Auf(er)stehen – Die #LaTdH am 20. April
Kreuz und Auferstehung ereignen sich auch heute, sind sich christliche Aktivist:innen und Autor:innen einig. Außerdem: Post-liberale Katholik:innen, alte Bekenntnisse und aller Marter Ende.
Herzlich Willkommen!
Eine korrupte, autoritäre Regierung nimmt einen unschuldigen Mann fest, foltert ihn und sperrt ihn aufgrund erfundener Anschuldigungen ein, die sich während eines manipulierten „juristischen“ Prozesses ändern. Der Gefangene ist der Gnade der entmenschlichenden Politiker und Gefängniswärter ausgeliefert, die mit ihm machen, was sie wollen. Damals die Karwoche. Jetzt Amerika.
Mit diesem Post bei Bluesky prangerte die Kirchenhistorikerin Diana Butler Bass vor ein paar Tagen die Praxis der Trump-Administration an, Menschen festzunehmen und in Spezialgefängnisse außer Landes zu schaffen, ohne dass Gerichte dies überprüfen können, und zog einen direkten Vergleich zur Passion Jesu.
Auch in ihrem Blogbeitrag „Karfreitag heute“ (auf Englisch) sieht sie durch die gegenwärtige Politik der US-Regierung „das Kreuz imperialer Gewalt“ aufgerichtet und bebildert ihre „visuelle Meditation über die Gewalt, die Jesus vor langer Zeit erlitt“, mit Fotos von gedemütigten Gefangenen und MAGA-Anhänger:innen, die begeistert „Mass Deportation Now!“-Schilder in die Höhe recken, als wollten sie „Kreuzige ihn!“ schreien.
Am Karsamstag entschied (PDF) der Oberste Gerichtshof der USA, die Regierung werde „angewiesen, kein Mitglied der mutmaßlichen Gruppe von Gefangenen bis zu einer weiteren Anordnung dieses Gerichts aus den Vereinigten Staaten zu entfernen.“ Dies stellt wohl noch keine Kehrtwende dar, sondern verschafft vorerst nur einen vorläufigen Aufschub, um zu klären, wieviel Zeit Menschen zu gewähren ist, um ihre drohende Abschiebung juristisch anzugreifen. Doch diese höchstrichterliche Bremse birgt den Keim der Hoffnung, dass der Widerstand gegen die Politik der Trump-Regierung nicht vergebens ist. Ganz im Sinne von Kurt Martis „anderem Osterlied“ aus dem Jahre 1970:
Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde stets alles so bliebe,
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte
so weiterginge wie immer. (…)
Doch ist der Befreier vom Tod auferstanden,
ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren!
Frohe, gesegnete Ostern und Mut zum Auf(er)stehen
wünscht Ihnen Ihr Thomas Wystrach
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Debatte
Zwischen Karfreitag und Ostern: Vom ängstlichen Wegducken zum hoffnungsvollen Aufstehen – Christian Wolff (Blog)
Der Theologe Christian Wolff, bis 2014 Pfarrer an der Thomaskirche Leipzig, erkennt in den rechten Angriffen auf Constanze Arndt, parteilose Oberbürgermeisterin von Zwickau, oder eine Lehrerin in Oelsnitz (Erzgebirge), die nach Bedrohungen die dortige Schule vorzeitig verlassen hat, eine „verhängnisvolle Dynamik“, die einen „Zersetzungsprozess der freiheitlichen Demokratie und eines friedlichen Zusammenlebens“ antreibt.
Auch er sieht Parallelen zur Leidensgeschichte Jesu und dem Verhalten der Menschen damals, ängstliches Wegducken und lähmendes Erstarren vor Volkszorn und Gewaltexzessen. Doch in der Bibel beginne nach der Kreuzigung eine neue Erzählung – die Geschichte derer, die bewusst anknüpfen an das, was das Leben menschlich und hoffnungsvoll macht:
Es ist die Geschichte von der Auferstehung Jesu von den Toten, mit der alles ins Recht gesetzt wird, was zuvor mit Gewalt beseitigt werden sollte: Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Nächsten- und Feindesliebe, Ehrfurcht vor dem Leben. Das sind die Grundwerte, die bleiben und für die es sich lohnt aufzustehen.
Darum ist so wichtig, dass wir uns immer wieder um die versammeln, die wie die Oberbürgermeisterin von Zwickau oder die Lehrerin in Oelsnitz täglich bedroht werden, und im Angesicht der Bedrohungen für das menschenwürdige Leben ein- und aufstehen.
Karfreitag statt Klimaschutz? Christliche Hoffnung angesichts ökologischer Katastrophen – Dominique-Marcel Kosack (Theologie aktuell)
Angesichts der weitreichenden und in weiten Teilen unumkehrbaren Folgen des Klimawandels ist die Klimabewegung an vielen Stellen durch apokalyptische Motive geprägt. In Teilen des evangelikalen und des pfingstlich-charismatischen Christentums herrscht demgegenüber eine Gleichgültigkeit, die in der Erwartung eines baldigen endzeitlichen Gerichts gründet.
