Wer ist dieser Mann?
Wer ist Ralph Brinkhaus, der seit gestern die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag führt? Anders als seinen Vorgänger Volker Kauder kennen ihn viele Christ_innen noch nicht. Was ist von ihm zu halten?
Gestern wählte die CDU-/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag überraschend den nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten Ralph Brinkhaus (50, @rbrinkhaus) zu ihrem Vorsitzenden. Er löst Volker Kauder ab, der dreizehn Jahre lang Fraktionsvorsitzender war.
In den Stunden seit seiner Wahl konzentriert sich die Berichterstattung auf den Überraschungseffekt der Wahl und auf die Folgen für Bundeskanzlerin Merkel, die an seinem Amtsvorgänger Kauder festgehalten hatte. Auch wird diskutiert, ob die Wahl Brinkhaus‘ einen Rechtsruck der Fraktion bedeutet und die ohnehin wackelige Regierungskoalition mit der SPD durch seine Wahl weiter unter Druck geraten ist.
Doch wer ist Ralph Brinkhaus eigentlich? Einer breiten Öffentlichkeit ist er bisher unbekannt. Als Finanzpolitiker hat er sich in seiner Fraktion einiges Ansehen erworben, seit 2014 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender für Haushalt, Finanzen und Kommunalpolitik. Darüber hinaus ist er inhaltlich wenig aufgefallen.
Volker Kauder: Ein christlicher Konservativer
Seinen Vorgänger Volker Kauder kennen Christ_innen hierzulande als profilierten christlichen Konservativen. Seit Jahren setzt Kauder sich für verfolgte Christen vor allem in islamisch geprägten Ländern ein. In der Familienpolitik vertritt er konservative Einstellungen, so lehnte er z.B. die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ab und positioniert sich auch in den Diskussioen um Abtreibung und Sterbehilfe stark konservativ. Auch forderte er schon einmal in AfD-Manier, Spitzel in deutsche Moscheen zu schicken.
Dass sein Glaube für ihn grundlegend für die eigene politische Arbeit ist, verbarg Kauder nie. Mehrmals sprach er gespickt mit Bibelzitaten und im Rückgriff auf seine Glaubensüberzeugungen im Bundestag, aber auch auf zahlreichen christlichen Veranstaltungen. So war er erst in diesem Sommer auf der Allianzkonferenz in Bad Blankenburg zu Gast, einem Treffen von Christ_innen aus den evangelischen Landes- und Freikirchen, die sich der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) zurechnen.
Für seine Wähler_innen war Volker Kauder stets berechenbar in der konservativen Hälfte der Union wieder zu finden. Dass der Konservative aus Baden-Württemberg der Kanzlerin die Treue hielt, die in den Augen vieler Parteikollegen für Modernisierung oder gar die Auflösung alter Werte steht, mag immer wieder verblüfft haben. Für Angela Merkel bedeutete die Partnerschaft mit Kauder lange den verlässlichen Rückhalt auch dieser Teile der Fraktion.
Dass mit Ralph Brinkhaus nun also ein Politiker den Fraktionsvorsitz übernommen hätte, der Kauder rechts überholt, kann mit Blick auf den Konservatismus des nun ehemaligen Fraktionsvorsitzenden getrost bestritten werden. Ralph Brinkhaus wollte seine Kandidatur denn auch nicht als Angriff auf die Regierungschefin verstanden wissen. Wohl aber will er die Fraktion auch in Zeiten der Großen Koalition sichtbarer und eigenständiger führen. Der ARD sagte er: „Es ist ja so, dass wir alle gerne als starke, als selbstbewusste, als loyale Fraktion mit Angela Merkel weiter zusammenarbeiten möchten.“
Umso interessanter sind seine Positionen in politischen Fragen, die Christ_innen traditionell interessieren.
Ralph Brinkhaus: Kein unbeschriebenes Blatt
Wie auch Kauder gehört Brinhkaus dem Stephanus-Kreis der CDU-/CSU-Fraktion an, der sich für verfolgte Christen weltweit engagiert. Brinkhaus gibt an, sich als Christ besonders für Religionsfreiheit und das Schicksal verfolgter religiöser Minderheiten zu interessieren. In den vergangenen Jahren hat er Reisen u.a. nach Syrien und in die Türkei unternommen und bei zahlreichen Gelegenheiten zu den Themen Religionsfreiheit und Christenverfolgung gesprochen. Wie Kauder bedient er sich dabei der umstrittenen Zahlen, die von der evangelikalen Organisation OpenDoors zur Verfügung gestellt werden.
Brinkhaus ist römisch-katholisch und verheiratet. Der Ehe für alle steht er ablehnend gegenüber. Im Sommer 2017 stimmte er bei der Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit Nein. Die Abstimmung war zuvor vom Fraktionsvorsitzenden Kauder und von Bundeskanzlerin Merkel ausdrücklich „frei gegeben“ worden. Immerhin 75 Abgeordnete der Union stimmten für die Einführung, während die große Mehrheit der Fraktion von 225 Abgeordneten dem Gesetzesvorschlag nicht zustimmten. Mit seiner Ablehnung der Ehe für alle steht Brinkhaus im Mainstream seiner christlich-konservativen Fraktion.
Im Herbst 2015 formulierte der Deutsche Bundestag erstmals eine gesetzliche Regelung des sog. assistierten Suizids. Der Bundestag beriet dazu mehrere Gesetzesentwürfe, die von Abgeordneten fraktionsübergreifend eingebracht wurden. Schließlich entschied sich die Mehrheit des Hauses für den Entwurf der Abgeordneten Brand (CDU), Griese (SPD) et al., der als „Weg der Mitte“ beschrieben wurde. Ralph Brinkhaus stimmte diesem Antrag wie sein Vorgänger im Amt des Fraktionsvorsitzenden, Volker Kauder, zu. Der assistierte Suizid bleibt im Nahumfeld straffrei, während die „geschäftsmäßige Förderung“ der Selbsttötung strafbewehrt wird.
Auch im Blick auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr steht Brinkhaus mit seinem Abstimmungsverhalten in der Mitte seiner Fraktion. Er sitzt seit 2009 im Bundestag und hat seither vor allem Verlängerungen zuvor begonnener Einsätze in Afghanistan und anderer Anti-Terror-Missionen zugestimmt.
Gleiches lässt sich von seiner Haltung zum Export von Rüstungsgütern sagen. Er stimmte mehrfach gegen Rüstungsbeschränkungen und eine verschärfte Kontrolle von Ausfuhren von Rüstungsgütern, wenngleich er dem Stopp von Rüstungslieferungen an den NATO-Partner Türkei zustimmt, den die Bundesregierung anlässlich der türkischen Offensive in Nordsyrien verhängte: „Natürlich kann es an diese Türkei, solange sie sich so verhält, wie sie sich verhält, keine weiteren Waffenlieferungen und nicht einmal Lieferungen von Ersatzteilen für Waffen geben.“
Nichts Neues unter der Sonne
Was die Unions-Abgeordneten bewogen hat, ihren langjährigen Fraktionsvorsitzenden (gerade jetzt) abzulösen, wird in den kommenden Tagen sicher ausführlich eruiert. Vielleicht war es ja nach all den Jahren einfach der dringende Wunsch nach einem neuen Gesicht, nicht nach allzu viel politischer Veränderung?
Ralph Brinkhaus mag intern für Erneuerung und ein selbstbewussteres Auftreten der Fraktion stehen, ansonsten aber wurde ein konservativer Christdemokrat gegen einen anderen ausgetauscht. Die konservative Unionsfraktion wird weiter von einem konservativen, christlichen Mann geführt. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen.