Foto: Joanna Kosinska (CC0)

Unabhängiger Kirchenjournalismus?

In einer schrumpfenden Kirchenmedienlandschaft blüht Eigen-PR, guter Kirchenjournalismus gerät unter die Räder. Zeit zum Anhalten.

Was Journalismus von PR unterscheidet, ist nicht das Instrumentarium, dessen sich die Protagonisten bedienen, sondern der grundsätzliche Ansatz: Journalisten berichten über Dinge, sagen auch mal ihre Meinung zu Dingen, während PR für Personen und Organisationen spricht und deren Erzeugnisse, Anliegen, Produkte bewirbt.

Das kann man sicher kürzer und natürlich erheblich länger und vor allem schöner aufschreiben. Aber, reicht ja so erst mal zu. PR, also Werbung, und Journalismus sollen sich, so die landläufige Überzeugung, nicht vermischen, auch wenn sie natürlich in vielfältiger Weise aufeinander bezogen sind. Hinzu kommt: Viele Journalisten wechseln im Laufe ihrer Berufstätigkeit „die Seiten“ oder permanent Auftraggeber.

Die Unabhängigkeit des Journalismus wird unter diesen Bedinungen von der Selbstverständlichkeit zum unique selling point hochgejazzt. Sie ist eben überhaupt keine Selbstverständlichkeit (mehr). Für wahre Unabhängigkeit muss gezahlt werden. So ziemlich jeder, der seinen unabhängigen Journalismus bewirbt, verbindet damit die direkte Aufforderung, sich an der Finanzierung desselben zu beteiligen. Das gilt für die taz, für Projekte wie Krautreporter, Übermedien, Correctiv, usw. usf. – also für Blätter mit Redaktion, Verlag und Infrastruktur bis hin noch zum kleinsten Journalismusprojekt.

Senderverwirrung beim Kirchentag

An einem tagesaktuellen Beispiel lässt sich die schwierige Trennung von PR und Journalismus im Raum der Kirche studieren: Während des Kirchentages erregte ein Tweet der Kirchentagsredaktion, die sich aus erfahrenen Journalisten und Journalismusstudierenden zusammensetzt, für Aufregung. Viele Leser des Tweets hatten den Eindruck, der Kirchentag validiere durch den Tweet eine nicht durch Fakten unterlegte, falsche Behauptung einer AfD-Vertreterin, die auf einem Podium eingeladen war.

Dabei hat sich die Kirchentagsredaktion keines handwerklichen Fehlers schuldig gemacht. Sie hat die Äußerung ordentlich als Zitat gekennzeichnet. Die Verwirrung entstand vor allem deshalb, weil der sendende Account nicht als journalistisches Medium, sondern als Twitter-Stimme des Kirchentags wahrgenommen wurde. Und für Kirchentags-PR wurde er in der Tat auch vor allem genutzt.

Es gibt also eine Senderverwirrung nach beiden Seiten: Die Journalist_innen, die den Account befüllten, waren der Überzeugung, journalistisch tätig zu sein und legten dementsprechend journalistische Maßstäbe an, nach denen auch Überzeugungen wahrheitsgetreu wiedergegeben gehören, die nicht mit der politischen Meinung des Mediums übereinstimmen. Weil der Account hauptsächlich für Eigen-PR des Kirchentags genutzt wird, hielten die Leser_innen den Tweet für eine Unterstützung der AfD-Polemik. Dieses Problem ist, was Kirchenmedien angeht, systemisch .

(Un-)Abhängiger Kirchenjournalismus

Auch wir haben auf unserer Über uns-Seite selbstverständlich stehen, dass Die Eule unabhängig ist. Ein Satz, der aus sehr naheliegenden Gründen auf kaum einer Kirchennachrichtenseite zu finden ist. Was für den Journalismus als Ganzes hehres Ideal und seit Jahren umkämpftes Thema ist, wird bei den Kirchenmedien beschwiegen.

Die meisten Kirchenjournalisten in Deutschland sind nämlich nicht unabhängig.

Kirchenjournalisten arbeiten für eine der großen konfesionellen Nachrichtenagenturen, wie die epd oder kna, wo weit über den Raum der Kirche hinaus handwerklich gut und orientiert an journalistischen Werten gearbeitet wird. Es gibt allerdings noch weitere christliche Nachrichtenagenturen, die am Ruf der Großen nutznießerisch partizipierend solche Maßstäbe unterlaufen.

Kirchenjournalisten arbeiten für Medien des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik (GEP) oder für Medien, die direkt oder über Verlage oder Medienstiftungen von katholischen Bistümern, evangelischen Landeskirchen oder freikirchlichen Initiativen abhängen. Es gibt Angebote wie evangelisch.de und katholisch.de, denen man diese journalistische Quadratur des Kreises anmerkt: Gleichzeitig Internetanlegestelle einer Kirche zu sein und über diese glaubwürdig berichten, das muss man erst mal schaffen.

Landschaft des Kirchenjournalismus

Es gibt die Reste der ehemals großen christlichen Publizistik, die zum Teil direkt vom Wohlwollen von Synoden und Bischöfen abhängen, die ihnen ihre kostbare Finanzierung streichen können. Es gibt jene Zeitschriften und Internetangebote, die Verlage verantworten, an denen Bistümer oder das GEP mit zum Teil erheblichen Anteilen beteiligt sind. Es gibt neben der Christ & Welt und der PUBLIKforum eigentlich kein weiteres von der Kirchenfinanzierung unabhängiges deutschlandweites Medium, das hautpsächlich Kirchenjournalismus macht.

Es gibt selbstverständlich auch freie Journalisten, die aus dem Raum der Kirche berichten. Wo bringen die ihre Erzeugnisse unter? Wenn es gut läuft bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, bei Tages- oder Wochenzeitungen und Magazinen, von denen sich kaum ein Medium mehr eine_n Kirchenredakteur_in leistet.