Die eigentliche christliche Hoffnung sei in der individuellen Erlösung durch den Kreuzestod Jesu zu finden – und von der solle ökologisches Engagement nicht ablenken. „Karfreitag for Future statt Friday for Future“ lautet eine entsprechende Parole. Dominique-Marcel Kosack erklärt im Blog der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, warum die Frage, ob Gott die Schöpfung in sein Heilshandeln einschließt oder nicht, für Hoffnungsnarrative bezüglich der Klimakrise durchaus von Bedeutung ist.
Von skandalösen, verklärten und transformierten Körpern: Das Osterfest neu erzählt – Elisabeth Fock (feinschwarz.net)
Im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net deutet die Religionspädagogin Elisabeth Fock die Kar- und Ostertage als eine dramatische Körpergeschichte, deren letzter Akt auch Impulse für heutige Herausforderungen setzen könne. Es sei eben ..
.. kein unverwundbarer heroisierter Körper, mit dem sich Gott inkarniert, sondern ein verwundbarer, leidensfähiger, der nach Solidarität schreit. Von der Inkarnation bis zur Kreuzigung schreibt sich Gott als verletzliches, körperliches Wesen in die Menschheitsgeschichte ein. Und weil Gott liebt, macht er sich in Jesus Christus verwundbar und es ist nicht eine Beziehung, die bei sich bleibt, sondern sich auch auf den Menschen hin ausstreckt. (…)
Wenn die Theologie von einem verletzlichen Körper spricht, dann wehrt sie sich gegen solche Unverwundbarkeitsstrategien, die gegenwärtige Körperdiskurse prägen und uns einen ewig jungen, gesunden und schönen Körper suggerieren
nachgefasst
Die Politische Theologie von J.D. Vance – Carlotta Voß (Politik & Ökonomie)
Zehn Tage nach der Amtseinführung von Donald Trump reagiert dessen Vizepräsident J.D. Vance auf Kritik an der Ankündigung der neuen Administration, unverzüglich die Festnahme und Ausweisung von „illegal immigrants“ anzuordnen, mit dem Verweis auf den „ordo amoris“, ein Konzept, das sich auf Augustinus und Thomas von Aquin zurückführen lasse. Es gebe eine Hierarchie der Verpflichtungen, nach der die Nächstenliebe zuerst der Familie, dann der unmittelbaren Nachbarschaft, schließlich der Nation und zuallerletzt dem Fremden jenseits nationaler Grenzen gelte.
Der römisch-katholische Konvertit Vance, der am Karsamstag im Vatikan empfangen wurde, bezeichnet sich gern als „Postliberalen“. Carlotta Voß untersucht die politische Theologie, die sich hinter dem klingenden Label des „Postliberalismus“ verbirgt:
Entweder-Oder: Das ist die große Frage, die mit wachsender Aussicht, sie (via J. D. Vance) tatsächlich politisch entscheiden zu können, in wachsender Dringlichkeit und martialischer Schärfe in den postliberalen Texten intoniert wird. Wo es Gut und Böse gibt, den wahren Glauben und die Häresie, da kann es Vermittlung prinzipiell nicht geben (und vermeintliche Seitengefechte wie jene zwischen Klassen oder den Geschlechtern auch nicht).
Für die politische Praxis heißt das: Der Postliberale kann sich mit Reformen und Reförmchen nicht begnügen. Er will das bestehende politische System nicht verbessern, er will es sprengen: der regime change ist das erste und oberste Ziel postliberalen Strebens in der Gegenwart. Folgerichtig ist die Zweckgemeinschaft mit den Tech-Akkzelerationisten: Disruption als Prinzip mag den Postliberalen fremd sein; sie denken Politik in Jahrhunderten und Weltzeitaltern. Aber Disruption ist ihnen Gebot der Stunde: Ein notwendiges Übel wie schon der Glaubenskampf gegen die Häresie.
Die US-Regierung hat das Evangelium völlig missverstanden – Christof Haverkamp (katholisch.de)
Mitarbeiter:innen des US-Außenministeriums sollen künftig „antichristliche Voreingenommenheit“ von Kollegen melden. Diese Nachricht habe zu Recht für einen Schock gesorgt, kommentiert Christof Haverkamp in seinem Standpunkt bei katholisch.de:
Mit christlichen Grundwerten wie Solidarität, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit haben diese Ideen wenig zu tun, denkt man an den Umgang mit Migranten oder die Brüskierung des ukrainischen Präsidenten. Die Anweisung des US-Außenministeriums reiht sich hier ein und erweckt den unguten Verdacht, dass die Regierung in Washington religiöse Fragen vorrangig für ihre eigenen politischen Zwecke instrumentalisieren will.
