Zeit, dass sich was dreht – Die #LaTdH vom 10. Juni

Der unter sommerlicher Hitze brütende Kontinent mäandert in Richtung Fußball-WM. Kann es noch ein anderes Thema geben? Ist es nach Vorbereitung und Testspielen auch in der Kirche Zeit, dass sich was dreht?

Debatte

Popupchurch: Kirche da, wo du bist – Emilia Handke (feinschwarz.net)

Emilia Handke schreibt über eines der inzwischen zahlreichen Projekte, die landläufig als #freshx oder auch kirche² beschrieben werden: Kirche, die sich anders anfühlt als es die amtliche Volkskirche bisher so tut. Kirche, die sich bewusst an diejenigen wendet, die von den bestehenden Angeboten nicht erreicht werden. Zielgruppe sind immer wieder die jungen, erfolgreichen, urbanen Menschen – das kommende Bürgertum, das der Kirche abhanden kommt. In einer Kirche ihrer Eltern fühlen die sich irgendwie nicht wohl.

Persönlich begegnet die Kirche einem fast nie. Eigentlich nur, wenn man die Arbeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst regelmäßig aufsucht oder einer Gruppe angehört, zu der kirchliche (Mitarbeiter)innen auch gehören. […] Gespräche über Religion und Kirche finden – wenn überhaupt – ausschließlich im intimsten Nahbereich statt: unter Familienangehörigen oder engen Freunden. Kaum eine(r) spricht öffentlich einfach so darüber. Die Gesichter der Kirche sind im Alltag weitgehend unsichtbar. Das Christentum ist diskret unterwegs – es wartet mit seinem Zeichen an vielen Ecken und zugleich darauf, dass man es bewusst aufsucht.

Was könnte sich in Kirchen ändern, wenn auch nur die Hälfte der „Testspiele“ der #freshx Turnierreife erlangen? Oder mit einer anderen Metapher ausgedrückt: Wird es nicht Zeit, im Kader Platz zu schaffen, auch zu Lasten älterer, verdienter Mitspieler (Lösungmodelle)? Wer und was steht der Institutionaliserung der frischen Kirche denn im Weg?

Von den 90 Prozent, Hausbesuchen und der Zukunft der Kirche – Niklas Schleicher (NThK)

Reflektierte Kritik an der #freshx kommt hierzulande häufig aus dem Hause des Netzwerks Theologie in der Kirche (NThK). Für den dortigen Blog hat sich Niklas Schleicher (@megadakka) das neueste Buch von Erik Flügge angeschaut, der für seine (katholische) Kirche radikale Vorschläge vorlegt.

Das Problem scheint mir allgemein weniger der Wille zu sein, mit Menschen und ihrer Lebenswelt in Kontakt zu kommen. Sondern es scheint darin zu liegen, wie mit diesen Menschen über den Glauben gesprochen und ihnen dabei auch glaubwürdig vom den Glauben erzählt werden kann.

Wenn es stimmt, was Niklas Schleicher & Co. der #freshx vorwerfen, nämlich, dass es den Beteiligten viel mehr um die Form als den Inhalt geht (guter Kaffee statt Theologie, oder so), dann ist auch wahr, dass das Beharren auf einer inhaltlichen Engführung bei ihren Opponennten reflexartig vorgebracht wird. Soll es irgendwie voran gehen, muss dieser Scheinwiderspruch aufgelöst werden. Den Weg können wir nur im Wechselschritt zurücklegen.

In einem ganz anderen Kontext spricht der bulgarische Politologe Ivan Krastev von der „Angst vor dem Verschwinden“. Ist die nicht bei allen Beteiligten am Werk? Bei den amtskirchlichen Verwaltungsträgern, die vor dem vermeintlichen Untergang gewohnter Strukturen erzittern, ebenso wie bei denjenigen, die sich bewusst an gleichgesinnte und -gestellte wenden, die also Angst vor dem Verschwinden ihrerselbst (und ihresgleichen) aus der Institution Kirche haben, und auch bei ihren theologischen Kritikern, die den Widerspruch einer coolen Kirche und einem tiefen Glauben spüren, sich um das erreichte Reflexionsniveau der christlichen Religion sorgen?

nachgefasst

Lebt denn das alte Volkskirch’l noch? – Tobias Klein (Huhn meets Ei)

Zum Thema Volkskirche vs. „neue“ kirchliche (Sozial-)Formen hat auch Tobias Klein (@MonsignoreCorpa) in seiner Antwort auf die #LaTdH von letzter Woche von Daniel Fetzer (@danufetz) etwas aufgeschrieben:

