Newsletter #LaTdH

Fair und angemessen? – Die #LaTdH vom 1. Juni

Die Bundesregierung kritisiert Israel scharf für das Vorgehen im Gaza-Krieg. Die Kirchen sind da zurückhaltender. Außerdem: Ein neuer Beauftragter für Religionsfreiheit, christlicher Klimaaktivismus und Müntzers Ende.

Herzlich willkommen …

… zur 397. Ausgabe der „Links am Tag des Herrn“ (#LaTdH). „Das ist völkerrechtswidrig“, erklärte in dieser Woche der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zur Kriegsführung Israels im Gaza-Streifen im Interview bei Dunja Hayali im ZDF. In den vergangenen Monaten gehörte Klein zu jenen politischen Akteur:innen, die Israels Kriegsführung trotz der Aufgabe des Waffenstillstands und Einschränkungen von Hilfslieferungen immer wieder verteidigt hatten. Im März hatte Klein noch öffentlich überlegt, ob den Umsiedelungsplänen von US-Präsident Donald Trump nicht doch etwas abzugewinnen sei. Dagegen verwahrte sich die damalige Bundesregierung.

Ende März hatte die damalige Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock (Grüne), gemeinsam mit ihren französischen und britischen Kollegen scharfe Kritik an Israel geübt. Baerbocks Außenpolitik wurde wiederum von Philipp Peyman Engel, dem Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, bei der WELT als „Katastrophe auf ganzer Linie“ beschrieben. Sie habe sich immer wieder „gegen Israel“ und an die Seite der Vereinten Nationen gestellt und trotz „der existentiellen Not Israels ein stilles Waffenembargo“ umgesetzt.

Von der neuen Bundesregierung wünschte Engel sich eine „große Änderung“ der Israel-Politik, gar keine „unkritische“, aber eine „faire und angemessene“. Angesichts der neuen Offensive Israels im Gaza-Streifen und den nach wie vor eingeschränkten Hilfsleistungen äußerte sich in dieser Woche Baerbocks Nachfolger Johann Wadephul (CDU) aber noch viel schärfer als sie:

„Ich glaube, diese [israelische] Regierung muss ganz klar wissen, dass wir uns nicht instrumentalisieren lassen und dass auch unser hundertprozentiger Kampf gegen Antisemitismus und unsere vollständige Unterstützung für das Existenzrecht und die Sicherheit des Staates Israel nicht instrumentalisiert werden darf für die Auseinandersetzung, für die Kampfführung, die derzeit im Gazastreifen betrieben wird.“

Im Land der Beauftragten und Bevollmächtigten (s.u.), das Deutschland auch ist, macht es einen Unterschied, dass in diesen Tagen Vertreter:innen der Bundesregierung und auch deren Antisemitismusbeauftragter den Bruch des Völkerrechts durch Israel klar benennen (müssen). Trotzdem 80 % der Bevölkerung die Kriegsführung Israels ablehnen, hing über der (amtlichen) Debatte in Deutschland vor dieser Woche ein Schleier maximaler Zurückhaltung, der der „humanitären Katastrophe“ im Heiligen Land wahrlich nicht angemessen ist. Was ist „fair“ gegenüber Israel? Der hessische CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler beantwortete diese Frage in dieser Woche laut Jüdischer Allgemeinen dahingehend, die Freundschaft mit Israel gelte nicht der Regierung von Benjamin Netanjahu:

„Vom demokratischen Israel einzufordern, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren, macht niemanden zum Antisemiten.“

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Wie die Jüdische Allgemeine zusammenfasst, stehen einem Waffenstillstand in Gaza unter der Verhandlungsführung der USA eine Menge von sich gegenseitig ausschließenden Forderungen der israelischen Regierung und der Hamas im Wege. Vorerst läuft die Offensive der israelischen Armee also weiter und Hilfsleistungen gelangen nur auf dem umstrittenen Weg über die Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) ins Kriegsgebiet.

