Das noch junge Jahr 2018 hat uns gleich zwei neue Initiativen beschert, die sich vor allem mit der Mission befassen: Das Mission Manifest, das zur Erneuerung der römisch-katholischen Kirche aufruft, und die Plattform biblipedia.de.
Das Mission Manifest stammt vor allem aus der charismatischen Ecke des Katholizismus. Die Thesen der Initiatoren haben sowohl Zustimmung, als auch Widerspruch erregt. Biblipedia.de ist ein Projekt konservativer Evangelikaler, die sich mit ihren Beiträgen vor allem an jene wenden wollen, die „den guten Weg“ verlassen haben: Liberale, Postevangelikale und Skeptiker.
Augenscheinliche Ähnlichkeiten
Die beiden Initiativen haben trotz Unterschieden – z.B. bei der Professionalität des Angebots und der Aufmachung – einiges gemeinsam: Hier sind die Frommen unterwegs, die Besorgten, diejenigen, die (zu Recht?) meinen, es bedürfe grundlegender Korrekturen am Kurs der Kirche (Mission Manifest) bzw. eine Rückkehr zur „reinen Lehre“ (biblipedia.de).
Beide teilen das gleiche Missions-Verständnis. Nämlich, dass es vor allem darum geht, Menschen vom Glauben zu überzeugen. Ziel und Weg der Mission sind deshalb schon festgelegt. Ergebnis der erfolgreichen Mission ist die Bekehrung zu dem, was von vornherein als Wahrheit feststeht. Und dahin kommt man am besten durch Überzeugungsarbeit und Apologetik.
Was beide außerdem gemeinsam haben: Keine Frauen.
Unter den sechzehn (16!) Bloggern, die sich auf biblipedia.de zusammengetan haben, befindet sich keine einzige Frau. Auch die Initiatoren des Mission Manifest sind in trauter Männerunde. Wobei einschränkend darauf hingewiesen sei, dass sich unter den Erstunterzeichnern des Aufrufs wenigsten ein paar Frauen finden.
Vielleicht liegt ja der verfolgte Ansatz, durch erneute Predigt, durch verschärfte Argumentation, durch harte Überzeugungsarbeit die äußere und „innere“ Mission zu betreiben, auch an diesem Männerüberschuss? Und vielleicht darf man sich auch fragen, wie viel Segen auf Projekten liegt, die ohne Frauen klar kommen zu können meinen, wo doch die Auferstehungsbotschaft zuerst von Frauen verkündet wurde? Wie zielführend sind (Re-)Missionierungsunternehmungen, für die sich Frauen kaum begeistern können?
Vielleicht zeigt der Frauenmangel ja an, dass das Anliegen oder die Herangehensweise verbesserungswürdig ist? Man wünschte beiden Projekten jedenfalls eine Prise der im besten Sinne weiblichen Sicht auf Mission, wie sie z.B. Madeleine Delbrêl gelebt hat. Das theologische Feuilleton feinschwarz.net hat erst diese Woche einen Artikel über sie gebracht, geschrieben übrigens von einer römisch-katholischen Theologin.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Die hippe Aufmachung und professionelle Präsentation des Mission Manifest soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier alter Wein in neuen Schläuchen geboten wird. Katholisch.de titelte zu Recht „Nur mal schnell die Kirche retten“. Die angebotenen Thesen sind so allgemein wie floskelhaft. Die Autoren gehen über vieles Gute und Gelingende in der Kirche und den Gemeinden naserümpfend hinweg. Ist, was junge Menschen an die Kirche bindet, vielleicht gar nicht die nächste angehippte Aktion, sondern ansprechbare, zielgruppenorientierte Kirchenarbeit von hoher Qualität vor Ort?
Noch augenfälliger wird das Auseinanderfallen vom Anspruch absoluter Zeitgenossenschaft und Realität des gebotenen Materials bei biblipedia.de. Alter Wein in neuen Schläuchen bedeutet hier ganz praktisch, dass ein Großteil der Beiträge längst an anderer Stelle veröffentlicht wurde und unter der neuen Adresse nurmehr gebündelt wird. Teilweise sind die Beiträge Jahre alt. Hatten die Initiatoren nicht versprochen, sich ganz neu und passgenau an ihre Zielgruppen zu wenden? Mit recycelten Beiträgen?
