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Jede Fessel, die heute fällt – Die #LaTdH vom 9. März

Internationaler Frauentag, Weltgebetstag und Equal Pay Day sind Anlässe, über Care und feministische Kämpfe nachzudenken. Deshalb übernimmt Charlotte Jacobs in dieser Woche die #LaTdH.

Herzlich willkommen!

Diese Woche trafen der Weltgebetstag der Frauen, der Equal Pay Day und der internationale feministische Kampftag aufeinander. Nicht nur die zeitliche Nähe haben diese Tage gemeinsam, sondern auch ihren Ursprung in der internationalen Frauen- und Friedensbewegung. Sie bringen uns die globale Situation von Frauen und LGBTQI+ wortwörtlich auf die Tagesordnung. Als Gastautorin möchte ich deshalb die Gelegenheit nutzen und gemeinsam mit Ihnen einen feministischen Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Lage richten.

Mein Name ist Charlotte Jacobs. Ich bin feministische Theologin, Mitorganisatorin der Kritischen Religionswissenschafts- und The*logie-Tage und Doktorandin der Systematischen Theologie. Ich forsche und publiziere derzeit zu Themen wie Klasse, Solidarität, queere Theologien oder den Verbindungen von extremer Rechte und Christentum.

Die drei feministischen Aktionstage in dieser Woche sind Tage des Erinnerns an feministische Errungenschaften, aber auch Tage des Sichtbarmachens anhaltender Ungerechtigkeit. Und schließlich sind es auch Tage des solidarischen Kraftschöpfens, um ein gutes Leben für alle zu erkämpfen.

Über die bleibende Bedeutung des Equal Pay Day berichtete bereits im vergangenen Jahr an gleicher Stelle Sarah Banhardt. Er führt uns auch dieses Jahr wieder vor Augen, dass wir von einer geschlechtergerechten Entlohnung noch weit entfernt sind. Das Datum wird so berechnet, dass es den Unterschied im durchschnittlichen Jahresgehalt zwischen Frauen und Männern widerspiegelt. Der sogenannte Gender Pay Gap liegt aktuell bei 16 Prozent. Im Jahr 2025 fällt der Equal Pay Day auf den 7. März, da an diesem Tag Frauen theoretisch genauso viel verdient haben, wie Männer es bereits am 31. Dezember des Vorjahres erreicht haben. Umgerechnet auf Arbeitstage im Jahr, haben Frauen somit im Durchschnitt etwa 66 Tage „unbezahlt arbeiten“ müssen.

Unbezahlt ist auch die Sorge- und Hausarbeit, die außerhalb der Erwerbssphäre mehrheitlich von Frauen übernommen wird. Dazu passt das biblische Motto „wunderbar geschaffen“ (Psalm 139) des diesjährigen Weltgebetstages der Frauen, der ebenfalls auf den 7. März fiel. Psalm 139 weiß dabei auch um die reproduktive Arbeit, die in jedem Menschen steckt: „Du hast mich gewebt im Leib meiner Mutter“. Ich möchte mich deshalb in dieser Ausgabe der #LaTdH auch mit den Themen Care und bedürfnisorientierte Planung beschäftigen.

Das diesjährige Schwerpunktland des Weltgebetstags sind die Cookinseln (PDF). Benannt nach dem kolonialen „Entdecker“ James Cook, tragen sie ihre koloniale Vergangenheit im Namen. Gleichzeitig könnte jedoch auch ihre Zukunft durch koloniale Ausbeutung gezeichnet sein – diesmal im Zuge der Energiewende, für die der reiche Bestand an Manganknollen am Meeresboden von Interesse ist.

Der aus der sozialistischen Frauenbewegung stammende 8. März bringt all diese Themen als internationaler, feministischer Kampftag zusammen. Dass er nicht nur Frauen gilt, ist aufmerksamen Eule-Leser:innen durch die aktuelle Ausgabe von Carlotta Israels intersektionaler Kolumne „Sektion F“ bewusst. Gerade die jüngsten Reisewarnungen des Auswärtigen Amts für trans Personen, die in die USA reisen wollen, zeigen: Setzen sich reaktionäre Politiken durch, wird oft als erstes an den Rechten von trans Personen geschraubt.

