Der Vatikan schlägt Frauen die Tür vor der Nase zu
Ist die Tür zur Weihe von Frauen in der katholischen Kirche verschlossen oder doch nur angelehnt? Ein neuer Kommissionsbericht gibt Papst Leo für seine Entscheidung deutliche Empfehlungen.

Liebe Eule-Leser:innen,
die einzige Meldung des Bulletins, das der Pressesaal des Heiligen Stuhls am 4. Dezember veröffentlichte, war ein Schreiben von Giuseppe Kardinal Petrocchi an Papst Leo XIV. Darin ließ der Präsident der Studienkommission zum weiblichen Diakonat dem Pontifex „eine kurze Zusammenfassung einiger zentraler Aspekte zukommen, in der Hoffnung, dass diese Ihnen bei Ihrer Entscheidungsfindung hilfreich sein können“.
Eingesetzt hatte die Kommission im Jahr 2020 noch Leos Vorgänger. Papst Franziskus hatte im Mai 2016 „en passant“ bei einem Treffen von Ordensoberinnen mitgeteilt, er sei „offen“ für das „Studium der Funktion von Diakoninnen der frühen Kirche“. Doch während der „Weltsynode“ 2023/2024 wurde eine Aussprache zur „Frauenfrage“ verweigert und im Anschluss die Kommission beauftragt, das heikle Thema außerhalb der Debatten der in Rom versammelten VertreterInnen der Weltkirche weiter zu erforschen. In dem nun dem Papst vorgelegten Abschlussbericht heißt es, …
„… der Status quaestionis in Bezug auf die historische Forschung und die theologische Untersuchung (…) schließt die Möglichkeit aus, in Richtung einer Zulassung von Frauen zum Diakonat als Stufe des Weihesakraments voranzuschreiten.“
Man bleibe aber „offen für weitere theologische und pastorale Vertiefungen“. Eine „endgültige Entscheidung“ als „autoritative Antwort“ sei dem Lehramt der Kirche (sprich: dem Papst) vorbehalten. Festgehalten wird außerdem „eine intensive theoretische und existentielle Dialektik zwischen zwei theologischen Ausrichtungen“. Unklar bleibt, ob eine eigene Diakonissenweihe eingeführt werden soll oder eher die „Gemeinschaftsräume auszuweiten“ seien, damit Frauen zukünftig „angemessen mitwirken“ können – aber weiterhin als „Laien“.
Der Vatikan sagt wieder einmal Nein zum Zugang von Frauen zu den Weiheämtern, wenn auch irgendwie nicht ganz endgültig. Wie reagieren Akteur:innen aus der Kirche auf die Entscheidungshilfe der Kommission? Und wie geht es weiter?
„Päpstliche Kommission hält Tür zur Frauenweihe offen“, titelte noch am Tag der Veröffentlichung des Schreibens die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA). Die Metapher der Tür wird in der Kirche gerne verwendet, wenn über die Frage der (Un-)möglichkeit der Frauenordination in der römisch-katholischen Kirche berichtet wird.
„Eine Tür erlaubt das Abgrenzen von Innen- und Außenräumen gegen andere Räumlichkeiten oder andere Außenbereiche bei erhaltener Durchgangsmöglichkeit. Mit einem Schloss können Türen verschlossen und die Räumlichkeiten unzugänglich gemacht werden, …“
… heißt es in einem lesenswerten Wikipedia-Artikel, in dem sehr differenziert neben „Türen für besondere Einbauorte“, etwa die „Schlupftür, die einen schnellen Durchtritt erlaubt“ oder die „Geheimtür“ als „getarnter Zugang zu einem Versteck“, auch „Türen für besondere Anforderungen“, etwa die „Paniktür, die bei Gefahr immer von einer Seite [‚innen‘] geöffnet werden“ kann, oder „einbruchhemmende Türen“, die dort zu verwenden sind, „wo das unbefugte gewaltsame Eindringen in einen zu schützenden Raum oder Bereich erschwert oder behindert werden soll“, erklärt werden.
Die „Karussell(dreh)tür“ hingegen ist „mit einem dem Schritttempo angepassten Antrieb sowie einer Sicherheitsbremse ausgestattet“ und ermöglicht „durch Blockieren der Rotation ein jederzeitiges Verschließen des Durchgangs, etwa um den Eintritt weiterer Besucher zu verhindern“.
