Kirche

Energiekrise: Verheizt die Kirche ihr Geld?

Was können Kirchgemeinden angesichts der horrenden Heizkosten tun? Werden die Kirchen und Gemeindehäuser im kommenden Herbst und Winter kalt bleiben?

Deftig steigende Energiepreise, eine drohende Gas-Krise im Herbst und im Hintergrund die Klimakrise: Viele Menschen sorgen sich darum, wie sie ihre Energie- und Heizrechnungen bezahlen sollen. Das trifft auch auf die Kirchen zu. Bleiben die Kirchen und Gemeindehäuser im Winter geschlossen?

„Wir müssen möglichst viele Gebäude, Kirchen und Gemeindehäuser, ganz aus der Beheizung rausnehmen“, rät Janes von Moers, Klimaschutzmanager der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Nur mit den Maßnahmen, die Verbraucherzentralen für Privathaushalte empfehlen, käme man in der Kirche nicht weit, so Moers. Die Preissteigerungen sind so hoch, dass alle gutgemeinten Verbesserungen nur einen Bruchteil der anstehenden Mehrausgaben ausmachen.

Soll die Kirche ihr Geld verheizen?

Auf die Haushalte der Kirchgemeinden kommen mit der Gas-Krise Forderungen zu, die sie nicht bewältigen werden können. Die Mehrausgaben aus Rücklagen von Kirchgemeinden und Kirchenkreisen zu bewältigen, wie es vielenorts angedacht wird, mag kurzfristig aus der Klemme helfen. Doch auch wenn Putin den Gashahn nicht zudreht, werden fossile Energieträger teuer bleiben und perspektivisch noch teurer werden. Von den Kosten für Umwelt und Klima ganz zu schweigen. Wir müssen also weniger Energie verbrauchen. Nicht nur aktuell, sondern für immer.

„Wir müssen uns in diesem Winter fragen, wo wir wirklich zwingend heizen müssen“, erklärt Klimaschutzmanager von Moers, „das bedeutet, Kirchen überhaupt nicht mehr zu beheizen und die Nutzung und Beheizung der Gemeindehäuser und -zentren auf das absolut notwendige Maß zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags zu beschränken“.

Statt mehrere Gemeindehäuser pro Gemeinde 24/7 bereit zu halten, empfiehlt er, die Nutzung auf ein Gemeindehaus zu begrenzen und Veranstaltungen dort auf möglichst einen Tag zu konzentrieren. Gruppen und Kreise könnten auch, wie während der Corona-Pandemie erprobt, per Online-Meeting durchgeführt werden. Einige von ihnen können sich auch in ohnehin geheizten Privatwohnungen treffen. Müssen die Kirchen in Deutschland wieder Hauskirchen werden, wie es die ersten christlichen Gemeinden waren?

Der Winter 2022 wird wohl den Abschied von Klimasünden bedeuten, die sich in den Kirchen in Deutschland noch hartnäckig halten. Warme Kirchen im Winter werden sich die Kirchgemeinden nicht leisten können. Dass Gottesdienste in der kalten Jahreszeit nicht in den alten Kirchenmauern, sondern in Gemeindehäusern durchgeführt werden, ist vielenorts bereits Normalität. Doch von Moers warnt, man müsse gut abwägen, ob sich auch das Aufheizen von Gemeindehäusern wirklich lohne. Die Vermietung von Räumen an örtliche Vereine für regelmäßige Gruppen oder Events zum Beispiel stünde in Frage, da man die tatsächlich entstehenden Heizkosten wohl nicht auf die Mieter umlegen könne.

Die hohen Energiepreise zwingen die Kirchen, darüber nachzudenken, was ihr Kerngeschäft ist – und wofür im Moment kein Geld da ist. Die Prognosen von Energieexpert:innen gehen von drei- bis fünf Mal so hohen Heizkosten für das laufende und kommende Jahr aus. Der Preisschock ist enorm und lasse sich nur durch konsequentes Abschalten abdämpfen, empfiehlt der EKBO-Klimaschutzmanager: „Was wir an Geld verheizen, das ist für andere, grundlegende soziale Aufgaben dann schlicht nicht da.“

Für große Veränderungen ist es (erst einmal) zu spät

Doch von Moers kann dem Sparzwang auch Positives abgewinnen: „Wir erleben jetzt konzentriert, wie es in Zukunft sein wird. Natürlich ist das jetzt ein Preisschock für viele Gemeinden. Dabei ist es wichtig zu begreifen, dass wir die wirklichen Kosten unserer Lebensweise bisher immer den nachfolgenden Generationen übergeholfen haben.“ Tatsächlich dreht sich die Debatte in Deutschland nur selten um die Notwendigkeit, deutlich weniger Energie zu verbrauchen. Lieber diskutiert man über den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken oder ein Tempolimit auf Autobahnen.

