Hängt es höher! – Die #LaTdH vom 29. April

Wer hält das Kreuz ganz besonders in Ehren? Derjenige, der es aufhängen lässt? Oder diejenigen, die sich dagegen verwehren? Außerdem: Eine Verteidigung der Diakonie, Jana auf Youtube und Freude bei der AfD.

Debatte

Ja, doch: Diese Woche hatte eine mehr als wahrnehmbare Kirchendebatte. So deutlich, dass es schon weh tut. Der bayerische Neu-Ministerpräsident Markus Söder (@Markus_Soeder) verpflichtet die Ämter des Freistaats dazu, Kreuze aufzuhängen. Obacht, Spezi! Das kann man natürlich aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich finden, wir können aber auch anders:

Warum das #Kreuz kein Zeichen bayerischer Identität ist – Christiane Müller (theologin-mueller.de)

Stellvertretend für die zahlreichen christlichen Stimmen, die sich gegen den Missbrauch des Kreuzes für eine duchsichtige Identitätspolitik wehren, hier der Artikel von Christiane Müller (@Thweologin), der die gängigen Argumente enthält.

Das Kreuz ist das Symbol des mit den leidenden und erniedrigten Menschen solidarischen Gottes. Damit kann es niemals das machtpolitische Symbols eines Staates, einer Partei oder der Dominanz einer Weltanschauung über andere sein. Schon gar nicht das Wahlkampfsymbol einer Partei, die sich das C auf die Fahnen schreibt, aber das zum Vorwand nimmt, andere Religionen (und ihre Anhänger) als „nicht zu Deutschland gehörig“ auszugrenzen.

Das Kreuz gehört nicht der CSU – Felix Neumann (katholisch.de)

Schön auch der Kommentar von Felix Neumann (@fxneumann) auf katholisch.de. Er bringt die Sache mit der Säkularisierung des Kreuzes, die ja irgendwie im Widerspruch mit der von Söder geäußerten Absicht den christlichen Glauben wichtig und ernst zu nehmen steht, auf den Punkt:

Das Bundesverfassungsgericht dagegen hat sich [anders als die bayerische Landesregierung] die Mühe gemacht, das Christentum zu verstehen. „Das Kreuz […] ist geradezu sein Glaubenssymbol schlechthin. Es versinnbildlicht die im Opfertod Christi vollzogene Erlösung des Menschen von der Erbschuld, zugleich aber auch den Sieg Christi über Satan und Tod und seine Herrschaft über die Welt, Leiden und Triumph in einem“, heißt es in dem Beschluss von 1995 – und damals schon stellt das Gericht fest: „Es wäre eine dem Selbstverständnis des Christentums und der christlichen Kirchen zuwiderlaufende Profanisierung des Kreuzes, wenn man es […] als bloßen Ausdruck abendländischer Tradition oder als kultisches Zeichen ohne spezifischen Glaubensbezug ansehen wollte.“

Oder auch:

Der augenscheinlich wahltaktisch motivierte Populismus Söders demaskiert sich im Angesicht der Geschichte:

Wesentlich konzillianter äußerte sich der EKD-Ratsvorsitzende und bayerische @landesbischof, Heinrich Bedford-Strohm, im Interview mit dem Bayerischen Rundfunkt (Video), und auch ein ehemaliger Ratsvorsitzender meldete sich zu Wort:

Irgendwann hat ein kluger Mensch die Frage aufgeworfen, ob nicht dieses ganze Kreuz-Bohei in einem Zusammenhang z.B. mit der Nutzung der Kippa als Solidaritätsmarker auf Demos gegen Antisemitismus steht. Und in einem weiteren Sinne auch mit der leidigen Kopftuchdebatte, insofern es um religiöse Symbole geht, die weltlich erklärt, verstanden oder eben auch als Machtinstrumente missbraucht werden.

