Hirtenimmunität – Die #LaTdH vom 26. April
Ein Nebeneinander von Ratlosigkeit und scharfen Binnendiskussionen um den Gottesdienst – was geht uns Corona an? Außerdem: Hoffnungstöne, Freestyle-Religion und Care-Revolution.
Debatte
Nach gut einem Monat „Lockdown“ gelten ab der heute beginnenden Woche leichte Lockerungen, etwa für den Einzelhandel. Doch während sich Möbelbauer und #CoronaEltern, Medien und Politiker eifrig an „Öffnungsdiskussionsorgien“ beteiligen, mahnt Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bisher erreichten Ziele bei der Eindämmung des Coronavirus nicht wieder leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Während der Jurist und Journalist Christian Rath (@Chr_Rath) in einem Kommentar im DeutschlandfunkKultur (@dlfkultur) darauf hinweist, dass die bisher geltenden „Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, der Religionsfreiheit und auch der Allgemeinen Handlungsfreiheit beispiellos“, aber nur vorübergehend seien, bedankt sich Dieter Schnaas (@dieterschnaas), Textchef und Autor der WirtschaftsWoche (@wiwo), in einem wirren Text bei Christian Lindner (@c_lindner) für dessen enthemmte Antwort auf Merkels Regierungserklärung, mit der der FDP-Vorsitzende die vermeintlich gelähmte „Diskursfähigkeit“ wiederbelebt habe:
Gerade jetzt, wenn sich das lineare Fortschrittsversprechen einer diesseitsgläubigen Moderne einmal mehr als Chimäre erweist und der pumperlgesunde Zuversichtszwang solutionismusfrommer Tech-Conferenciers am Fels des Schicksalhaften zerschellt (Thanks, Covid!), wenn die politischen Akteure sich uns als Hüter und Schäfer anbieten, obwohl wir merken, dass die „halykonischen Tage“ (sic!) nicht ewig währen und unser Sekuritätstraum ans Vermessene grenzte – gerade jetzt also kommt es darauf an, dass wir uns nicht nur als ängstliche, eingeschüchterte Wesen erfahren, die ihrer Regierung Gehorsam bezeigen und in beachtlicher Geschwindigkeit neue Choreografien der maskierten Distanz und Achtsamkeit einüben.
Von Maximilian Steinbeis (@MaxSteinbeis), der die „Stunde der Exekutive“ bisher in seinem Verfassungsblog (@Verfassungsblog) mit einer Reihe kritischer Beiträge aus juristischer Sicht begleitet hat, kommt indes unverhofftes Lob für die Kanzlerin („Wir schaffen das“) – verbunden mit einem konfessionskundlichen Erklärungsversuch:
Die protestantische Pflichtethik, die die Pastorentochter im Kanzleramt predigt, mag vielen auf die Nerven gehen. Dauernd müssen wir etwas schaffen, an unserer eigenen Vervollkommnung arbeiten, uns disziplinieren und streng gegen uns selbst sein. Wie verlockend erscheint da im Kontrast doch die rheinisch-katholische Durchwurstelei, das Verschieben der Abrechnung auf einen anderen Tag, weit genug entfernt, damit das Leben hier und jetzt ein angenehmes bleibt.
Müde. Warum ich als Pfarrer gerade ratlos bin – Sebastian Baer-Henney (Relevanzvakanz)
Pfarrer Sebastian Baer-Henney (@luthersoehnchen) reflektiert in seinem Blog „Relevanzvakanz“ seine Rolle als Hirte seiner Gemeinde in der Corona-Krise. Mit den angekündigten Lockerungen für Gottesdienste unter strikten Auflagen sei es nicht getan, zumal die von vielen ersehnte „Rückkehr zum Gewohnten“ eine Illusion bleibe. Aber auch die Suche nach „neuen Möglichkeiten“ drohe zu überfordern:
Ich würde gerne suchen. Aber ich bin so unglaublich müde. Müde davon, Kinder zu betreuen und gleichzeitig Gemeinde zu leiten. Müde davon, im Hintergrund Prozesse zu begleiten, deren Relevanz sich mir im Moment nur sehr bedingt erschließt, zum Beispiel die Besetzung von Ausschüssen, von denen noch gar nicht klar ist, wann sie wieder tagen werden – und mit welchem Ziel – mir ist vollkommen klar, dass Aufgaben erledigt werden müssen, aber die Kluft zwischen der Notwendigkeit dessen, was die Krise erfordert und der Notwendigkeit dessen, was die Institution erfordert, ist immens.
