik:innen verzichten jedoch auf ein dieses aufwendige und in die Privatsphäre der Gläubigen eingreifende Verfahren.

Im Zuge von #OutInChurch hatten Fälle von LGBTQI* für Aufsehen gesorgt, bei denen Sanktionen des kirchlichen Arbeitgebers unterblieben waren, so lange die Mitarbeiter:innen ihre sexuelle Orientierung und Identität im Geheimen lebten („Don’t ask, don’t tell“), aber bei Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe (oder vormals eingetragenen Partnerschaft) Kündigungen ausgesprochen wurden. Dies stünde der kirchlichen Verkündigung zu Ehe- und Beziehungsmoral diametral entgegen, die doch auf Stabilität und gegenseitige Verantwortung von LebenspartnerInnen und Familien ziele, so die Aktivist:innen.

Spirit of Love

Kirchenrechtler betonen in den vergangenen Tagen, dass die Bischöfe der deutschen (Erz-)Bistümer bei der Gestaltung des Arbeitsrechts weitgehenden Spielraum genießen und das Heft des Handelns – anders als bei anderen Forderungen, die auf dem Synodalen Weg formuliert werden – hier bei ihnen läge. Man darf also gespannt sein, welche (Erz-)Bischöfe sich im Nachgang des heute veröffentlichen Offenen Briefes mit Selbstverpflichtungserklärungen positionieren werden. Vom 7. bis zum 10. März findet die Frühjahrs-Vollversammlung der DBK im Wallfahrtsort Vierzehnheiligen statt. Es wird erwartet, dass das Thema auch dort zu heißen (nicht öffentlichen) Diskussionen führen wird.

Gegenwärtig wird in den Kirchen in Deutschland eine breite Diskussion über das kirchliche Arbeitsrecht und die damit verbundenen Ansprüche der Kirchen an das Privatleben ihrer Mitarbeiter:innen (und Mitglieder) geführt. „Sobald sich diese Erwartungen [an Gläubige] ändern oder wegfallen, gibt es natürlich auch kein Problem mehr beim Arbeitsrecht“, erklärt der evangelische Kirchenrechtler Michael Germann im Eule-Interview.

In der katholischen Kirche sei jedoch zu beobachten, dass „die Sichtweisen der Gläubigen nicht notwendigerweise durchdringen an die Stellen, die in der Kirche Definitionshoheit haben. Die Diskussion tobt, aber das heißt noch nicht, dass die Bischöfe Veränderungen aufgreifen“. Das katholische Kirchenrecht definiere „sehr klar, dass die Leitungsgewalt bei den Bischöfen liegt. Von ihnen wird jedoch auch erwartet“, so Germann weiter, „den sensus fidelium, den Glaubenssinn der Gläubigen, mit zu bedenken“.

Am Valentinstag könnte das im Sinne des Offenen Briefes der elf Generalvikare bedeuten, den Ehewünschen von katholischen Gläubigen mehr Respekt und Wohlwollen entgegenzubringen – auch wenn sie zum zweiten Mal oder eine:n Partner:in des gleichen Geschlechts heiraten.