Die "Sea-Eye 4", Foto: Maik Lüdemann / Sea Eye e.V.

„Sea-Eye 4“: Zweites #United4Rescue-Schiff festgesetzt

Nach der „Sea-Watch 4“ ist auch die „Sea-Eye 4“ von den italienischen Behörden festgesetzt worden. Beide #United4Rescue-Rettungsschiffe liegen im Hafen Palermos – wie geht es weiter?

Bei der Seenotrettung läuft alles wie gewohnt. Nachdem Mitte Mai die „Sea-Watch 4“, das erste #United4Rescue-Rettungsschiff, festgesetzt wurde, hat es nun auch das zweite „Bündnisschiff“, die „Sea-Eye 4“ erwischt. Beide liegen nun im Hafen von Palermo, italienische Inspekteure hatten bei einer zwölfstündigen Überprüfung des Schiffes ingesamt zehn Gründe für die Festsetzung ermittelt – wie es weitergeht, weiß niemand.

Benannt sind die beiden Schiffe nach den Seenotrettungsorganisationen, die das Bündnis #United4Rescue beim Kauf und Umbau von Schiffen für den Rettungseinsatz auf dem Mittelmeer unterstützt. #United4Rescue wird maßgeblich von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ihrem Ratsvorsitzenden, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und finanziell auch von einigen evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern unterstützt. Beide Schiffe fahren unter deutscher Flagge und werden von den Organisationen Sea Watch e.V. bzw. Sea Eye e.V. betrieben.

Die „Sea-Eye 4“ wurde erst Ende April diesen Jahres ins Mittelmeer entsendet. Unter dem Motto #WirschickennocheinSchiff hatte #United4Rescue seit dem Herbst 2020 zu Spenden für den Kauf und Umbau des Schiffes aufgerufen.  Bereits im Februar 2021, nach nur vier Monaten Spendenkampagne, konnte das Bündnis bekannt geben, dass genügend Spenden eingegangen waren, um Kauf und Umbau der „Sea-Eye 4“ zu ermöglichen.

#WirschickennocheinSchiff

Die „Sea-Eye 4“, das zweite #United4Rescue-„Bündnisschiff“, verdankt sich nicht zuletzt dem Umstand, dass die „Sea-Watch 4“ nach ihrer ersten Rettungsmission im September 2020 sechs Monate lang im Hafen bleiben musste. #WirschickennocheinSchiff ist also auch als Reaktion auf den restriktiven Umgang der italienischen Behörden mit den privaten Seenotrettungsorganisationen zu verstehen.

Erst im Ende April 2021 konnte die „Sea Watch 4“ zu ihrer zweiten Rettungsmission auslaufen. Doch auch sie liegt nach erfolgreichem Abschluss dieser Mission wieder im Hafen. Beide #United4Rescue-Schiffe finden sich jetzt auf der Detention-Liste.

Die italienischen Behörden begründen die Maßnahme unter anderem damit, die Crew der „Sea-Eye 4“ hätte zu viele Passagiere an Bord gehabt, ein sicherer Betrieb sei deshalb nicht gewährleistet gewesen. Sea Eye e.V. beharrt jedoch darauf, die Crew sei ihrer Pflicht zur Seenotrettung verantwortungsvoll nachgekommen. Auf ihrer letzten Fahrt hatte die „Sea-Eye 4“ 407 Menschen aus Seenot gerettet.

Solidarität und alte Probleme

Am Donnerstag dieser Woche war das Schiff in den Hafen Palermos eingelaufen, gestern empfing Bürgermeister Leoluca Orlando die Crew. Orlando sprach den Seenotretter:innen seine Anerkennung aus und lud sie dazu ein, sich in das Buch der Stadt einzutragen. Orlando gehört zu den Verfechtern der Seenotrettung und ist in der Vergangenheit auch in Deutschland, u.a. beim Kirchentag 2019, öffentlich für sie eingetreten.

