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Hochzeitsglocken – Die #LaTdH vom 10. Juli

Ist das Sommerloch da? Die Prominenz pilgert nach Sylt zur „Hochzeit des Jahres“, Muslime nach Mekka zur ersten Hadsch „nach“ Corona und wir fragen uns: Wozu das alles?

Herzlich Willkommen!

Unser Finanzminister Christian Lindner und ich haben seit neustem etwas gemeinsam. Wir haben nämlich beide gerade geheiratet. Das wars dann aber auch schon mit den Parallelen. Denn Lindner hat auf Sylt, mit einem kleinen Staatsaufgebot und viel Kritik geheiratet. Bei meiner Hochzeit dagegen war nur die engagierte Fotografin dabei. Anlass genug, mal ein bisschen näher hinzuschauen was das Thema Hochzeiten und die Kirchen betrifft. Da gibt es nämlich auch ganz außergewöhnliche Ideen, zum Beispiel in Berlin.

Dann gibt es zum einen großes Chaos an deutschen Flughäfen wegen der Sommerferien und dem Personalmangel, zum anderen bei der Anmeldung und Anreise zur muslimischen Pilgerreise Hadsch, die gerade in Saudi-Arabien stattfindet. Und außerdem fragen wir uns, warum nicht schon auf allen Kirchendächern Solar- oder Photovoltaikanlagen installiert sind.

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Jacqueline Depta

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Debatte

Die Hochzeitsglocken läuten: Für unseren Finanzminister, für 50 Paare, die eine Pop-Up-Hochzeit feiern und für mich auch. Denn nicht nur Christian Lindner hat geheiratet, sondern auch ich durfte ganz frisch vor den Traualtar treten. Für mich persönlich war das dieses Jahr die vierte von sieben Hochzeiten, auf denen ich sein werde. Vier davon kirchlich, eine (nur) standesamtlich und zwei sind freie Trauungen.

Dass sich immer weniger Menschen für eine kirchliche Trauung entscheiden ist nichts neues, die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Und trotzdem erhoffen sich christliche Autor:innen von der Hochzeit von Christian Lindner diese Woche eine gewisse Strahlkraft.

Lindners Location und unsere Kirche – Angela Rinn (Zeitzeichen)

Sie haben Ja gesagt: Finanzminister Christian Lindner (@c_lindner) und Chefreporterin Politik bei der Welt Franca Lehfeldt (@francalehfeldt) haben auf Sylt geheiratet. Dass die beiden sich nicht nur im Standesamt das Ja-Wort gegeben haben, sondern auch in der evangelischen Kirche St. Severin freut Angela Rinn besonders.

Die Autorin hofft sogar auf eine Zeitenwende bei den Hochzeitstrends. Weg von Outdoorhochzeiten und Strandromantik, hin zu jahrhundertealten Kirchenmauern und Sakralgebäuden. „Die „Hochzeit des Jahres“ in Deutschland setzt Maßstäbe.“ Und das, obwohl Lindner bereits vor Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.

Bei der Trauung von Christian Lindner und Franca Lehfeldt wird sicher die Orgel spielen , und auch Kirchenmusikerinnen leben nicht von Luft und Liebe, sondern sind auf ihr Gehalt angewiesen. Alle Mitglieder der christlichen Kirchen leisten mit ihrer Kirchensteuer einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung dieser wunderschönen Kulturgüter und zur Sicherung kirchlicher Dienstleistungen.

Möglicherweise könnten die sich etwas darüber ärgern, dass die einen nutzen, was sie finanzieren. Eventuell ist die eine oder der andere gar der Ansicht, dass das eine gewisse Schieflage darstellt. Mag sein, dass sich da in Zeiten der Inflation die Frage stellt, warum man sich die Kirchensteuer nicht einfach auch sparen könnte, wenn Nichtmitglieder die gleichen Rechte und Vorteile haben wie Kirchenmitglieder.

Die Regionalbischöfin Petra Bahr (@bellabahr) bekräftigt auf Twitter noch einmal den Mut, den es für eine Trauung braucht.