Die Ansprache ist dann auch überhaupt nicht so, wie man es von einem Projekt vermuten dürfte, das sich ernstlich darum bemüht, von der Stange gegangene Glaubensgeschwister wieder einzusammeln. Es werden vor allem altbekannte Argumente in „bewährter“ Form und Binnensprache vorgebracht. Hier wird man old school bebibelt und vollgetextet.
Ästhetik ist nicht alles, aber ohne Ästhetik geht es auch nicht
Dass biblipedia.de wohl kaum großer Erfolg beschieden sein wird, liegt nicht zuletzt auch daran, dass die wirklichen Anfragen der Liberalen und Post-Evangelikalen überhaupt nicht stattfinden, sondern nur in ihrer bereits durch die konservativ-evanglikale Brille gesehenen Verzerrung zur Sprache kommen. Beim Stöbern verfestigt sich der Eindruck, es bei biblipedia.de nicht mit einem Dialogangebot zu tun zu haben, sondern mit einem Kollektenkorb voll Indoktrination.
Gerade die Gruppe der Post-Evangelikalen nimmt man so schwerlich ernst. Hinzu kommt, dass die altbackene Aufmachung diese auf zeitgemäße Ästhetik abfahrende Zielgruppe gänzlich verfehlt. Letzteres ist überraschend, weil sich unter den Initiatoren auch jüngere netzaffine Autoren befinden, die an anderer Stelle durchaus sowohl ästhetisch als auch argumentativ Schritt halten können, mit dem was junge Gläubige im Netz beschäftigt.
Reisende soll man nicht aufhalten
Das Jahr ist noch jung und beide Initiativen stehen am Anfang ihres Engagements, weshalb man mit einem endgültigen Urteil noch zurückhaltend sein sollte. Allerdings fordern die Macher zur Diskussion auf und sollten sich daher nicht über kontroverse Entgegnungen wundern. Dass Kritiker automatisch zu Verteidigern des Status quo abgestempelt werden, ist unnötig und entlarvend.
Dass beide Iniativen unter den gängigen „lauen“ Christen hierzulande dann auch vor allem Gegner statt Verbündete vermuten, ist vielleicht der bedauerlichste Aspekt beider Unternehmungen.
10 Kommentare zum Artikel
Hi Philipp,
ich bin einer der Blogger, die auch bei bibliopedia mitmachen. Zu deinen Frauengeschichten folgendes:
1) bei den ganzen postmodernen & liberalen Bloggeschichten ist statistisch die Frauenquote auch nicht besonders dolle.
2) Bei uns ist sie es aber auch aus einem ganz besonderen Grund: Wir hatten auch Frauen unter den Bloggern, aber als die gesehen haben, was sie für Shitstürmen ausgesetzt sind, wenn sie sich offen zu konservativen Positionen bekennen (man lese nur Kommentare bei idea oder pro medienmagazin, inklusive Stasi- und Nazivergleichen), dann haben die einfach keinen Bock auf diesen Stress.
So gesehen haben die ganzen „toleranten“ Liberalen eine gewisse Mitschuld, dass die Frauenquote so gering ist.
Sorry, aber diesen Schuh ziehe ich mir wirklich nicht an. Was Du (und in seiner „Replik“ auf diesen Beitrag auch Reinhard Jarka) machst, ist mit dem Finger von euch wegzuzeigen: Schaut mal, die bösen Liberalen kriegen das bei „ihren“ Projekten auch nicht hin mit den Frauen!
Herr Jarka wird da genauer als Du, indem er sich das Team vom neolog-blog.de anschaut. Das geht irgendwie nach hinten los, meine ich. Erstens gibt es zumindest ein paar Frauen. Zweitens schließt er von der puren Artikelanzahl der Autorinnen auf den Umfang ihres Engagements für das Projekt. Ich darf Dir und Herrn Jarka versichern, dass z.B. Eva-Katharinas Rolle hier bei der Eule weit über ihre öffentlichen Beiträge hinaus geht. Insofern glaube ich fast, dass sich Herr Jarka da ein Eigentor geschossen hat.
Das soll nicht heißen, dass es nicht auch reichlich liberale Projekte gibt, die ausschließlich männerdominiert sind. Allein, was hilft’s auf andere zu zeigen?
