Newsletter #LaTdH

Mut zum nötigen Ärger – Die #LaTdH vom 6. April

Was hätte wohl Jesus zu den USA unter Donald Trump zu sagen? Über Mut angesichts der Eskalation. Außerdem: Interreligiöse Theologie und Datenschutz beim Beten.

Herzlich Willkommen!

Unter dem Motto #HandsOff! („Finger weg!“) sind am Samstagabend deutscher Zeit über 1.000 Protestveranstaltungen und Demonstrationen in den USA gestartet. Die Kritik richtet sich gegen die massiven Kürzungen und den Stellenabbau durch das Department of Government Efficiency (DOGE) von Elon Musk, die wissenschaftsfeindliche Politik der Trump-Regierung sowie die drohenden wirtschaftlichen Konsequenzen der Rekordzölle:

Dies ist eine landesweite Mobilisierung, um die dreisteste Machtergreifung der modernen Geschichte zu stoppen. Trump, Musk und ihre milliardenschweren Kumpane inszenieren einen Generalangriff auf unsere Regierung, unsere Wirtschaft und unsere Grundrechte – und werden dabei vom Kongress auf Schritt und Tritt unterstützt. […] Wenn wir jetzt nicht kämpfen, wird nichts mehr zu retten sein.

Anfang der vergangenen Woche hielt der demokratische Senator Cory Booker (New Jersey) die längste Rede, die je im Senat der USA gehalten wurde. Er protestierte mehr als einen Tag lang ununterbrochen gegen den republikanischen Haushalt und die Kürzungen des DOGE-Projekts. Am Dienstagabend schloss er nach über 25 Stunden mit einem Zitat des Bürgerrechtlers John Lewis:

Er sagte, wir sollten hinausgehen und „guten Ärger, notwendigen Ärger“ verursachen, um die Seele unserer Nation zu erlösen. Ich möchte, dass Sie den Traum erlösen. Lasst uns in Amerika mutig sein.

Viel Mut für notwendigen Ärger in der neuen Woche
wünscht Ihnen Ihr Thomas Wystrach

PS: Die #LaTdH und die ganze Eule werden von den Leser:innen selbst ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Schon ab 3 € im Monat sind Sie dabei.


Debatte

Leben in den USA nach der Trump-Wahl – Interview mit Thomas Dummermuth (ref.ch)

Der Schweizer Thomas Dummermuth ist Pfarrer in einer presbyterianischen Kirche in Lincoln, Nebraska. Den Einfluss der Trump-Regierung spürt er beinahe täglich. Seiner Gemeinde predige er, zwischendurch offline zu gehen, sagt er im Interview mit Daniel Stehula von ref.ch, dem Portal der deutschschweizer reformierten Kirchen:

Während des Wahlkampfs hatte ich stärker das Gefühl, mich vorsichtiger äussern zu müssen – um nicht den Eindruck zu erwecken, Partei zu ergreifen. Aber heute erleben wir eine Krisensituation. Was viele empfinden, empfinde ich auch. Es geht heute nicht darum, für eine politische Seite Partei zu ergreifen.

Ich halte es mit Bischöfin Budde, die im Gottesdienst zu Donald Trumps Amtseinführung klarmachte: Der Jesus, an den wir glauben, ist anders, als jener der religiös aufgeladenen politischen Macht, die wir im Moment sehen. Ich meine, das darf man sagen – besonders dann, wenn sich Menschen auf Jesus berufen und dabei ein Bild verbreiten, das mit Jesus von Nazareth wenig zu tun hat.

Jeder fünfte Katholik in den USA von Abschiebung bedroht (KNA)

„Vier von fünf sind Mitchristen!“ – Millionen Christen in den USA sind von Abschiebung bedroht. Laut einer aktuellen Studie („One Part of the Body“ auf Englisch bei der USCCB), die gerade von der Abteilung für Migrations- und Flüchtlingsdienste der römisch-katholischen Bischofskonferenz der USA (USCCB) in Zusammenarbeit mit der National Association of Evangelicals, World Relief und dem Center for the Study of Global Christianity herausgegeben wurde, ist jede:r fünfte Katholik:in und jede:r zwölfte Christ:in in den Vereinigten Staaten entweder selbst von Abschiebung bedroht oder wohnt in einem Haushalt mit jemandem, der abgeschoben werden könnte:

