Der Dietrich-Bonhoeffer-Verein (dbv) beschäftigt sich schon seit etwa 30 Jahren mit der finanziellen Neuordnung der Kirchensteuer. Dies tut er getreu der bereits im Jahre 1927 (!) in seiner Dissertation formulierten Kritik Dietrich Bonhoeffers an der staatlich eingezogenen anonymen Kirchensteuer. Bonhoeffer schreibt:
„Die kirchliche Gemeinde muss sich selbst erhalten und zahlt darum ihre Steuern, wie in einer Familie jeder zur Erhaltung der Gemeinschaft beisteuert. Alles rechtlich Geregelte ist aus dem Willen der Gemeinschaft selbst entsprungen und dient dazu, das Leben derselben zu ermöglichen. Dass das staatlich zwangsmäßige Eintreiben von solchen Steuern ein Missbrauch ist, ist wohl offensichtlich.“
Bonhoeffer plädiert, wie aus dem Gesamtzusammenhang des Gesagten hervorgeht, eindeutig für eine Kirchenfinanzierung, die durch den persönlichen, zielgerichteten Einsatz eines jeden Christen (a) durch klar bekundete freiwillige Zahlung geschieht, (b) die nicht durch Delegation vom Staat eingezogen wird und vor allem (c) die nicht anonym der Gesamtkirche/Großkirche pauschal zur Verfügung gestellt wird, sondern sehr gezielt einer konkreten Einzelgemeinde zugutekommt, in der der/die jeweilige ChristIn wohnt.
Eine Neuordnung der Kirchensteuer im Sinne Bonhoeffers
Bonhoeffers Ruf blieb damals und bleibt bis heute bei den Kirchenoberen unerhört. Im Doppelten Sinne des Wortes kann man sagen: Das ist unerhört.
Der Dietrich-Bonhoeffer-Verein hat in der Kontinuität zu Bonhoeffer und in seiner Nachfolge die Neuordnung des deutschen Kirchensteuersystems, das historisch einmalig aus der alten Staatsverbundenheit der Kirchen in Deutschland erwachsen ist, angemahnt. Damit sind wir allerdings weitgehend auf taube Ohren gestoßen, weil das gegenwärtige Kirchensteuersystem für alle Kirchen so bequem und vor allem komfortabel ist und auch noch einigermaßen funktioniert. Wie lange allerdings noch, ist fraglich.
Denn die KirchensteuerzahlerInnen fragen mehr und mehr nach der Berechtigung und der Glaubwürdigkeit dieses Systems: Doch die Kirchenleitungen blockieren bisher. „Wir wären ja mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir an diesem System etwas ändern würden, solange es noch funktioniert“, hat in dankenswerter Offenheit der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende, Kirchenpräsident Nikolaus Schneider aus dem Rheinland, gesagt.
Es ist jetzt bei den Verantwortlichen in der EKD aber zunehmend spürbar, dass man bei einbrechenden Mitgliederzahlen und dadurch verminderten Einnahmen zum mindesten bereit ist, über eine Neuordnung der Finanzierung der Kirche nachzudenken (s. #LaTdH vom 27. September).
Die Hauptkritikpunkte
Der Dietrich-Bonhoeffer-Verein (dbv) kritisiert in der Nachfolge Bonhoeffers am gegenwärtigen Kirchensteuersystem insbesondere:
Es ist ein anonymes System. Die Kirchensteuer wird pauschal vom Lohn (8 oder 9% der Lohnsteuer) abgezogen und nach einem bestimmten Schlüssel den einzelnen (Landes-)Kirchen zugewiesen. Als Kirchensteuerzahler weiß ich nicht, wem und wofür das Geld pauschal zugewiesen wird.
Das Geld geht in den großen Topf der jeweiligen Landeskirche und wird nach einem dort festgelegten Schlüssel, über den nur sehr pauschal Auskunft gegeben wird, für die einzelnen gemeindlichen und übergemeindlichen Aufgaben der Kirche verteilt. Darauf habe ich als KirchensteuerzahlerIn nicht den geringsten Einfluss.
Der Staat zieht für die Kirche und auch im Auftrag der Kirche das Geld ein. Durch diese Delegation an den Staat – wie im Übrigen auch die Delegation des Kirchenaustritts – beraubt sich die Kirche jeglicher Möglichkeit einer direkten Kommunikation mit den GeldgeberInnen. Die bereits oben genannte Anonymität wird dadurch noch gesteigert. Es hat den Anschein, die Verantwortlichen der Kirche (Juristen und Theologen vor allem) wollen gar nicht wissen, wer wann wieviel und auf welche Weise an Steuern zahlt. Es läuft alles über einen direkt unbeteiligten Dritten, ein staatliches Organ, das die Verwaltungsarbeit macht. Das ist – um es einmal offen zu sagen – nicht nur unerhört, sondern einfach ein Skandal.