Mit Gottes Hilfe, aber ohne Kirchensteuer? – Reinhard Bingener (FAZ.net)

Eine evangelische Hochzeit, bei der beide Eheleute keine Kirchenmitglieder (mehr) sind. So ist scheinbar die Sachlage laut Medienberichten bei der Promi-Hochzeit Lindner/Lehfeldt. In den Beschlüssen der Nordkirchen-Synode gibt es an dieser Stelle einen Widerspruch. Einerseits wurde beschlossen, dass „mindestens“ einer der beiden Partner Mitglied der evangelischen Kirche sein soll, andererseits aber auch, dass eine Trauung auch dann möglich ist, „wenn Menschen, die nicht Kirchen­mitglieder sind, danach fragen“. Schwierig, findet auch Reinhard Bingener (@RBingener):

Nach Auffassung der Theologieprofessorin Karle zeigt der Fall Lindner/Lehfeldt exemplarisch das Dilemma der Kirche zwischen „Öffnung“ und „Schließung“ angesichts zunehmender Entkirchlichung. Einerseits möchte die Kirche für alle offen sein und präsent bleiben, andererseits darf sich die Kirche in diesem Prozess nicht bis in ihre rituellen Kernbereiche selbstsäkularisieren.

Dass die Kirchen da mal ein Auge zudrücken, lässt sich nachvollziehen. Vor allem wenn man sich die Zahlen zu kirchlichen Trauungen in den vergangenen Jahren anschaut. Zwar freut sich die Deutsche Bischofskonferenz nach etlichen Corona-Ausfällen über mehr Trauungen 2021 (20.140) als im Jahr zuvor (11.018), allerdings täuscht der Anstieg über den stetigen Negativtrend hinweg. Den hat Felix Neumann (@fxneumann) für katholisch.de analysiert.
Als weiteren schwierigen Punkt führt Bingener die Mitgliedschaft in der Kirche an:

Wenn die kirchliche Traumhochzeit auf der Insel Sylt jedem offen steht, könnte sich manches Kirchenmitglied irgendwann die Frage stellen, warum es Monat für Monat Kirchensteuer zahlt.

Da ist er wieder: Der Spagat, den die Kirchen versuchen (müssen) zu vollziehen. Ob es die richtige Entscheidung ist, weiß niemand. Vielleicht kochen gerade deshalb die Diskussionen auf Facebook und Twitter so hoch? Kirchliche Einsegnungen von Ehepaaren ohne zumindest ein Kirchenmitglied sind allerdings sehr, sehr selten. Der Anteil der evangelisch getrauten Paare, bei denen kein Partner Mitglied einer evangelischen Landeskirche ist, liegt seit 2015 bei jährlich 0,3 bis 0,4 Prozent. So oder so hat die evangelische Kirche mit dieser Hochzeit aber so viel – meist positive – Presse wie lange nicht mehr.

Mit schalem Nachgeschmack – Benjamin Lassiwe (Sylter Rundschau)

Und auch Benjamin Lassiwe (@lassiwe) macht sich so seine Gedanken, ob die evangelische Kirche nicht das falsche Signal mit dieser Hochzeit sendet. Ein Ehepaar, das kirchlich getraut wird, aber nicht Mitglied der Kirche ist.

Signalisiert sie nicht gerade am Beispiel von Christian Lindner, dass im Grunde egal ist, ob man Kirchenmitglied ist, oder nicht? Eleganter wäre es jedenfalls gewesen, wären Christian Lindner und Franca Lehfeldt aus Anlass ihrer Hochzeit in die Kirche eingetreten. Denn so hinterlässt das Sylter Medienereignis des Jahres bei vielen Kirchenmitgliedern einen schalen Nachgeschmack.

Lustig auch, dass die Hochzeitsgäste mit diesem Text konfrontiert wurden, wenn sie am Hochzeitstag die Zeitung auf Sylt aufgeschlagen haben.

Spontan und ohne Anmeldung, 50 Mal Ehe to go! – Sabine Klier (B.Z.)

Ganz anders aber sicher nicht weniger bedeutsam für die Eheleute waren die Segenshochzeiten in Berlin vor ein paar Wochen. 50 Paare haben sich da segnen lassen und eine „Hochzeit to go“ in Anspruch genommen. Im Glitzerblazer, auf der Harley-Davidson und unter einem geschmückten Hochzeitsbaum wurden die Pop-Up-Hochzeiten durchgeführt.