Müde bin ich auch von der Unsicherheit, vom ständigen Verharren im Ausnahmezustand, vom der Unplanbarkeit, von den gegensätzlichen Versprechen der Politiker, die gerne wieder Fußball spielen lassen wollen und zugleich vor dem Besuch von Kitas warnen. Woher soll da die Energie kommen, die Kirche neu zu denken? Ich weiß das grad nicht. Und daher schreib ich hier. Und hoffe. Und bete.
Show-Frömmigkeit? Freud und Leid am neuen kirchlichen Massen-Content – Bertram Jörg Schirr (TheoPop)
In seinem Beitrag bei Theopop (@TheoPop_de) ärgert sich Bertram Schirr darüber, dass „einige besonders gewiefte Meta-Pfarrer*innen und regulär-polemisierende Kirchenkritiker*innen mit höherer Lesenden-Reichweite“ so hart und ungnädig mit denen ins Gericht gehen, die mit „eiligst ausgehobenen YouTube-Kanälen und mittelprächtigen Instagram-Aktionen“ kirchliche Systemrelevanz unter Beweis stellen wollen:
Eigentlich hatte Jesus keine Lust auf den Schau-Aspekt. Eigentlich wollte er wohl, dass wir alleine klar kommen mit unserem Inneren und den anderen, ohne dass jemand uns was zeigen, erklären und beweisen muss. Das wird jetzt auch jeden Sinnfluencer und jede*n Online-Pastor*in angehen, wenn das Auferstehungsnarrativ vom zweifelnden Thomas unsere Schau- und Show-Frömmigkeit in Frage stellt. Aber – und das ist eben mein Punkt – wir sind eben nur Menschen und brauchen gute Bilder, bewegt und unbewegt, um unseren Glauben festzuhalten.
Gut oder nur gut gemeint? – Simon de Vries (Christ & Welt)
Als „unbarmherzig“ kritisiert Pastor Simon de Vries (@simondevries) in Christ & Welt (@christundwelt), dass die ersten Gehversuche vieler Gemeinden im Netz in den letzten Wochen oft belächelt worden seien:
Die vermutete kirchliche Filterblase, in der sich all dies abspielt, ist meiner Erfahrung nach zudem viel eher Anzeichen der analogen Kirche: In den letzten Wochen docken gerade über die sozialen Medien auf einmal Menschen bei uns an, zu denen wir als Kirchengemeinde zuvor keinen Kontakt hatten: Menschen, die den Wert von Kirche und deren Botschaft für die Gesellschaft und für sich selbst auf einmal wiederentdecken; […].
Wertschätzung durch das Internet – Ralf Peter Reimann (zeitzeichen)
Im Rahmen eines Praktikums am Sitz der United Church of Christ (@unitedchurch), einer kongregationalistischen Mainline-Kirche der USA, begleitete Ralf Peter Reimann (@ralpe), Internet-Beauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland (@ekir_de), vor einigen Jahren den Start einer „Online-Gemeinde“. Dabei kam die Frage auf, ob auch das Abendmahl online gefeiert werden könne. Schnell sei klar geworden:
Wenn sich Menschen online als Gemeinde Christi versammeln, dann kann natürlich auch in dieser Gemeinde – wie in jeder anderen Gemeinde auch – Abendmahl gefeiert werden. Anderenfalls wären diese online versammelten Menschen eben keine Gemeinde, sondern eine defizitäre Form christlicher Gemeinschaft.