Bereits im Juni 2019 rief er gemeinsam mit dem EKD-Ratsvorsitzenden, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, im sogenannten „Palermo Appell“ zu einer „Koalition der Willigen“ auf, „denn Menschen ertrinken lassen oder in die Lager Libyens zurückschicken, kann keine Option für Europa sein“. Orlando erklärte damals Bedford-Strohm und Sea Watch e.V. zu Ehrenbürgern seiner Stadt.

Das Schicksal der „Sea-Eye 4“ erinnert dabei frappierend an das der „Sea-Watch 3“. Die „Sea-Watch 3“ wird ebenso wie das erste #United4Rescue-„Bündnisschiff“ „Sea-Watch 4“ von der Rettungsorganisation Sea Watch e.V. betrieben. Sie war im Juni 2020 von den italienischen Behörden festgesetzt worden. Nach Werftarbeiten in Spanien und einer erneuten Freigabe durch spanische und deutsche Behörden kehrte die „Sea-Watch 3“ im Februar 2021 in den Einsatz auf dem Mittelmeer zurück.

Doch bereits Ende März – nach fünf Rettungseinsätzen, bei denen insgesamt 363 Menschen gerettet werden konnten – wurde die „Sea-Watch 3“ erneut festgesetzt. Zur Begründung führten die Behörden an, die „Sea-Watch 3“ habe zu viele Passagiere an Bord gehabt. #United4Rescue kritisierte die erneute Festsetzung und warf den italienischen Behörden vor, sie würden mit ihrem Vorgehen „die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Palermo ignorieren“. Das Gericht habe „erst kürzlich die politisch motivierten Hafenstaatkontrollen zur Blockade von Rettungsschiffen in Frage gestellt“ und daher die Rettungsschiffe freigegeben. (Die „Sea-Watch 3“ wird zurzeit im spanischen Burriana für einen erneuten Einsatz vorbereitet.)

Nun berufen sich die Behörden im Fall der „Sea-Eye 4“ bei ihrer Begründung abermals auf die Begrenzung der Passagierzahlen. Gorden Isler, Vorsitzender von Sea Eye e.V. erklärt: „Im Prinzip geht es immer wieder darum, dass argumentiert wird, die deutschen Rettungsschiffe würden regelmäßig zu viele Menschen vor dem Ertrinken retten und für diesen humanitären Zweck falsch zertifiziert sein“. Das Problem sei allerdings, dass es unter der deutschen Flagge die von den italienischen Behörden verlangte Rettungsschiff-Klassifizierung nicht gebe, so Isler gegenüber der dpa.

Alles beim Alten

Die Seenotrettung landet immer wieder an einem toten Punkt an. Die Seenotrettungs-Organisationen entsenden mit Hilfe ihrer zivilgesellschaftlichen Partner – unter ihnen an prominenter Stelle die EKD – Rettungsschiffe an die maritime EU-Außengrenze im Süden des Kontinents, doch immer wieder setzen die italienischen Behörden die Rettungsschiffe von Sea Watch e.V. und Sea Eye e.V. fest. Erst nach mehrmonatigem Stillstand können sie ihre Einsätze wieder aufnehmen, derweil wird auf dem Mittelmeer weiter gestorben.

Die Seenotretter:innen fordern darum nun weitere Unterstützung aus Deutschland. Zunächst dabei, das restriktive Vorgehen der italienischen Behörden zu unterbinden, damit die Rettungsschiffe fahren können. Doch braucht es endlich auch eine Lösung für das eigentliche politische Problem:

Dass sich überhaupt private Rettungsorganisationen für die Rettung in Seenot geratener Flüchtlinge einsetzen müssen, liegt darin begründet, dass die Staaten der Europäischen Union den offenen Rechtsbruch an ihrer gemeinsamen Außengrenze hinnehmen und lieber die verbrecherisch operierende libysche Küstenwache unterstützen als selbst ihrer Verpflichtung zur Seenotrettung nachkommen.


Erfolge und Widersprüche des kirchlichen Engagements für die zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer hat Philipp Greifenstein erst Anfang Mai hier in der Eule eingeordnet.