Von Kirchenvertretern wird dazu gesagt, das alles sei praktischer und vor allem preiswerter, als wenn die Kirche die Steuer organisatorisch selbst einziehen müsste. Das ist jedoch objektiv falsch, wie auf Nachfrage die ehemalige Präses der EKD-Synode Katrin Göring-Eckardt dem Dietrich-Bonhoeffer-Verein schriftlich bestätigte. Die Verwaltung des Einzugs der bisherigen Kirchensteuer durch Staat oder Kirche ist finanziell neutral.
Und vor allem: Die Anonymität des Systems führt dazu, dass jegliche persönliche Einflussnahme des Kirchensteuerzahlers auf die Verwendung seiner Kirchensteuer ausgeschlossen ist. Ich zahle meine Steuer anonym über den Staat durch Abzug auf dem Gehaltszettel an die Verwaltung einer Großkirche, ohne auch nur die geringste Möglichkeit zu haben mitzubestimmen, wofür mein Geld verwendet wird.
Ein leises System
Ein einflussreicher Jurist der Kirchenverwaltung sprach in diesem Zusammenhang selbst verräterisch von einem „leisen System“, bei dem der/die KirchensteuerzahlerIn, wenn er/sie nicht aktiv tätig wird, gar nicht richtig merkt, dass und wieviel und wofür sein/ihr Geld verwendet wird. Wenn man es noch einigermaßen positiv ausdrücken will, so kann man hier vom „blinden Vertrauen“ in die angemessene Verwaltung des Geldes sprechen. Die „Blindheit“ des Vorschuss-Vertrauens führt jedoch dazu, dass mein Geld auch gegen meine Interessen verwendet werden kann – und tatsächlich auch wird.
Dem gegenüber plädiert der Dietrich-Bonhoeffer-Verein seit bereits ca. 30 Jahren für folgendes finanziell offenes und für jeden transparentes System: Nämlich für einen Wechsel vom anonymen, von staatlichen Organen wahrgenommen pauschalen Kirchensteuereinzug an die Großkirche hin zu einer persönlich verantworteten Orts-Gemeindesteuer (Orts-Gemeinde-Beitrag), die direkt an die jeweilige Ortsgemeinde bezahlt wird.
Der finanzielle Beitrag entspräche in der Höhe durchaus der bisherigen Kirchensteuer, kann individuell aber nach unten oder oben geändert werden, so dass die Kirche ihre sozialen, diakonischen, seelsorgerlichen und kerygmatischen Aufgaben weiter wie bisher erfüllen kann.
Die Orts-Gemeindesteuer in der Praxis
Konkret kann das so geschehen, dass das Kirchenmitglied in Anlehnung an den bisherigen Kirchensteuerhebesatz direkt an die jeweilige Ortsgemeinde bzw. der Gemeinde, der er sich zugehörig fühlt, seinen Beitrag zahlt. In der Praxis entstehen dabei – siehe Votum der ehemaligen Präses der EKD-Synode – keine höheren Verwaltungskosten. Der jeweiligen Ortsgemeinde ist es dann aufgegeben, nach einem noch zu vereinbarenden Schlüssel der Gesamtkirche 30% oder 50 % oder mehr oder weniger abzutreten, damit sie ihre gesamtkirchlichen Verpflichtungen erfüllen kann.
Die Gemeindebindung und die persönliche Verantwortung eines/r jeden Einzelnen für seine/ihre gezahlte Ortskirchensteuer würde dadurch nicht nur gesteigert, sondern aus der Anonymität herausgeholt, ein Mitspracherecht bei der Verwendung wäre gesichert und das gesamte finanzielle Gebaren der Kirche würde für alle Beteiligten transparenter.
Die Höhe der Orts-Gemeindesteuer wird vom Zahlenden in Anlehnung an die bisherige Höhe der Kirchensteuer selbst gewählt, eine Offenlegung der Gemeinde über die Verwendung des Geldes wird erforderlich und die Gesamtkirche hat die Pflicht, die an sie überwiesenen Gelder nicht nur wie bisher pauschal zu verwalten, sondern gezielt mit Begründung gegenüber den GeldgeberInnen zu verwenden.
