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Doch nicht das Ende! – Die #LaTdH vom 3. Juni

Volkskirche hopp oder top – und immer an die Kund_innen denken? Außerdem: Rote Buchstaben Christen in den USA proben den Aufstand gegen Trump und auch im Bundeskanzleramt hängt jetzt ein Kreuz im Foyer.

Heute steigen wir mit einer Predigt in die Debatte ein: Was ist „Volkskirche“, und wozu soll sie gut sein?

Predigt

Wer hat uns eigentlich angewiesen, das Ende der Volkskirche einzuläuten? – Stephan Sticherling (Blog)

In seiner Abschiedspredigt geht Stephan Sticherling in die Vollen; weicht sogar vom Predigttext der Perikopenordnung ab. Denn ihn treibt die Zukunft der Kirche um – aus einer ganz anderen Perspektive als diejenige der PfarrplanerInnen.

Er widerspricht der weit verbreiteten Erzählung vom „Ende der Volkskirche“ – und dies aus zweierlei Gründen. Erstens sei diese eine self-fulfilling-prophecy:

„Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Pfarramt [tragen] wie ein Mantra ihr Bekenntnis vor sich her: „Die Zeit der Volkskirche geht zu Ende“. „Wir müssen uns drauf einstellen, dass wir nur noch ganz wenige sind“. „Noch sprudeln die Kirchensteuern, aber der große Einbruch wird kommen. Darauf müssen wir gefasst sein“. Können Sie sich vorstellen, was eine Kirche ausstrahlen muss, die ein solches Glaubensbekenntnis hochhält? Natürlich werden dann die Kirchen immer leerer.“

Und zweitens sei die Botschaft falsch:

„Die Leute sind nicht mehr oder weniger religiös als zu allen anderen Zeiten auch. Sie wollen nicht mehr und nicht weniger als Mensch ernst genommen werden, wie zu allen anderen Zeiten auch. Sie sehnen sich nicht mehr und nicht weniger nach Heimat wie zu allen anderen Zeiten auch.“

Lag Bonhoeffer falsch; steht uns kein religionsloses Zeitalter bevor? Auch die Soziologie rüttelt inzwischen an der Säkularisierungsthese und an Webers „Entzauberung der Welt“ – die Entzauberung wird entzaubert.

Nicht minder spannend sind die Gedanken, die Sticherling über die Sicht auf das Kirchenmitglied als KundIn anstellt.

Debatte

#TeamVolkskirche – Philipp Kurowski (Blog)

Nicht mehr ganz frisch aber zum Thema wunderbar passend ist Kurowskis (@PhiKuro) Plädoyer für Volkskirche. Ein langer Beitrag, der m.E. mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, diskutiert er doch ausführlich das Für und Wider der volkskirchlichen Institution.

Breit begründet Kurowski, warum aus seiner Sicht das Für deutlich überwiegt. Die Vielzahl an guten Gründen lässt sich an dieser Stelle nur in Stichworten wiedergeben: Bildungsarbeit, Prävention religiöser Radikalisierung, Wertevermittlung, Stiftung von Zusammenhalt, Kultur. Ihm ist zuzustimmen, wenn er den möglichen Verlust beklagt:

„Ist uns klar, dass nach Zentralisierungen bei Schulen, bei Betrieben, Kommunen, Dienstleistern, Handwerkern, Händlern oft die Kirchen die einzigen sind, die im ländlichen Raum noch vor Ort präsent sind? Alle reden vom Gefühl des Abgehängtseins gerade in ländlichen Räumen. Was passiert, wenn die Kirche als letzter dort das Licht ausmacht? Ich mag es mir nicht ausmalen, denn es steht niemand bereit, die Lücke zu füllen.“

Auch der Weg in die Freikirchlichkeit ist für Kurowski kein gangbarer Weg. Deren Attraktivität – „Hier wird noch etwas geglaubt, hier gibt es noch klare und verbindliche Maßstäbe für das Leben, hier gibt es noch inbrünstiges Gebet statt blutleerer Formeln“ – lebe ebenfalls von der flächendeckenden religiösen Sozialisation durch die Volkskirchen.

Noch überzeugender:

Nicht wenige fordern deshalb ein beherztes Ja zu neuer Freikirchlichkeit. Und all das loswerden: den ganzen Behördenapparat, den gewaltigen Gebäudebestand, das ungeliebte Kirchensteuersystem, das Beamtenrecht, die verkopfte universitäre Ausbildung, die überdimensionierten Dienste und Werke von Diakonie, Schulwesen, Kindergärten und Spartenprogrammen für Frauen, Männer, Urlauber, Arbeiter, Seeleute, Kinder, Jugendliche, Senioren, Behinderte, Auslandsdeutsche usw.

Als Diakon in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung stelle ich fest, dass es nach wie vor die Pfarrer der Ortsgemeinde sind, die in den Wohnheimen Andachten feiern, zu Festen einladen und ja: auch das Beerdigen übernehmen. Einmal kam ein „Pastor“ zu Besuch; er wollte gesundbeten. Aber das ist ein anderes Thema.

Zurück zum Text: Warum diskutieren wir nicht die sieben Thesen, die Kurowski am Ende seines Plädoyers aufstellt?