Was die tieferen Gründe für den Frauenmangel angeht, denke ich, wäre es doch auch nicht das Schlechteste bei sich selbst anzufangen: Vielleicht gibt es ja einfach gar nicht so viele Frauen, die gemeinsam mit Leuten einen Blog betreiben wollen, die die Frauenordination ablehnen und zur Frage, ob Frauen lehren dürfen, ein – freundlich gesagt – schwieriges Verhältnis haben? Und – wie ich in meinem Beitrag ja schon nahegelegt habe – vielleicht passt auch nicht jedem der konfrontative, nur scheinbar dialogbereite Zugang, den ihr da wählt?
PS: Wenn Herr Jarka in seinem Artikel über diesen Artikel hier schreibt, es gäbe „überhaupt keine inhaltliche, sondern nur ganz dezente formale Kritik“, muss ich echt schmunzeln. Vielleicht lohnte euch eine tiefere Auseinandersetzung mit Kritik ja, wenn es euch mit euren Zielen ernst ist.
nana, wer wird denn gleich so aggro…Du wirst doch wohl nicht allen ernstes behaupten, dass Frauenmangel eine rein monokausale Angelegenheit ist? Das allein das böse Patriarchat (also wir, in deinen Augen) daran schuld ist? Den Schuh möchte ich dir nicht anziehen, denn ich mag deine Artikel. Die Wahrheit ist einfach, dass es uns absolut schnurz ist, ob ein Artikel von Frau, Mann oder Ork geschrieben ist, allein der Inhalt zählt.
Das ist auch der Sinn von dem, was du „auf andere zeigen“ nennst. Es ist einfach ein Existenzbeweis, dass das Problem nicht nur in unserem sozialen Milieu auftritt, was ebenfalls darauf hinweist, dass die Erklärung „böse, weiße Heteromänner“ eben ein bisschen zu flach ist.
Ich habe weder von einer Monokausalität gesprochen, noch von „bösen, weißen Hetormännern“, sondern allein mal zwei mögliche Gründe genannt, warum ihr Frauenmangel habt. 1) Weil das ganze zu konfrontativ ist. Manche von euch würden das „apologetisch“ nennen. Da hat halt nicht jede oder jeder Interesse dran. 2) Weil bei euch ein paar Herren mitmachen, die es mit Frauen im Verkündigungsdienst sehr kritisch sehen. Das mag einfach nicht das Umfeld sein, in dem Frauen gerne publizieren.
Es mag euch ja schnurz sein, ob ein Artikel von einer Frau oder einem Mann geschrieben ist, grundsätzlich aber ist das meiner Meinung nach nicht egal. Frauen bringen andere Perspektiven ein, was ich nicht nur in Gottesdiensten und bei Veranstaltungen sehe, die Pfarrerinnen oder Gemeindepädagogin machen oder von Frauengruppen gestaltet werden.
Ich habe eine weibliche Perspektive ständig um mich, weil meine Frau Vikarin ist. Ich würde nicht meinen, dass sie allein aus ihrem Fraussein schöpft, aber ganz sicher ist ihre Sicht auf manches dadurch anders als meine. Das wahrzunehmen, bedeutete eine größere Vielfalt.
Übrigens nehme ich mir ja in einer ganzen Reihe meiner, von dir geschätzten Artikel, das Recht raus, aus einer dezidiert männlichen Perspektive zu schreiben. Insofern: Vielfalt zuzulassen bedeutet nicht, die eigene (hier: männliche) Perspektive zu negieren. Allein, nehmt ihr die Perspektivarmut durch Frauenmangel überhaupt als Mangel wahr?
Was die Milieufrage angeht, so ist sie sicher nicht allein ausschlaggebend, aber auch nicht außer Acht zu lassen. Was das ins Internet schreiben angeht, sehen wir einfach einen Überhang bei männlichen Bloggern in der christlichen Blogossphäre (schau dir mal z.B. die Liste der 400+ Blogs an, die das TheoRadar auf dem Schirm hat). Dafür gibt es zahlreiche Gründe, auch solche die mit der Geschichte und Gegenwart von Frauen in der Kirche zu tun haben. Darüber kann man nicht hinweggehen.
