Bares bleibt Rares

Feuer und Flamme sind die Kölner Kirchenfürsten nur, wenn es um ihre eigenen spirituellen Hobbys geht, nicht beim Einsatz für Missbrauchsbetroffene. Eine Glosse.

Bleiben Sie dran:

„Das müssen wir unterstützen!“ Norbert Feldhoff ist von einem Moment auf den anderen wie elektrisiert. Der Prälat, emeritierter Generalvikar der Kölner Erzbischöfe Höffner und Meisner, greift zum Telefon. Sekunden später ist Kardinal Woelki am Apparat. Staunend hört er zu, was Feldhoff erzählt: „Bei „Diesseits von Eden“ wurde gerade ein einzigartiges Projekt vorgestellt. Ich bin sprachlos! Fantastisch, wundervoll“, schwärmt der langjährige Dompropst.

Gerne höre er sich sonntagsmorgens, wenn er die Zeit habe, die beliebte Sendung auf WDR 5 an. Diesmal sei „Leuchtzeichen“ vorgestellt worden, die unabhängige Anlauf- und Beratungstelle bei sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext, die seit dem 1. März 2022 vom Verein „umsteuern! Robin Sisterhood e. V.“ (@Sisterhood_eV) in Köln betrieben wird.

Feldhoff und Woelki sind sich einig: Was die römisch-katholische Kirche jahrzehntelang nicht geschafft habe, müsse jetzt „von unten“ und „von außen“ organisiert werden. Gläubige, die die Kirche verlassen haben, werden dazu angeregt, ihre eingesparte Kirchensteuer umzusteuern: Von der verletzenden Institution zu denen, die durch die Kirche zu Schaden gekommen sind.

Norbert Feldhoff, erfolgreicher Buchautor von „Kirchenfinanzen in der Krise“ (2004) und „Kölscher Klüngel – gestern, heute, morgen und überall“ (2006), und Rainer Maria Kardinal Woelki (in Köln 1956 geboren, 1985 zum Priester geweiht, von 2003 bis 2011 Weihbischof und seit 2014 der 95. Bischof des Erzbistums Köln), kennen auch viele der Menschen, die den Verein gegründet haben: Lisa Kötter und Maria Mesrian (Aktivistinnen von Maria 2.0), Oliver Vogt (ehemaliger Interventionsbeauftragter des Erzbistums Köln), Karl Haucke und Winfried Ponsens (ehemalige Mitglieder im Betroffenenbeirat) oder die Kabarettistin Carolin Kebekus.

Als Problem stellen sich die benötigten Summen für die Projekte heraus: Noch ist die dauerhafte Finanzierung sowohl der Beratungsstelle als auch der Plätze im Frauen- und Kinderschutzhaus Troisdorf nicht gesichert. Die Kölner erbitten Bedenkzeit – und machen sich auf die Suche nach Sponsoren. Mit Erfolg: Eine große Summe an Spenden wird in kurzer Zeit eingeworben. Ganz zu schweigen von den finanziellen Umschichtungen, die das Erzbistum Köln in seinem Haushalt vornehmen kann!

Für Norbert Feldhoff, der 220 Mal namentlich im sogenannten „Gercke-Gutachten“ über „Pflichtverletzungen von Diözesanverantwortlichen des Erzbistums Köln im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und Schutzbefohlenen durch Kleriker oder sonstige pastorale Mitarbeitende des Erzbistums Köln im Zeitraum von 1975 bis 2018“ erwähnt wird und der sich in einer Stellungnahme zum Vorwurf machte, dass „damals allgemein und auch mir persönlich nicht bewusst war, welch gravierende Folgen der Missbrauch für ein Opfer haben kann und oft auch gehabt hat“, ist das jetzt so spontan entflammte Engagement für Betroffene von Missbrauch und Gewalt ein „sichtbares Zeichen meiner Verantwortung“.

Liebe Leser:innen, ich muss mich korrigieren!

In die oben geschilderte Geschichte hat sich leider ein kleiner Fehler eingeschlichen. In Wirklichkeit, so Chefredakteur Robert Boecker in einem Bericht der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, der am 12. März wortgleich auch vom Internetportal katholisch.de übernommen wurde, schaute Norbert Feldhoff nämlich im Fernsehen die Trödel-Show „Bares für Rares“, in der „Kunst, Kitsch und allerhand anderes“ verkauft werden.