Auch eigene gute Erfahrungen mit Online-Andachten oder Twitter-Gottesdiensten lassen Reimann die aktuelle Diskussion – etwa in Beiträgen von Volker Leppin, Horst Gorski oder Matthias Friehe oder auf @evangelisch_de – nur schwer nachvollziehen:
Dass es digitale Formen des Abendmahls auch gibt, verändert nicht die Praxis des Abendmahls in den Ortgemeinden. Was ich in der Diskussion vermisse: dass Menschen gefragt werden, wie sie ein digital gefeiertes Abendmahl erlebt haben und was es für sie bedeutet hat. Stattdessen wird dogmatisch postuliert und theologisch deduziert – so entfernt sich Theologie von der Realität der Menschen.
Abendmahl und Agape: Zu den liturgischen Möglichkeiten in der Krise – Volker Leppin (zeitzeichen)
In seiner Replik würdigt der Tübinger Kirchenhistoriker Volker Leppin zunächst die #DigitaleKirche-Debatten im Allgemeinen und den „lesenswerten Beitrag“ von Reimann im Besonderen. Nachdem in Karwoche und Osterfeiertagen viele „Online-Abendmahle“ gefeiert wurden, helfe kein „Jammern post festum“, sondern nur ein konstruktiver Umgang mit den geschaffenen Fakten:
Auch wo man, wie ich selbst, den Eindruck hat, dass reichlich Porzellan zerschlagen wurde, kann es nun nicht darum gehen, den Niedergang der Abendmahlskultur zu beklagen, sondern wir müssen die Scherben zusammenkehren und bedenken, wie wir künftig für solche Situationen theologisch und seelsorglich gewappnet sind.
Auch, weil „die mangelnde Vorsicht im Umgang mit Fragen der Ordinationstheologie im Blick auf die Ökumene mit der römisch-katholischen Kirche erheblichen Flurschaden anzurichten“ drohe (die Konflikte bei vergangenen Kirchen- und Katholikentagen sind unvergessen), plädiert Leppin für ein niederschwelligeres Angebot:
Die Coronakrise und auch andere Krisen, die auf uns zukommen können, sollten nicht die Macht haben, uns zu trennen, sondern sie sollten uns im Glauben und auch im Handeln vereinen. Wir haben die Möglichkeiten dazu, auch liturgisch, wenn wir uns auf die Form der Agapefeier besinnen, die auch unter Sonderbedingungen gefeiert werden kann, ohne in Spannung zu Bekenntnis und Kirchenordnung zu treten, und die zugleich ökumenisch gut anschlussfähig ist.
Ich rufe hiermit zum #abendmahlsstreik auf!
Leute und Kolleginnen* hört echt auf mit dem Mist. Nicht aus theologischen, sondern aus hygienischen Gründen. Und falls euch das nicht überzeugt um der „Kerngemeinde“=Risikogruppe willen.— knuuut 🚴 (@knuuut) April 24, 2020
Clericalism and the Pandemic – Fr. Jim Sabak OFM (PrayTellBlog)
Im römisch-katholischen Paralleluniversum der USA führten die strikten amtskirchlichen Beschränkungen in Bezug auf Gottesdienste und Sakramentenpastoral zu heftigen Aufwallungen vieler Priester, wie der Franziskaner Jim Sabak im „PrayTellBlog“ (@PrayTellBlog) berichtet. Für ihn offenbaren die Reaktionen problematische amtstheologische Vorstellungen und einen zu überwindenden Klerikalismus mancher Hirten:
Given some of the current trends identifying clerical ministry as a sacramental dispensary, this revelation is nothing new. More critically, though, it inadvertently betrayed a troubling view of ordained ministry and sacramental ministry. A curious form of pandemic clericalism that compels the ordained to attend to the needs of the faithful, but on their own terms. These terms seem to favor ritual enactment over context. (…)
Sind unsere Gottesdienstausfälle nicht fast Luxusprobleme? – Bischof Gerhard Feige (katholisch.de)
Der Druck auf den Staat zur Lockerung des Gottesdienstverbots hat nach anfänglichem Verständnis und „vorauseilendem Gehorsam“ der Kirchenleitungen zugenommen. Bischof Gerhard Feige findet den „wehleidigen oder kämpferischen“ Unmut jedoch irritierend. Der Oberhirte von Magdeburg glaubt nicht, dass Gottesdienste unter Auflagen heilsdienlich sind. Aus der Perspektive einer „doppelten Diaspora-Situation“ schlägt Feige in seinem Kommentar bei @katholisch_de nachdenkliche Töne an:
Sollten wir als Christen nicht eher verantwortungsbewusst und solidarisch mit dafür Sorge tragen, die lebensbedrohliche Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus einzudämmen und eine medizinische Überforderung unserer Gesellschaft zu verhindern, als ähnlich wie verschiedene Lobbyisten versuchen, unsere Partikularinteressen durchzusetzen?
