Newsletter #LaTdH

ZeitNot – Die #LaTdH vom 29. September

Die Bischöfe der Katholischen Kirche beraten über den Synodalen Weg und die Entschädigung von Missbrauchsopfern. Außerdem: Antisemitismus in der Kirchenzeitung und drei Predigten von Frauen.

Debatte

Synodaler Weg

In der vergangenen Woche tagte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) auf ihrer Herbstvollversammlung in Fulda. Themen des Treffens waren der „Synodale Weg“ und Fragen der Aufarbeitung und Entschädigung des Missbrauchs. In den letzten Tagen und Wochen überschlagen sich die katholischen Medien mit Artikeln über den „Synodalen Weg“, dessen Gegner und Hindernisse (s. #LaTdH von letzter Woche).

Schauen wir einmal in den offiziellen Pressebericht des Vorsitzenden der DBK, Kardinal Reinhard Marx: Er wurde von der DBK veröffentlicht, somit ist er mit Vorsicht zu genießen. In ihm kommt die Sicht der Bischöfe und noch enger gefasst, die der DBK-Führung, zum Ausdruck. Aber es fehlt der übliche Spin, den katholische Medien wie CNA/EWTN oder kath.net mancher Nachricht geben.

Es wird keinen deutschen Sonderweg ohne Rom bei weltkirchlich relevanten Fragen geben. Aber wir sind bereit, Diskussionsbeiträge für die Weltkirche zu liefern. Der Synodale Weg ist ein Weg der Kirche in Deutschland, der von der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK getragen wird. Das ist nicht mein Weg, wie ich immer wieder lesen muss, sondern ein gemeinsamer Weg der Kirche in Deutschland.

Die vier Foren des „Synodalen Weges“ zu „Macht und Gewaltenteilung“, „Sexualmoral“, „Priesterliche Lebensform“ und „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ werden tagen. Sie werden in das Plenum des „Synodalen Weges“ Beschlussvorlagen einbringen. Dieses wird – sinnlos, sie anders zu benennen! – Empfehlungen an die Bischöfe aussprechen und Forderungen an die Weltkirche, also die zuständigen Stellen im Vatikan, formulieren, die jeweils von einer 2/3-Mehrheit des Plenums und der Bischöfe getragen werden.

Es darf und wird diskutiert werden, so viel war auch den letzten mündlichen Erörterungen des Papstes zu entnehmen, die von seinem Botschafter in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterović, gleich zu Beginn der Vollversammlung interpretiert wurden:

„Man muss die Dinge beim Namen nennen und sie diskutieren, wie man es gewöhnlich tut, aber sie [die Synode] ist kein Parlament.“

Das Plenum des „Synodalen Weges“ wird trotz aller Bemühungen um „Synodalität“ keine Entscheidungsbefugnisse mit kirchenrechtlicher Wirksamkeit haben – wie es bei den Synoden der evangelischen Kirchen üblich ist. Ist der „Synodale Weg“ damit wirklich mehr als ein „Beratungsforum“?

Was riskieren wir? – Andreas R. Batlogg (Christ in der Gegenwart)

Andreas Batlogg, bis 2017 Chef der jesuitischen Stimmen der Zeit, schreibt in der Christ in der Gegenwart:

Politik ist die Kunst des Machbaren: Das gilt auch in der Kirche. Aus guten Gründen wurde daher auf eine Synode verzichtet. Jeder weiss doch, warum in den letzten Jahren, bis auf wenige Ausnahmen, auf Formate wie „Gesprächsforum“, „Dialogprozess“ usw. ausgewichen wurde.

Fast fünfzig Jahre nach der Würzburger Synode der westdeutschen Bistümer mit zig Voten, die nach Rom geschickt wurden, jedoch unbeantwortet blieben, sitzt das Trauma der Vergeblichkeit tief. Da wird gearbeitet, gedacht, gerungen, gebetet, und wenn ein Bischof nicht zustimmt, ein Papst Nein sagt, Rom überhaupt nicht reagiert, war alles umsonst.