Glauben und Wissen – Jürgen Habermas (Friedenspreis)

Man könnte all diese Phänomene als Handlungen einer post-säkularen Gesellschaft verstehen, die sich religiöser Symboliken bedient, um staatliche Gewalt oder profane Machtansprüche zu legitimieren. Gleichwohl, ohne dass sie vom religiösen Sinn der Symbole ein tieferes Verständnis hat. Urheber des Begriffs ist der Philosoph Jürgen Habermas, der ihn in seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2001 einführte. Dort steht außerdem:

Die Grenze zwischen säkularen und religiösen Gründen ist ohnehin fließend. Deshalb sollte die Festlegung der umstrittenen Grenze als eine kooperative Aufgabe verstanden werden, die von beiden Seiten fordert, auch die Perspektive der jeweils anderen einzunehmen. […] Der demokratisch aufgeklärte Commonsense ist kein Singular, sondern beschreibt die mentale Verfassung einer vielstimmigen Öffentlichkeit. Säkulare Mehrheiten dürfen in solchen Fragen keine Beschlüsse fassen, bevor sie nicht dem Einspruch von Opponenten, die sich davon in ihren Glaubensüberzeugungen verletzt fühlen, Gehör geschenkt haben; sie müssen diesen Einspruch als eine Art aufschiebendes Veto betrachten, um zu prüfen, was sie daraus lernen können.

So müsste das in einem liberalen Rechtsstaat laufen, oder er ist halt kein liberaler Rechtsstaat mehr. Als letztes Wort passend dazu:

Der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Volker Münz, begrüßte dagegen die bayerische Anordnung und verbuchte die Kabinettsentscheidung auch als Erfolg seiner Partei. (Quelle)

nachgefasst

„Jana glaubt“: Wie die Kirche versucht, Religion durch Influencer cool zu machen – Lisa Ludwig (Vice)

Uff, das sitzt! Lisa Ludwig (@Antialleslisa) hat den neuen Youtube-Kanal von Evangelischer Jugend (aej) und Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publistik (GEP) angeschaut (s. #LaTdH vom 15. April) und kommt zu einem harten Urteil:

Wenn dieses Schnarchfest mich von einem evangelischen Lifestyle überzeugen soll, schließe ich mich lieber einer abgedrehten Sex-Sekte an. Die wissen wenigstens, wie man sich interessant macht.

Lisa Ludwigs Artikel ist aber trotz solcher Knallersätze alles andere als ein simpler Verriss, er legt die Schwächen des Angebots gnadenlos offen. So scheitert Jana ihrer Meinung nach daran, dass sie nicht als ganze Person erkennbar wird. Dafür bräuchte man gar keinen Profi-Partner wie Mediakraft, konnten Protestanten nicht mal klar machen, wo und warum sie stehen, wo sie halt stehen? Und: Das kann man ja in den kommenden Folgen hinkriegen! Eigentlich wäre, so die Autorin, nämlich Raum für ein sinnstiftendes Angebot, nur halt nicht so.

Junge Menschen sind sich mittlerweile ziemlich sicher, dass das mit der Rente nichts mehr wird, und sie gegebenenfalls arbeiten müssen, solange sie körperlich dazu in der Lage sind. Durch das Internet prasseln Nachrichten auf sie ein; entrinnen kann nur, wer sich ausloggt – und das ist, realistisch betrachtet, keine Option. Also flüchten sich viele in perfekt inszenierte Instagram-Welten und hoffen darauf, irgendwann auch mal so schön und erfolgreich zu sein, dass sie Geld dafür bekommen, sich mit Wurstwaren in einer Badewanne zu fotografieren. Gleichzeitig wird der jungen Generation vorgehalten, zu viel zu erwarten und nichts leisten zu wollen. Da kann man doch eigentlich nur verzweifeln – und sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen.

Leider greift die Autorin dann doch zum von ihr selbst beklagten Mittel der Quantifizierung, sie misst Jana und andere christliche Webangebote einzig an ihrer (beklagenswert geringen) Followeranzahl. Ein Grund ihre Kritik einfach als Kirchenbashing (oder shaming) aufzunehmen ist das gleichwohl nicht, denn:

EKD goes YouTube. Ein Kommentar – Matthias Krön (Die digitale Reformation)

Und noch ein kleiner Nachtrag zu Janas Youtube-Ecke, Matthias Krön (@DigitalMissionB) verspricht sich vom Projekt wenigstens eine Menge Lehren, die EKD und #digitaleKirche in weitere Projekte einbringen können. Richtig, es muss ja nicht alles (auf Anhieb) klappen. Haben wir uns nicht eben noch mehr Raum fürs Ausprobieren und Scheitern gewünscht?