Ob man die „Tür zur Frauenweihe“ in der römisch-katholischen Kirche als „offen“ oder „geschlossen“ wahrnimmt, wird je nach Perspektive oder erkenntnisleitendem Interesse der Betrachter:innen entschieden. „Ist das nun ein Nein oder ein Jein?“, fragt sich Redaktionsleiter Stefan von Kempis bei Vatican News. „Der Spalt in der Tür bleibt offen“, meint Klaus Gaßner in seinem Beitrag für das Konradsblatt und sieht den Papst in der Pflicht, sich endlich zu positionieren:
„Durch die Hintertür wird sich der kleine Spalt weder auftun noch schließen. Wenn die Antwort alle überzeugen soll, wird er nicht umhin können, ein neues Verständnis von Mensch und Weltkirche zu skizzieren.“
Mit „Zwischen Nein und Ja: Frauendiakonat bleibt in der Schwebe“ ist schließlich die Analyse von Mario Trifunovic bei katholisch.de überschrieben: „Symbolisch ließe sich sagen: Die Ampel steht weiterhin auf Gelb“. Dennoch sei es …
„… bemerkenswert, dass Papst Leo XIV. mit der Veröffentlichung dieses Papiers einen ungewohnt transparenten Einblick in die dynamische Debatte eines brisanten Themas gewährt. Ein Schritt vor, zwei zurück?“
Auszug der Frauen aus der Kirche?
Noch wenige Tage zuvor hatten reformorientierte katholische Verbände, Gruppen und Initiativen in einer gemeinsamen Pressemitteilung zur letzten Sitzung des Synodalen Ausschusses erklärt, man müsse „den Rückenwind aus Rom nutzen“. Nun geißelt die deutsche KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche den Kommissionsbericht als „theologisch, anthropologisch wie pastoral höchst kritikwürdig“.
Ihre österreichischen Geschwister reagieren sogar „fassungslos“ angesichts der „beschämenden Beschwichtigungs- und Vertröstungstaktik“ aus Rom. Martha Heizer, Vorsitzende von Wir sind Kirche Österreich stellt fest:
„Römisch-katholische Frauen müssen sich fragen und fragen lassen, warum sie in einer Kirche bleiben, die zwar eine wunderschöne Botschaft verkündet, aber durch ihre Strukturen vermittelt, dass sie einen frauenverachtenden Gott vertritt.“
Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) zeigt sich in einem Statement ihrer stellvertretenden Bundesvorsitzenden Ulrike Göken-Huismann „sehr enttäuscht“. Der Abschlussbericht werde den Auszug von Frauen aus der Kirche beschleunigen, ist sie sich sicher und fragt:
„Wie oft sollen wir noch vertröstet werden mit dem Hinweis auf weitere notwendige Forschungen? Bis zum jüngsten Tag?“
Die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfb) sieht hingegen das „Ende eines Tabus“: Der Vatikan öffne geradezu den Diskurs über sakramentale Ämter für Frauen:
„Indem der Kommissionsbericht die Argumente zum Frauendiakonat offenlegt, schafft er die Grundlage für eine Klärung, deren weitere Vorgangsweise nun beim Papst liegt.“
Stoppschilder, Widersprüche und Unklarheiten
Margit Eckholt, Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Universität Osnabrück und Vorstandsmitglied des Netzwerks Diakonat der Frau, betont im Interview mit katholisch.de, der Abschlussbericht der Studienkommission sei „kein Stoppschild, sondern eher eine Ermutigung, weiterzudenken und weiterzuarbeiten“. Ihr Kollege Helmut Hoping sieht in seinem Gastbeitrag für COMMUNIO viele Fragen in der „Theologie des Diakonats“ als noch ungeklärt an und warnt vor einem drohenden Dammbruch:
„Solange Leo XIV. zur Frage des Diakonats der Frau nicht mehr sagt als bisher, stellt sich die Frage, ob das Nein der Studienkommission ein Nein unter Revisionsvorbehalt ist. Würde man den sakramentalen Diakonat für Frauen tatsächlich öffnen, wäre „Ordinatio sacerdotalis“ jedenfalls nicht mehr zu halten. Genau darauf zielt die Forderung nach einer Zulassung von Frauen zum Diakonat ab, was nicht zuletzt der Synodale Weg in Deutschland gezeigt hat.“
Mit seinem Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ (Text) hatte Papst Johannes-Paul II. im Jahr 1994 die Tür für eine Priesterinnenweihe in der römisch-katholischen Kirche geschlossen. Dort heißt es:
„Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“ (Ordinatio sacerdotalis, Nr. 4)
