Aha-Moment – Die #LaTdH vom 23. Mai

An Pfingsten weht der Geist, wo er will, zum Beispiel bei Leuten, die eine Portion Mut gut gebrauchen können. Außerdem: Priesterinnen-Jubiläum, Lehren aus Corona und #WCHSEN.

Herzlich Willkommen,

und schöne Pfingsten! Ich hoffe, Sie können die Feiertage nutzen und vielleicht schon die ein oder andere Corona-Lockerung genießen. Auch bei schlechtem Wetter haben wir hier einige Tipps zum Lesen, Anschauen und Anhören.

Natürlich geht es um Pfingsten und die fälschliche Bezeichnung als „Geburtstag der Kirche“. Einen Nachklapp zum Ökumenischen Kirchentag zeichnet Arno Frank in der ZEIT und Pfarrerin Clarissa Breu berichtet aus ihrem Alltag in Trauergesprächen. Ein Einblick, der mich noch einige Tage beschäftigen wird. Sie vielleicht ja auch?

Eine gute Woche wünscht
Jacqueline Bohrmann


Debatte

An diesem Wochenende feiern wir Pfingsten. Genauer gesagt die „Ausgießung des Heiligen Geistes“ und das Fest der Ökumene. Doch was bedeutet das und was feiern die Christen da genau?

Was ist eigentlich Pfingsten? – Benjamin Lassiwe (Der Prignitzer)

Einen ersten Einblick in das Pfingstfest und was dahinter steckt gibt Benjamin Lassiwe (@lassiwe).

„Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.“

Soweit die Apostelgeschichte. Der Berliner Professor für Antikes Christentum und Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Christoph Markschies (@markschies), beschreibt Pfingsten so:

„An Pfingsten feiern wir, dass eine Gruppe von verzweifelten Leuten plötzlich Mut bekommen hat.“

Das sei ein Aha-Moment gewesen, in dem einem ein Licht aufgeht. Im Rückblick auf den Ökumenischen Kirchentag ist Pfingsten auch immer ein Anlass, für mehr Ökumene zu beten. Zu Pfingsten besuchen sich verschiedene christliche Gemeinden gegenseitig und feiern das Fest oft zusammen.

Pfingsten ist nicht der Geburtstag der Kirche –  Philipp Greifenstein (Die Eule)

Auch unser Redakteur Philipp Greifenstein (@rockToamna) hat bereits im vergangenen Jahr hier in der Eule mit dem Pfingsfest beschäftigt und will es, anders als oft geschrieben und behauptet, nicht als Geburtstag der Kirche verstanden wissen.

Wer vom „Geburtstag der Kirche“ redet, läuft Gefahr die jüdische Herkunft des christlichen Glaubens unsichtbar zu machen, als ob es sich beim ersten Pfingsten um einen Evangelisierungs-Kongress gehandelt hätte.

Pfingsten sei vielmehr das Fest des Geistes, der weht, wo er will, und das Fest derjenigen, die wir auch heute allzu häufig nicht als Teil der Kirche wahrnehmen würden.

Warum wir Pfingsten heute nicht mehr als „Geburtstag der Kirche“ bezeichnen sollten – Antje Schrupp (efo-magazin)

Auch Antje Schrupp (@antjeschrupp) bläst in das gleich Horn. Weil „Kirche“ heute oftmals als Institution oder Gebäude verstanden wird, statt als Glaubensbewegung, sei die Formulierung eines Kirchengeburtstags falsch und irreführend.

Die Formulierung „Geburtstag der Kirche“ ist ja kein Glaubensdogma, sondern nur der Versuch, die Bedeutung von Pfingsten griffig auf den Punkt zu bringen. „Fest der Geistesgegenwart Gottes“ wäre vielleicht eine bessere Formel.

Die Frau ohne Eigenschaften – Clarissa Breu (anschläge.at)

Clarissa Breu gibt einen interessanten Einblick in ihren Alltag als Pfarrerin. Sie erzählt in ihrem Text von Trauergesprächen, die weitestgehend gleich ablaufen.

Die Frauen, die derzeit im hohen Alter sterben, werden zu einem erstaunlich hohen Prozentsatz mit denselben Attributen und Lebensläufen bedacht: Die Mama hat zwar eine bestimmte Ausbildung, manchmal sogar ein Studium, aber dann kamen die Kinder. Und sie hat halt so gern gekocht! Sie war immer für uns da, hatte stets ein offenes Ohr und hat uns sogar in der Nacht noch belegte Brötchen hingestellt. Ein Kollege, dem ich das erzähle, ergänzt: „Und ihren Garten hat sie so geliebt!“ Nicht nur ich mache also diese Erfahrung.