Verschärfte Rhetorik – Michael Thaidigsmann (Jüdische Allgemeine)

Michael Thaidigsmann fasst in der Jüdischen Allgemeinen die rhetorischen Anschärfungen dieser Woche zusammen. Und er bemerkt auch, dass sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) deutlich kritischer noch als im Wahlkampf gegenüber der israelischen Regierung positioniert: „Ob es dem Amt geschuldet ist oder dem wachsenden Unverständnis über Israels Vorgehen? Vermutlich beidem.“ Merz hatte unter der Woche erklärt:

Beim WDR-Europaforum in Berlin betonte Bundeskanzler Friedrich Merz zwar, gerade Deutschland müsse sich mit öffentlichen Ratschlägen an Israel »so weit zurückhalten wie kein zweites Land auf der Welt«. Er verstehe aber nicht, so Merz, mit welchem Ziel und mit welchen Methoden Israel in Gaza Krieg führe. »Wenn Grenzen überschritten werden, wo einfach das humanitäre Völkerrecht jetzt wirklich verletzt wird, dann muss auch Deutschland, dann muss auch der deutsche Bundeskanzler dazu etwas sagen.« Die israelische Regierung dürfe nichts tun, »was nun irgendwann ihre besten Freunde nicht mehr bereit sind, zu akzeptieren«. Seinem Amtskollegen Benjamin Netanjahu habe er, so Merz, in den letzten zwei Jahren schon mehrfach gesagt: »Übertreibt es nicht!«

Vom Kurs, Kritik nur „hinter verschlossenen Türen“ zu äußern, ist Merz in dieser Woche medienwirksam abgewichen und antwortet damit auch auf eine Initiative mehrerer europäischer Regierungschefs und von 17 EU-Mitgliedsländern, die das EU-Israel-Assozierungsabkommen überprüfen wollen. Auch die Frage der fortdauernden Waffenlieferungen aus Deutschland an Israel wird wohl auf die politische Tagesordnung rutschen.

Deutschland ist (mit weitem Abstand) nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels und maßgeblich für die Abschreckung Israels gegen seine Feinde mitverantwortlich. „Mutmaßlich“ sind die von Deutschland an Israel gelieferten (und zum Teil bezahlten) U-Boote mit Atomwaffen bestückt, berichtet die SZ: „Hier materialisiert sich, was die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Diktum zusammengefasst hatte, dass Israels Sicherheit Teil der deutschen Staatsräson sei.“ Außenminister Wadephul hatte diese Woche in der SZ (€) angedeutet, man müsse andere Waffenlieferungen „überprüfen“. „Grundsätzlich richtig“ findet allerdings Thorsten Frei (CDU), der Kanzleramtsminister, die deutschen Lieferungen an Israel. Der FAZ (€) sagte er: „Das besondere Verhältnis zu Israel steht über allen anderen Erwägungen.“

In dieser Woche hat außerdem der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert in mehreren internationalen Medien den Kurs der Regierung Netanjahu scharf kritisiert. Das „unterschiedslose, grausame und kriminelle“ Töten von Zivilisten müsse aufhören, schrieb er z.B. im britischen Guardian (auf Englisch). Die Kritik an Israels Vorgehen weist jedoch die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, laut Jüdischer Allgemeinen zurück. Zu den fehlenden Hilfsleistungen sagte sie:

»Sind die Geiseln frei, kann man über alles reden«, sagte die Holocaust-Überlebende der Deutschen Presse-Agentur in München zum Bedarf an Hilfskonvois für die Menschen im Gazastreifen. Ihr liege zunächst das Schicksal der israelischen Geiseln am Herzen. »Aber dieses Thema, das die aktuelle Situation hervorgerufen hat, steht hierzulande leider kaum noch auf der Tagesordnung.«

Humanitäre Katastrophe beenden (EKD und Diakonie Katastrophenhilfe)

Wie bereits in der vergangenen Woche das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK, s. #LaTdH vom vergangenen Sonntag) äußerte sich in dieser Woche der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisch gegenüber der israelischen Kriegsführung, nicht ohne jedoch das Leid der Geiseln ebenso zu erwähnen wie den Auslöser des derzeitigen Gaza-Krieges, den Angriff der Hamas vom 7. Oktober, den ich hier in den #LaTdH damals ein Pogrom genannt habe.