Pfarrerin Susann Kachel sagt: „Der Andrang ist so groß, dass wir die Segenshochzeit sicherlich wiederholen werden.“

Die Idee zu der Aktion kam vom Segensbüro in Neukölln. Leiterin und Pfarrerin Susann Kachel sagte dazu im Interview mit dem rbb:

Wir wollen einfach mal ausprobieren, wen das anspricht. Kirchliche Trauungen sind normalerweise mit einer großen Hürde verbunden. Man muss nämlich standesamtlich verheiratet sein und auch noch Kirchenmitglied. Wir haben gedacht, dass es viele Menschen gibt, die gar nicht zivilrechtlich verheiratet sein, aber trotzdem eine Segenszeremonie feiern wollen. Oder aber Menschen, die aus finanziellen Gründen nicht noch einmal heiraten wollen, sich aber trotzdem den Segen der Kirche für ihre Partnerschaft wünschen.

Wozu noch in der Kirche sein? – Inke Raabe (inkeraabe.de)

Pastorin Inke Raabe (@bible_mcmimimi) ist für die Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Nordfriesland der Nordkirche (@nordkirche_de) zuständig und in diesen Tagen wegen der Lindner-Hochzeit professionell gut beschäftigt gewesen. Trotzdem hat sie ihre Gedanken zur „Hochzeit des Jahres“ in ihrem Blog noch einmal aufgeschrieben. Sie schreibt über „Kirchenbashing“, die Lasten der immer weniger werdenden Kirchenmitglieder, aber auch über ihren Willen, die Kirchentüren weit auf zu machen:

Auch ich ärgere mich manchmal, wenn die Last für die immer weniger werdenden Mitglieder immer größer wird. Ich ärgere mich vor allem über das allgegenwärtige „Kirchenbashing“, bei dem Politik gerne mitmischt. Und ja: Ich ärgere mich auch, wenn Menschen nicht zu uns gehören wollen, aber wie selbstverständlich an allem teilhaben, was uns ausmacht. Und dennoch: Gerade im vorliegenden Fall lerne ich von meiner Sylter Kollegin. Sie hat ein weites Herz. Sie ist unermüdlich freundlich. Sie weist niemanden ab. So möchte ich auch sein.

Wenn wir Christ:innen so überzeugend darlegen könnten, warum wir dabei sind (und bleiben) wie Inke Raabe wäre viel gewonnen:

Ich bin Mitglied der Kirche, nicht, weil ich dadurch irgendwelche Vorteile hätte, sondern weil ich die Gemeinschaft der Glaubenden im Gottesdienst liebe, weil ich es liebe, gemeinsam zu singen und zu beten. Ich bin Mitglied der Kirche, weil ich so großen Respekt habe vor der Kunst und der Kultur, die durch sie möglich wurden. Ich bin Mitglied der Kirche, weil unsere großartigen Gotteshäuser mir am Herzen liegen und weil ich weiß, wieviel Geld es kostet, sie zu erhalten.

Ich bin Mitglied, weil ich das Evangelium, das wir in Wort und diakonischer Tat verkündigen, für unverzichtbar halte in einer Welt, in der jeder nur auf sich sieht. Ich bin Mitglied, weil ich weiß, dass wir viele sind und gemeinsam etwas bewegen können. Ich bin Mitglied, weil ich dazugehören möchte. Kirchenmitgliedschaft ist für mich eine Form gelebter Solidarität. Wer nicht Mitglied ist, verpasst etwas, das ist meine Devise.

Buntes

Sonnenenergie vom Kirchendach: Jetzt Zeichen setzen! – Burkhard Weitz (chrismon)

Warum sind nicht auf jedem Kirchendach in Deutschland Solaranlagen verschraubt? Mit dieser Frage hat mich Burkhard Weitz nach dem Lesen seines neusten Textes für Chrismon (@chrismon_de) stehen gelassen. Ja, warum eigentlich nicht? Ich stimme ihm voll und ganz zu, dass sich gerade jetzt die Gemeinden darum kümmern sollten. Denn:

[…] wichtiger als die Optik ist die Funktionalität. Es kann nicht sein, dass wir lieber in Schönheit sterben, als das Vernünftige zu tun. Und es wäre auch nicht verkehrt, wenn aller Welt deutlich wird: Die Kirchen sind schon deshalb systemrelevant, weil sie sich um die Fragen der Zukunft kümmern.

Als Beispiel führt der Autor den Fall einer Gemeinde in Nordheim im Landkreis Heilbronn an. Die hat schon im Jahr 2000 eine Photovoltaikanlage bei einer Dachsanierung installieren lassen. Und das gegen einigen Widerstand. Die Gemeinde kämpfte sich bis vors Oberverwaltungsgericht Mannheim und gewann.