Bei einem anderen Feld ist mir das besonders aufgefallen: Wir stellen hier in de EULE ja christliche Podcasts vor. Auch evangelikale im übrigen. Inzwischen haben wir 6 Ausgaben von #Abgehört veröffentlicht, alle Podcasts werden von Männern gemacht. Jetzt könnte man, wie Du, sagen: Macht ja nichts, ist ja egal, ob die von Männern oder Frauen gemacht werden, ob zumindest Frauen als Gäste eingeladen werden (wie bei Hossa) oder gar nicht auftauchen.
Mich beschäftigt so was aber schon, weil ich mich frage, an was das liegen könnte. Denn bei den Hörer_innen sind Frauen ja selbstverständlich dabei. Warum also nicht selbst vors Mikro treten? Wir werden der Sache übrigens hier in der EULE bald genauer auf den Grund gehen.
Hi Philipp,
ja, wir haben die klassischen „streitbaren“ Apologeten unter uns, aber die sind auch nur ein Teil von Biblipedia. Wobei wir relativ wenig „gegen-alles-Typen“ haben (Ich kenne sie aber noch nicht alle, mal gucken, was da noch so kommt). Wir sind ein (für konservative Maßstäbe) ziemlich inhomogener Haufen, dass ist es auch, was mich dazu bewegt hat, da mitzumachen. Ich habe in meiner Biografie sehr viel Scheiße von konservativer Seite erlebt, aber biblipedia ist meines Wissens das erste Projekt, wo Konservative aller Schattierungen (von charismatisch bis zum cessationistisch, Freikirchler und ordinierte landeskirchliche Pastoren) zusammenarbeiten (und wir haben da auch sehr unterschiedliche Meinungen zu den Themen) – normalerweise fallen Konservative ja eher dadurch auf, dass sie sich gegenseitig ins Bein schießen, statt sich zu vereinen, daher bin ich gespannt, wie sich das entwickelt.
Sehr viele von uns haben überhaupt kein Problem mit „predigenden Frauen“ und ich stimme dir absolut zu, dass wir die weibliche Perspektive brauchen. Ich bin schon lange verheiratet und meine Frau ist eine furchtlose Kritikerin aller meiner geistigen Ergüsse, was ich als sehr wertvoll empfinde (denn fanboys hat man ja immer genug und die tragen nicth zur Qualitätssteigerung bei).
Einen interessanten und gutgemachten Blog hast du übrigens! Hättest Du nicht über Bibliopedia und Mission Manifest geschrieben, wäre ich nicht drauf gestoßen (da ich eigentlich kaum christliche Blogs lese). Danke dafür!
[…] sondern nur ganz dezente Form-Kritik, dies werten wir als Kompliment unter Kollegen [z.B. Männer mit einer Mission ] Ja alles klar, „Hilfe das Orange!“ … war meine Idee. Aber versprochen: Ein […]
Ich teile die Kritik und die Bewunderung für Madeleine Delbrel. Der einzige Punkt, an dem ich unsicher bin: Sollten wir nicht einfach sagen, Delbrel ist eine gute Theologin, weil sie Gott nicht falsch identifiziert, weil sie eine öffnende und behutsame, gewaltlose Sprache verwendet, und weil sie Andersdenkenden ebenso begegnet. Das ist ja nicht weiblich, sondern einfach nur christlich. Oder übersehe ich da etwas?
Nein, es sei denn man verstünde unter „weiblicher“ Mission eine dem ganzen Menschen zugewandte, annehmende, dialogbereite, „mütterliche“ Mission. Die Zuschreibung dieser positiven Attribute darf natürlich nicht darüber hinweg täuschen, dass sie auf gesellschaftlich tradierten Stereotypen über Frauen beruhen. Meine einzige Ausrede für die von mir vorgenommene Gegenüberstellung ist, dass man anstatt von Stereotypen natürlich auch von „Archetypen“ sprechen kann, die das jeweilige Geschlecht der beteiligten Personen transzendieren. Ich wünschte mir also die Männer mütterlicher.
[…] denke, ich kann nun auch klarer sagen, was mich an manchen (hippen wie miefigen) Frommen immer wieder an Typen wie Martin Sellner erinnert: Es ist dieser Gestus, mit dem sie dem […]