Die Hamas hat am 7. Oktober 2023 Israel überfallen. Bei diesem menschenverachtenden Angriff hat sie mehr als 1.200 Menschen ermordet und mehr als 200 Menschen verschleppt. Einige von ihnen befinden sich noch immer in Geiselhaft. Ungeachtet des legitimen Selbstverteidigungsrechts Israels rufen der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie Katastrophenhilfe angesichts der dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen zu einem sofortigen Ende der Gewalt auf.

So beginnt die gemeinsame Presseerklärung von EKD und Diakonie Katastrophenhilfe, in der auch die EKD-Ratsvorsitzende Bischöfin Kirsten Fehrs und die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe Dagmar Pruin mit Statements zu Wort kommen. Pruin kritisiert:

„Die humanitäre Katastrophe in Gaza hat ein unvorstellbares Ausmaß erreicht. Nach einer monatelangen Blockade durch die israelische Regierung erreichen erneut viel zu wenige Hilfsgüter den Gazastreifen, Hunger ist allgegenwärtig. Die Kriegsparteien verstoßen wiederholt gegen das humanitäre Völkerrecht – etwa durch den Beschuss ziviler Infrastruktur wie Krankenhäuser, Angriffe auf humanitäre Helfer oder die andauernde Geiselnahme. Das Schicksal der Zivilbevölkerung und der Geiseln in diesem Krieg erfüllt uns mit tiefer Sorge.“

Fehrs und Pruin erinnern an das „Fundament des Völkerrechts“ und die „Achtung der Menschenrechte für alle Menschen in der Region“, die für „eine friedliche Perspektive“ unerlässlich seien. Mit ihrer Kritik bleibt die Evangelische Kirche allerdings hinter der Schärfe der Einordnungen durch die deutsche Bundesregierung zurück. Die Geiseln bleiben für die Kirchen „auf der Tagesordnung“. In den kommenden Tagen ist auch mit einer Stellungnahme aus der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zu rechnen.

RE: Mai 2025: Papst Leo XIV., Gaza-Krieg & Kirchentag 2025 – Michael Greder, Philipp Greifenstein (Die Eule, 59 Minuten)

Über die kirchlichen Stellungnahmen zum Gaza-Krieg sprechen wir in der Eule im aktuellen Monatsrückblick des „Eule-Podcast“ für den Mai 2025 (ab 30:00 Min). Mit Podcast-Host Michael Greder diskutiere ich, wie es jetzt weitergehen könnte – und welchen Beitrag die Kirchen und ihre Hilfswerke leisten können. Außerdem sprechen wir auch über den neuen Papst Leo XIV. und seine Agenda sowie über die Segens- und Trauuungsaktion „einfach heiraten“ und den 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover. Und auch eine gute Nachricht des Monats gibt es wieder, diesmal aus Rostock.

Zwei weitere Podcast-Empfehlungen stehen am Ende dieser „Debatte“ über den Gaza-Krieg: Im „Bundestalk“ der taz fragen Sabine am Orde, Lisa Schneider, Stefan Reinecke und Ulrich Gutmair: „Wer stoppt die Katastrophe in Gaza?“ Und im „FALTER Radio“ des österreichischen FALTER debattieren der ehemalige Bundespräsident der Republik Österreich Heinz Fischer, Danielle Spera und Muna Duzdar über Israels Krieg in Gaza. Zwei sehr unterschiedliche, durchaus streitige Debatten, die vielleicht dabei helfen können, sprachfähig zu werden darüber, was im Heiligen Land gerade geschieht – und wie wir als Europäer:innen, Deutsche und Christ:innen darauf angemessen reagieren können.

nachgefasst

Thomas Rachel neuer Beauftragter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit der Bundesregierung

