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Asyl 24/7 – Die #LaTdH vom 3. Februar

Das Kirchenasyl steht auf dem Spiel. Polizei und Innenminister greifen zu handfesten Maßnahmen. Außerdem: protestantische Influencerinnen, 1 ältliches Mimimi und Regeln für Regelbrecher.

Debatte

In den Niederlanden darf die Polizei Gotteshäuser nicht betreten, in denen gerade ein Gottesdienst stattfindet. Mit einem Dauergottesdienst seit dem 26. Oktober hat die protestantische Bethel-Gemeinde eine armenische Familie vor der Abschiebung bewahrt. Die Familie Tamrazyan lebt seit 9 Jahren in den Niederlanden. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Aysl in der Kirche (@kirchenasyl) erklärt dazu:

Die nun überraschende Wendung geht auf eine Änderung der Regelung des sog. „Kinderpardons“ zurück, nach der Kinder, die in den Niederlanden geboren wurden, Anspruch auf Bleiberecht haben. Die Kirche hatte in den letzten Monaten immer wieder betont, dass das „Kinderpardon“ nicht angemessen angewendet würde. Durch die jetzige Neuregelung werden auch rund 600 weitere Kinder und ihre Familien Bleiberecht erhalten.

In Kirchgemeinden in Deutschland muss für ein erfolgreiches Kirchenasyl nicht durchgehend Gottesdienst gefeiert werden. Andauerndes Beten und Hinschauen kann aber nicht schaden:

Kritik an Durchsuchungen nach Kirchenasyl (epd, evangelisch.de)

Die nordrhein-westfälische Polizei hat Hausdurchsuchungen bei Pfarrer*innen der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR, @ekir_de) durchgeführt, sie folgten auf eine Anzeige des örtlichen CDU-Landrats „wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“. EKiR und BAG Asyl in der Kirche kritisierten das Vorgehen der Polizei umgehend. Die Kriminalisierung des Kirchenasyls schreitet voran. Absurd: Es ist gerade das Kirchenasyl, das dem Rechtsstaat auf die Beine hilft, weil so wenigstens in einigen wenigen Fällen die fehlerhaften Bescheide des BAMF korrigiert werden (wir berichteten).

Hausdurchsuchungen bei Pfarrer*innen und in Gemeinderäumen sind im Licht des Seelsorgegeheimnisses äußerst problematisch. Zeit, sich einmal zu informieren, wie man sich bei so etwas (auch) verhalten kann. Rechtsanwalt Udo Vetter (@udovetter) erklärt das in diesem Video und findet darüber hinaus bzgl. des aktuellen Falls:

„Razzien bei Geistlichen, die in ganz wenigen Fällen Kirchenasyl gewähren. Das zeugt doch eher für eine arbeitsmäßige Unterforderung mancher Staatsanwälte.“

„Systematische Entrechtungspolitik“ – Benedikt Kern befragt von Julia Reck (domradio.de)

Über neuere Entwicklungen der Rechtssprechung in Sachen Kirchenasyl hat Julia Reck vom Domradio mit Benedikt Kern von der BAG Asyl in der Kirche gesprochen. Die Gerichte folgen (wieder einmal, zum Glück) nicht der Einschätzung von Innenministern. Und Kern wird grundsätzlich:

Wir wünschen uns, dass dieses unsinnige Dublin-System endlich aufgehoben wird. Es trägt dazu bei, dass es einen Verschiebebahnhof innerhalb von Europa gibt, über den Menschen in inhumane Situationen abgeschoben werden. Es ist nicht in erster Linie die Frage, was die humanitär notwendigen Perspektiven in den jeweiligen Ländern sind, sondern es geht darum, Deutschland flüchtlingsfrei zu halten und alle Asylanträge in den Ländern an der europäischen Außengrenze zu behandeln.

