Was bewegt die Katholikinnen in Polen?

Auch in Polen gibt es Frauenbewegungen in der Kirche, doch sind sie wenig progressiv. Warum gibt es keine polnisch-katholische Frauenbewegung, die die Rolle der Frau in der Kirche offen hinterfragt?

In der römisch-katholischen Kirche sind die Handlungsmöglichkeiten für Frauen begrenzt. Sie können sich ehrenamtlich in ihren Gemeinden engagieren, in einen Orden eintreten oder Religionslehrerinnen werden. In der Messe dürfen Frauen die Lektüre aus der Bibel übernehmen oder als Kommunionspenderinnen agieren. In manchen deutschen Bistümern geht man noch weiter und beauftragt auch Frauen mit der Spende der Taufe. Doch in Polen sieht man Frauen, die die Kommunion am Ende der Messe spenden, nur selten. Auch Frauen als Ministrantinnen gibt es nicht in allen Diözesen Polens, obwohl der Vatikan dies offiziell erlaubt.

In Europa, aber auch weltweit, gibt es immer mehr katholische Frauenorganisationen, die für mehr Rechte für Frauen in der Kirche kämpfen. Zu diesen Organisationen gehören die amerikanische Organisation „Future Church“, die bosnische Organisation „Dobroj Vjeri“ und die deutsche Organisation „Maria 2.0“. All diese Frauenorganisationen fordern eine Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Kirche und stehen damit auch für die Einführung der Frauenordination ein.

Die Befürwortung des Weiheamtes auch für Frauen setzt mit dem Streit für das Frauendiakonat ein und geht bis hin zur Forderung nach Priesterinnen. Die Forderung nach dem Weiheamt für Frauen verbindet so katholische Frauenorganisationen über Grenzen hinweg – und trennt sie von denjenigen Frauengruppen, die sich explizit konservativ positionieren.

Katholische Frauenorganisationen in Polen

Auch in Polen gibt es katholische Frauenorganisationen, sie unterscheiden sich jedoch stark in ihren Zielen von den drei eben vorgestellten Organisationen. Wie Joanna Staśkiewicz herausgefunden hat, setzen sich katholische Frauengruppen in Polen für die traditionelle Geschlechterordnung und Moral ein, dabei steht Maria als „demütiges Frauenvorbild“ im Vordergrund: „Auffallend vernachlässigt im Diskurs […] ist die Frage der Förderung der Beteiligung von Frauen in kirchlichen Strukturen.“ Allein die polnisch-katholische Frauenorganisation „Amicta Sole“ fordere Veränderungen in der Kirche, so Staśkiewicz.

Doch während „Future Church“, „Dobroj Vjeri“ und „Maria 2.0“ sich für die Einführung des Frauenpriestertums einsetzen, verfolgt die polnisch-katholische Frauenorganisation „Amicta Sole“ ganz andere Ziele:

„Amicta Sole“ wurde 2008 gegründet und hat seit ihrer Gründung etwa ein paar Dutzend Frauen als Mitglieder. Zu den Hauptanliegen gehört die Sichtbarmachung und Förderung von Frauen in der Kirche. Dies geschieht, indem an herausragende katholische Frauen erinnert wird. Dabei handelt es sich vor allem um polnische Frauen oder Frauen mit polnischen Wurzeln wie z.B. die Ordensschwester Maria Ursula Ledóchowska, die ein Waisenhaus sowie eine Mädchenschule gründete. Darüber hinaus hat es „Amicta Sole“ sich zum Ziel gesetzt, nicht nur das Leben dieser Frauen zu würdigen, sondern auch ihre Schriften und Werke zu verbreiten.

Außerdem möchte die polnisch-katholische Organisation auf die neuen Handlungsmöglichkeiten für Frauen aufmerksam machen, die nach dem Zweiten Vatikanum eingeführt wurden und damit zeigen, dass Frauen bereits sehr wohl Rechte in der Kirche besitzen, diese jedoch nicht ausreichend wahrgenommen werden. Dabei stützt sich „Amicta Sole“ auf den sogenannten Neuen Feminismus, der vom polnischen Papst Johannes Paul II. geprägt wurde.

Ein Gegenmodell zum liberalen Feminismus

Der Begriff Neuer Feminismus wurde erstmals von Papst Johannes Paul II. im Apostolischen Schreiben „Mulieris Dignitatem“ (1988) gebraucht. Wie der Titel schon andeutet, betont der Papst die Würde der Frauen und weist auf die Besonderheiten der Frau hin, die er in der Mutterschaft sieht. Durch die Mutterschaft seien Frauen besonders und natürlicherweise dazu befähigt, Liebe zu empfangen, sie zu geben und zu zeigen. Zudem schreibt der Neue Feminismus Frauen Wesenseigenschaften wie Fürsorge und Sensibilität zu.