Flughafenpfarrerin: Personal ist verzweifelt – Carina Dobra (evangelisch.de)

Bettina Klünemann ist Flughafenseelsorgerin an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main. Sie erlebt das Chaos, das zurzeit herrscht jeden Tag und hat dabei nicht nur die Reisenden, sondern auch die Mitarbeitenden im Blick, hat Carina Dobra (@carinadobra) vom epd aufgeschrieben:

„Als ich einige von ihnen nach ihren Pausenzeiten gefragt habe, haben die nur gelacht“, sagte Pfarrerin Bettina Klünemann. Das Personal arbeite größtenteils sieben Tage die Woche, zehn Stunden am Tag, „ohne Verschnaufpause“.

Wer im Moment in den Urlaub fliegen will, muss starke Nerven haben. Aufgrund von Personalmangel und wegen der großen Nachfrage nach den wegen Corona ausgefallenen Urlauben in den vergangenen Sommern staut es sich vor den Schaltern, der Sicherheitskontrolle und beim Boarding. In der Flughafen-Kapelle suchen einige Reisende da etwas Ruhe von dem ganzen Trubel in den Wartehallen. Ich hoffe, dass Sie von dem Chaos verschont bleiben und falls nicht, dass sie genug Zeit einplanen und gelassen bleiben. Das rät auch Pfarrerin Klünemann.

Theologie

Hadsch 2022: Traditionelle Pilgerreise mit Hindernissen – Junus el-Naggar (NDR.de)

An diesem Wochenende findet die erste Hadsch seit der Corona-Pandemie statt, bei der auch wieder Gläubige aus dem Ausland zugelassen sind. Bis zu einer Million Menschen werden erwartet. Neu in diesem Jahr ist das Anmeldesystem bei der Pilgerreise, das nicht mehr von unzähligen Reisebüros weltweit organisiert wird. In diesem Jahr übernimmt die Organisation komplett das saudische Hadsch-Ministerium, erklärt Junus el-Naggar. Es gibt ein Losverfahren und die Organisation scheint sehr chaotisch. Der Autor sieht dahinter einen Plan Saudi-Arabiens, ausschließlich selbst Geld mit den Pilgern zu verdienen. So werde die Pilgerreise noch mehr kommerzialisiert. „Die Pilger sind zum Spielball saudischer Nationalinteressen geworden“ resümiert el-Naggar in dem Radiobeitrag für NDR Kultur.

Münchner Frauen an die Taufbecken – Annette Zoch (SZ.de)

Mal wieder fordern Frauen mehr Rechte in der katholischen Kirche. Dieses Mal ist es das Frauenforum der Erzdiözese München und Freising, das Kardinal Reinhard Marx dazu auffordert, Laien mit Taufen und Eheschließungen zu beauftragen. Anlass dafür ist der Gottesdienst zu „50 Jahre Pastoralreferenten und -referentinnen“, den Marx am Samstag gefeiert hat.

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hatte im Frühjahr einigen Wirbel ausgelöst, als er in seinem Bistum Laien mit der Taufspende beauftragte. Marx‘ Mitbruder berief sich auf den Priestermangel und nutzte ein kirchenrechtliches Schlupfloch, wonach jede geeignete Person vom Bischof zur Taufspende beauftragt werden kann, wenn ordentliche Taufspender wie Priester oder Diakone fehlen.

Die Münchener Frauen wollen neben den Taufen auch Trauungen durchführen, was kirchenrechtlich in der katholischen Kirche eigentlich kein Problem sein dürfte: Denn die Eheleute spenden sich gegenseitig das Sakrament der Ehe, der Priester segnet sie lediglich. Das eine Lockerung der gänigen Praxis bisher immer auch mit dem Mangel an Priestern begründet wurde, stört das Frauenforum:

„Es geht hierbei nicht nur um eine Entlastung der Priester und Diakone, sondern nicht zuletzt um Fragen der Gerechtigkeit uns Frauen gegenüber.“

Ob die Frauen im Bistum München mit ihrer Forderung Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Ich bin da eher skeptisch. Zwar wird in der katholischen Kirche immer wieder über dieses Thema diskutiert, wirkliche Änderungen kommen aber nur schwerfällig in Gang. Trotzdem: Forderungen sind wichtig und auch mit kleinen Schritten gelangt man irgendwann ans Ziel.

Ein guter Satz