Evangelische Kirche fördert Seenotrettung – Jonas Reese, Torsten Reschke (WDR)

Um Menschen im Mittelmeer vor dem Ertrinken zu retten, beteiligt sich die EKiR an der Finanzierung eines neuen privaten Rettungsschiffs. Das ist umso bedeutender, da Deutschland seine Beteiligung an der EU-Mission „Sophia“ ausgesetzt hat. Im Beitrag (ab 11:49 Min) kommt auch der Präses der EKiR Manfred Rekowski (@manfredrekowski) zu Wort:

„Wir wissen auch, dass wir mit Seenotrettung nicht alle Probleme lösen können. Aber es ist eben ein Versuch, Menschenleben zu retten. Und ich finde, das ist unsere Christenpflicht. Und da setzen wir uns dann durchaus auch den Diskussionen aus.“

Rettungswesten an Kirchtürmen in Dessau und Umgebung (Ev. Landeskirche Anhalts)

Seit heute Morgen hängen an mehr als zehn Kirchtürmen der Region und Stadt Dessau Rettungswesten. Damit soll die Arbeit der Organisation Seebrücke (@_Seebruecke_) unterstützt werden. (Und wir liefern gerne Bilder von der Aktion nach.)

Genau 40 Tage werden die Rettungswesten, dem Symbol der Bewegung, an den Kirchengebäuden hängen. Die Zahl 40 steht in der Bibel für eine Zeit der Besinnung und Umkehr. „Wir möchten zum Nachdenken über die aktuelle Flüchtlingspolitik anregen und mit den Menschen in der Region und in unseren Kirchen darüber ins Gespräch kommen. Das heißt nicht, dass wir gleich Lösungen präsentieren werden. Aber wir wollen uns angesichts der Not der Menschen nicht in unsere Häuser zurückziehen“, begründet die Dessauer Kreisoberpfarrerin Annegret Friedrich-Berenbruch die Entscheidung […]

Widerstandsbewegung – Wolf Lotter (brand eins)

Wenn an diesem Tag des Herrn nurmehr Zeit ist für einen einzigen Artikel, dann bitte diesen hier lesen! Wolf Lotter (@wolflotter) von brand eins (@brandeins) schreibt über die Regeln, die Regelbrecher beachten sollten, wenn sie Erfolg haben möchten. Gilt in Kirche und Politik, für das Digital und für Analogistan, die Asylpolitik und #digitaleKirche. Lotter kommt beim Querulanten-Papst Gunter Dueck (@wilddueck) an:

Wer nun glaubt, dass Dueck den Regelbrechern und Querdenkern empfiehlt, einen Guerillakrieg gegen „das System“ zu eröffnen, der irrt sich. Im Gegenteil: „Man muss keinen Krieg gegen die Regeln führen, das ist ja Quatsch. Man muss die Regeln ehren. Man muss sie respektieren. Auch und gerade dann, wenn man sie nicht einhalten will.“

nachgefasst

Wolfgang Huber: „Wir kommen als analoge Wesen auf die Welt“ – Interview von Hanno Terbuyken (evangelisch.de)

evangelisch.de-Portalleiter und Leiter Digitale Kommunikation „chrismon digital plus“ Hanno Terbuyken (@dailybug) hat von Altbischof Wolfgang Huber (@Prof_Huber) Anworten bekommen. Wir erinnern uns: Huber hatte auf die Reaktionen auf seine Fundamentalkritik an Twitter und den Sozialen Medien zunächst einfach gar nicht reagiert. Terbuyken konfrontiert den Ex-Ratsvorsitzenden nun mit den häufigsten Contra, die gegen seine Position erhoben wurden. Das ist erhellend zu lesen:

Glauben Sie, dass Menschen sich auf Twitter (und anderen sozialen Plattformen) nicht begegnen können?

Wolfgang Huber: […] Zur Begegnung von Menschen gehören zudem auch Gesicht und Körpersprache, Mimik und Stimme. Auch im digitalen Zeitalter bleiben wir deshalb analoge Wesen.

Die Fixierung der #digitaleKirche-Kritiker auf die Bewertung von „wahrer Begegnung“ ist erstaunlich. Was ist vollwertige und/oder gültige Begegnung? Was ist mit Blinden, Gehörlosen, Spastiker*innen, Stummen, Sprachlosen, Menschen mit Phobien, Menschen mit Autismus? Schließlich Menschen, die sich aus anderen Gründen nicht in die Kirche oder die Gemeinschaft der Glaubenden trauen? Leuten, die ihre Kirche und Community eben auch gern in der Hosentasche dabei haben wollen, weil sie unterwegs sind und nirgends schon angekommen?