Der 8. März wird zunehmend auch als feministischer Streiktag begangen. Spätestens seit 2018 wurde der Streikbegriff wieder ins Zentrum gestellt und damit nicht nur der Kampf um ideelle Anerkennung, sondern auch materielle Lebens- und Arbeitsbedingungen. Ganz nach dem Motto: „Wenn wir streiken steht die Welt still“.

Was jedes Jahr eher symbolischen Charakter hat und teilweise durch die Erklärung zum Feiertag (wie in Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern) an Strahlkraft verliert, zeigte sich mit den Warnstreiks im öffentlichen Dienst am vergangenen Freitag jedoch ganz greifbar. Deshalb nehme ich Sie heute mit in die aktuellen Debatten, die sich um die Frage ranken: Wie wollen wir eigentlich Leben und Arbeit in unserer Gesellschaft organisieren?

Eine gute Woche wünscht
Charlotte Jacobs

PS: Die #LaTdH und die ganze Eule werden von den Leser:innen selbst ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Schon ab 3 € im Monat sind Sie dabei.


Debatte

Tausende streiken in Kliniken und Heimen (Tagesschau)

Bei den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst können wir diese Woche auf zwei Verhandlungsrunden ohne Angebot der Arbeitgeberseite zurückblicken. Es geht dabei um die Bereiche Pflege, Kitas, Sozialarbeit, Nahverkehr und Müllentsorgung, die an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) gekoppelt sind.

Doch auch wenn die Beschäftigten in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder ihre Streikbereitschaft unter Beweis gestellt und ihren Unmut auf die Straße getragen haben, kam von Bund und Kommunen bisher kein verhandelbares Angebot. Gabriele Schmidt von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) erklärte dazu:

„Warme Worte allein reichen nicht, deshalb erhöhen wir nun vor Ort den Druck! In der nächsten Verhandlungsrunde erwarten wir ein verhandlungsfähiges Angebot, das der angespannten Situation vor Ort gerecht wird. Überall fehlt es an Personal, die Kolleginnen und Kollegen sind am Ende ihrer Kräfte oder verlassen den Beruf. Nur ein starkes Zeichen der Arbeitgeber kann diesen Teufelskreis durchbrechen. Aus diesem Grund setzen wir uns für eine Erhöhung der Gehälter und für mehr Souveränität bei der Arbeitszeit ein.“

Kommende Woche steht nun die dritte Verhandlungsrunde an – eingeleitet von Warnstreiks am vergangenen Freitag. Es bleibt spannend! Vor allem jetzt, da mit der CDU/CSU als stärkster Kraft im Bundestag eine Kürzungspolitik in Aussicht steht. Friedrich Merz will im öffentlichen Dienst Personal einsparen und Einstellungsstopps verhängen. Was uns die Streiks vor Augen führen: Es geht um die Arbeiten, die unsere Gesellschaft am Laufen halten.

„Wirtschaft ist Care“

Es handelt sich um die Infrastruktur von Arbeiten, die auf unsere Bedürfnisse und Lebenssicherung ausgerichtet ist. Doch diese Arbeiten geschehen nicht nur in der Erwerbssphäre, sondern gleichzeitig auch in Privathaushalten. Feminist:innen machen immer wieder darauf aufmerksam, dass das Gebären, Nähren, Begleiten, Betreuen, Sorgen, Bilden, Pflegen und vieles mehr gesellschaftliche notwendige Arbeiten sind, die jedoch unbezahlt und ohne Anerkennung – meist unter dem Schleier der „Liebe“ – mehrheitlich von Frauen verrichtet werden. Allerdings ist auch hier die sogenannte Care-Chain zu berücksichtigen:

„Wenn Mutti Karriere macht, bleibt meistens nicht Vati zuhause, sondern Omi. Oder Larissa aus Moldawien …“  (Verein Wirtschaft ist Care)