Sparen klingt für viele Deutsche nach Entbehrung, Askese und Enthaltsamkeit – echt nicht sexy. Von Moers ist sich aber sicher: Allein guter Wille und nützliche Energiespartipps werden diesen Winter nicht ausreichen. Für lange aufgeschobene bauliche Veränderungen wie die Installation von Photovoltaik-Anlagen oder Wärmepumpen fehle in diesem Jahr nicht allein die Zeit, es mangele auch an Handwerker:innen.

„Gemeinden, die in den vergangenen Jahren in die Dekarbonisierung investiert haben, stehen nun natürlich deutlich besser da. Da hat sich das Engagement gelohnt“, lobt von Moers. Noch immer gibt es in vielen Kirchgemeinden große Vorbehalte gegen die vermeintlich teure energetische Sanierung von Häusern und Kirchen, nicht allein der Denkmalschutz wird immer wieder als Problem vorgeschoben. „Wir haben in Deutschland den Umbau auf erneuerbare Energien 20 Jahre lang vor uns hergeschoben. Auch in den Kirchen“, bilanziert der EKBO-Klimaschutzmanager.

Was in den vergangenen Jahren versäumt wurde, lässt sich in wenigen Monaten nicht aufholen. Auch wenn es sich lohnen kann, z.B. die Heizungsanlage energiesparend einzustellen, den Warmwasserverbrauch zu verringern und eben weniger zu heizen. „Seit 20 Jahren spinnen wir die Mär, die Energiewende könnten wir uns nicht leisten. Die aktuelle Krise überholt diese Ansicht grundlegend“, erklärt von Moers. Tatsächlich übersteigen die Mehrkosten bei der Energie inzwischen jene Prognosen bei weitem, die vor 20 Jahren für die Kosten einer konsequenten Energiewende angestellt wurden. Von Moers hofft: „Bislang wurde über Förderprogramme mit positiven Anreizen gearbeitet, vielleicht sorgt dieser negative Anreiz jetzt dafür, dass sich das Blatt im öffentlichen Diskurs wendet.“

Klimaschutz – Als Kirche aktiv sein

Das Referat Umwelt der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (ELKWUE) hat in einer 30-seitigen Broschüre zusammengefasst, was Kirchenmitarbeiter:innen, Kirchgemeinden und kirchliche Einrichtungen tun können, um aktiv das Klima zu schützen – und Energiekosten zu sparen. Die einzelnen Kapitel befassen sich mit Gebäudemanagement, Mobilität, Ernährung sowie mit Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Ähnliche Handreichungen gibt es in vielen Landeskirchen und (Erz-)Bistümern. Zum PDF-Download der ELKWUE-Broschüre hier entlang.

„Ab ins Kämmerlein?“

Bislang versucht es die Bundesregierung mit einigen halbherzigen Aufrufen zum Energiesparen, die in der aufgeheizten Debattenatmosphäre schnell verdunsten. Richtig bleibt auch: Energie- und Klimakrise rein individualethisch anzupacken, wird nicht gelingen. Es braucht politische Lösungen. Solange aber müssen die Kirchgemeinden wohl einfach sparen. Heißt es nach 2020 abermals, aber aus anderen Gründen: „Ab ins Kämmerlein“?

Nein, die Kirchen machen nicht dicht. Dass sich die gelegentlich unpersönlichen Ortsgemeinden der großen Kirchen an den Hauskirchen der frühen Christen orientieren, könnte neben Heizkostenersparnis noch andere Impulse für das Gemeindeleben mit sich bringen. Ebenso, dass man im gemeinsamen Gemeindehaus enger zusammenrückt. Schließlich können die Kirchengebäude selbst natürlich offen bleiben! Gottesdienst feiern die richtig Hartgesottenen auch mit Schal und Handschuhen.


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