Was ist Antisemitismus – und warum muss man ihn besonders bekämpfen? – Michael Blume (Youtube)

Wir bleiben noch auf dem zeitintensiven Videoportal: Dort findet sich der Antrittsvortrag Michael Blumes (@BlumeEvolution) als neuer Antisemitismusbeauftragter der Baden-Württembergischen Landesregierung. In einer halben Stunde hält Blume, was der Titel verspricht. Gut genutzte Zeit. Michael Blume ist zuletzt als Autor des Buches „Islam in der Krise“ hervorgetreten, Rezension hier in der Eule.

Buntes

Umstrittener Jungpriester sorgt weiter für Wirbel (BR24)

Eine wahrlich bunte Meldung zum Thema Antisemitismus in den Kirchen erreicht uns aus den bayerischen Bistümern Würzburg und Eichstätt: Ein Würzburger Priesteranwärter war dort vor Jahren aus dem Seminar gekickt worden, weil er antisemitische Witze erzählt hatte. Unterschlupf fand er im Eichstätter Priesterseminar. Die Not ist groß! In Eichstätt wurde er zuerst zum Diakon und nun auch zum Priester geweiht. Das alles unter scharfen Protesten des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster. Nun sollte der „verlorene Sohn“ für zwei „Nachprimizen“ in seine alte Heimat zurückkehren. Das nenn‘ ich mal Chuzpe.

Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, hält das Verhalten des Jungpriesters für höchst fragwürdig. Allein die Tatsache, dass er kurz nach der umstrittenen Weihe sofort in das Bistum zurückkehren wolle, das ihn einst entlassen habe, mache ihn „sprachlos“, so Schuster. Sein jetziges Verhalten mache zudem deutlich, dass die kurz vor der Weihe gezeigte Reue über das Verhalten im Priesterseminar nur ein Lippenbekenntnis gewesen sei.

Von gestern? Arbeitgeberin Diakonie – Ulrich Lilie (Ulrich Lilie bloggt)

Der Präsident der Diakonie Deutschland ist ein fleißiger Blogger und hat seiner Verärgerung ob der tendenziösen Berichterstattung über das Urteil des EuGH zum kirchlichen Arbeitsrecht Luft gemacht. Tenor: So schlecht wie ihr Ruf in der Presse ist die Diakonie gar nicht, auch weil sie sich längst eine neue Loyalitätsrichtline gegeben hat, die das EuGH-Urteil und das bald kommende Urteil des Bundesarbeitsgerichts schon antizipiert.

Traugesetz gilt in Kurhessen-Waldeck künftig auch für gleichgeschlechtliche Paare (EKKW)

Eine wirklich bunte Meldung aus Kurhessen: Die Synode hat beschlossen, dass fortan auch gleichgeschlechtliche Paare getraut werden können (einen „Gewissensvorbehalt“ für Pfarrer, die das nicht durchführen wollen, gibt es gleichwohl).

Bibel

Beheimatet in Beziehung – Till Magnus Steiner (Die Tagespost)

In der konservativ-katholischen (Online-)Zeitung Die Tagespost wurde in den letzten Wochen eine Patriotismus-Debatte geführt, die zuweilen herbe Züge trug. Ich fühlte mich da teilweise in den religiösen Grundlagen des Programms der Neuen Rechten unterrichtet. Till Magnus Steiner (@TillMSteiner) schreibt den christlichen Patrioten an gleicher Stelle (!) zurück, mit einem Durchgang durch die Heilige Schrift zum Thema.

Ein guter Satz

„Das ist Unsinn und alle wissen es.“

Der bayerische Imam Benjamin Idriz (@benjamin_idriz) im Interview mit der Süddeutschen Zeitung) als Entgegnung auf Markus Söders Behauptung, das Kreuz sei nicht als religiöses Symbol zu verstehen. Der Satz könnte uns als Richtschnur in Debatten dienen.