Wissen wir das wirklich alle? Schon die Formulierung „verzichtet“ täuscht ja darüber hinweg, dass sich bei der legendären Frühjahrstagung in Lingen eben keine Mehrheit der Bischöfe für eine richtige (Partikular-)Synode eingesetzt hat – sei es aus mangelndem Mut oder herzlicher Ablehnung. Was den „Synodalen Weg“ von den bisherigen Dialogprozessen unterscheidet, ist die prominente Rolle des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und die Not der Zeit.

„Die Lage ist ernst, aber hoffnungsvoll“ – Interview mit Johannes zu Eltz (FAZ)

Ein schönes Beispiel für die zugleich verzweifelte und euphorische Erwartungshaltung gegenüber dem „Synodalen Weg“ ist das lesenswerte Gespräch der FAZ mit dem Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz. Sein Herz hüpft anlässlich des „Synodalen Weges“ – dessen Plenen in Frankfurt tagen werden – „so hoch wie der Domturm“.

Manche Beteiligte sprechen auch von einem „Kairos“, der unbedingt genutzt werden muss. Nur was geschieht, wenn diese „letzte Chance“ verpasst wird, das wagt keine*r zu sagen. Dieser Not gegenüber fallen alle folkloristischen Meldungen aus der Intrigenschmiede gewaltig ab.

Es ist im Grunde egal, welcher Kardinal den „Synodalen Weg“ als häretisch bezeichnet. Und auch die „Minderheitenvoten“ von Erzbischof Kardinal Woelki und Bischof Voderholzer – noch vor der offiziellen Verkündung des Ergebnisses lanciert – richten sich vor allem an die eigene Crowd. Das ist kein Glaubenskampf, sondern ein Rückzugsgefecht.

Entschädigung von erlittenem Unrecht

Ein weiteres Thema der Herbstvollversammlung waren die Entschädigungszahlungen an Missbrauchsopfer. Bischof Ackermann (DBK-Missbrauchsbeauftragter) und Matthias Katsch (@KaMaZhe, Eckiger Tisch) stellten die Ergebnisse der Beratungen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch vor, die als Livestream übertragen wurde (und auf YouTube zur Verfügung steht).

Eine Arbeitsgruppe hatte im Anschluss an die MHG-Studie in erstaunlich kurzer Zeit Empfehlungen formuliert, die sich die Bischöfe nun in unkonkreter Form zu eigen gemacht haben. Höhe und Verfahren von zukünftigen Entschädigungszahlungen stehen nämlich noch nicht fest.

Die Geduld auf Seiten der Betroffenen geht aber zur Neige: Sie zählen die Jahre von 2010 an, also seit dem Beginn der Missbrauchsdebatte in Deutschland im Anschluss an die Enthüllungen am Canisius Kolleg, nicht die Tage seit der Veröffentlichung der MHG-Studie im letzten Herbst.

Sonderwelt Kirche? – Volker Resing (Herder Korrespondenz)

Volker Resing formuliert in der Herder Korrespondenz (@HK_aktuell) offene Fragen, die sich ihm angesichts der Beratungsergebnisse aufdrängen. Seine Fragen halte ich allesamt für berechtigt, die Begründungen derselben (im Artikel) für nur teilweise gelungen.

In der Regel soll es keine Anhörung geben und in jedem Fall eine Plausibilitätsprüfung ausreichen, um die Entschädigungszahlung zu bewilligen. […] Plausibel sei, so heißt es weiter, was „mindestens wahrscheinlich, also gut möglich“ ist. […]

Warum soll ein System etabliert werden, welches sich von staatlichen und anderen nichtkirchlichen Formen abkoppelt? […] warum zum Beispiel soll es kein „professionelles Clearing durch ausgewiesene Experten aus dem Fachgebiet der klinischen Psychologie und/oder der Psychiatrie“ geben, […]?

Forderungen in Milliardenhöhe

Im Raum stehen zwei Modelle: Entweder eine pauschale Entschädigungszahlung von 300 000 € an alle Betroffenen oder individuelle Zahlungen in Stufen von 40 000 bis 400 000 €. Die in Rede stehenden Entschädigungssummen nehmen damit erstmals realistisch Bezug auf die durch den Missbrauch verursachten Langzeitfolgen für die Betroffenen.