Der CDU-Politiker Thomas Rachel ist zum neuen Religions- und Weltanschauungsbeauftragten der Bundesregierung berufen worden. Er folgt Frank Schwabe (SPD) nach, berichten epd und KNA. Beide Berichte beziehen sich auf eine Erklärung Rachels zu seiner Ernennung:

Christinnen und Christen, Musliminnen und Muslime, Jüdinnen und Juden und Angehörige vieler anderer Religionen und Weltanschauungen sind weltweit von der Verletzung der Religionsfreiheit betroffen. Sie werden Opfer von Verfolgung und Diskriminierung allein aufgrund ihres Glaubens, während andere diskriminiert und bedroht werden, weil sie keiner Religion angehören. In meinem neuen Amt werde ich mich dafür einsetzen, diesen Menschen eine Stimme zu geben und für ihre Rechte einzustehen. Ich werde außerdem entschieden gegen radikale Strömungen eintreten, die Religion gezielt als Vorwand für Spaltung und Hass in der Gesellschaft missbrauchen.

Mit Rachels Ernennung wechselt das Amt des Religions- und Weltanschauungsbeauftragten vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in das Auswärtige Amt, das von Rachels Parteikollegen Johann Wadephul als Bundesminister des Auswärtigen geleitet wird. Rachel gehört zu den profiliertesten Religionspolitiker:innen des Landes und ist ordentliches Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages.

Rachel war Parlamentarischer Staatssekretär (Bundesministerium für Bildung und Forschung) in allen Kabinetten von Angela Merkel, ist seit 2021 religionspolitischer Sprecher seiner Fraktion und seit 2003 Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU. Seit 25 Jahren ist er Mitglied in der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) und seit 2015 Mitglied des 15-köpfigen Rates der EKD. Zu seiner Ernennung zum Religions- und Weltanschauungsbeauftragten sagte die EKD-Ratsvorsitzende Bischöfin Kirsten Fehrs dem epd, …

… sie erlebe Rachel im Rat der EKD „als hochengagierten Christen und als zugewandte und integre Persönlichkeit“, die Brücken baue zwischen Weltanschauungen, Konfessionen und Kulturen. „Dass er sich nun in dieser Rolle für Religionsfreiheit weltweit einsetzt, ist ein Gewinn für alle, die sich für dieses Menschenrecht starkmachen“ […]

Experten wollen neue Strategie gegenüber dem globalen Süden – Marina Zapf (welt-sichten)

Im Magazin der christlichen Hilfwerke welt-sichten berichtet Marina Zapf über die Empfehlungen der Komission „Welt im Umbruch – Deutschland und der Globale Süden” der „Global Perspectives Initiative“. Unter dem Vorsitz der ehemaligen Bundesministerin der Verteidigung Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatten „zehn hochrangige Vertreter:innen aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft ein Jahr lang“ darüber beraten, „wie Deutschland in Zeiten geo-politischer Verschiebungen seine Beziehungen zum Globalen Süden in zentralen Politikfeldern (neu) ausgestalten sollte“, schreiben die GeschäftsführerInnen der Initiative, Gregor Darmer und Rhoda Berger, im Vorwort zum 36-Seiten starken Dokument (PDF).

Eine „Neuorientierung“ der Entwicklungszusammenarbeit – inklusive einer möglichen Auflösung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – hatte die Union im Bundestagswahlkampf angekündigt. Das BMZ blieb als eigenständiges Ministerium dank des Widerspruchs von SPD, Kirchen und Hilfswerken bestehen (s. „Debatte“ in den #LaTdH vom 23. März sowie im „Koalitionsvertragscheck“ im „Eule-Podcast“). Marina Zapf schreibt:

Die Kernempfehlungen zielen darauf, dass Deutschland eigenständig und unabhängig vom geopolitischen Dreieck Europa, USA und China im Interessensausgleich mit unterschiedlichsten Ländern des Südens das Beste für sich herausholt. Zentrale Pfeiler sind neue Allianzen mit gleichgesinnten Staaten, etwa in multilateralen Gremien, diversifizierte Märkte, Versorgungssicherheit für Energie und Rohstoffe und eine Einwanderungspolitik für Fachkräfte. […]