Grundlegend für jedwede Kritik am Modell „Volkskirche“ scheint mir daher zunächst einmal die Feststellung, dass die institutionellen Strukturen der Großkirchen in Deutschland auf eine Sozialgestalt von Kirche zugeschnitten sind, die es in der Breite so schon längst nicht mehr gibt, und dass diese Strukturen vielfach zu unflexibel sind, um angemessen auf die veränderten Realitäten zu reagieren. In der Zeit seiner Blüte lebte das Modell „Volkskirche“ – so wie ich die Bezeichnung verstehe – wesentlich davon, dass die Kirchenmitgliedschaft und auch ein gewisses Mindestmaß an aktiver Teilnahme am kirchlichen Leben zur gesellschaftlichen „Normalität“ gehörten.

In den klügeren seiner Sätze setzt sich Klein konstruktiv mit den Thesen auseinander, die Philipp Kurowski (@PhiKuro) für die Volkskirche vorgebracht hat. In den weniger schlauen Passagen nutzt er den in seinem Blog reichlich zur Verfügung stehenden Raum für kleinliche Sticheleien gegen das „publizistische Flaggschiff der postchristlichen Linken“, das in seinen Augen dieses Magazin darzustellen versucht. Danke für das Kompliment!

In den #LaTdH fehlt mir der Platz und bei diesem Wetter die beneidenswerte Energie des selbsternannten Monsignore, um auf die zahlreichen Verzerrungen und faktischen Unzulänglichkeiten seines Beitrags en detail einzugehen. Nur so weit: Die Eule-Redaktion als „postchristlichen EKD-Jungfunktionäre“ zu bezeichnen klingt witzig, ist aber doppelt falsch. Ergibt eine Auseinandersetzung auf diesem Niveau (sic!) überhaupt Sinn? In den Kommentaren unter Kleins Beitrag fragt die bekannte katholische Dichterin und Bloggerin Claudia Sperlich (@ClaudiaSperlich) zärtlich: „Können diese Leute nicht einfach Schnauze halten und zur Messe gehen? Ach nee, sind ja Protestanten.“

Eucharistie für konfessionsverbindende Ehepaare

Zu dem Kirchenthema des Frühjahrs gab es auch diese Woche Neues zu vermelden: Die Glaubenskongregation übernimmt nun doch, das Papier der Bischofskonferenz ist Makulatur, der Papst hält die Zulassung konfessionverbindender Ehepaare offensichtlich für nicht so ne gute Idee. Das findet Ökumene-Bischof Feige bei katholisch.de sehr bedauerlich, erleichtert ist hingegen Thomas Matterne (@matterne) auf seinem Blog Intellektuelles Weichei:

Was Feige, und auch viele andere Befürworter, der Öffentlichkeit allerdings noch immer schuldig sind, ist die Antwort warum man aus berechtigten Einzelfällen plötzlich einen Regelfall machen soll. Das [sic!] er sich sogar öffentlich fragt, warum es eine ähnliche Diskussion nicht in der Frage des Empfangs der Kommunion für geschiedene Katholiken gab, ist ehrlich gesagt erschreckend und lässt tief blicken, was der Magdeburger Bischof unter „römisch-katholisch“ zu verstehen scheint.

Was der Ratsvorsitzende der EKD (@landesbischof) an zweckoptimistischer ökumenischer Diplomatie beizutragen hatte, ist bei domradio.de zu lesen. Und wie es nun weiter gehen könnte, hat Thomas Söding in der Christ in der Gegenwart aufgeschrieben:

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich gar nichts bewegen kann, wenn sich nicht alles verändert hat. Der Zusammenhang zwischen Kirche und Eucharistie ist nach reiner katholischer Lehre nicht exklusiv. Wäre es anders, dürfte es überhaupt keine Ausnahmen geben. Das kirchliche Gesetzbuch sieht sie aber vor, weil das Heil der Seelen wichtiger ist als die Lehre der Kirche über die Sakramente. Es gilt der ungeschriebene Grundsatz, dass niemand an der Kommunionbank zurückgewiesen wird, es sei denn, die Spendung würde ein öffentliches Ärgernis erregen.

Wenn nun alles beim Alten bleibt, dann bleibt wohl auch die vielenorts gepflegte Praxis bestehen, die Kommunion konfessionsverbindender Ehepaare einfach trotzdem durchzuziehen. Mehr dazu bestimmt in den #LaTdH am kommenden Sonntag, wenn an dieser Stelle wieder einmal Thomas Wystrach (@wystrach) übernimmt.