Und sind gegenüber den Nöten und Leiden derer, die um ihr eigenes Leben oder das von Verwandten bangen müssen, die kaum noch eine wirtschaftliche Perspektive für sich sehen oder die im Einsatz gegen die Pandemie beruflich in vorderster Linie gefragt sind, unsere Gottesdienstausfälle nicht fast Luxusprobleme?
Mehr Spiritualität im Alltag – nicht nur in der Corona-Krise! – Roland Müller (katholisch.de)
Derzeit würden Gläubige mit Gottesdienst-Livestreams und Vorschlägen für Hausandachten überflutet. Doch viele könnten damit kaum etwas anfangen, glaubt Roland Müller (@roland_molitor). Er plädiert für mehr Spiritualität im Alltag:
Gerade jetzt in der Corona-Krise wird deutlich, dass viele Gläubige kaum Erfahrung mit dem privaten Gebet oder der Andacht in der Familie haben, die ironischerweise oft als Hauskirche gelobt wird. Die große Mehrheit der Katholiken ist in ihrer religiösen Praxis zu sehr auf die Sakramente fixiert, besonders auf die Feier der Heiligen Messe. (…) Doch aus der bloßen Feier der Eucharistie erwächst nicht unbedingt eine persönliche Gottesbeziehung. Diese wird vielmehr durch das alltägliche Gebet eingeübt und vertieft. Gerade das ist für viele jedoch eine Herausforderung, wenn oft selbst das Tischgebet nicht mehr gepflegt wird.
nachgefasst
Eine andere Wirtschaftsordnung ist möglich – Interview mit Ina Praetorius (kath.ch)
Die laut Selbstauskunft „postpatriarchale Denkerin, freie Hausfrau, Theologin und Autorin“ Ina Praetorius (@InaPraetorius) setzt sich schon lange für die Anerkennung von Care-Arbeit ein, die mehrheitlich von Frauen geleistet wird. Folgt auf die Krise die „Care-Revolution“?
Vera Rüttimann (@VRuttimann) hat Praetorius, Gründungsmitglied des Vereins „Wirtschaft ist Care“ und Betreiberin des „DurchEinAnderBlogs„, in ihrem Interview für das römisch-katholische Medienportal der Schweiz kath.ch (@kathch) danach gefragt:
Das vermeintlich allgemeingültige „freie Spiel von Angebot und Nachfrage“ funktioniert im Pflegesektor nicht. Zum einen, weil in vielen Köpfen noch immer die alte Vorstellung steckt, dass Frauen aus Liebe arbeiten und dass sie normalerweise einen Ernährer haben, also kein eigenes Geld brauchen. Diese Idee ist sehr langlebig und lässt sich ökonomisch grossartig ausbeuten. (…)
Die Bewegung für eine care-zentrierte Gesellschaft ist in den vergangenen Jahren erfreulich gewachsen, und zwar weltweit. Viele Leute wissen heute, dass wir nicht immer mehr kaufbare Dinge brauchen, sondern Wohlbefinden, Sicherheit und Sinn.