Buntes
#wastheologinnensomachen: Simone Eisenlohr ist Bestatterin (y-nachten.de)
Viele Theologiestudierende kennen die Situation, bei Familientreffen von Verwandten danach gefragt zu werden, was sie nach dem Studium beruflich machen wollen. Im theologischen Blog y-nachten stellt sich die ehemalige Freiburger Studentin Simone Eisenlohr den Fragen der Redaktion. Sie ist inzwischen als Bestatterin tätig. Bei der Versorgung der Verstorbenen zeige sich viel von der Prägung und Haltung, in der man arbeite:
Hier drückt sich vieles aus, was letztlich auch mit gesellschaftlichen, philosophischen und theologischen Fragen zu tun hat: Der Umgang mit den Verstorbenen enthält in allen großen Weltreligionen rituelle Handlungen, die einen Übergang begleiten. In einer individualisierten, säkularen Gesellschaft gilt es immer wieder, diese Qualität zu übersetzen und als ein Teil des Lebens erfahrbar zu machen.
Zwischen Berufung und Blockade: Frauen in der Kirche – Alina Rafaela Oehler (Communio)
Eine Dokumentation auf ARTE thematisiert die Frauenfrage in der römisch-katholischen Kirche. An keinem kirchlichen Fest ist sie präsenter als an Ostern: Warum wird die frohe Botschaft heute vor allem von Männern kontrolliert, obwohl Frauen die ersten Zeuginnen der Auferstehung waren? Papst Franziskus habe den Missstand erkannt und in seinem Pontifikat erstmals verschiedene Spitzenämter im Vatikan mit Frauen besetzt. Doch das reiche nicht, schreibt Alina Rafaela Oehler in ihrer Kolumne „Gern katholisch“:
Eine „Apostelin der Apostel“, als welche Franziskus Maria Magdalena 2016 mit einem eigenen Fest gewürdigt hat, ist eine schöne Wertschätzung für eine tote Heilige, uns lebenden Frauen bringt das bisher wenig. Papst Franziskus‘ Aufbrüche können nur ein Anfang sein, doch immerhin tut er sie. Steter Tropfen höhlt den Stein. Was viele vergessen: diese Kirche bewegt sich im Takt von Jahrhunderten. Schnelle Veränderungen sind selten. An der Stelle muss man mit Blick auf die österliche Woman-Power sagen: leider.
Fünf große römisch-katholische Organisationen in Deutschland wollen weiter kämpfen für mehr Frauenrechte in ihrer Kirche. Dazu gehöre auch der bisher verwehrte Zugang zu Weiheämtern, angefangen beim Diakonat. Zum „Tag der Diakonin“ am 29. April laden sie daher zu einem Aktionstag und zu einer großen Demo für eine gerechtere Kirche nach Köln ein.
Theologie
Irritationen zum Konzil von Nizäa – Andreas Krebs (feinschwarz.net)
In diesem Jahr feiern die Kirchen in ökumenischer Verbundenheit 1.700 Jahre Konzil von Nizäa. Andreas Krebs stellt in seinem Beitrag bei feinschwarz.net zunächst fest, dass die Diskussionen und Beschlüsse dieser vom römischen Kaiser Konstantin einberufenen Bischofsversammlung außerhalb der theologischen Bubble kaum noch verstanden werden.
Diesen Irritationsmoment nutzt der alt-katholische Theologe für einen Perspektivenwechsel: Kirchenhistorisch sei die Christologie von Nizäa als doppelte Rettungsstrategie zu verstehen – gegen die Enttäuschung über das Ausbleiben des Reiches Gottes und gegen die resignierte Verlagerung der Hoffnung ins Jenseits. Doch:
Was bedeutet es für das Christentum eigentlich, auch 1700 Jahre nach dem Konzil von Nicäa noch immer darauf zu warten, dass die so energisch bekräftigte und garantierte Erlösungszusage sich erfüllt? Die heutige Lage ist ja immer noch nicht besser! (…)
Ja, ich möchte die theologischen Kühnheiten und Paradoxien der Vergangenheit weiterhin bedenken und würdigen, aber ich möchte auch akzeptieren, dass sie im Moment nicht weiterhelfen – ganz sicher nicht dabei, den christlichen Glauben anderen zu erklären, und zumindest mir auch nicht dabei, ihn mir selbst zu erklären. Stattdessen möchte ich eingestehen, dass die christliche Hoffnung prekär ist. Dass sie ein Wagnis ohne Garantien ist. Und dass sie trotzdem – obwohl ich es nicht erklären kann – auch meine Hoffnung ist.
Ein guter Satz
Christ ist erstanden
von der Marter alle.
– der vermutlich älteste liturgische Gesang in deutscher Sprache