Bild: Montage (gemeinfrei)

Vor Gott spielen: Mein Wordle-Club

Um das Wörterrätsel Wordle bilden sich kleine Spielgemeinschaften. Das erlebt auch Jörg Wilkesmann, den sein „Club Gleichgesinnter“ an die besten Tage des Bloggens erinnert.

Seit Januar 2022 spiele ich „Wordle“. Zunächst in der Ursprungsversion auf Englisch. Dann kamen das österreichische „Wördl“ und das deutsche „6mal5“ hinzu. Wer es nicht kennt: Du musst ein Wort mit fünf Buchstaben erraten. Von Zeile zu Zeile bekommst du angezeigt, wie weit du richtig liegst. Insgesamt stehen dir sechs Zeilen zur Verfügung, um auf das richtige Lösungswort zu kommen.

Das Suchwort wechselt täglich, das heißt, es gibt nur ein Rätsel pro Tag. Und das Ergebnis kann ich veröffentlichen. Das tue ich bei Twitter. Und es hat sich eine kleine Gruppe gefunden, die die eigenen Ergebnisse als Kommentar hinzufügt. Ich freue mich darüber.

Ich mag Spiele, die wie Konzentrationsübungen sind. So gab und gibt es Phasen, in denen ich mich für Sudoku begeistere. „Wordle“ und seine Varianten eignen sich für mich bestens. Es macht mir Freude, mit den Wörtern zu spielen wie mit Murmeln in der Hand.

Mein Wordle-Club

Die um das Spiel auf Twitter entstandene Gruppe ist sehr digital: Noch niemandem bin ich analog persönlich begegnet. Es ist daher für mich keine Gemeinschaft, eher ein „Club Gleichgesinnter“. Wir zeigen uns gegenseitig die erreichten Spielergebnisse: Besonders gute Ergebnisse werden gelobt, ein Herzchen (Like auf Twitter) erhält jeder Versuch. Jeder spielt für sich, aber die „Teilen“-Funktion der Online-Spiele wird von uns Spielerinnen und Spielern dazu genutzt, miteinander in Kontakt zu treten.

So empfand ich auch das Bloggen in seinen besten Zeiten (für mich 2009 bis 2013): Es gab bestimmte Menschen, die regelmäßig kommentierten und oft das angeschnittene Thema weiterbrachten. Hat die digitale Kirche eine andere Gemeinschaft als die analoge? Auf Twitter sehe ich das zurzeit ähnlich wie beim Bloggen. Konfirmanden-Unterricht per Zoom und Livestream-Teilnahme an Gottesdiensten sind weitere Erfahrungen. Andere sind hier weiter und können mehr berichten. Aber lässt sich zu Spielen wie „Wordle“ theologisch etwas sagen?

Vor Gott spielen?

In der Bibel findet sich wenig: Im Alten Testament ist es die Weisheit, die bei der Schöpfung anwesend ist und vor Gott spielt (Sprüche 8, 27-31). Im Neuen Testament gibt es die Vergleiche mit Wettkampfspielen (z.B. 1. Korinther 9, 24-27). Kleine Spiele allein oder zu zweit finden sich nicht. Vielleicht kann man noch gelten lassen, dass Jesus in den Sand schreibt (Johannes 8,6)? Aber das ist Spekulation.

Gibt es eine Theologie des Spielens, etwa analog zu „Homo ludens“ von Johan Huizinga?  Ob bei Wordle, Sudoku, Patiencen oder Brettspielen – guten Spielen gelingt es, mich kurzzeitig aus meiner Gegenwart herauszuholen. Das ist gut für die geistige Rekreation und nutzt dem inneren Menschen, den Alltag zu bewältigen. Ist diese Bedeutung des Spiels schon ausgeschöpft für den eigenen Glauben, das Gemeindeleben oder die Theologie?

Wer möchte Antworten suchen? Nach dem nächsten „Wordle“ vielleicht? Oder wie in „alten“ Zeiten in der Kommentarspalte?

„Wordle“ – Das Rätselphänomen

Eigentlich hatte der Software-Programmierer Josh Wardle das „Wordle“-Rätsel im Jahr 2020 während der Corona-Pandemie erfunden, damit seine Partnerin und er sich gemeinsam die Zeit vertreiben konnten, denn während der Lockdowns gingen nicht nur ihnen die Rätsel aus. Im Oktober 2021 brachte Wardle das Rätsel als Online-Game heraus. In den ersten Monaten kam „Wordle“ über eine zweistellige Nutzer:innenzahl kaum hinaus, dann aber erwischte das Spiel einen der so seltsamen wie seltenen Online-Booms. Inzwischen werden „Wordle“ und seine Ableger von Millionen von Menschen gepsielt.

Anfang 2022 erwarb die New York Times das englischsprachige Wordle und brachte das Spiel in ihrer riesigen digitalen Rätsel-Ecke unter. Es gibt zwei bekannte deutschsprachige Ableger („Wördl“ & 6mal5) sowie Varianten des Spielprinzips z.B. für Musik („Heardle“), Mathematik („Nerdle“) und Geografie („Worldle“). Gemeinsam ist den Spielen das Grundprinzip: Die künstliche Verknappung auf ein Rätsel am Tag und die Möglichkeit, die eigenen Ergebnisse unkompliziert in den Sozialen Netzwerken zu teilen.