Buntes
Heiliger Geist und Zeitgeist – Christoph Markschies (FAZ)
Die erstmalige Ordination von Frauen zum evangelischen Pfarramt während des Zweiten Weltkriegs verdankte sich einer glücklichen Allianz von zeitlosen Wahrheiten und Gegenwartsbezügen. Dasselbe Muster lasse sich in der Verdrängung von Frauen aus kirchlichen Ämtern in der Spätantike beobachten – nur gingen Heiliger Geist und Zeitgeist damals eine durchaus unheilige Allianz ein, schreibt der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies (@markschies) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:
Es wäre für das ökumenische Miteinander der christlichen Kirchen – und damit für das christliche Zeugnis in der Welt – schon viel gewonnen, wenn man die Praxis, Frauen auf Kanzeln und an Altäre treten zu lassen, nicht nur als Teil der einen Geschichte der Christenheit, sondern ihrer gemeinsamen Gegenwart anerkennen würde. Sich so in versöhnter Verschiedenheit gelten zu lassen, wäre ein schönes Projekt für das geordnete Miteinander der christlichen Kirchen in den kommenden Jahren.
Zum digitalen Vorlesungsstart im #SoSe2020 wünscht #IxTheo Studierenden und Lehrenden der Theologie gutes Gelingen. Und denken Sie daran: #IxTheo bietet mehr als 100.000 Titel in #OpenAccess an. Nutzen Sie einfach die entsprechende Facette bei jeder Suche: https://t.co/mzYQgMkjZH
— IxTheo (@ix_theo) April 20, 2020
Playliste Grundrechte – Hans Michael Heinig (Uni Göttingen)
Online-Lernen braucht Unterbrechungen – Musik könnte helfen bei der Pausengestaltung, dachte sich der Göttinger (Staats-)Kirchenrechtler Hans Michael Heinig (@hmheinig) und bat auf Twitter um Vorschläge für Songs, die Bezug nehmen auf Grundrechte unserer Verfassung.
Für seine im Sommersemester 2020 startende Vorlesung „Staatsrecht II“ ist dank #Followerpower so eine Playlist zusammengekommen, die von „Queen – I Want To Break Free“ (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) und „R.E.M. – Loosing My Religion“ (Art. 4 Abs. 1+2) über „Frank Sinatra – Love and Marriage“ (Art. 6 Abs. 1) und „Geier Sturzflug – Bruttosozialprodukt“ (Art. 12) bis „Rolling Stones – Gimme Shelter“ (Art. 16a) reicht.
#Grundrechteplaylist: Hier jetzt die Spotify-Playlist
— @hmheinig (@hmheinig) April 20, 2020
Bibel
Psalmen im Angesicht des Virus: Krankheit, Sünde und „aber“ – Till Magnus Steiner (Dei Verbum)
Till Magnus Steiner (@TillMSteiner), römisch-katholischer Theologe und Alttestamentler lebt und arbeitet in Jerusalem. In Israel sind seit dem letzten Sonntag wieder öffentliche Gebete erlaubt. Bis zu 19 Personen dürfen sich in der Freiluft zum Gottesdienst versammeln – wenn zwischen den Gläubigen je zwei Meter Abstand eingehalten werden und alle Atemmasken tragen.
Wir leben in komischen Zeiten – in denen selbst das gemeinsame Gebet eine Gefahr sein kann. Nun erklingt in aller Öffentlichkeit wieder das unablässige Psalmengebet,
schreibt Steiner im Bibel Blog „Dei Verbum“ (@Verbum_Dei). In vielen Psalmen finde der Glaube Ausdruck, dass der Mensch das Urteil Gottes gegen ihn am Leib erfährt – dass seine Sünden ihm in die Schmerzen eingeschrieben sind:
In fast jeder Klage findet sich eine hoffende Erwartung und Zuversicht auf Rettung.
„Doch auf dich, HERR, habe ich geharrt; du bist es, der mir antwortet, Herr, du mein Gott.“ (Psalm 38,16)
Ein solches Gebet ist keine Frömmigkeitsübung. Es ist auch keine Annahme des Leids. Sondern es ist ein Gott herausforderndes Leben Coram Deo – in der Gegenwart Gottes.