Was früher die Forderung „Lohn für Hausarbeit“ war, ist heute die Forderung nach einer Vergesellschaftung von Sorgearbeit, d.h. einer bedürfnisorientierten und nicht profitorientierten Wirtschaftsweise (das gilt im Kleinen wie im Großen), in der Care gemeinschaftlich gedacht wird. Der Begriff Vergesellschaftung meint im Grunde die Gegenbewegung zur Privatisierung, bei der Macht und Ressourcen zunehmend in den Besitz einzelner privater Akteure übergehen – mit oft nachteiligen Folgen für die breite Bevölkerung. Dabei geht es nicht um das Auflösen sorgender Beziehungen, primärer Bezugspersonen oder familiärer Bindung:

„Sorgearbeit aus der Isolation des Privathaushaltes zu holen, bedeutet nicht, dass nun alles in öffentlichen Einrichtungen stattfinden muss, sondern, dass das Zuhause selbst zu einem gesellschaftlichen Ort wird (s.a. Häusliche Pflege). Dafür braucht es auch ein großes Netz an sozialen Infrastrukturen und nachbarschaftlichen Initiativen, in die die Haushalte organisch eingefügt sind.“ („Sorgezentren“ bei sorgende-staedte.org)

Eine Antwort, wie auch im profitorientierten Kapitalismus kleine Inseln der Hoffnungen geschaffen werden können, gibt uns das Konzept der Sorgenden Städte. In Deutschland arbeiten vor allem Barbara Fried und Alex Wischnewski zu den Sorgenden Städten:

„Dass zwei Drittel der Care-Arbeit im häuslichen Rahmen stattfinden, ist das Ergebnis von Regularien, über die wir nicht mitentschieden haben, etwa unzureichende Kinderbetreuung oder die marktförmige Organisation von Altenpflege. Nur wenn diese Fragen Gegenstand demokratischer Aushandlung werden, lässt sich das ändern.“

Bei den Sorgenden Städten stehen deshalb eine partizipative, demokratische Selbstorganisierung und -verwaltung im Fokus, um den sich stets wandelnden Bedürfnissen gerecht werden zu können.

nachgefasst: Warum eigentlich Care?

Warum eigentlich der englische Begriff Care? Wir haben doch auch die deutschen Begriffe Sorge und Sorgearbeit? Warum reden also ständig alle von Care? Nun, als Sympathisantin geistreicher Wortspiele kann ich gut verstehen, dass die Verwendung von Care attraktiv ist: Wenn aus der Umkehr die UmCare wird, klingt das in meinen christlichen Ohren angenehm vertraut und zugleich ziehe ich den Hut vor der sprachlichen Spielerei.

Aber das ist nicht der Grund, warum Feminist:innen in den letzten Jahren immer mehr zu dem scheinbar unnötigen Anglizismus neigen. Das englische Wort Care hat im Deutschen nämlich viele Übersetzungsmöglichkeiten: Neben Fürsorge unter anderem auch Umsicht, Kümmern, Betreuen, Pflegen, Verpflegen, Aufpassen. Durch diesen Facettenreichtum kann der Begriff auf die verschiedenen Dimensionen individueller und gemeinschaftlicher Bedürfnisorientierung verweisen. Die US-amerikanische Ethikerin Joan Tronto unterscheidet dabei verschiedene Ebenen von Care:

Wie sich diese Ebenen ausbuchstabieren lassen, zeigt uns die Feministin Manuela Zechner im empfehlenswerten „Future Histories“-Podcast, in dem sie die feministische Vergesellschaftung als Teil gesellschaftlicher Transformation diskutiert. Ich stimme ihr dabei voll und ganz zu, wenn sie sagt, dass man mit dem englischen Begriff durchaus „raufen“ kann und soll.

Buntes

Vom Leben her planen – Barbara Fried und Alex Wischnewski (LUXEMBURG)

Um in Sachen Care die Privathaushalte zu entlasten und neue, gemeinschaftliche Formen des Füreinander-Sorgens zu etablieren, braucht es soziale Infrastrukturen im weitesten Sinne. Sie lassen sich nicht am Schreibtisch entwerfen, sondern müssen praktisch erprobt und weiterentwickelt werden. Ein Beispiel für eine solche Erprobung bietet Barcelona:

In den Jahren 2015 bis 2023 schuf die linke Stadtregierung sogenannte Care-Superblöcke (Superilles de les Cures). In diesen wurde nicht nur der Verkehr reduziert, der Platz für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen vergrößert und öffentlicher Raum für soziale Aktivitäten geschaffen. Zur nachhaltigen und menschenzentrierten Stadtplanung zählte auch, ein neues Modell zur Entlastung häuslicher Pflege zu erproben:

In dem Modell betreuen Pflegeteams aus ungefähr zwölf Fachkräften eine Gruppe von etwa 50 Klient*innen, die alle im selben „Superblock“ leben. Damit sind Nachbarschaften gemeint, in denen nicht mehr als 30 000 Menschen wohnen und alles in etwa fünf Minuten zu Fuß zu erreichen ist. Durch dieses Programm gewinnen die Pflegenden mehr Autonomie bei der Organisation ihrer Arbeit, kürzere Wege und damit kürzere Arbeitstage. Die Pflegebedürftigen profitieren wiederum von einer stabilen Bezugsgruppe, der direkteren Kommunikation und einer Betreuung, die flexibel an ihre Bedürfnisse angepasst werden kann.

Theologie

„Who Cares?“ mit Sarah Jäger – Aline Ott und Kathrin Väterlein (#theoversity-Podcast)

Wie sich derweil die Fragen von Care theologisch durchturnen lassen, zeigt uns die Systematische Theologin Sarah Jäger (s. auch hier & hier in der Eule). Allen, die – so wie ich – auch gerne mal beim Wäscheaufhängen intellektuell gefordert werden, sei die Episode des „#theoversity“-Podcast mit Sarah Jäger als Gast zum Thema „Who Cares?“ empfohlen (auch auf Spotify & Apple Podcasts).

Ganz besonders in der sogenannten Care-Ethik zeichnet sich ab, wie die klassischen theologischen Denkvoraussetzungen eines unabhängigen, autonomen Individuums durch eine Perspektive auf die Bedürftigkeit, die jeder Mensch in seinem Leben früher oder später erfährt, herausgefordert werden.

In der aktuellen Episode des „#theoversity“-Podcast von Februar 2025 durfte ich zu Gast sein, um über klassenbewusste Theologie zu sprechen: Ein „anfänger:innenfreundlicher Crashkurs“ zu den Themen Arbeitskraft, Ausbeutung und Solidarität.

Karwoche ist Care-Woche (Wirtschaft ist Care)

Viel lernen können wir außerdem von der schweizerischen Theologin Ina Praetorius, die mit dem Verein Wirtschaft ist Care Theorie und Praxis in vielfältigen (digitalen) Formaten und Arbeitshilfen weiterentwickelt. Der Verein ruft zum Beispiel jedes Jahr die Karwoche zur Care-Woche aus.

Statt vor Ostern pflichtgemäß zu trauern, werden wir Care im Sinne der Fürsorge feiern. Leute, die mit der Geschichte von Jesus noch etwas anfangen können, werden sich, statt auf seinen Tod, auf seine unangepasste, nicht besonders „männliche“ Lebensweise konzentrieren. –  Alle werden ausprobieren, wie es sich anfühlt, Fürsorglichkeit bewusst wahrzunehmen und in die Mitte zu nehmen: Karwoche ist Care-Woche!

Wieder einmal Chapeau für das Wortspiel! Diesmal sogar nicht weit hergeholt, da die althochdeutsche Vorsilbe Kar- (wie in Karfreitag und Karsamstag) tatsächlich mit dem englischen Care verwandt ist und neben Trauer und Klage auch Sorge bedeutet. Vielleicht können wir diese Überlegungen auch im Sinne des „7 Wochen anders leben“ mit in die gerade begonnene Passionszeit nehmen. (Eule-Redakteur Philipp Greifenstein hat auf Ina Praetorius‘ Arbeit bereits 2021 in einer zeitzeichen-Kolumne hingewiesen.)

Wenn ich mir die feministische Debatte um Vergesellschaftung von Care-Arbeit und das Konzept der Sorgenden Städte anschaue, frage ich mich: Welche Rolle könnten die Kirchen in einer solchen sorgezentrierten Städteplanung spielen? Es ist bereits jetzt ihre Stärke, Räume für Begegnung und Gemeinschaft zu schaffen. Auch die karitativen Werke sind doch bereits ein wichtiger Player in den Bereichen von Care und Teil einer sorgenden Infrastruktur.

