Kein Entkommen – Die #LaTdH vom 9. September

Auch diese Woche blicken wir nach Chemnitz und staunen, dass Helene Fischer hat, was manch anderer vermissen lässt: schlichte Klarheit. Harald Glööckler kommt auch zu Wort – es wird bunt!

Debatte

Leider muss ich dort den Faden aufnehmen, wo ihn Philipp Greifenstein vergangene Woche ablegte: In Chemnitz. In der Bundesrepublik muss etwas wanken, wenn der Innenminister, der Präsident des Verfassungsschutzes und der sächsische Ministerpräsident nicht schaffen, was Helene Fischer mühelos gelingt: Den fremdenfeindlichen Mob verurteilen. Der Reihe nach:

Sonntag

Wenigstens die Ev. Landeskirche Sachsens blamiert sich nicht durch schweigen, sondern ruft nach den Gottesdiensten in Chemnitz zu einer Kundgebung auf. Dem Ruf folgten rund 1 000 friedliche, ältere BürgerInnen und hörten, wie ihr Landesbischof Rentzing rief:

„Es erfordert Mut, den Botschaften des Hasses und der Unbarmherzigkeit immer wieder die Botschaft der Versöhnung entgegen zu halten.“

Was er dem Ministerpräsidenten mit auf den Weg gab, bleibt ungewiss.

Montag

Rund 65.000 Menschen feiern mit den Toten Hosen, Kraftklub und Feine Sahne Fischfilet zu #wirsindmehr. Dabei kamen zudem rund 22000 € Spenden zusammen, wovon die eine Hälfte an die Familie des verstorbenen Daniel H., die andere an lokale Initiativen geht. Leider lässt sich das Konzert bei YouTube nicht finden: Sucht man dort nach #Wirsindmehr, finden sich ausschließlich rechte Propagandavideos. Das stellt auch die New York Times fest und schreibt: As Germans Seek News, YouTube Delivers Far-Right Tirades. Achja: Die CDU hat ein ambivalentes Verhältnis zu Punk.

Dienstag

Helene Fischer stellt sich gegen „Gewalt und Fremdenfeindlichkeit“. Schlicht, aber klar.

Mittwoch

Weniger schlicht, dafür auch weniger klar äußert sich Ministerpräsident Kretschmer in seiner Regierungserklärung. Es lässt sich anerkennend sagen, dass er sich um Versöhnung bemüht. Gut: Ihm gelingt es, Rechtsextremismus zu verurteilen und er beschuldigt die AfD zurecht, mitverantwortlich zu sein. Nicht gut: Hängen bleiben wird nur die krasse Fehleinschätzung:

„Klar ist: Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome“. (Quelle)

Das ist gewollt: Die CDU Sachsen bewirbt diesen Redeausschnitt auf Facebook und fordert zur Weiterverbreitung auf.

Wie immer gilt: Horst Seehofer hätte besser geschwiegen. Das sieht vermutlich auch Diakonie-Präsident Ulrich Lilie so, sagt es aber netter.

Freitag

Nun wird es richtig abenteuerlich: Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, äußert sich via Bild:

„Es liegen dem Verfassungsschutz keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben.“ (Tagesspiegel)

Damit stellt er sich hinter seinen Chef – Innenminister Seehofer s.o. – lässt aber dessen Chefin im Regen stehen. Undurchsichtig, intrigant, besorgniserregend.

Schade, dass wir nicht stattdessen über den Vorschlag des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn diskutieren konnten. Dieser fordert die „Widerspruchslösung“ zur Organspende: Wer nicht ausdrücklich widerspricht, zeigt sich mit der Spende seiner Organe einverstanden. Ein spannendes, vielschichtiges und wichtiges Thema, das hier („Ethikratsvorsitzender hält Widerspruchslösung für „Organabgabepflicht“) und da kontrovers diskutiert wird.

nachgefasst

„Zusammenhalt wird überschätzt“ – Philipp Greifenstein im Gespräch mit Benedikt Schulz (Deutschlandfunk)

Letzte Woche noch forderte unser Redakteur Philipp Greifenstein (@rockToamna) in den #LaTdH:

„Wir Ossis sind, bitte schön, nicht zu bevormunden.“

Diese Forderung konnte er in der vergangenen Woche auf (etwas) größerer Bühne b eim Deutschlandfunk wiederholen. Das Interview in der immer empfehlenswerten Reihe „Tag für Tag“ bietet die Möglichkeit, Philipp endlich auch einmal zu hören und seinen fundierten Gedanken zur Kirche und Gesellschaft in Ostdeutschland zu lauschen. Dabei wird nicht nur die Haltung der Kirche gegen Rechtsextremismus begründet und die Landflucht der Jugend verteidigt, sondern eine Grundsatzfrage gestellt:

„Muss Kirche überhaupt der Ort sein, an dem alle zusammen kommen?“

Führen wir diese Debatte fort?