Die in diesem gemeinsamen Bericht enthaltenen Informationen stützen sich auf eine umfassende Datenanalyse und Berichte aus erster Hand, um ein lebendiges Bild davon zu zeichnen, wie sich der vorgeschlagene Umfang der Abschiebungen auf christliche Familien, örtliche Gemeinden und amerikanische Gemeinschaften im Allgemeinen auswirken könnte. (…)

Letztlich ruft der Bericht alle Christen dazu auf, die menschlichen Folgen ungebremster Abschiebebemühungen anzuerkennen und darauf zu reagieren, und sich für einen durchdachten und barmherzigen Ansatz in der Einwanderungspolitik einzusetzen, der Gerechtigkeit fördert und gleichzeitig die gottgegebene Würde jedes Menschen und die Heiligkeit der Familien schützt.

Zeit für neue Allianzen – Melanie Kräuter (welt-sichten)

Die Trump-Administration zerschlägt neben vielen anderen staatlichen Institutionen auch die Entwicklungshilfe (USAID) – mit fatalen Folgen für die Menschen im globalen Süden (s. #LaTdH vom 23. März). Um die Lücke zu füllen, müssen neue Wege probiert und bisherige Strukturen reformiert werden. Die internationale Gemeinschaft brauche einen „Plan B“, fordert Melanie Kräuter in ihrem Kommentar im Magazin welt-sichten:

Vor allem sollte die Finanzierung diversifiziert werden, um nicht neue Abhängigkeiten zu schaffen. Zum einen müssen stark betroffene Länder wie etwa Uganda eigenständiger werden und selbst Geld mobilisieren. (…) Damit die Regierungen im globalen Süden ihre öffentlichen Aufgaben wie die Gesundheitsversorgung selbst finanzieren können, müssen zudem Entschuldung und Korruptionsbekämpfung vorangetrieben werden. Was Experten und NGOs seit Jahren fordern, hat mit der Kürzung der Hilfsgelder neue Dringlichkeit erhalten. Hier könnten die Gläubiger mit einem Schuldenerlass viel bewirken.

Bedeutsamer Mut: Religiöse Akteur:innen als öffentlicher Raum – Laura Buchheim (feinschwarz.net)

Unsichere Zeiten erfordern Mut und dies nicht nur – aber erst recht – von religiösen Akteur:innen. Laura Buchheim fragt im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net danach, was Bischöfin Mariann E. Budde, Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel und US-Bürgerrechtler Martin Luther King gemeinsam haben. Zunächst unterscheiden sich die Wahrnehmungen von politischen und christlichen Akteur:innen sowie dem akuten Handlungsbedarf stark:

Den einen ist die Politik nicht radikal genug, den anderen zu radikal. Den einen mischt sich die Kirche zu sehr ein, den anderen zu wenig. Die einen sehen Migration als drängendstes Problem unserer Zeit, die anderen den Klimawandel. Und dazwischen liegt jeweils noch ein ganzes Meinungsspektrum. Doch eines ist sehr vielen dieser Positionen gemeinsam: das Gefühl von Ohnmacht. Dabei boten zumindest historisch christliche Akteur:innen Räume, die dieser Ohnmacht eine Handlungsmacht entgegenstellten. (…)

In Erscheinung zu treten, sich zeigen und gesehen und gehört zu werden, das erfordert Mut. Raum zu stiften, in dem diese Möglichkeit allen Menschen gegeben ist, erfordert ebenfalls Mut. Und genau von diesem Mut erzählen die Evangelien. (…)

Mut meint nicht die Abwesenheit von Angst, sondern trotz Angst zu handeln. Angst vor sozialer Ächtung, unbequemer Resonanz, vor fehlendem Konsens ist unweigerlich. Aber Mut zu öffentlichen Räumen, diplomatisch wie revolutionär, ist notwendig. Wir brauchen diesen Mut religiöser Akteur:innen. Nicht damit wir wieder Bedeutung erlangen, sondern weil wir genau darin bedeutsam sind.

nachgefasst

„Ich fürchtete bei meinem Outing den Job zu verlieren“ – Interview mit Jens Ehebrecht-Zumsande (Hamburger Abendblatt)