Die Kommission drängt die Regierung auch zu einer neuen Entschuldungsinitiative, „um drohende Liquiditäts- und Solvenzkrisen besonders in den einkommensschwächsten Ländern nachhaltig zu lösen“. […] Neue Finanzmittel – auch zur Umsetzung globaler Klimaziele – sollten unter anderem durch den Ausbau internationaler Kohlenstoffmärkte, der CO2-Speicherung als neuem Geschäftsmodell im globalen Süden sowie durch Abgaben auf den internationalen Flug- und Schiffsverkehr erschlossen werden.

Buntes

Sondern erlöse uns von den Emissionen – Vanessa Buff (REPUBLIK, €)

Vanessa Buff, die bis zum vergangenen Sommer als Redaktionsleiterin bei den Reformierten Medien in der Schweiz (u.a. bref) tätig war, beginnt ihren Durchgang zum Klimaengagement der schweizerischen Kirchen in der REPUBLIK bei der „Christlichen Klima Aktion“ in Zürich. Sie beschreibt, wie das politische Engagement in den Kirchen nach der nicht erfolgreichen Konzernverantwortungs­initiative von 2020 wegen der oft polemischen Kritik deutlich geringer ausfällt. Und wie Klimaaktivist:innen ihr Engagement heute verstehen:

Aufgeben will er [Adam] trotzdem nicht. Stattdessen spricht er von Dingen wie «Selbst­wirksamkeit» oder «trotziger Hoffnung». Er meint damit, dass die kleinen Schritte wichtig sind, auch wenn ihr Einfluss gering erscheint – ein Gebet sprechen, sich mit Gleich­gesinnten vernetzen, einen naturnahen Garten anlegen. «Kritiker mögen einwenden, dass wir uns damit im Klein-Klein verlieren. Mein Gefühl sagt mir aber, dass gerade das Klein-Klein im Moment überlebens­notwendig ist. Alleine schon, um so etwas wie Klima­resilienz zu schaffen.» Also die Fähigkeit, den Folgen des Klimawandels besser stand­zuhalten und sich anzupassen.

Ein schönes Stück Journalismus über Kirchen, das mal nicht nach Rechts oder zu den Evangelikalen guckt, sondern problemorientiert mit der Organisation Kirche befasst ist, in der ja immer noch große Teile der Gesellschaft irgendwie beheimatet sind (ca. 30 % römisch-katholisch, 20 % evangelisch-reformiert). Was Buff für die schweizerischen Gemeinden aufzeichnet, kann man wohl getrost auch für Deutschland annehmen:

Wie viel die Kirchen […] tatsächlich zum Klimaschutz beitragen können, ist schwer zu sagen – der Gebäude­park ist nirgendwo zentral erfasst und die Oeku selbst hat erst dieses Jahr begonnen, Kennzahlen zum Energie­verbrauch der Kirchen zu sammeln. Ein Hinweis kann aber die reformierte Kirche des Kantons Zürich geben: In der grössten reformierten Landes­kirche der Schweiz bilanzieren die Gemeinden ihren Energie­verbrauch. Demnach beliefen sich die CO2-Emissionen aller Kirchen und Kirch­gemeinde­häuser im Jahr 2022 auf 4000 Tonnen. Das entspricht etwa dem, was 300 Schweizer pro Jahr verursachen. […]

Obwohl die Kirchen also kaum als grosse Emissions­treiber bezeichnet werden können, ist für [Milena] Hartmann [von der Oeku] klar, dass sie eine Verantwortung haben. «Alle Kirchen geben Geld aus. Sie müssen entscheiden, wofür und ob es allenfalls klima­verträglichere Alternativen gibt.» Zwar haben Hartmann und ihre Mitarbeiterinnen eher mit denjenigen in den Kirchen zu tun, die bereits für ökologische Fragen sensibilisiert sind. Gleichzeitig bekommen sie aber auch mit, wenn es in Pfarreien Widerstand gegen Umwelt­projekte gibt oder jemand sich an politischen Stellung­nahmen stört. «Ich denke, die Kirchen sind hier ein gutes Abbild der Gesamt­gesellschaft», sagt Hartmann. «Die einen machen schon viel, die anderen weniger. Die einen schätzen politische Debatten, die anderen weniger.»