Diese sog. 2. Säule (vgl. dazu Drei-Säulen-Modell Schaubild insgesamt) ist die wesentliche und einschneidende Neuerung, die der Dietrich-Bonhoeffer-Verein vorschlägt.
Freiwilligkeit und Engagement
Darüber hinaus gäbe es wie bisher freiwillige Gaben (1. Säule) der Gemeindeglieder, also Kollekten, Spenden und unentgeltliche bzw. ehrenamtliche Leistungen. Die Begründung dafür ist einfach und für jeden sofort nachvollziehbar: Freiwillige Gaben sind die ursprüngliche Form der Kirchenfinanzierung (siehe Paulus im 1. Korintherbrief, Kap. 9).
Die Gemeinden sind als Empfänger dieser Zuwendungen zu transparenter Einwerbung, Verwaltung und Verwendung verpflichtet. Auch hier liegen die Vorteile auf der Hand: Freiwilligkeit, stärkerer persönlicher Kontakt zur Gemeinde, Nutzung der Spendenbereitschaft der BürgerInnen auch unabhängig von einer Kirchenmitgliedschaft.
Neu dagegen wäre die Einführung von sog. Bürgergutscheinen (3. Säule), wie es sie in anderen Ländern, z.B. Italien, schon gibt. Ein gewisser Anteil des Bundeshaushaltes (etwa 1,5 %) wird als sog. Bürgerhaushalt ausgewiesen, über dessen Ausgaben die wahlberechtigten BürgerInnen durch sog. Bürgergutscheine mitbestimmen können. Diese Bürgergutscheine können von den BürgerInnen wahlweise für soziale, politische, religiöse oder andere gemeinnützige Zwecke bestimmt werden.
Diese drei Finanzierungsoptionen hat der Dietrich-Bonhoeffer-Verein in seinem Drei-Säulen-Modell Schaubild zusammengefasst. Das „3-Säulen-Modell“ wird in kirchlichen Leitungsgremien seit etwa fünf Jahren kontrovers diskutiert, wobei die Skepsis ihm gegenüber immer stärker abnimmt und auch in offiziellen Kreisen der evangelischen Kirchen nach einer konkreten Umsetzung gesucht wird.
Das „3-Säulen-Modell“ soll die Finanzierung der Kirche auf eine verlässliche Grundlage stellen, soll für alle Beteiligten transparent sein und soll vor allem – das ist sein Hauptziel – die persönliche Verantwortung und Mitbestimmung des Geldgebers durch die Bindung des Geldes an die Ortsgemeinde ermöglichen. In der bisherigen anonymen Kirchensteuergesetzgebung mit Delegation des Einzugs der Kirchensteuer an den Staat ist das objektiv nicht gegeben, ja ist aus Systemgründen gar nicht beabsichtigt.
3 Kommentare zum Artikel
Ich halte die Überlegungen für fragwürdig.
In der DDR hatten wir ja ein System der Kirchensteuererhebung durch die Kirche selbst. Ein Problem dabei war, dass die Menschen nicht verpflichtet waren, der Kirchgemeinde Einblick in ihr Einkommen zu geben und somit auch nicht ersichtlich war, ob dabei Ehrlichkeit oder Eigennutz ausschlaggebend waren.
Das mag, in einer Gesellschaft, in der Gehälter nicht so hoch waren, noch relativ egal sein. Auch wir Pfarrer waren ja am unteren Ende der Einkommensstufen angesiedelt. Das denke ich mir nicht aus, sondern weiß es, weil ich als Schlosser ein gut Teil mehr verdient habe.
Die staatlich eingezogene Kirchensteuer sorgt für eine gewisse Gerechtigkeit bei dem, was die einzelnen Menschen zahlen.
Daneben gibt es ja die sogenannte “Ortskirchensteuer”, die ich lieber “freiwilliges Kirchgeld” nennen möchte. Auch dort gibt es Steuersätze, die, auf dem Bescheid angegeben werden und in die man sich selbst einordnen kann.
Kollekten, Spenden, persönlicher Einsatz, all das kennen wir und keine Gemeinde könnte ohne das leben.
Dennoch ist das Fundament immer noch die Kirchensteuer. Noch (!) trägt es.
Ob uns ein Finanzierungssystem, das mehr am privaten guten Willen orientiert ist, helfen kann? Ich denke an einen Kirchvorsteher in Düsseldorf, den ich, zu Zeiten der DDR erlebte und der meinte, weil er viel Kirchensteuer zahlt, könne er beeinflussen, was der Pfarrer sagt…
Ob uns das gut tun würde, das diejenigen, die viel zahlen auch viel Macht haben? Denn genau das ist zu erwarten.