Es ist ja tröstlich zu erfahren, dass Huber das persönliche Gespräch von Angesicht zu Angesicht vorzieht (was nie das Thema war), allerdings hat er auch keine Hürden zu überspringen, die ihm die Begegnung verunmöglichen (außer natürlich seinen vollen Terminplan). Nicht einmal „Milieugrenzen“. Wege zu Gott und Wege zum Menschen sind heute auch digital. Sie führen wie von Jerusalem nach Jericho herab (Lk 10, 25-37). Man kann auf ihnen unter die Räuber*innen fallen und Retter*innen finden. Und die geistliche Macht zieht achselzuckend vorbei.

#DigitaleKirche? Gated Community! – Lucas Wiegelmann (katholisch.de)

Wir nehmen ja ohnehin die „Standpunkte“ auf katholisch.de in schöner Regelmäßigkeit in die #LaTdH auf: Die Kommentator*innen machen es knackig und treffen häufig auch einen wunden Punkt. Lucas Wiegelmann (@wiegelmann), Vatikanist der Herder Korrespondenz, hat trotzdem durch eine hübsch verdrehte Aufnahme meiner Huber-Kritik („ältliche Bischöf*innen“) doppelt sichergestellt, dass sein Kommentar hier Eingang findet. Ja, so einfach ist das! Einfach zurückpampen, hier wird auf Kritik reagiert.

Doch auch Twitter-Apologeten werden zugeben: Soziale Medien stecken in der Krise. Und zwar genau wegen dieser Mischung aus Arroganz und Ausgrenzung, wie man sie Bischof Huber spüren ließ: Je triumphierender uncoole Stimmen niedergejohlt werden, desto abstoßender werden die Communitys.

Ich habe extra noch einmal die Diskussionen durchgezappt: Sicher wurden Hubers Aussagen auch durch den Kakao gezogen, weniger aus Arroganz denn aus Galgenhumor, weil man solche Einseitigkeiten von Denkmälern des analogen Zeitalters ja schon kennt. Aber Ausgrenzung? So häufig wie Huber zum Gespräch gebeten wurde und auch umarmt und verteidigt, ist das einfach Quatsch. Ich empfehle dringend Punkt 3 in meinem Troll-Artikel oder eine Beschäftigung mit dem Begriff „Derailing“. Was hier mit dem Begriff „Gated Community“ eingerahmt wird, ist unter den Schlagwörtern „Filterblase“ bzw. „Echokammer“ gerade in den Sozialen Netzwerken permanent Thema. Seit 2011.

Dass auch (Alt-)Bischöf*innen hier im Netz Widerspruch ernten und als die Gleichwertigen angenommen sind, die sie nach evangelischem Verständnis nun mal sind, ist gerade ein Vorteil des Netzes. Dass hier niemand als Autorität oder Experte gilt, weil er sich anderswo Meriten erworben hat, ist kein „robustes Mobbing“, sondern evangelische Freiheit. Die Hubersche Überraschung, wo hinein er mit seinem Twitter-„Schattenprofil“ geraten ist, könnte ja auch der erste Schritt auf einer gemeinsamen Entdeckungsreise sein.

Buntes

Studie: Influencer/innen bedienen Geschlechter-Klischees (Flurfunk)

Das Dresdner Medienblog Flurfunk (@flurfunkdd) berichtet über eine neue Studie der MaLisa-Stiftung zur „Weibliche[n] Selbstinszenierung in Sozialen Medien“. Die Studie untersucht Instagram, YouTube und Musikvideos – also für sich genommen schon einmal Medien, die mit der Macht der Bilder spielen. Als solche sind sie natürlich auch der Betätigungsbereich von Menschen, die vor allem gerne gesehen werden wollen (und eher nicht von ihrem queer-feministischen Engagement berichten).

53 Prozent der untersuchten Videos zeigte Frauen ohne Köpfe – also allein die körperlichen Merkmale. Mehr als die Hälfte aller Videos zeigte Künstlerinnen in Kleidung, die sie erotisieren oder sexualisieren. Auf Instagram seien besonders die Frauen erfolgreich, die dem Schönheitsideal „dünn und langhaarig“ entsprechen und sich dabei mit Mode, Ernährung und Beauty beschäftigen. Besonders Jugendliche faszinieren Influencerinnen (und Influencer) und betrachten diese sogar als Vorbilder. […] Beispiel: 100 Prozent (!) der (befragten) Mädchen, die der Influncerin Dagi Bee folgen, optimieren beispielsweise ihre eigene Haut.