Wird mit der Diakoninnenweihe der Weihe von Frauen insgesamt Tor und Tür geöffnet? Schon vor 25 Jahren hatte der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke in seinen „Fragen zum Verbindlichkeitsanspruch der Lehre über die Unmöglichkeit der Priesterweihe für Frauen aus kanonistischer Perspektive“ darauf hingewiesen, dass das Engagement für die Frauenordination vom Gedanken der Gleichberechtigung der Geschlechter motiviert ist:
„Die im geltenden kanonischen Recht geschlechtlich bedingte unterschiedliche Rechtsfähigkeit und die daraus resultierende unterschiedliche Stellung in der strukturellen Verfasstheit der Kirche hat ihren Grund in der Unfähigkeit der Frau zur Priesterweihe. Daher kann kein Modell eines Diakonats der Frau, das Frauen auf diese Weihestufe beschränkt oder den weiblichen Diakonat außerhalb des Ordo ansiedelt, dieser Motivation genügen.“
Als „Dokument voller Widersprüche und Unklarheiten“ kritisiert schließlich Pfarrer Carsten Leinhäuser den Abschlussbericht der Kommission. Er analysiert die „logischen Brüche“ sowie die theologischen und methodischen Probleme, führt „biblische Argumente für die Gleichberechtigung im Amt“ an und beschreibt mögliche Perspektiven.
Wieder einmal heiße es, man müsse „weiterforschen“, stellt Publik-Forum-Chefredakteur Matthias Drobinski in seinem Standpunkt“ bei katholisch.de fest – doch wie lange noch? Bis Frauen endgültig frustriert aufgeben? Die Auseinandersetzung zeige sich zunehmend als „Streit zwischen theologischem Argument und innerkirchlicher Identitätspolitik“, bei dem sich das das römische Nein zur Frauenweihe als „eines der letzten Bollwerke männlichen Einzigartigkeitsdenkens“ präsentiere. In den jahrzehntelangen folgenlosen Diskussionen sieht katholisch.de-Redakteur Christoph Paul Hartmann ein System am Werk:
„Es spricht einiges dafür, dass der Vatikan exakt diese Nicht-Ergebnisse wünscht. Die Kommissionen werden so besetzt, dass sich die unterschiedlichen Positionen gegenseitig aufwiegen – oder ungenehme Positionen schlicht ignoriert werden.“
Papst Leo habe bereits erklärt, er habe „nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu ändern“.
„Ist es Bequemlichkeit, Angst – oder findet er die Zurücksetzung von Frauen sogar gut? Das bleibt sein Geheimnis. Dabei müsste sich der Pontifex ehrlich machen. Denn er wäre am Zug – aber lässt die Frauen lieber weiter in der Warteschleife.“
Tor und Tür
Während die „Paniktür“ von innen verschlossen bleibt, versuchen sich manche Frauen an der „Karusselldrehtür“. Vielleicht schreiben sie weiterhin umfangreiche Eingaben, die im Vatikan dann wieder „sorgfältig gelesen werden“. Vielleicht schildern sie darin auch wieder, wie es im aktuellen Bericht heißt, …
„… ihre oft mit großem Engagement verrichtete Arbeit für die Kirche, als sei dies ein ausreichendes Kriterium für die Diakonenweihe (oder sprechen) von einem starken „Gefühl“ berufen zu sein, als sei dies der notwendige Beweis, um der Kirche die Gültigkeit ihrer Berufung zu garantieren und die Anerkennung dieser Überzeugung zu fordern.“
Die päpstliche Studienkommission hat unterdessen im Adventskalender ein besonderes Türchen gefunden und den „Hirten“ aufgetragen, „zu prüfen, welche zusätzlichen Dienste eingeführt werden können“, die „zur Synergie zwischen Männern und Frauen“ beitragen:
„Diese Anerkennung wird sich als prophetisches Zeichen erweisen, insbesondere dort, wo Frauen noch immer unter Geschlechterdiskriminierung leiden.“
Ganz im diesem Sinne fragt man sich im Erzbistum Köln: Muss es denn unbedingt Diakonin sein, wenn man als Frau doch auch „Evangelisierungsbeauftragte“ werden und damit seinen Erzbischof entlasten kann, damit er für seine breit gefächerten anderen Aufgaben mehr Zeit findet? Kardinal Woelki, der bereits Mitglied der Vatikan-Behörden für den Klerus, für den Gottesdienst sowie die Förderung der Einheit der Christen ist, wurde von Papst Leo XIV. am 6. Dezember schließlich auch noch zum Mitglied des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechung ernannt.
