Foto: Goldene Blogger
Interview Goldene Blogger 2020

„Ich bin da immer als ganze Person“

Theresa Brückner wurde diese Woche als „Beste Flauscherin“ mit einem Goldenen Blogger-Award ausgezeichnet. Wir haben mit der „Sinnfluencerin“ über den Preis, Authentizität und #digitaleKirche gesprochen.

Am vergangenen Montag hat Theresa Brückner (@theresaliebt auf Instagram, YouTube, Twitter) den Goldene Blogger-Award in der Kategorie „Beste*r Flauscher*in“ gewonnen. Im Online-Voting erhielt sie die meisten Stimmen. Das Interview führte Philipp Greifenstein.

Eule: Was ist denn „Flausch“?

Brückner: Ich habe das auch erstmal recherchieren müssen. Von den Goldenen Bloggern habe ich auf Twitter erfahren, dass es um Menschen geht, die Positives ausstrahlen. Bei der Verleihung wurde das schön erklärt: Es geht darum, den Follower*innen gut zu tun. Nicht nur mit guten Nachrichten, sondern mit allen Themen, die man anspricht. Das ist auch meine Intention.

Eule: Als „Influencerin für den Herrn“ verkündigst du ja sowieso die „Gute Nachricht“.

Brückner: Ich gebe mir die größte Mühe! Das fängt für mich damit an, dass ich versuche inklusiv zu sprechen. Deshalb versuche ich zum Beispiel auch „Herr“ als Gottesnamen zu vermeiden. Ich sage dann einfach „Gott“, weil es mir auch darum geht, Geschlechterklischees aufzudecken. Das fängt mit der Sprache an. Traditionelle Kirchensprache, wie eben auch „Herr“, müsste ich extra erklären. Gerade im letzten Jahr habe ich da auch noch mal auf meine eigene Sprache geachtet.

Eule: Du sprichst auf deinen Kanälen ja ohnehin viele ernsthafte Themen an. Belästigungen, die du als Frau erhältst, sind ja kein Wohlfühlthema.

Brückner: 100 %, aber auch das gehört dazu. Vielen Leuten tut das aber in der Seele gut zu merken, dass sie damit nicht allein sind. Dass sie sehen, dass da andere auch mit ihnen und für sie kämpfen. Bei der Preisverleihung sind zwei Leute zu mir gekommen und haben sich als Follower*innen geoutet und mir gerade dafür gedankt, dass ich das Thema anspreche. Das fand ich ganz bewegend.

Eule: Wie war es denn bei den Goldenen Blogger*innen?

Brückner: Sehr schön, obwohl ich sehr aufgeregt war! Alle Nominierten waren vor der Verleihung zu einer Stunde Kennenlernen eingeladen. Da habe ich auch mit Uwe Baltner (@uwebaltner) gesprochen, der mit mir gemeinsam als Beste*r Flauscher*in nominiert war. Mich hat schon die Nominierung sehr gefreut und ich hätte mich auch sehr für ihn gefreut.

Eule: Wie ist es denn überhaupt dazu gekommen?

Brückner: Ich wurde vorgeschlagen und dann wurde ich für die Nominiertenliste ausgewählt. Mir haben danach ein paar Leute geschrieben, dass sie mich vorgeschlagen haben. Aber ich habe das, ehrlich gesagt, vorher gar nicht mitbekommen.

Eule: Ich hatte in den #LaTdH vom 12. Januar unsere Leser*innen aufgefordert, doch #digitaleKirche-Formate einzureichen. Manchmal muss man sich nämlich auch mal ins Spiel bringen, um außerhalb der eigenen Bubble wahrgenommen zu werden. Dass es für ein Format für eine Nominierung gereicht hat, freut mich sehr.

Brückner: Ich war wirklich sprachlos und finde es so großartig, dass es eine Auszeichnung ist, die nichts mit Kirche zu tun hat. Das wünschen wir uns doch auch für Gemeindekreise oder Gottesdienste, dass die Menschen anziehen, die bisher noch nichts mit der Kirche zu tun haben. Die Nominierung ist auch eine Bestätigung dafür, dass dieses Angebot wirklich „da draußen“ wahrgenommen wird.

Eule: Gab es bei der Preisverleihung denn Reaktionen darauf, dass deine Kanäle ein kirchliches Angebot sind?

Brückner: Einige hatten sich ja vorher schon informiert. Die Rückmeldungen waren sehr positiv. Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, fanden es cool, dass ich über Glauben so offen spreche. Die ganze Veranstaltung war natürlich sehr offen und liberal – das fand ich sehr angenehm.

Eule: Es kann ja auch sein, dass Menschen skeptisch werden, weil du ja auch für eine Institution sprichst, die nicht in allen gesellschaftlichen Bezügen als besonders fortschrittlich gilt.

Brückner: Das stimmt. Ich glaube, ich habe den Vorteil, dass ich als Frau regelmäßig genau diese Dinge anspreche, die mich selbst ja auch stören. Ich versuche ganz bewusst, da nichts zu verstecken, sondern damit offen und ehrlich umzugehen. Das macht natürlich viel aus.