Kardinal Marx besucht Polen – Seligsprechungsverfahren Kardinal Hlond (Die Eule)

Bereits am letzten Wochenende besuchte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx aus München unser Nachbarland Polen. Dort gab es in einigen Gesprächen Gelegenheit, auf das umstrittene Seligsprechungsverfahren für Kardinal Hlond einzugehen (wir berichteten im Mai & Update in den #LaTdH vom 15. Juli). Über den genauen Inhalt der vertraulichen Gespräche wird keine Auskunft erteilt. Die Bischofskonferenz erinnert auf Nachfrage der Eule jedoch daran,

dass die Deutsche Bischofskonferenz sich gegen eine Seligsprechung von Kardinal Hlond ausspricht, da sie nach Auffassung der deutschen Bischöfe eher Kontroversen verstärken als Einigkeit in der Kirche hervorbringen dürfte.

In den Gesprächen ging es auch immer wieder um die aktuelle politische Situation in Polen. Auch hierzu gibt es keine öffentliche Stellungnahme des Kardinals. Er dürfte ausweislich seiner sonstigen politischen Äußerungen nicht zu den Freunden jener Politik gehören, wie sie die PiS-Regierung in Polen verantwortet. Dabei wird die PiS nach wie vor von der in der Polen starken katholischen Kirche gestützt. Diplomatische Verschwiegenheit kann da nicht schaden, oder?

Buntes

Harald Glööckler: „Gott ist in allen von uns“ – Markus Bechtold (evangelisch.de)

Der Modedesigner, der bereits letztes Jahr die Evangelische Kirche mit seinen Designarbeiten wachküsste und schon im Februar in die #LaTdH hineinrutschte, ruft auch dieses Jahr wieder mahnende Worte in die Evangelische Kirche hinein. Denn er steht außen; trat aus,

„weil ich meinen Platz in der Kirche nicht gefunden habe. Die Kirche hat es nicht geschafft mir so viel Vertrauen und Nähe zu vermitteln, dass ich mich in ihr geborgen und gut aufgehoben gefühlt hätte. Desweiteren langweilten mich die teilweise sehr konservativen bis spießigen Gottesdienste eher, als mich zu inspirieren.“

Aber eigentlich mag Herr Glööckler Kirche:

„Wir brauchen eine Kirche, die uns stützt, wenn wir straucheln, zu Essen gibt, wenn wir hungern, zu Trinken gibt, wenn uns dürstet und uns wieder auf hilft, wenn wir gefallen sind. Die Kirche sollte die Nähe zu den Menschen suchen und nicht warten bis man zu ihr kommt.“

Weiß er aber, dass Essen, Trinken, Hilfe und Nähe  Geld kosten und u.a. durch die Kirchensteuer ihrer Mitglieder finanziert werden?

Medellín 1968: Auf dem Weg zu einer „wirklich armen, missionarischen und österlichen Kirche“ – Norbert Mette (feinschwarz.net)

Am 6. September endete in Medellín die Versammlung des lateinamerikanischen Bischofsrats. Kenntnisreich zeigt Norbert Mette, wie dort die gesellschaftlichen Verhältnisse Mittel- und Südamerikas theologisch reflektiert wurden, wie die Erfahrungen der Basisgemeinden in die Entwicklung der Befreiungstheologie einflossen und wie die katholische Kirche mit diesen Impulsen (bis heute) rang und ringt.

Nicht zu Unrecht wird die Versammlung von Medellin als Wendepunkt der lateinamerikanischen Kirche, ja als ihr Pfingsten gewürdigt.

Predigt

„Othering“ – Fred Craddock (Youtube)

Ohne abzustürzen wandelt Fred Craddock auf dem schmalen Grad zwischen Predigt und Kabarett. Auf unterhaltsame Weise verteidigt er den Multikulturalismus – denn schon am Kreuz ging es trilingual zu.

Ein guter Satz

Now, that you’re gone
The Devil too is done.
And it’s hard to take that no one wants my soul.

Oh Lord, I miss you anyway.

– Sophie Hunger, „Oh Lord“, auf ihrem neuen Album „Molecules“, auf Youtube

Sophie Hunger, Bild: Screenshot ttt (ARD)