In jedem Fall braucht es einen zentralen „Entschädigungsfonds“, in den die Bistümer einzahlen, nebst möglichst kirchenferner Verwaltung desselben, empfiehlt die Arbeitsgruppe. Im Falle der pauschalen Entschädigung summieren sich die Zahlungen also ggbfs. auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag, wenn man die 2 100 bisher gemeldeten Betroffenen veranschlagt.

Die Frage, mit wie vielen weiteren Meldungen zu rechnen sei und ob eine solche Regelung diese anregen würde, ließen Ackermann und Katsch in Fulda offen. Das Dunkelfeld des Missbrauchs ist erheblich, wie wir seit der MHG-Studie wissen. Ganz und gar nicht populistisch ist demnach die Schlagzeile, der katholischen Kirche stünden Milliardenforderungen ins Haus.

Woher soll das Geld kommen?

Die Entschädigungen aus den durch die Kirchensteuern ihrer Mitglieder gefüllten Haushalten der Kirche zu entnehmen, erscheint diesen gegenüber unfair. Wenn es doch im hohen Ausmaß Kleriker sind, die für den Missbrauch und dessen Vertuschung verantwortlich zeichnen, dann sollten auch Kleriker zahlen. Einen Gehaltsverzicht der Bischöfe fordert z.B. Wunibald Müller.

Die katholischen Bistümer haben über die Kirchensteuereinnahmen hinaus genug Reichtümer angehäuft. Für die evangelischen Kirchen und andere gesellschaftliche Organisationen (z.B. im Sport), bei denen das durchaus anders ausschaut, wird die katholische Entscheidung so oder so richtungsweisenden Charakter haben.

nachgefasst

Ein antisemitisches Traktat im „Evangelischen Kirchenboten“ – Stefan Frank (mena-watch)

Beim unabhängigen Nahost-Thinktank mena-watch (@MENA_WATCH) schreibt Stefan Frank über einen Artikel im Evangelischen Kirchenboten, der Kirchenzeitung der Evangelischen Kirche der Pfalz. Dort veröffentlichte am vergangenen Wochenende – zum Israel-Sonntag – der Heidelberger Theologieprofessor Ulrich Duchrow einen Vortrag, den er zuvor auf einer Veranstaltung der Evangelischen Akademikerschaft (@ev_akademiker) gehalten hatte.

In seinem Artikel verharmlost Duchrow u.a. die täglichen Angriffe auf Israelis als „völkerrechtlich garantiertes Recht zum Widerstand“. mena-watch lässt einige Kritiker Duchrows zu Wort kommen, u.a. Felix Klein, den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung:

„Ich verurteile die Veröffentlichung von Texten mit antisemitischen Inhalten, wie es der Evangelische Kirchenbote im vorliegenden Fall mit dem Text des Theologen Ulrich Duchrow erneut getan hat. Bereits in der Vergangenheit ist dieser wiederholt durch antisemitische Äußerungen aufgefallen.

Deutlich wird auch, dass die Redaktion des Evangelischen Kirchenboten aus der Auseinandersetzung nach dem skandalösen Text von Hartmut Metzger im vergangenen Jahr ganz offenbar nichts gelernt hat – und das mache ich ihr zum Vorwurf. Aus meiner Sicht liegt hier zudem ein Führungsversagen seitens der Leitung der Pfälzischen Landeskirche vor.

Die Regisseurin, Autorin und Sängerin Sandra Kreisler (@WORTFRONT) und der Journalist und Autor Daniel Killy (@dkilly) haben auf change.org eine Petition an Christian Schad, den Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche der Pfalz, und die Mitglieder der Landessynode gestartet. (Sie ist auch an den EKD-Ratsvorsitzenden @landesbischof Heinrich Bedford-Strohm adressiert, der wohl qua Nichtzuständigkeit bisher stumm geblieben ist.) Darin heißt es:

Natürlich gibt es auch in Israel und den umstrittenen Gebieten – wie in jeder Kriegssituation – vieles konkret zu bemängeln. Das tut Herr Duchrow aber nicht, er weist vollkommen einseitig nur Israel jede Schuld zu, er dämonisiert, delegitimiert den jüdischen Staat und misst ihn mit doppelten Standards.