Wirklich schade, wenn in der Erinnerung lieber Menschen nicht mehr bleibt als die Gartenliebe und das Kümmern um die Familie.

nachgefasst

Bätzing: Synodaler Prozess und Synodaler Weg haben gemeinsames Ziel – Felix Neumann (katholisch.de)

Im Herbst 2023 findet die Bischofssynode in Rom statt. Eine solche Synode dürfe nicht als Meinungsumfrage missverstanden werden, sagte Papst Franziskus 2019. Trotzdem sei der Weg der Synodalität das, was Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwarte, schreibt Felix Neumann (@fxneumann).

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sieht den angekündigten weltweiten synodalen Prozess und den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland als „zwei verschiedene Wege, die ein gemeinsames Ziel haben“.

Für Bätzing ist die Ankündigung eines weltkichlichen synodalen Wegs ein starkes Zeichen für die Mitwirkung des ganzen Gottesvolkes. Papst Franziskus hingegen schränkt schon jetzt ein, dass eine Synode eben kein Parlament sei.

Buntes

#WCHSN – die wahre Story – Jörg Dechert (pixelpastor.com)

Für manche war es der Aufreger der Social Media-Woche, für andere war es nur ein Post zum Schmunzeln. Das Social Media-Team der ERF Medien (@ERFMedien_DE) hat mit seinem Bibelvers einen viralen Hit gelandet. Und das vor allem, weil der Post dazu so uneindeutig war.

Jörg Dechert (@pixelpastor) zeichnet die Ereignisse nach und klärt auf, dass das alles keine Berechnung war. Trotz der großen medialen Aufmerksamkeit, bei der der Spott nicht zu kurz kommt, zieht Dechert ein positives Fazit und plädiert dafür, Follower:innen auch mal kognitive Spannungen zuzumuten.

Ökumenischer Küchentag – Arno Frank (DIE ZEIT)

Es war sein erstes Mal auf einem ökumenischen Kirchentag. Und dann feierte Arno Frank seine Premiere direkt beim komplett digitalen Kirchentag der vergangenen Woche. In der ZEIT  berichtet er von Tonausfällen, Anmeldeproblemen und unkritischen Fragerunden:

Irgendwas ist anders, merke ich, irgendwas fehlt. Es dauert, bis die Nudeln gar sind, aber dann komme ich drauf. Die Moderation kennt keine kritischen Fragen. Jeder Satz ein serviler Steigbügelhalter. Konfrontation findet nicht statt.

Auch sonst lässt der Agnostiker Arno Frank kein gutes Haar an der digitalen Ausgabe des ökumenischen Kirchentags:

Wo der Kirchentag jedoch gelenkig sein müsste, schnell, aktuell, dialogisch, dort ist seine Behäbigkeit eine kommunikative Katastrophe.

Ein zentraler Zweck von Kirche und Kirchentag ist es, durch Verkündung eine Gemeinschaft („communio“) zu stiften, auch über größere Distanzen hinweg – eine im besten Sinne und buchstäblich kommunikative Tätigkeit, immer schon gewesen seit zwei Jahrtausenden. Nun scheint es, als scheiterten die Kirchen ausgerechnet am Digitalen, der Möglichkeit also, theoretisch wie praktisch den ganzen Weltkreis zu erreichen. Ein Gedanke, der mir ganz profan auf dem Klo kommt, wohin man diesen Kirchentag eben auch mitnehmen konnte.

Eine Außenwahrnehmung, die sich die Verantwortlichen des Ökumenischen Kirchentags zu Gemüte führen sollten. Denn wie Arno Frank schon sagt: Mit Weichspüler und Schongang gehen hartnäckige Flecken nicht raus.

Zwischen Impfchaos und Abstiegsangst – wer zahlt die Corona-Zeche? – Wir müssen reden (rbb)

Für das lange Pfingstwochenende kommt zum Abschluss noch eine Empfehlung zu einer Diskussionsrunde. Thema: Wird durch die Corona-Krise die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer? Eine spannende Auseinandersetzung zwischen u.a. einer Impfärztin, dem Leiter der Arche Berlin und einer alleinerziehenden Mutter in Kurzarbeit.