Bitte nicht falsch verstehen: Dass die Kirchen die Berichterstattung über sich selbst erheblich mitfanzieren, hat vielfältige Gründe, u.a. die Sicherstellung von vielfältiger Berichterstattung. Wer sonst außer der regionalen Kirchenzeitung berichtet über Synodenbeschlüsse, Kindergarteneröffnungen, Personalia? Aber wo unterscheidet sich manches traditionelle Kirchenregionalblatt noch vom Unglück eines Vereinsblättchens?

Auch möchte ich nicht insinuieren, der Kirchenjournalismus wäre per se schlecht, nur weil er direkt oder auf Umwegen von Kirchens selbst finanziert wird. Es stehen doch in den zeitzeichen, der HERDER-Korrespondenz und selbst in der Chrismon auch sehr lesenswerte, interessante, gute journalistische Stücke drin.

Die ehemals lebendige und vielfältige Kirchenmedienlandschaft ist geschrumpft und dort, wo sie noch lebt, dann häufig, weil sie am Tropf der Kirchenfinanzen hängt. Und es scheint so, als ob die Kirchenmitglieder damit auch ganz gut leben können, nur die wenigsten finanzieren aus eigener Tasche wirklich unabhängigen Journalismus im Raum der Kirche. Bei dem ein oder anderen mag es sogar eine Anspruchshaltung geben, sich z.B. die Chrismon mit der Zahlung der Kirchensteuer verdient zu haben. Darin steckt doch eine hübsche Ironie.

Der gedeckte Tisch

Auf einer weiteren Ebene steht die Unabhängigkeit des Kirchenjournalismus grundsätzlich in Frage. Es wird – zumal in Deutschland – nämlich „vom gedeckten Tisch aus“ geschrieben. Da können die Journalisten und Medienleute der oder in den Kirchen noch so prekär beschäftigt sein, geschrieben und gesendet wird doch aus einer Haltung der Vorsicht heraus, (noch) Bestehendes besser nicht einzureißen.

Natürlich erscheinen nicht aller Tage flammende Verteidigungen des kirchlichen Status quo. Und beim Entdecken und Durcharbeiten der größten Misthaufen ist zum Glück noch immer auf die Medien des Landes Verlass. Wenn man sich aber weder des sexuellen Missbrauchs, noch ausufernder Baukosten fürs eigene Häusle schuldig gemacht hat, lebt es sich ganz ungeniert. Die halbe Kirchenwelt weiß zwar Bescheid, aber niemand käme auf die Idee, Fehlverhalten öffentlich anzuprangern.

Doch es geht gar nicht nur um zuverlässige Skandaldetektion und -aufarbeitung, sondern darum, Systemfragen zu stellen und ihnen nachzugehen, die großen Kirchendebatten zu führen. Dafür fehlt in den Regionalmedien der Kirchen inzwischen der Platz und im Netz scheint sich sowas schlecht verkaufen zu lassen.

Kirchenjournalismus wird von Akademikern gemacht, die selbst Akademikerkinder sind, die von Kindheit an kirchensozialisiert sind, die höchstens am letzten Ende des Monats nicht mehr ausreichend Kleingeld für Quinoa und Theaterticket zusammenkratzen können. Der Kirchenjournalismus leidet an den gleichen sozialen Verengungen wie der restliche Journalismus. Allein am Willen, daran wirklich etwas zu ändern, mangelt es. Dass ein konfessionsfreier Mitarbeiter in einem Kirchenmedium eine Anstellung findet, ist nahezu ausgeschlossen, dürfen sich doch die Redaktionen und Verlage schon bei der Ausschreibung die Kirchenmitgliedschaft „wünschen“.

Der gedeckte Tisch meint schlussendlich auch eine Geisteshaltung, nach der bei Kirchens eigentlich viel mehr in Ordnung ist, als man denkt und die Kirche vor allem ein Darstellungsproblem hat. Deshalb wird dann eben der nächste Artikel über das löbliche örtliche Engagement einer Kirchgemeinde, das tolle Lernen in konfessionellen Kindergärten und Schulen oder die sympathische Leitungskraft geschrieben. Das Bischofsporträt ist darum in seiner Einfältigkeit das beste Beispiel für einen derartig eingeschränkten Kirchenjournalismus.

Wege aus der Enge

Ich bin sicherlich nicht alleine mit dem Wunsch, die im Raum der Kirche wandernden Journalisten mögen sich selbst mehr zutrauen, es häufiger darauf ankommen lassen, ob eine Berichterstattung noch genehm ist. Meine Vermutung ist, dass der vorauseilende Gehorsam viel ausgeprägter ist, als die tatsächliche Beeinflussung „von oben“. Kirchenleitungen, die bei vielen Gelegenheiten vom Wert der freien Presse reden, können das dann auch praktisch unter Beweis stellen.

Kirchenjournalismus, der in die Tiefe geht, muss sein Publikum neu finden. So wohl sich die Alten bei der Christ & Welt und in der PUBLIKforum aufgehoben fühlen, an wie vielen Jungen geht deren Angebot vorbei? Kirchenjournalismus muss erst einmal besser erreichbar sein, sich aufdrängen.

Doch was nutzen mutige, ausgebuffte Inhalte und moderne Vetriebswege, wenn die Kundschaft sich verweigert? Ist das so? Ich denke eher, es ist nach Jahren der Entwöhnung notwendig, sich ein kritisches Kirchenpublikum wieder neu „heranzufüttern“. Es ist da draußen. An kritischen Geistern und unterschiedlichen Stimmen jedenfalls mangelt es uns nicht. Wir müssen sie nur zu Gehör bringen.