Klimaschutz: Kein Tempolimit bei der Umsetzung der Beschlüsse!

Von der Kirche wird beim Klimaschutz viel erwartet. Sie muss deshalb die Bremsen lösen, die einer Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen im Wege stehen. Ein Kommentar.

Klimaneutralität, Tempolimit-Empfehlung, sozial-ökologische Transformation – die Liste der Magdeburger Beschlüsse der 13. EKD-Synode ist lang und zeugt vom ausgeprägten Willen, den Schöpfungsglauben auch in praktischem Handeln zum Schutz von Gottes Schöpfung auszudrücken. Damit wird auch den nachfolgenden Generationen vermittelt, dass sich die evangelische Kirche nicht nur mit sich selbst beschäftigt und ihr Zeugnis Reden und Handeln einschließt. Dies dürfte der Glaubwürdigkeit und Relevanz der Kirche keinesfalls abträglich sein.

Jedoch heißt es auch realistisch sein: Bis zur Umsetzung der ambitionierten EKD-Klimaschutzrichtlinie, die u.a. die vollständige Klimaneutralität bis spätestens 2045 vorschreibt, ist es noch ein weiter Weg. Es wäre hilfreich, eine ehrliche Bestandsaufnahme vorzunehmen und mögliche Komplikationen von vornherein zu bedenken.

Bereits 2008 hatte die EKD-Synode beschlossen: „Der Rat der EKD möge den Gliedkirchen vorschlagen, das Ziel anzustreben, im Zeitraum bis 2015 eine Reduktion ihrer CO2-Emissionen um 25 % – gemessen am Basisjahr 2005 – vorzunehmen.“ In den darauffolgenden Jahren wurden ähnliche bzw. noch anspruchsvollere Beschlüsse gefasst. Die Umsetzung in den einzelnen Landeskirchen erfolgte höchst unterschiedlich – sofern es überhaupt entsprechende Bestrebungen gab. Wie kann das jetzt besser gelingen?

Die kirchlichen Strukturen sind nach meiner Überzeugung aus zwei Gründen nicht optimal geeignet, diese ambitionierten Ziele rechtzeitig zu erreichen:

Erstens: Dass Beschlüsse meist mit „bitten“, „anregen“, „vorschlagen“ usw. formuliert werden, wird der Dringlichkeit des Anliegens nicht gerecht und impliziert Unverbindlichkeit.

Zweitens: Es ist ein weiter Weg von Synodenbeschlüssen bis zum konkreten Handeln auf Gemeindeebene. Heißt es auf der einen Seite „Wir wollen (bzw. können) den Gemeinden nichts vorschreiben“, heißt es auf der anderen Seite entsprechend: „Wir lassen uns doch nichts vorschreiben!“ Deshalb sind viele Menschen – auch außerhalb der Gemeinden – enttäuscht, wenn sie einerseits von wegweisenden Beschlüssen auf EKD- oder landeskirchlicher Ebene hören, andererseits aber das Gefühl haben, dass sich vor Ort niemand dafür interessiert. Egal, ob es um Landverpachtung, fairen Handel oder Klimaschutz / Klimagerechtigkeit geht.

Von der Kirche wird viel erwartet

Aber auch bei der praktischen Umsetzung klimarelevanter Maßnahmen treten oft Fragen, Konflikte oder Unsicherheiten auf, die eine professionelle Unterstützung erfordern, beispielsweise: Was ist denn „echter“ Ökostrom? Ist Heizen mit Holz wirklich klimaneutral? Was ist, wenn der Denkmalschutz endlich der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach zugestimmt hat, sich nun aber herausstellt, dass die Dach-Statik für eine Installation gar nicht geeignet ist? Wie können wir sinnvoll unseren Treibhausgas-Ausstoß kompensieren? Wie sollen wir unsere Mobilität umstellen, wenn doch die kirchlichen Strukturen immer dünner werden und sich dadurch längere Arbeitswege ergeben? Und: Können wir ohne zu grillen Gemeindefest feiern?

Dass es außerdem auch weiterhin noch Grundsatzdebatten darüber gibt, ob Klimaschutz überhaupt eine kirchliche Aufgabe ist, sei nur am Rande erwähnt. Die eindringliche Aufforderung zum Handeln, die vor allem von jungen Menschen kommt, zeigt doch, dass von der „Kirche“ etwas erwartet wird und dass selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass die Schöpfung in guter Haushalterschaft von ihr pfleglich behandelt wird. Ebenso ist die Agenda 2030 eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – also auch für die Kirchen.

Was jetzt nötig ist

Zum Erreichen der hehren Ziele ist es nötig, erstens alle kirchlichen Ebenen (auch ökumenisch gedacht) zu beteiligen und zu verknüpfen, zweitens auch Verbündete wie Energieagenturen oder Umweltverbände zu suchen. Gemeinde-interne Kompetenzen sollten ebenso genutzt werden wie regelmäßige Fortbildungen. Für Klimaschutz ist nicht allein ein „Umweltkreis“ zuständig.

Nötig ist weiterhin eine verbindliche rechtliche Grundlage. Warum soll die Zahlung von Bau-Fördermitteln nicht an Voraussetzungen gebunden sein, z. B. eine begleitende Energieberatung oder die Nutzung des „Grünen Datenkontos“? Verglichen mit anderen Gesetzen wäre das für Gemeinden ein wesentlich geringerer Aufwand bei hohem Nutzen.

Wir brauchen einerseits eine Professionalisierung im technischen Bereich und bei Verwaltungs-Abläufen, andererseits aber auch das Bewusstsein, dass es in jedem Fall um Gemeindeaufbau und glaubwürdiges Handeln geht. Die Roadmap steht. Die Zeit drängt – wieder und noch immer.


Heiko Reinhold hat als Experte an der Tagung der EKD-Synode im November 2022 teilgenommen (Video der EKD). Auf einem Podium gaben er und weitere Praktiker:innen aus der Kirche Auskunft über die Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen an ihren Kirchorten (s. Eule-Live-Blog von der EKD-Synode).


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