Theologie

Revolutionärer Mystiker, Fanatiker oder Freiheitskämpfer? – Manfred Orlick (literaturkritik.de)

Das #DENKjahr 2025 – 500 Jahre Bauernschlacht ist hier am Sitz der Eule in Bad Frankenhausen im vollen Gange. Für unsere Provinz erstaunlich viele Veranstaltungen widmen sich der „Revolution des gemeinen Mannes“. Der Bauernkrieg von 1524-26 ist zentral für die Biografie von des Revolutionärs, „Mystikers, Fanatikers oder Freiheitskämpfers“ Thomas Müntzer, der mit dem Bauernheer in Frankenhausen in einer blutigen Schlacht dem Fürstenheer unterlag, festgenommen, und in unmittelbarer Nähe gefoltert und schließlich hingerichtet wurde. Bevor er sich den Bauern anschloss, war er als Pfarrer in Allstedt tätig. Hier ist also „Müntzer-Land“.

Manfred Orlick rezensiert auf literaturkritik.de die Müntzer-Biografie von Hans-Jürgen Goertz, die zum aktuellen 500. Todestag in der 2. überarbeiteten und aktualisierten Auflage von 2015 erneut aufgelegt wurde, und erzählt nebenbei zentrale Stationen von Müntzers Leben nach:

Das öffentliche Wirken Müntzers umfasste nur wenige Jahre, doch diese Zeit war von allergrößter Intensität geprägt. Goertz lässt in die einzelnen Lebensstationen immer wieder Informationen zur sozialpolitischen Lage einfließen, wobei er eine Analyse von Müntzers Schriften einbezieht. Er rückt das verzerrte Geschichtsbild des oft missverstandenen Reformators zurecht und lässt ihm späte Gerechtigkeit widerfahren. Im Anhang gibt er eine ausführliche Übersicht der Müntzer-Forschung und geht dabei der Frage nach: „Thomas Müntzer und die Theologie heute“. Hier setzt sich Goertz mit dem verzerrten Bild und dem Schattendasein Müntzers in der Geschichtskultur der Deutschen auseinander.

Predigt

Preacher vs. Poetry Slam (Die Eule)

Beim „Preacher vs. Poetry Slam“ auf dem Kirchentag 2025 traten Prediger:innen gegen Poet:innen an. Dabei entstanden mutige und starke Texte. Die Texte des „Preacher vs. Poetry Slam“ von Lotta Egbert, Tash Hilterscheid, Axel Kawalla, Ragna Miller und Nils Petersen sowie Antonia Josefa, Sven Kamin, Matti Linke und Tanja Schwarz gibt es seit dieser Woche hier bei uns in der Eule nachzulesen. Unbedingt lesenswert! Ragna Miller predigtslamt zum Beispiel:

„Sei mutig. Sei stark. Sei beherzt?
Der Mann am Kreuz ist kein Held.
Er zweifelt und hadert und kämpft mit dem Tod.
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
So schreit er in seiner Not und er sagt den Frauen unterm Kreuz nicht:
Sei mutig! Sei stark! Sei beherzt!
Sagt nicht: Maria, lach doch mal.
Der Mann am Kreuz, Sohn der Gerechtigkeit,
erzählt übrigens überhaupt keine Heldengeschichten.
Er wählt die Kleinen und die, die versagen,
die Schuld auf sich laden an seinen Tisch.
Der Mann am Kreuz, Fürst des Friedens,
braucht keine Heldinnen an seiner Seite.
Es sind Menschen wie du und ich.
Mit Zweifeln und Fragen und sie zittern und zagen –
selbst neben dem Gottessohn.
Was würde er sagen?
Zu all meinen Fragen, WAS würde er sagen?“

Ein guter Satz


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