Bedauerlich ist, dass auch 30 Jahre nach der deutschen Vereinigung es Theologen gibt, für die nur ihre Westsicht und -erfahrung gilt, wie der Artikel zeigt (wenn das kein Skandal ist!). Denn in der DDR gab es ein System freiwilliger Gaben für die Gemeindefinanzierung. Das wird im Blick auf die Geschichte übersehen.
In gleicher Weise wie Gert Flessing oben sehe ich die Überlegungen Prof. Deneckes skeptisch. Auch ich stand in der DDR einem Pfarramt vor und sah mit ohnmächtigem Zorn, wie durch ihren Beruf gut gestellte Christinnen und Christen für die eigene Kirchensteuer den Mindestlohn angaben. Natürlich haben wir auch dem freiwilligen System als gemeindenäher und individueller nachgetrauert. Aber zu Beginn der 1990er Jahren ahnten wir nicht, welche finanziellen Höhen erklommen werden müssen, um Mitarbeitende und Sachausgaben zu bezahlen. Das hätte mit freiwilligen Gaben nicht geschehen können.
Falsch ist, dass die oder der einzelne keine Möglichkeit hat, sich über die Verwendung der Kirchensteuermittel zu informieren. Haushaltspläne werden in den Synoden (den Vertreterinnen und Vertretern der Kirchgemeinden!) diskutiert und abgestimmt. In den kirchlichen Amtsblättern kann sich jeder und jede über die Verwendung der Mittel informieren. Hier wird leider nicht sachlich argumentiert, sondern skandalisiert. Das finde ich nicht hilfreich.
Auch die Anonymisierung der Zahlungen hat eine gute Seite. Der Artikel setzt voraus, dass in dessen Sinne alle Berufsgruppen, die die Kirchgemeinde unterstützen wollen, direkt oder indirekt ihr Einkommen ehrlich in den jeweiligen Pfarrbüros angeben. Auf der einen Seite, das deutete ich an, bleiben Zweifel an dieser Ehrlichkeit. Auf der anderen Seite gibt mann oder frau Daten preis, die einer großen Vertraulichkeit unterliegen. Wer kirchliche Verwaltung kennt, weiß, dass es da genauso wie überall, trotz aller Verschwiegenheitspflicht, Klatsch und Tratsch oder Futterneid gibt. Für Andeutungen reicht ein Augenzwinkern oder eine blöde Bemerkung. Das geht dann durch die Gemeinde. Da bin ich froh, dass diese regelmäßige Zahlung in einen “großen Topf” wandert, von dem aus kaum persönliche Rückschlüsse gezogen werden können. Zuweilen ist es gut, wenn die rechte Hand nicht von der linken weiß.
Über eine Veränderung der Kirchenfinanzierung, die nur mit einer Veränderung des Kirchenbildes und -systems verbunden sein kann, würde ich gern nachdenken. Skandalisierungen, wie gesagt, finde ich nicht hilfreich. Auch die Berufung auf Dietrich Bonhoeffer ist zweischneidig. Der D.-B.-Verein hat seit Jahrzehnten aus einigen Bemerkungen Bonhoeffers ein hehres Prinzip gemacht. Wer in der Ethik, das heißt den Fragmenten der Ethik, liest, weiß, wie wenig Bonhoeffer selbst von Prinzipien hielt. Nicht Prinzipien, sondern die konkrete Situation fordert zum konkreten Handeln nach Gottes Gebot auf. Darum ist der Blick auf die kirchliche Situation, der sehr unterschiedlich sein kann, der einzige Ausgangspunkt für Veränderungen, nicht ein einzelnes Zitat.
Bürgergutscheine, oder auch Kultussteuer: Da wäre ich ganz vorsichtig!
Damit würde ein Zwangssystem, aus dem man sich wenigstens ausklinken kann, durch ein anderes, dem man nicht mehr entkommen kann, ersetzt. Wahrscheinlich wird die allgemeine Spendenbereitschaft darunter leiden, da man ja eh schon zwangsweise spenden muss. Gerade kleinere gemeinnützige Fördervereine, wie z.B. für Kitas etc dürften bei solchen Finanzierungsmodelle – getreu dem Motto, der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen – unter die Räder kommen. Und deshalb denken wahrscheinlich einige Vertreter der, als einer der größten Haufen, evangelischen Kirche auch über solche Modelle nach.
Es wäre ein Schlag gegen alle, die ihre Freizeit in solchen Vereinen gemeinnütziger Arbeit leisten!