Buntes

Der verleugnete Skandal – Frank Nordhausen (Frankfurter Rundschau)

Frank Nordhausen (@NordhausenFrank) berichtet in der Frankfurter Rundschau über den sexuellen Missbrauch in islamischen Sekten in der Türkei. Wobei man mit dem Sektenbegriff hier großzügig umgehen muss: Es handelt sich um staatlich unterstütze religiöse Bildungsträger mit guten Verbindungen zur Erdogan-Regierung.

Die Regierung versucht, die Skandale regelmäßig unter den Teppich zu kehren. Als handele es sich um Staatsgeheimnisse, verhängt Ankara bei Missbrauchsfällen im Zusammenhang mit Imamen und Hodschas offizielle Nachrichtensperren. Einen Zusammenhang zwischen den sexuellen Übergriffen und der frömmlerischen Regierungspolitik Erdogans vermutet denn auch Burak Copur, Politikwissenschaftler und Türkei-Experte an der privaten Hochschule IUBH Dortmund. „Die steigenden Missbrauchsfälle in den islamischen Sekten und Ordensgemeinschaften hängen auch mit einer zunehmenden Politisierung des Islams durch die AKP zusammen“, […]

Umweltschutz und Lebensschutz – wesentlich für Christen – Bischof Stefan Oster (stefan-oster.de)

Der Jugendbischof der DBK und Bischof von Passau, Stefan Oster (@BischofOster), hat am vergangenen Wochenende gleich an zwei Demonstrationen teilgenommen: Am Freitag schloss er sich – wie viele Christ*innen und Kirchen (wir berichteten) – dem globalen Klimastreik an. Am Samstag nahm er auch am „Marsch für das Leben“ der Lebensschutz-Bewegung in Berlin teil.

Der Bischof wurde für sein in vielen Augen widersprüchliches Engagement harrsch kritisiert. Auf diese Kritik antwortet er mit diesem Artikel. Man muss ihm inhaltlich nicht zustimmen, um darin ein gutes Beispiel für gelungene Debattenführung zu sehen.

„Denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf“ (Psalm 127,2)

In ihrer SpiegelOnline-Kolumne hält Margarete Stokowski (@marga_owski) ein flammendes Plädoyer für den Schlaf. Dem kann ich als Familienvater aus ganzem Herzen zustimmen! Sie wehrt sich gegen die Allverzweckung unseres Alltags. Auf ähnlicher Linie wehrt sich Petra Bahr (@bellabahr) in der Christ & Welt-Kolumne „Einübung ins Christentum“ gegen die Herrschaft der Zahlen in der Kirche. Beiden geht es darum, einen Freiraum jenseits der Quantifizierung zu schaffen.

Ich rede nun gewiss nicht planerischem Unsinn das Wort, aber im Anschluss an Bahr und Stokowski und den Psalter sei der Hinweis erlaubt: Was im Leben wirklich wichtig ist, als auch der eigentliche Zweck allen kirchlichen Handelns (der Glaube), ist menschlicher Planung weitestgehend entzogen.

Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf. (Psalm 127, 1-2)

Predigt

Familie anders – Margot Runge (Queerpredigen)

Pfarrerin Margot Runge sammelt auf ihrem Blog Predigten, Andachten und Anspiele (!), die ganz bewusst biblische Geschichten aus einer queeren Perspektive erzählen. 2004 erhielt sie für ihre Predigt über Markus 2,1-12 den Deutschen Predigtpreis. Heuer predigte sie am 13. Sonntag nach Trinitatis über Markus 3,31-35:

Jesus verweigert sich der Rolle des ältesten Sohnes. Er steigt aus den Traditionen einer patriarchalischen Gesellschaft aus. Er baut eine neue Familie. Eine geschwisterliche. In dieser Familie zählt, zu fragen, was Gott will. Das muss nicht heißen, sich mit der Verwandtschaft zu verstreiten. Aber richtig nahgekommen sind sich Jesus und die Seinen wohl nicht.

Ein guter Satz

„Tabletts im Gottesdienst!?! Wird das Abendmahl jetzt am Platz serviert oder was?“

eine angemessen ironische Reaktion von Martin Horstmann (@marthori) auf die neuerliche Diskussion darüber, ob Tablets im Gottesdienst genutzt werden sollten (im Anschluss an diesen epd-Artikel von Stephan Cezanne)