Bei all den Umstrukturierungsdebatten, die wir gegenwärtig führen, erscheint es mir nur allzu sinnvoll, das eigene Profil selbstbewusst in Richtung der bereits in den christlichen Gemeinschaften angelegten Vergesellschaftungs-Dimension zu lenken, anstelle dem Kurs einer kapitalistischen Unternehmenslogik zu folgen.

Predigt

Dem würde eine weitere schweizerische Theologin sicherlich zustimmen. Die religiöse Sozialistin Clara Ragaz, der eine empfehlenswerte Jubiläumsausgabe der Neuen Wege gewidmet wurde, kann uns heute ihre Worte leihen: Vor über hundert Jahren sprach sie anlässlich des internationalen Frauentags in der Zürcher St. Jakob Kirche. Das Predigen war zwar ihrem Mann Leonhard Ragaz überlassen, doch ihre Rede hielt sie nicht nur in der Kirche, sie ist auch fromm, hoffnungsvoll und nach wie vor aktuell.

Die Revolution der Frau – Clara Ragaz (Neue Wege, 1919)

Ich lese ihre Worte zum internationalen Frauentag 1919 auch heute noch mit einer Gänsehaut. Denn in der politischen Großwetterlage ihrer Zeit, in der es „gärt und brodelt“, schreibt sie als Feministin, Pazifistin und religiöse Sozialistin in einer Haltung des „trotz alledem“ à la Rosa Luxemburg, d.h. pointiert und kämpferisch:

Es ist ein Sammeltag, ein Tag des Rückblicks und ein Tag des Ausblicks. […] Denen, die schon im Kampfe stehen, Mut zum Ausharren und denen, die erst für den Kampf zu gewinnen sind, Mut zum Aufnehmen des Kampfes zu machen, das ist die Aufgabe des Frauentages.“

Sie betont jedoch noch einen besonderen Sinn des Tages, den sie in den Vordergrund stellen möchte: Die Frauen müssen „den Kampf um eine völlige Neugestaltung unseres Wirtschaftslebens“ gemeinsam mit den Männern führen, schließlich sei das gute Leben für alle zu erkämpfen. So ruft sie den Männern in voller Reich-Gottes-Metaphorik zu:

„Nein, es ist Eure Sache, so gut wie die unsrige; es ist unsere gemeinsame Sache; wir können ein künftiges Reich der Freiheit nur vorbereiten, indem wir heute schon daran bauen und jede Fessel, die heute fällt, bedeutet ein Hindernis weniger auf unserm Weg. Das Fallen dieser Fesseln ist aber zugleich ein Sinnbild von jedem künftigen Reich der besseren Gerechtigkeit, für das wir arbeiten.“

Sonja Thomaier entdeckt im Artikel „Jede Fessel, die heute fällt“ in den Neuen Wegen in Clara Ragaz „eine scharfsinnige und intersektionale Denkerin“. In diesem Sinne können wir uns gerade diese Woche noch eine dicke Scheibe davon abschneiden. Sonja Thomaier arbeitet auch beim „kreuz & queer“-Blog bei evangelisch.de mit. Über Clara Ragaz schreibt Sonja Thomaier:

Clara Ragaz schafft es mit Verve, die emanzipatorischen Anliegen ihrer Zeit zu verbinden, und zwar nicht einfach additiv, wie Perlen auf einer Kette, sondern in Form eines tiefen Verstricktseins. Als Pazifistin musste sie Teilen der Frauenbewegung mit kritischer Mahnung begegnen. Als Frauenrechtlerin schrieb sie ihren sozialistischen Genossen den Kampf um das Wahlrecht ins Stammbuch. Und als Sozialistin hütete sie sich davor, den Kampf um eine gerechte Wirtschaftsordnung auf dem Altar eines billigen Pazifismus zu opfern.“

Ein guter Satz

„Jede Fessel, die heute fällt, bedeutet ein Hindernis weniger auf unserm Weg.“

– Clara Ragaz


Alle Eule-Beiträge zum Thema Care-Arbeit.


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