Dabei wird „das Objekt (…) durch einen Experten begutachtet und der ungefähre Wert geschätzt“. Böse Zungen behaupten, so oder ähnlich dürfe man sich auch das „Verfahren zur Anerkennung des Leids“ vorstellen, das der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz zuletzt im April 2021 geändert hat.

„Kein Wunder, dass Feldhoff vor dem Bildschirm im heimischen Wohnzimmer sofort hoch konzentriert ist“, heißt es im Bericht – schließlich ging es im Fernsehbeitrag nicht um die Schicksale von Opfern sexualisierter Gewalt in der Kirche, sondern um „ein etwa 30 Kilogramm schweres Stück Eichenholz, das von künstlerischer Hand aufwendig bearbeitet wurde“.

Der Kunstliebhaber Feldhoff, der laut Gercke-Gutachten „nicht in Erinnerung“ hatte, „dass während seiner Amtstätigkeit Missbrauchsfälle an die Glaubenskongregation in Rom gemeldet worden seien“, ist von der Konsole für eine Heiligenfigur, die „aus dem Holzwerk des 1868 abgebrochenen Domkranes, des 400-jährigen Wahrzeichens der Stadt Köln gefertigt“ wurde, so „elektrisiert“, dass er „Sekunden später“ mit Dombaumeister Peter Füssenich telefoniert.

Nur wenig später macht er sich mit dem Hüttenmeister Uwe Schäfer und Dr. Klaus Hardering, dem Leiter des Dombauarchivs, auf den Weg, das „Museumsstück“ für 10 000 Euro zu erwerben. Die Suche nach einem Sponsor hat schnell Erfolg: „Ein Mitglied der Blauen Funken (…) finanziert den Kauf des Kunstwerks“. Im Milieu des „kölschen Klüngels“ spielt Geld keine Rolle …

„Ein einziger Clusterfuck“

Die Theologin und Philosophin Doris Reisinger (@ReisingerWagner) hat – zusammen mit anderen „Menschen, die Opfer sexuellen und geistlichen Missbrauchs geworden sind, die ihre traumatischen Erfahrungen öffentlich gemacht haben und die sich persönlich für die Aufarbeitung dieses Jahrtausend-Skandals einsetzen“, gerade den Herbert-Haag-Preis für Freiheit in der Kirche erhalten, mit dem ein Preisgeld von 10 000 Euro verbunden ist. In ihrer Dankesrede sagte sie unter anderem:

Es ist für uns als Betroffene unerträglich, die Diskrepanz zwischen dem Auftreten kirchlicher Akteure in der Öffentlichkeit und ihrem Handeln uns gegenüber auszuhalten. Wir geoutete Betroffene begleiten immer auch andere Betroffene. Wir tun das in der Regel nebenbei, unentgeltlich und manchmal bis an die Grenze unserer eigenen Erschöpfung.

Und so sehen wir permanent, wie bischöfliche Behörden Tag für Tag routiniert Opfern das Leben schwermachen: ihnen gar nicht antworten oder sie ewig warten lassen, sie gegen bürokratische Betonwände laufen lassen, sie mit Floskeln abspeisen, manchmal vordergründig und anfänglich freundlich sind, um sie im nächsten Moment abzuweisen, einzuschüchtern und zu retraumatisieren, während dieselben Behörden und die dazugehörenden Bischöfe gleichzeitig mit vollem Wissen Täter schützen und freisprechen. (…)

Um es in einem Wort zu sagen, diese sogenannte Missbrauchskrise ist ein einziger Clusterfuck: Eine heillos verfahrene Situation aus massenhaft Unwissen, Intransparenz, Inkompetenz, Wunschdenken, PR, Skrupellosigkeit, Machtkonzentration, Machtverschleierung, Gaslighting, entsetzlichem Leiden und spirituellem Kitsch, – und in alledem gibt es sehr wenige Rufer und Ruferinnen in der Wüste, deren Stimmen im Gewirr untergehen.