Foto: Irina Krutova (Unsplash)

Von Kürbissen und Klerikalismus

Ein Priester zerstört auf nächtlichen Streifzügen die geschnitzten Halloween-Kürbisse der Kinder seines Ortes. Eine kleine Kirchennachricht, die viel über den Realitätsverlust heiliger Männer verrät. Eine Glosse.

Für unseren wöchentlichen Newsletter über Kirchen- und Religionspolitik, die #LaTdH (Newsletter-Abo), lesen Thomas Wystrach und ich uns quer durch die Religions- und Kirchennachrichten der Woche. Das ist zumeist ein anstrengendes Unterfangen, nicht zuletzt wegen der vielen Wiederholungen. Kirchen-PR und unsinnigen Übertreibungen müssen wir ausweichen, kluge Stimmen und wichtige Meldungen aus dem Strom der Nachrichten filtern. Man hat’s nicht leicht.

Dann und wann kreuzt aber eine Nachricht auf, die einen zunächst zum Schmunzeln und dann zum Nachdenken bewegt. Die BBC World-Meldung über die Zerstörung von Halloween-Kürbissen durch einen tschechischen Priester ist so eine Meldung aus der vergangenen Woche gewesen. Sie hat es nicht in die aktuelle Ausgabe der #LaTdH geschafft, aber schon die Überschrift „Czech village priest sorry for smashing pumpkins“ („Tschechischer Dorfpriester bedauert, Kürbisse zertrümmert zu haben“) sticht heraus – nicht nur wegen der Anspielung an die US-Rockband „Smashing Pumpkins“.

Nächtliche Rachefeldzüge gegen den Zeitgeist

Jaromir Smejkal, römisch-katholischer Priester im südmährischen Kurdejow, musste sich bei den Kindern und Familien seines Ortes „entschuldigen“, nachdem er an zwei Abenden in Folge die von den Kindern geschnitzten Halloween-Kürbisse zertreten hatte. Die Kinder hätten nach der ersten Zerstörungstat in Tränen gelegen und sogleich neue Kürbisse für den Park der Stadt gebastelt, nur um sie am darauffolgenden Tag abermals zerstört vorzufinden, berichtet die BBC. Smejkal jedoch gab bei seiner Nicht-Entschuldigung an, er habe nicht gewusst, dass die Kürbisse von Kindern geschnitzt worden waren.

Ein genauer Blick auf die Non-Apology des Priesters lohnt sich. Zunächst wäre da die inhaltliche Begründung seiner abendlichen Rachefeldzüge: Er rechtfertigt sein buchstäblich destruktives Verhalten natürlich mit der – im Übrigen irrigen – Eklärung, bei Halloween handele es sich um ein „heidnisches“ und gar „satanisches“ Fest.

Schon an dieser Stelle darf man sich Fragen nach der Qualifikation Smejkals und seiner Eignung für das Priesteramt stellen. Ein katholischer Priester hat keine Ahnung vom christlichen Ursprung von Halloween? Ein Theologe findet offenbar keinen kulturhermeneutisch informierten Zugang zu den alltagsspirituellen Bräuchen seiner Umwelt? Ein geweihter Mann greift zu Gewalt, statt Zeichen des Friedens zu setzen? Liegt die Ausbildung, Formation und Begleitung von Priestern in Tschechien wirklich so am Boden?

Die BBC versäumt es nicht, darauf hinzuweisen, dass Tschechien zu den „least religious countries in the world“ gehört. Tatsächlich: Unter den post-sozialistischen Ländern Europas stechen die ostdeutschen Bundesländer (ehem. DDR), die Tschechische Republik und die Slowakei als besonders abständig zur organisierten Religion hervor. Man kann sich fragen, ob die sehr viel höhere formale religiöse Bindung in Polen, Ungarn, Rumänien und der Ukraine nicht auf andere Weise hohl geworden ist, aber Tatsache ist: Nirgendwo sonst auf der Welt sind Menschen mit formeller Religionszugehörigkeit so sehr in der Minderheit wie an Elbe, Saale und Moldau.

Ein solch a-religiöses Umfeld macht bei den handelnden Religionsbedienstenen ein hohes theologisches, religionspädagogisches und hermeneutisches Vermögen erforderlich. Die BBC berichtet, dass sich trotz der geringen Kirchenmitgliedschaft religiöse Bräuche wie Allerseelen und eben Halloween in der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreuen, und von „Gläubigen wie Atheisten“ begangen werden. Was für eine Einladung an eine gegenwartssensible Kommunikation des Evangeliums!

Klerikalismus als Realitätsverlust

Doch scheint Jaromir Smejkal nicht allein unzureichend ausgebildet und kontrolliert zu sein, sondern zu den Opfern einer katholischen Pandemie zu gehören, die auf den Namen Klerikalismus hört. Papst Franziskus befindet sich auf einem jahrelangen, ähm, Kreuzzug gegen den Klerikalismus. Er versteht darunter allerdings nicht so sehr die Vormachtstellung des Klerus in der Kirche – die ist schon ganz ok –, sondern die „künstliche“ lebensweltliche Trennung zwischen Priestern und ihren Gemeinden. Natürlich, so der Papst, müsse der Priester ganz inmitten seiner Herde leben und sich nicht durch Gehabe und Dünkel von ihr entfernen.

Der Klerikalismus aber baut unsichtbare und sichtbare Mauern zwischen den geweihten Männern und dem Kirchenvolk auf. Im Schatten dieser Mauern verschwindet auch das viele Leid, das Priester vor allem Kindern und Frauen in der Kirche zugefügt haben und heute noch zufügen. Viel schlimmeres als die Zerstörung von Halloween-Kürbissen. Die Aura des Heiligen schützt. Und welcher kirchliche Vorgesetzte geht schon gegen einen Mitbruder vor, der so verbildich orthodox agiert?

Es sei „nicht seine Absicht gewesen, irgendjemanden zu verletzen, erst recht nicht Kinder“ gab Smejkal zu Protokoll, aber „er versuche sich stets daran zu halten, dass es seine Pflicht als Respektsperson und als Priester sei, Kinder und Familien vor verstecktem Übel zu bewahren“. Das ist Klerikalismus in der Form von Realitätsverlust: Wer auf der Welt braucht heilige Männer, die sich selbst den Mantel der Rechtschaffenheit umhängen und ihr Zerstörungswerk mit geistlicher und traditioneller Autorität begründen?