Ein ganz anderes Frauenbild verkörpern zwei Frauen aus der evangelischen Kirche, die in der vergangenen Woche ihren großen Auftritt hatten. Nicht dadurch, dass sie sich feinsäuberlich ins Schaufenster stellen, sondern ihre Ideen, ihre Talente und Arbeit berühren die Leben vieler Menschen. Sie influencen, indem sie gängige Vorstellungen gerade in Frage stellen und nicht wohlgefällig bedienen.

Pastorin Birgit Mattausch: Eine besondere Frau Gottes – Birgit Timmerarens (F.A.Z.)

In der Frankfurter Allgemeinen porträtiert Birgit Timmerarens Pastorin Birgit Mattausch (@FrauAuge). Schon ein paar Tage her, seit dieser Woche auch online frei zu lesen. Dafür hätte sich der Kauf aber gelohnt! So ein Porträt hätten wir gerne auch in der Eule. Ne, richtiger: Solche Porträts hätte man gern selbst geschrieben. Und wer von der von mir hochverehrten Frau Auge bisher noch nichts mitbekommen hat: Dieses Porträt in Worten könnte leicht auch als Vorwort ihrer Werkausgabe fungieren, während das „alte Gemälde“ (O-Ton Petra Bahr), das dem Artikel mitgegeben ist, an die Pinnwand jeder Theologiestudent*innen-WG gehört.

Ein Jahr zuvor, so erzählt Mattausch die Episode, hatte sie den Schuh im Netz entdeckt. Halb Loafer, halb Hausschuh. Halb Straße, halb Wohnzimmer. Als wären Schuhe aus zwei Welten in der Mitte zerbrochen und vertauscht wieder zusammengefügt worden, um fortan weder hier noch dort zu passen. Einige Blogger und Journalisten schrieben, das Modell sehe aus, als kröche ein Langhaarmeerschwein in einen Pantoffel, als trete man auf ein Toupet, ein Eichhörnchen, ein Kuscheltier. Mattausch betrachtete den Straßenpantoffel und fand ihn absurd, ungeeignet und viel zu teuer. Er gefiel ihr sofort.

Carola Scherf: Bloggerin und Pastorin – Vivien Winzer (NDR)

Für den Norddeutschen Rundfunk porträtiert Vivien Winzer Pastorin Carola Scherf (@PastoraCara), das kann man sich in der NDR-Mediathek im Bewegtbild anschauen. Es geht um den Alltag einer Pastorin, die sich auch im Netz umtreibt, um analoge und #digitaleKirche.

Sie weiß, im Netz ist ihre Reichweite oft höher als auf der Kanzel.

Frau Scherf erreicht ihr u.a. auf ihrem eigenen Blog und auf Instagram – ist nämlich ne richtige Influencerin. So!

„Das Wunder von Moabit. Die Geschichte einer kirchlichen Auferstehung.“ – Tobias Faix (tobiasfaix.de)

Tobias Faix (@tobiasfaix) berichtet auf seinem Blog über die REFO im Berliner Stadtteil Moabit (@REFOMoabit). Ein Ort mit großer Geschichte, der von einem ganz neuen Kirchenmodell wiederbelebt wird. (Zuerst erschien der Beitrag in der Zeitschrift 3E.)

Ganz der EKBO zugehörig und gleichzeitig finanziell eigenverantwortlich – Ein guter Weg, um Teil der verfassten Kirche zu sein, und doch aufgrund der hohen Eigenverantwortung auch größtmögliche Freiheiten zu haben. Die REFO ist und bleibt eine Beteiligungskirche, fest im Stadtteil integriert. Vor allem durch die ehrenamtliche Arbeit von vielen trägt sie sich und verzichtet auf einen hauptamtlichen Pfarrer oder eine Pfarrerin.

Ein guter Satz

„Wir kommen auch nackt zur Welt.“

– Christoph Breit (@ChBreit, hier) & Michael Coors (@einwuerfe, hier)