Insgesamt vertritt der Papst ein traditionelles Rollenbild von Mann und Frau. Die Aufgabe der Frau in der Kirche sei es, das Evangelium zu verkünden, aber eben nur in der Position einer Laiin und nicht in der Position einer Priesterin. Sieben Jahre später ermutigte Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Evangelium Vitae“ (1995) Frauen zum Neuen Feminismus:

„[S]ie [die Frauen] sind es, die einen ‚neuen Feminismus‘ fördern müssen, der, ohne in die Versuchung zu verfallen, ‚Männlichkeits‘-Vorbildern nachzujagen, durch den Einsatz zur Überwindung jeder Form von Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung den echten weiblichen Geist in allen Ausdrucksformen des bürgerlichen Zusammenlebens zu erkennen und zu bekunden versteht.“

Damit kann der Neue Feminismus als Gegenmodell zum liberalen Feminismus, sogenannten „kämpfenden Feminismus“, gesehen werden. Er hält an traditionellen Rollenbildern der Frau fest, der liberale Feminismus fordert hingegen ein neues Frauenbild. Wenn sich eine Frauenorganisation wie „Amicta sole“ dem Neuen Feminismus zuordnet, ist es wenig verwunderlich, dass sie die Einführung der Frauenordination nicht fordert. Der Neue Feminismus möchte eben nicht, dass Frauen Funktionen und Aufgaben von Männern übernehmen. In dieser Logik kann eine Frau auch keine Priesterin werden, da das Priesteramt in der katholischen Kirche traditionellerweise eine Aufgabe des Mannes ist.

Neben „Amicta Sole“ gibt es noch zahlreiche weitere katholische Frauenorganisationen in Polen, wie z.B. die Organisation „PZKK“ (Polski Związek Kobiet Katolickich), die 1990 gegründet wurde und etwa 50 Mitglieder hat. PZKK gibt auf ihrer Homepage an, dass sie im Einklang mit der katholischen Ethik und Lehre der Kirche arbeitet sowie die nationalen und sozialen Traditionen Polens pflegt. Diese Übereinstimmung mit der katholischen Lehre und Ethik zeigt sich vor allem in ihren Positionen hinsichtlich Abtreibung, Verhütung und künstlicher Befruchtung. Dies alles wird von der „PZKK“ abgelehnt.

Ähnliche Ansichten vertritt auch die Organisation „FKK“ (Forum Kobiet Katolickich), die von 1996–2010 existierte. Damit sind alle vorgestellten polnischen Organisationen (Amicta Sole, PZKK und FKK) kirchennahe Organisationen, die keine offene Kritik an der Stellung der Frau in der katholischen Kirche üben.

Reformen als Zukunftsfrage der Kirche in Polen

Warum gibt es keine polnisch-katholische Frauenbewegung, die die Rolle der Frau in der Kirche offen hinterfragt? Dafür gibt es viele Gründe, zu denen sicher die Rolle der katholischen Kirche in Polen gehört. Polen gilt als stark katholisch geprägtes Land und bis heute hat die Kirche einen stärkeren Einfluss auf die gesellschaftlichen Strukturen als in allen anderen europäischen Ländern.

Zudem wird besonders der polnische Papst Johannes Paul II. von vielen Gläubigen verehrt. Die Verehrung Karol Wojtylas führt dazu, dass auch seinen Schriften eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Da Johannes Paul II. zum Neuen Feminismus und damit zur Beibehaltung traditioneller Rollenbilder von Mann und Frau aufrief, ist Kritik an dieser Spielart des Feminismus bei gläubigen polnischen Frauen, die den verstorbenen Papst verehren, sehr unwahrscheinlich.

Doch mag es auch in Polen viele Frauen geben, die für die Einführung der Frauenordination sind, allerdings mangelt es an Organisationen, die den Wunsch nach der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der katholischen Kirche äußern. Wie in Deutschland befindet sich die katholische Kirche in Polen in einem sozialen Wandel. Vor allem junge Polinnen und Polen praktizieren ihren Glauben immer seltener. Im Jahr 2021 gaben im Rahmen einer Studie des Meinungsinstituts CBOS nur 23% der 18-24-Jährigen an, ihren Glauben auszuüben.

Es läge jedoch an den polnischen Frauen selbst, sich für Reformen in ihrer Kirche zu engagieren. Wenn der Glaube und vor allem die katholische Kirche für immer mehr polnische Frauen eine immer geringere Rolle im Alltag spielen, wird es unwahrscheinlich, dass sich polnische Frauenbewegungen gründen, die sich z.B. für die Einführung der Frauenordination in der katholischen Kirche engagieren.

Umso wichtiger erscheint es, dass Frauenbewegungen aus anderen Ländern für die Gleichberechtigung in der katholischen Kirche kämpfen. Denn nur solche Bewegungen können auf Defizite in der katholischen Kirche aufmerksam machen – und schließlich Reformen einläuten.


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