Booked: Eine Kirche für viele statt heiligem Rest – Andreas Feige (y-nachten.de)

Ein anderes Plädoyer nimmt sich Andreas Feige zur Vorlage, um das Thema „Ende der Volkskirche“ zu diskutieren. In seiner Rezension des viel diskutierten Buchs „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“ von Flügge und Holte lobt er deren Idee, in eine Art Besuchsdienst für Kirchenferne zu investieren. Zuhören, um „Neues über den eigenen Gott zu erfahren“, wie Flügge und Holte schreiben.

„Auch Erik Flügge macht deutlich, dass er Mission anders versteht, als dies viele Jahrhunderte der Fall war. Seine Ausführungen über ein heutiges Verständnis von Mission sind eine der zentralen Passagen des Buches – gerade auch deshalb, da Flügges Begriffsbestimmung einen ganz anderen Geist atmet als den des ebenso erst erschienenen und aktuell viel diskutierten »Mission Manifest«“

Vielleicht lädt Johannes Hartl (@DrJohannesHartl), der Kopf des „Mission Manifest“, zur nächsten großen Konferenz Erik Flügge (@erik_fluegge) ein?

Buntes

Was ist schon SCHØN? Zwei Thesen zu Kunst zwischen Prophetie, Deko und Bling-Bling – Rolf Krüger (Blog)

Gelegenheit dazu böte die SCHØN-Konferenz. Diese wird vom Gebetshaus Augsburg veranstaltet und findet in zwei Wochen statt. Folgendermaßen wird die „Revolution der Schönheit“ beworben:

Rolf Krüger (@rolfkrueger) rechnet amüsant mit der Selbstdarstellung ab:

„Kunst muss verstören, sonst ist es Deko. Ja, geht ruhig auf die Barrikaden, ihr Maler kitschiger Sonnenuntergänge, ihr Komponisten seichter Lobpreislieder! Zurecht dürft ihr protestieren angesichts eines solchen Satzes! Auch ihr seid Künstler im Sinne der KSK, auch eure Deko darf sich Kunst nennen.“

‘This Is Not of God’: When Anti-Trump Evangelicals Confront Their Brethren – Laurie Goodstein (New York Times)

Die „Red Letter Christians“, hinter denen u.a. der christliche Kommunarde Shane Clairborne steht, sind derzeit sehr umtriebig und schafften es so auf die Titelseite der New York Times.

Lesenswert berichtet Goodstein vom Versuch dieser (links-)evangelikalen Bewegung, an der Liberty University ein oppositionelles Event zu organisieren. Diese bibeltreue Ausbildungsstätte weihte kürzlich eine 3,2 Mio. Dollar teuren Schießstand ein und ließ Präsident Trump die Rede der Abschlussfeier halten. Ihren lokalen Einfluss nutze die Liberty University, um die oppositionelle Veranstaltung so klein wie möglich zu halten.

Dort zeigt sich im Kleinen die große Krise der Christenheit in den USA:

d scattered; and the vast majority of pastors are silent for fear of dividing their congregations or risking their jobs.

Übrigens: Auch Michael Curry, Bischof der Episkopalkirche und Trauprediger von Prinz Harry und Meghan Markle, ist Teil der Protestbewegung. Unter dem Titel „Reclaiming Jesus“ formiert sich ein breites christliches Bündnis gegen die Trump’sche Politik:

Sogar Richard Rohr ist dabei.

Völlige Verzerrung des christlich-jüdischen Dialogs und Israelfeindschaft – Stellungnahme des Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdischen Dialog

Nicht nur auf Twitter löst die von Ulrich Duchrow herausgegebene Publikation „Religionen für Gerechtigkeit in Palästina-Israel: Jenseits von Luthers Feindbildern“ scharfe Diskussionen aus.

Der „Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ kritisiert das Werk in seiner Stellungnahme als „zutiefst israelfeindliches Werk“, was im Licht einiger ausgewählter Zitate noch als mildes Urteil gelten kann:

Mark Breverman ruft dazu auf, die „Post-Holocaust“ Ära zu verlassen, da man nun in die „Post-Nakba“-Ära einzutreten hätte. Palästina-Solidarität hätte also heute den christlich-jüdischen Dialog zu ersetzen.

In unerträglicher Weise wird in dem Band durch den US-amerikanischen Theologen Charles Amjad-Ali die Entstehung des Staates Israel als endgültige „Endlösung“ der „Judenfrage“ beschrieben: „Während der Holocaust keinen Erfolg hatte (sic!), ist die Schaffung des Staates Israel sehr erfolgreich gewesen, aber die Opfer von alledem (sic!) sind die unschuldigen Palästinenser gewesen“.

Brücken erneuern in Novi Sad – Phillipp Saure (evangelisch.de)

Und dann findet diese Woche noch die Konferenz Europäischer Kirchen in Novi Sad statt, die Vollversammlung der Europäischen Kirchen ist eines der größten ökumenischen Treffen auf dem Kontinent.

Dass es dabei zu Streit kommt, scheint vorprogrammiert: Zu unterschiedlich seien die Standpunkte zu Migration und Homosexualität. Ob die kommende Woche voller Workshops, Diskussionen und Feierlichkeiten „Brücken bauen“ und „Gräben überwinden“ kann? Der Generalsekretär geht optimistisch voran:

„Ökumenisch zu sein, ist nicht in Mode“, sagt der Generalsekretär der KEK, Heikki Huttunen. Kirchen in Europa kümmerten sich heute verstärkt um ihre eigenen Belange, betrieben „Nabelschau“ und schärften ihr Profil gegenüber anderen, erklärt er.

Ein guter Satz