Aber auch gegen ärmere Gemeinden. Solche Ideen sind unsoziales Wohlstandsevangelium in Reinstform!
Und wer bestimmt denn, welcher Zweck, welche Vereinigung überhaupt in den Genuss der Gelder kommen darf? Der gemeine Bürger doch nicht, wenn er nur eine vorgefertigte Liste bekommt, auf der er nur ankreuzen darf. Und wie werden die Organisationen dort aufgelistet? Nach Anzahl der Mitglieder? Alphabetisch? Parteinähe? Ich freue mich schon auf die Diskussionen, wenn die Altkatholiken weiter oben auf der Liste stehen sollten als die Katholiken – wow, die würden auf einmal im Geld schwimmen… Vermutlich wird dann auch ein nicht unwesentlicher Teil der Gelder, wie in Italien, in Lobbyarbeit und Werbung versickern
Es stinkt gewaltig, wenn Kirchenvertreter über solche Modelle nachdenken, über die eine demokratische Regierung zu entscheiden hat. Wenn solches kommen sollte, dann können sich Politik, Staat und Kirche zu recht vorwerfen lassen, dass es nur eine hinkende Trennung gibt und wir einen Kirchenstaat und Staatskirche haben.
Ich verstehe nicht, warum das anonymisierte Verfahren in DE so schlecht sein soll. Die Kirchen versuchen doch mit ihren Mitgliedern zu kommunizieren. Das Problem liegt wohl eher darin, dass den meisten, außer dass sie Taufscheinchristen und damit immer noch zahlende Mitglieder sind, Kirche und Gemeindeleben ziemlich egal ist. Die Verteilung ist transparent und, zumindest in der evangelischen Kirche, auch einigermaßen demokratisch geregelt. Zudem ist die Kirchensteuer freiwillig (wobei man über „freiwillig“ schon diskutieren kann). Wenn ich sie nicht zahlen will, gehe ich zum Amtsgericht/Standesamt und erkläre meinen Austritt. Ich kenne Bonhoeffers Arbeit zwar nicht, aber 1927 war eine komplett andere Zeit und der „staatliche Zwang“ war mit Sicherheit ein anderer. Ich halte es für fraglich, dass man Bonhoeffers Überlegungen so einfach auf die heutige Zeit übertragen kann. Und noch einmal: Solche Ideen sind unsoziales Wohlstandsevangelium in Reinstform.
Mag sein, dass Göring-Eckardt dem Verein schriftlich bestätigt hat, dass es finanziell neutral bliebe, wenn die Kirche die Beiträge selbst einziehen würde. Naja, Papier ist geduldig und glauben kann man vieles…
Herr Begrich, aber auch Herr Greifenstein (Artikel „Mehr Kirchesteuer wagen“) und Herr Frerk (Kirchenkritiker) sind da begründet anderer Meinung. Es müsste nämlich erst eine Verwaltung aufgebaut werden – und die gibt es mit Sicherheit nicht umsonst. (Ich vermute mal, es müssten dann ähnlich viele Kirchenfinanzbeamte geben wie Pfarrer – selbst wenn es nur halb so viele wären, dann läge die Zahl immer noch bei ca 10.000; bei einem Jahresbrutto incl. Arbeitgeberanteil von 30.000 € käme man allein schon auf 300 Mio. an Personalkosten. Gebäude, Porto, EDV und andere laufende Kosten kämen auch noch dazu.)
Ich finde, dieser Beitrag ist zu kurz überlegt und die Überlegungen, sollten diese mal umgesetzt werden, könnten sich nicht nur für die Kirchen, sondern auch für die Allgemeinheit zu dem einen oder anderen „Schuss nach hinten“ entpuppen.
Die Situation, in der die Kirchen stecken, ist hausgemacht, da sie sich zu lange darauf ausgeruht haben, dass Kirchenmitglieder durch die Kombination von tradierten Ritualen und Staatskirchenrecht – soziale Kontrolle durch Taufschein und Konfessionseintrag auf der Lohnsteuerkarte – automatisch nachwachsen. Der Mauerfall hat auch im Westen ein Stück zur Freiheit beigetragen, nämlich zur Religionsfreiheit. Die Kirchen sind jetzt mit dem Problem konfrontiert, dass diejenigen, die sagen, das ist nicht mein Glaube, jetzt auch die Konsequenzen ziehen, weil sie keine Benachteiligungen mehr zu befürchten haben. Rückblickend sollten sich die Kirchen mal fragen, ob die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft in einer so praktizierten Art wirklich gottgewollt ist.