Datenschutz olé – Hanno Terbuyken (Confessio Digitalis, evangelisch.de)

Die DSGVO gilt mit Anpassungen auch in der Evangelischen Kirche und lo and behold: Die Grundfesten der Welt stehen noch! Hanno Terbuyken (@dailybug) erklärt in diesem Beitrag des (relativ) neuen #digitaleKirche-Blogs bei evangelisch.de, warum das so ist. Und zur Messenger-Idee hat er auch ne Meinung:

Absurd wird es dann, wenn Datenschutzregeln uns dazu bringen, Ressourcen aus dem Fenster zu werfen, mit denen wir das Rad neu erfinden sollen. Beispiel eigene Messenger-Dienste: Wenn wir mit Menschen in der Welt kommunizieren wollen, geht das nicht über kircheneigene Messenger, weil die Menschen außerhalb des inneren Kreises die nicht nutzen.

Buntes

Digitale Kirche muss *eine* Kirche sein – Hanno Terbuyken (Confessio Digitalis, evangelisch.de)

Was Hanno Terbuyken in diesem neuesten Beitrag seines #digitaleKirche-Blogs aufschreibt, das sollten sich alle Verantwortlichen mal hinter die Ohren schreiben. Ein Grundlagentext. Mir geht natürlich der Witz mit der Benennung des Blogs auf: Confessio Augustana, hi hi, hübsch protestantisch. Bei Digitalis muss ich allerdings auch daran denken:

Aus Fingerhutgewächsen (Digitalis) gewonnen, spielten die den Puls verlangsamenden und das schwache Herz stärkenden Naturstoffe in der Kardiologie lange Zeit eine wichtige Rolle. Inzwischen verwendet man sie fast nur noch zur Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern – einer vor allem im Alter verbreiteten Herzrhythmusstörung, die vielfach unangenehmes Herzstolpern und Herzrasen hervorruft. (Quelle)

Forum am Sonntag – Gemeinde 4.0 (NDR Info)

Ebenfalls der digitalen Kirche widmet sich eine Radiosendung des NDR, hier nachzuhören und nachzulesen und auf alle Fälle interessant.

Tutorial: Wie entferne ich Vogelschiss? – Carsten Leinhäuser (vaticarsten.de)

Carsten Leinhäuser (@vaticarsten) hat ein knorke Tutorial gefilmt, in dem er erklärt, wie man sich gegen den allgegenwärtigen Vogelschiss in unserer Gesellschaft zur Wehr setzen kann (direkt zum Youtube-Video hier entlang): „Hilft gegen Vogelschiss und braune Scheiße jeder Art!“

Empfehlung des Kulturrats – Ein Jahr Sendepause für Talkshows? (Deutschlandfunk)

Ein Jahr Pause von den politischen Talkshows – ist das nicht eigentlich eine Contradictio in adiecto? – fordert der Deutsche Kulturrat, die Spitzenorganisation von 250 Kulturverbänden. Hört auf die Kulturschaffenden oder wenigstens auf Peter Lustig.

Kindheit im Risikoraum – Matthias Drobinski (Süddeutsche Zeitung)

Über den Missbrauchsskandal in der evangelisch-pietistischen Gemeinde Korntal berichtete Matthias Drobinski (@MatthiasDrobins). Die Ausmaße des Missbrauchs gleichen denen bei den Regensburger Domspatzen (wir berichteten). Auch hier:

„Es muss auch konsequenter nach der Rolle der Religion und der Kirche gefragt werden“, sagt Zander. Er hat einen Brief an den württembergischen Landesbischof Otfried July geschrieben – dass der ihm freundlich ein Seelsorgegespräch angeboten hat, ist Zander zu wenig. Zu gut ist ihm Pfarrer Fritz Grünzweig in Erinnerung, der von der Landeskirche für seinen Dienst in Korntal freigestellt wurde und hohes Ansehen in der Kirche genoss. „Er schlug uns und rastete manchmal regelrecht aus“, erzählt Zander, „er schrie uns an, er müsse den Satan aus uns heraustreiben, wir seien Teufelsbrut“.

Bibel

Abraham und Sarah lachen – Till Magnus Steiner (dei verbum)

Biblisch-humoristische Gedanken von Till Magnus Steiner (@TillMSteiner):

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Gleiches gilt für den Glauben. Für den einen ist er eine Torheit, die zum Spott einlädt. Für den anderen ist es ein „Trotzdem“ im Angesicht der Welt, ein großer Freudenjubel entgegen allem Zweifel – und manches Spottgelächter wandelt sich zu einem Bekenntnis.

Ein guter Satz


– „Ich wünschte, es gäbe mehr Leute, die statt Überbringer schlechter Nachrichten Überbringer von Schokoladencupcakes wären.“ #guteNachrichtguterKaffee #imWechselschritt