Theologie

25 Jahre Altkatholische Priesterinnen: Interview mit Angela Berlis – Simon Lukas (Christ in der Gegenwart)

Vor 25 Jahren war sie die Erste. Zusammen mit Regina Pickel-Bossau wurde Prof. Angela Berlis als erste Priesterin der Altkatholiken geweiht. Mit dieser Weihe sind die Altkatholiken vor 25 Jahren da angekommen, wo viele in der römisch-katholischen Kirche heute auch gern hinkämen. Im Interview berichtet Berlis aber, dass es auch heute noch nicht normal ist, dass Frauen einen altkatholischen Gottesdienst leiten.

Frauen fallen immer noch auf. Weil sie natürlich ihre eigenen Charismen einbringen, ihre eigenen Gedanken, ihre eigenen Erfahrungen. Dass Frauen in der Kirche sichtbar werden, insbesondere im Amt, darf kein Bonus sein, den man gnädigerweise gewährt. Es gehört einfach dazu.

Berlis hat in den vergangenen Jahren auch viel zum Themenfeld „Frau und Kirche“ geforscht. Über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse gibt es morgen eine Onlineveranstaltung. Von 17 Uhr bis 18.30 Uhr berichten Berlis und vier andere Priesterinnen und gehen ins Gespräch mit den Teilnehmenden. Teilnehmen kann jede:r, den Zoom-Link gibt’s direkt beim Bischöflichen Ordinariat.

Kommen Tiere in den Himmel? – Andreas Ruhsert (Christ und Welt)

Im Himmel gibt es keine Tiere. So ist zumindest die Auffassung der christlichen Lehre. Dass sich daran etwas ändern sollte, sagt die Theologin Simone Horstmann im Interview mit Andreas Ruhsert (@ARuhsert). Sie forscht an der Technischen Universität Dortmund zur Tiertheologie und untersucht, wie unser Leben mit der Gewalt an Tieren zusammenhängt. Beispielsweise nehme auch sie im Krankheitsfall ein Medikament, das sicherlich an Tieren getestet wurde.

Ein Großteil dessen, was wir wie selbstverständlich Tieren antun, ist nicht mehr notwendig. Es muss Aufgabe der Theologie sein, hellhörig zu werden, wenn Gewalt und Tod zur Notwendigkeit verklärt werden, egal, um welche Lebewesen es sich handelt.

In der Debatte um die Tierversuche etwa zeigt sich, wie theologische Opfer-Semantiken instrumentalisiert werden, um dem „Mythos von der erlösenden Gewalt“ zu huldigen, wenn es etwa heißt, Tiere würden sich für uns opfern oder ihr Leben für die Forschung hingeben. Gewalt an Tieren als Erlösungsgeschehen zu deuten liegt dem Christentum fatalerweise gleichermaßen nah wie fern.

Im Interview kritisiert sie vor allem den scheinbar normalen Umgang mit Tieren zu unserem Wohl. Als Beispiel führt Horstmann das Töten von 1,7 Millionen Hühnern pro Tag in Deutschland an.

Das zeigt zumindest mir: Begriffe wie „Biofleisch“ oder „Biometzger“ haben doch gerade die Funktion, das Gewissen angesichts dieser Monstrositäten zu beruhigen. Immerhin bedeutet das Präfix „Bio“ so viel wie Leben, und wenn man das weiß, dann muss man wohl sagen: Natürlich gibt es überhaupt kein „Biofleisch“. Fleisch ist immer „nekro“, also die tödliche Entscheidung gegen das Leben eines anderen.

Mit Blick auf das Buch Genesis wirft Horstmann die Frage auf was wäre, wenn nicht Tiere für uns, sondern wir für die Tiere geschaffen wurden.

WTF?! (5): Vielfalt in der Theologie – Michael Greder (Die Eule)

Und auch einen Hörtipp gibt es noch mit auf den Weg: Theologiestudent:innen aus Leipzig vermissen in ihrem Studium feministische, queere und post-koloniale Perspektiven und haben deshalb #theoversity (@theoversity) gegründet. Darüber reden Aline Ott und Kathrin Väterlein im „WTF?!-Podcast“ mit Michael Greder (@HerrVikarin).

Ein guter Satz

„Fragt nicht, was digital werden soll. Fragt, was analog bleiben muss.“

– Sascha Lobo (@saschalobo) in seiner Rede „Zur digitalen Lage der Nation“ auf der re:publica über die umgekehrte Beweislast als Lehre aus der Corona-Pandemie