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Eule-Podcast (53): Ukraine-Update 2025 mit Regina Elsner (49 Minuten)
Der Ukraine und den Ukrainer:innen in Deutschland steht das vierte Kriegsweihnachten bevor. Wie steht es um die Ukraine im Winter 2025? In der neuen Folge des „Eule-Podcast“ erklärt Osteuropa- und Ostkirchen-Expertin Regina Elsner die aktuelle Lage in der Ukraine und den Streit zwischen den orthodoxen Kirchen.
„Eine Rückkehr wird immer unwahrscheinlicher“ – Eule-Interview mit Regina Elsner von Philipp Greifenstein
Gibt es eine Chance auf Frieden für die Ukraine? Wie steht es im vierten Kriegsjahr um das Land, die Orthodoxie und die ukrainische Diaspora in Deutschland? Eine gekürzte Fassung des „Eule-Podcast“-Gesprächs von Philipp Greifenstein mit Regina Elsner als Interview zum Lesen.
Wie die EKD Afghan:innen hilft, zu ihrem Recht zu kommen – Philipp Greifenstein (Re:mind-Newsletter)
Innenminister Dobrindt sieht seine „Mission“ darin, Abschiebungen zu maximieren. Deutschland will sich seiner Verantwortung für Flüchtlinge aus Afghanistan entziehen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hält mit Kollektenmitteln dagegen.
„Für den Bundesminister des Innern, Alexander Dobrindt (CSU), ist der „Politikwechsel in der Migration“ eine „Mission“. Auch an jenen Tagen, an denen Migrationspolitik mal nicht das nachrichtenbestimmende Thema im Lande ist, arbeitet er beharrlich daran, „die Überforderung unseres Landes zu beenden“, …“
Innenminister Dobrindt wollte nur noch die Afghanen aufnehmen, die er aufnehmen muss. Mit einer Ausnahme: Ortskräfte. Für die habe man eine Verantwortung. Doch auch diese Zusage hält Dobrindt nun nicht ein, analysieren Claudia Kornmeier und Peter Hornung auf tagesschau.de:
„Die Betroffenen haben in Afghanistan vor der Machtübernahme der Taliban für die Bundesregierung gearbeitet – etwa für das Bundesentwicklungsministerium oder das Auswärtige Amt. Die Bundesregierung hatte ihnen zugesagt, sie in Deutschland aufzunehmen. […]
Ob die Aufnahme der betroffenen Ortskräfte nun an Sicherheitsbedenken scheitern soll oder ob es nachträglich Zweifel an der Gefährdung der Betroffenen gab, lässt die Bundesregierung im Dunkeln.“
250 Organisationen fordern daher die Bundesregierung dazu auf, afghanische Schutzsuchende aus Pakistan aufzunehmen. Im Kabuler Appell schließen sich dieser Forderung viele Prominente an.
Falls Sie einen Adventskalender haben, können Sie noch ein paar Türchen bis Weihnachten öffnen. Und wer weiß, vielleicht steckt ja die ein oder andere Überraschung darin?
Ein besinnliches drittes Adventswochenende wünscht
Thomas Wystrach
Ein guter Satz
„Weihnachtsmärkte schaffen Türen in eine andere Welt und weiten den Horizont unseres Seins.“
– Kulturstaatsminister Wolfram Weimer im Interview mit der NOZ
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