Jens Ehebrecht-Zumsande, Referent für „Offene Kirche“ in der Pfarrei St. Ansgar und Supervisor im Erzbistum Hamburg, hat mit der von ihm mitinitiierten Kampagne #OutInChurch vor gut drei Jahren bundesweit für Aufsehen gesorgt. Im Interview mit Edgar Hasse spricht der römisch-katholische Religionspädagoge über Angst, Mut – und die Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts als ein Erfolg seines Engagements:

Meine Erfahrung mit OutInChurch ist: Diese Angst vor dem öffentlichen Outing muss man ernst nehmen, sie ist berechtigt. Man könnte gekündigt werden oder als Priester nicht mehr weiterarbeiten dürfen, das waren die berechtigten Sorgen. […]

Wir haben uns zudem von Arbeitsrechtlern beraten lassen und viele Menschen aus katholischen Verbänden gefunden, die uns unterstützten. Wir wurden also aktiv. Unser Mut hat sich ausgezahlt, indem wir Zehntausende Leute mobilisierten, die mit dem Thema zunächst nichts zu tun hatten.

Im „Eule-Podcast“ war Jens Ehebrecht-Zumsande im Februar 2025 zu Gast bei Michael Greder. Hintergründe zur Kampagne #OutInChurch und der Dokumentation „Wie Gott sie schuf“ hat Philipp Greifenstein hier in der Eule zusammengestellt.

Die Kirche und die Union: Beziehung in der Krise – Daniela Ordowski (taz)

Das Verhältnis zwischen den Unionsparteien und den Kirchen ist derzeit angespannt wie lange nicht mehr. Besonders die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der AfD in Fragen der Migrationspolitik und das als „Kleine Anfrage“ der CDU/CSU-Fraktion verkleidete Misstrauen gegenüber NGOs und kritischen Gruppen der Zivilgesellschaft hat die Distanz zu den Kirchen weiter vergrößert (vgl. dazu die #LaTdH vom 2. März bzw. vom 23. März).

Hinzu kommt, dass für kirchliche Akteure Fragen wie Klimakrise, soziale Gerechtigkeit und Jugendpolitik eine zentrale Rolle spielen, während sie bei den bisher bekanntgewordenen Ergebnissen der Koalitionsgespräche von CDU/CSU und SPD kaum Erwähnung finden.

In ihrem Gastkommentar in der taz erinnert die in der verbandlichen Jugendarbeit und beim Synodalen Weg aktive Politologin Daniela Ordowski an die historischen und theologischen Gründe für die Zurückhaltung der Kirchen in politischen Debatten, etwa die Tradition der „Trennung von Kirche und Staat“ oder die Sorge, die „Einheit der Gläubigen“ durch parteipolitische Differenzen zu gefährden. Doch in einer Zeit, in der sich politische Diskurse zunehmend polarisieren, dürfe man nicht still bleiben:

Gerade in Zeiten, in denen Grundwerte wie Solidarität, Menschenwürde und der Schutz der Schwächsten unter Druck geraten, ist es entscheidend, eine klare Position zu beziehen. Wer sich nicht äußert, überlässt den Raum anderen, die nicht unbedingt die christlichen Werte verteidigen. […]

Wer erwartet, dass Kirchen und zivilgesellschaftliche Akteure schweigen, wenn politische Positionen nicht mit ihren ethischen Grundsätzen vereinbar sind, stellt letztlich infrage, dass ihre Überzeugungen noch Platz im gesellschaftlichen Diskurs haben dürfen. […] Es geht nicht um parteipolitische Loyalitäten, sondern um die Verteidigung der Demokratie und den Schutz der Schwächsten.

Buntes

Datenschutz bei Gebetsanliegen und Fürbittbüchern – Felix Neumann (Artikel 91)

Offen in Kirchen ausliegende Bücher zum Eintragen von Gebetsanliegen, Pinnwände oder Formulare, mit denen Fürbitten gesammelt werden, um das persönliche Anliegen gemeinsam vor Gott zu bringen – für Felix Neumann, Experte für kirchlichen Datenschutz, alles Situationen, in denen die Privatsphäre von Betenden und Dritten, für die gebetet werden soll, gewahrt bleiben muss. Das erfordere ein wenig Nachdenken, lasse sich aber ohne viel Aufwand umsetzen.