Fast 1.200 Kapitel in Handschrift: Ein Schweizer Pfarrer und sein Corona-Bibelprojekt – Ueli Abt (Domradio)
Als der Lockdown sich abzeichnete, hatte der reformierte Pfarrer Uwe Habenicht aus St. Gallen eine Idee: Er rief Menschen dazu auf, Teile der Bibel abzuschreiben – so wie das Mönche des berühmten Klosters früher taten – und sich so in ihrer Isolation zu verbinden. Dahinter steckt ein neuer Ansatz von Spiritualität, den er „Freestyle Religion“ nennt.
Während es im effizienzgetriebenen Arbeitsalltag mit Copy-Paste, Scannen und Audio-Transkriptionsprogrammen darum geht, Abschreiben von Hand möglichst zu vermeiden, stehe beim Corona-Bibel-Projekt das Gegenteil im Vordergrund, so Habenicht:
Es geht um Verlangsamung, Körperlichkeit und darum, in der neuen, außergewöhnlichen Situation zu einem neuen Rhythmus zu finden.
Gut fünf Wochen später ist das ökumenische Projekt auf gutem Weg: Rund 1.000 der fast 1.200 Kapitel der Bibel seien an die Projektteilnehmer verteilt. Angesichts der bereits eingetroffenen Beiträge – teils mit eigenen Illustrationen und Kommentaren, im eigenen Dialekt oder in einer Fremdsprache – wurde schnell klar, dass das Projekt nicht nur als gedrucktes Exemplar öffentlich aufgelegt werden soll, sondern auch vollständig digitalisiert.
Predigt
„Hirte ohne Herde“ – Gemeinschaft in Zeiten von Corona (rundfunk.evangelisch.de / DLF)
Am „Sonntag des Guten Hirten“ feiert heute auch die Alt-Katholische Gemeinde Berlin (@AltKathBerlin) ihren Gottesdienst unter besonderen Bedingungen – wegen der Corona-Beschränkungen miteinander verbunden nur durchs Hören und Mitfeiern am Radio. Und so gemeinsam mit Hunderttausenden Menschen, die ebenfalls zuhören und mitfeiern. Die Eucharistiefeier findet diesmal nur in kleiner Besetzung in der Hauskirche „Maria von Magdala“ statt, in den Räumen eines ehemaligen Frisörsalons in einem Berliner Gründerzeithaus.
Die Predigt über Joh 1,1-10 hält Dekan Ulf-Martin Schmidt:
Nicht blinder Gehorsam führt uns auf die Weiden des erfüllten Lebens, sondern sehendes Nachfolgen, Vertrautheit und eine starke Beziehung zu dem, der unser Leben mit der Leidenschaft eines wahren „himmlischen Hirten“ in die Bahnen lenkt, die mehr verheißen, als wir erträumen können. Und das auch in Zeiten von Corona.
Kurz nach der Ausstrahlung im Deutschlandfunk (@DLF) wird die ganze Sendung auch zum Nachlesen und Anhören veröffentlicht. Ein schönes ökumenisches Zeichen übrigens, dass das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland (@Altkatholisch) regelmäßig diesen Sendeplatz von der Evangelischen Kirche zur Verfügung gestellt bekommt!
Aus jedem Ton spricht eine Hoffnung – Jens Balzer (DIE ZEIT)
Die „Zeichen der Zeit“ zu deuten, gelingt manchen Künstlern auch auf eine fast schon (zivil)religiöse Weise: Tocotronic (@tocotronic), die Meister der Isolationslieder, haben einen Song zur Corona-Krise (vorab)veröffentlicht. Das Lied „Hoffnung“ zeichne „ein erhabenes Bild der Gegenwart und menschlicher Gemeinschaft“, so der Pop-Kritiker und Band-Chronist Jens Balzer in seiner Rezension.
Ein guter Satz
Der ganze Scheiß begann mit der Kassenbonpflicht.
— Sebastian Leber (@Tieresindfreaks) April 21, 2020