Mich hat bei der Preisverleihung auch eine Katholikin angesprochen, die bedauerte, dass in ihrer Kirche so wenig Frauen für die Kirche sprechen, weil sie ja auch nicht Priesterinnen werden dürfen. Ihr war es wichtig, dann eben die Frauen zu supporten, die das trotzdem oder in einer anderen Kirche schon machen.

Eule: Was nimmst du denn von den Goldenen Blogger*innen als Botschafterin der digitalen Kirche mit?

Brückner: Bei den meisten Nominierten spielt Authentizität eine große Rolle. Das ist inzwischen ein überstrapazierter Begriff. Auch in der Kirche. Ich finde es spannend, dass sich viele Formate in einer Sache gar nicht unterscheiden: Es geht immer darum, dass Menschen sich für etwas begeistern, worauf sie Lust haben, und das dann auch machen.

Eule: Ach, ich kann die Authentizitätskritik nur zum Teil nachvollziehen. Influencer*innen funktionieren nun mal so. Ich glaube, sie sprechen damit ein wirkliches Bedürfnis von uns an, Menschen zu begegnen, die uns ehrlich gegenübertreten.

Brückner: Genau daran reiben sich dann die Leute, oder eben auch nicht. Ich bin da immer als ganze Person, so wie ich halt bin. Das ist im restlichen Pfarramt auch so. Ich werde manchmal kritisiert, dass ich zu wenig aus der Bibel zitiere und stattdessen Themen wie Diskriminierung und Frauenverachtung anspreche. Oder dass es auf meinen Kanälen persönlich zugeht mit Aufzug-Stories und Einblicken in meinen Alltag. In den Sozialen Medien ist die Kritik daran geballter als im real life, aber deswegen will ich mich nicht verstellen.

Eule: Bei den Blogger*innen – also den Leuten, die im Netz tatsächlich etwas machen, egal auf welchen Kanälen – habe ich das Gefühl: Das ist ja das protestantische Milieu. Nur, dass die heute keine Pamphlete und Flugschriften mehr zu religiösen Themen schreiben. Aber die industrielle Seite daran scheint mir die logische Fortsetzung der protestantischen Betriebsamkeit.

Brückner: Auf jeden Fall. Mich motiviert das selbst auch total. Ich wollte immer schon das Evangelium in die Welt hinaustragen. Mich hat schon immer gestört, dass so wenig Leute „zu uns“ in die Kirche kommen. Und dann immer nur die gleichen. Was mich im Theologiestudium fasziniert hat, war die Frage, wie man über den Glauben mit Menschen sprechen kann, die überhaupt nichts mit Kirche am Hut haben. So hat Instagram für mich angefangen: Mit den Menschen ins Gespräch kommen. Manche haben sich dadurch dann ihre Kirche vor Ort angeschaut oder angefangen, die Bibel zu lesen. Das ist genau das, was ich mir als Pfarrerin wünsche.

Eule: Hast du bei der Preisverleihung ein Format kennengelernt, von dem du vorher noch nichts gewusst hast und jetzt neue Followerin bist?

Brückner: Ganz viele der anderen Nominierten kannte ich noch nicht! Es ist einfach Wahnsinn, wie viele unterschiedliche Themen und Formate es gibt. Was mich persönlich sehr interessiert hat, ist der „Alzheimer und wir“-Blog. Meine Oma hat auch Alzheimer und ich finde es sehr wichtig, dass sich jemand traut, gerade über diese Krankheit und die Auswirkungen für die Angehörigen zu sprechen. Das macht vielen anderen Menschen Mut!

Eule: Auch wenn Blogger*innen in Deutschland ja leider auch nur „Nische“ sind, hast du mit der Nominierung und Auszeichnung ja die #digitaleKirche-Bubble überschritten. Was kann denn die #digitaleKirche von den Goldenen Blogger*innen lernen?

Brückner: Ich fand es total entspannend, dass ich Social Media da nicht erst erklären musste! In der Kirche erlebe ich immer noch zu häufig, dass ich erstmal erklären muss, dass das Internet keine Modeerscheinung ist. Es gibt ja nicht nur positive Reaktionen. Von den Nominierten kann man sicher lernen, dass man Freude an dem hat, was man macht. Diese Menschen bekommen ja auch ganz viel Gegenwind.

Zum Schluss wurde ein Lied gesungen: „Über 7 Shitstorms musst Du gehen“. Jede*r, die irgendwo was macht, wo sie dahintersteht oder sich positioniert, erlebt viel Blödsinn, z.B. Hassnachrichten. Sich davon nicht entmutigen zu lassen und gleichzeitig eine Gruppe von Leuten zu bilden, die sich gegenseitig unterstützen – das können wir uns abgucken.

Eule: Dafür ist so eine Auszeichnung eine willkommene Ermutigung.

Brückner: Ja, mega! Ich glaube, wir können uns als evangelische Kirche viel mehr trauen zu sagen, woran wir glauben. Das haben wir so ein bisschen verlernt. Ich hoffe, das kommt jetzt wieder zurück, denn das interessiert die Leute.