In seinem Blog „Artikel 91“ stellt Neumann die geltende Rechtslage gemäß der römisch-katholischen bzw. evangelischen Datenschutz-Gesetze vor, erläutert die Rechtsgrundlagen für die „Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ und gibt Tipps für die praktische Umsetzung – inklusive „angemessener technischer und organisatorischer Maßnahmen“:

In dieser Detailtiefe mag der Umgang mit Gebetsanliegen etwas bürokratisch wirken. Alles baut aber auf der Grundlage auf, dass gerade Menschen in schwierigen Situationen, in denen sie das Gebet der Gemeinde brauchen, besonders schutzbedürftig sind und ihre Anliegen Respekt verdienen – auch hinsichtlich ihrer Datenschutzgrundrechte. Ein respektvoller und diskreter Umgang mit Gebetsanliegen kann dazu helfen, dass Menschen das Vertrauen haben, ihr Anliegen dem Gebet der Gemeinschaft zu überantworten.

Flüchtlinge sind mehr als nur eine Nummer – Interview mit Günther Jäger (katholisch.de)

Den Aufruf von Papst Franziskus, die Kirche müsse „an die Ränder gehen“, hat Günther Jäger aus dem Bistum Passau wörtlich genommen. Auf der griechischen Insel Lesbos hilft er Flüchtlingen, sich ein besseres Leben aufzubauen. Wenn in Deutschland heftig über Migrationspolitik diskutiert wird, rät der 69-jährige Diakon zur Vorsicht:

Ich kann nur jedem empfehlen, mit negativen Äußerungen über Flüchtlinge vorsichtig zu sein. Niemand den ich kenne, hat aus Jux und Tollerei seine Heimat verlassen. Alle haben dramatische Situationen hinter sich. Und wer geht schon freiwillig von zu Hause weg, manchmal hunderte, oft tausende Kilometer weit, und nimmt diese Flucht mit einer Überlebenschance von vielleicht fünfzig Prozent auf sich? (…)

Ich würde mir wünschen, dass die Menschen, die bei uns gegen Flüchtlinge hetzen, sich diese Dramen anhören. Natürlich weiß ich auch, dass wir nicht alle aufnehmen können – das verstehe ich und habe dafür auch keine Patentlösung. Aber was ich hier tun kann, ist zu versuchen, den Menschen das Leben ein bisschen leichter zu machen und vielleicht ein bisschen Hoffnung zu geben.

Theologie

CdTh – Zeitschrift für Theologische Studien und Kritik (campus-der-theologien.de)

Seit dem Sommer 2024 gibt es an der Universität Tübingen einen „Campus der Theologien“, der aus der Evangelisch- und der Katholisch-Theologischen Fakultät sowie dem Zentrum für Islamische Theologie besteht. Er soll die wissenschaftliche Zusammenarbeit der beteiligten Einrichtungen in Forschung und Lehre bündeln und das ökumenische und interreligiöse Profil der Universität stärken.

Die neu gegründete wissenschaftliche Zeitschrift Campus der Theologien – Theologische Studien und Kritik (CdTh) stellt die Erträge der Kooperation einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung und intensiviert den wechselseitigen Austausch:

In den Themenheften der Zeitschrift erscheinen Beiträge zu aktuellen Fragestellungen und Themen aus den unterschiedlichen theologischen Disziplinen und den unterschiedlichen Theologien. Darüber hinaus werden Formen und Möglichkeiten ökumenischer, komparativer, inter- oder transreligiöser Theologie erkundet und deren Leistungsfähigkeit erprobt.

Das erste Heft (CdTh 1/2025) ist gerade zum Thema „Das Handeln Gottes“ erschienen, die einzelnen Beiträge sind als PDF-Dateien abrufbar (Open Access).

Ein guter Satz

„Ich glaube, dass wir die Traditionen häufiger in neue Formen überführen müssen, damit sie ihre Chancen und ihre Kraft entfalten. Menschen haben zunehmend ein stärkeres Gespür, was ästhetisch zu ihnen passt. Das kann die Kirche sein, aber es kann auch ein anderer Ort sein. Theologisch ist der Segen Gottes nicht an den Kirchraum gebunden.“

– Uta Pohl-Patalong im NDR-Interview über Kasualagenturen: „Kirche light?“

Mitdiskutieren