Aufschub – Die #LaTdH vom 26. September

Der Papst gewährt Kardinal Woelki eine Auszeit vom Dienst, während die katholischen Bischöfe um Reformen streiten. Außerdem: Eine Umfrage, eine Nominierung und eine Intervention.

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Es war viel los diese Woche: Die deutschen katholischen Bischöfe haben sich zu ihrer Vollversammlung in Fulda getroffen und einige, für viele aber nicht genügend weitreichende, Entscheidungen getroffen. Bereits zuvor hatte Papst Franziskus ein Gespräch mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki geführt und danach entschieden, dass der Kardinal zwar im Amt bleibt, aber erst einmal eine Auszeit nimmt. Bekannt wurde diese Entscheidung Roms allerdings erst nach Ende des Bischofstreffens.

Außerdem geht es um die richtige Sprache, mit der wir sexuellen Missbrauch in der Kirche beschreiben sollten. Darum, warum Religion für einen Großteil der Deutschen nicht so wichtig scheint. Und dann ist ja auch noch Bundestagswahl.

Eine gute Woche wünscht
Jacqueline Bohrmann

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Debatte

Kardinal Rainer Maria Woelki darf im Amt bleiben, allerdings bekommt er eine geistliche Auszeit – so hat es Papst Franziskus entschieden. In einer Mitteilung hat der Heilige Stuhl diese Woche mitgeteilt, dass es keinen Hinweis darauf gab, dass Woelki im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs rechtswidrig gehandelt habe. Nachdem bereits der Hamburger Erzbischof Stefan Heße von Papst Franziskus verschont geblieben ist (s. #LaTdH von letzter Woche), darf nun auch der Kardinal weiter machen.

Franziskus wagt es wieder nicht –  Georg Löwisch (Zeit Online)

Georg Löwisch (@georgloewisch) zieht in seinem Kommentar für ZEITOnline ein ernüchterndes Fazit:

Und dass der Papst an ihm festhält, zeigt, dass der Vatikan sich immer weiter entfernt von der Welt.

Dass der Papst nach Kardinal Marx und Erzbischof Heße nun auch an Kardinal Woelki weiterhin festhält, wertet Löwisch als Angst vor dem Gesichtsverlust der katholischen Kirche.

Marx bleibt, Heße bleibt, Woelki bleibt. Wo bleibt das Vertrauen in die katholische Kirche? Franziskus wirkt wie einer, der am Herd vor einem Topf steht. Es brodelt, dampft und zischt. Der Mann am Herd legt einen Stahldeckel darauf, er schraubt ihn fest. Die Auszeit, die Woelki jetzt nehmen soll, ist das kleine Ventil, aus dem ein Teil der Hitze entweichen soll. Nur wenn der Kessel zu platzen droht, wird vielleicht noch mal neu darüber nachgedacht, ob der Kardinal aus der Auszeit wirklich zurückkehrt.

Aus Sicht der Kirche sei dieses Verhalten aber nachvollziehbar, denn um einen Bischof abzusetzen, brauche es ein kirchengerichtliches Verfahren, so Löwisch. Auch Woelki selbst habe immer versucht, sein Gesicht zu wahren. So habe er nur Fehler eingestanden, wenn ihm nichts anderes mehr übrig blieb und auch die angekündigte Auszeit stelle er nun so dar, dass sie seine Idee gewesen sei. Was dieses Vorgehen mit dem ohnehin schon schwindenden Vertrauen in die katholische Kirche macht, bleibt abzuwarten.

Alles soll beim Alten bleiben – Ulrich Pick (Tagesschau.de)

Auch Ulrich Pick spricht in seinem Kommentar für die Tagesschau (@tagesschau) von Konsequenzen, die die katholische Kirche nun tragen müsse – und das seien Kirchenaustritte. Er beschreibt die Entscheidung aus Rom als herbe Enttäuschung für viele Katholiken in Deutschland, mit der klar sei:

Alles soll beim Alten bleiben. Mit anderen Worten: Veränderungen sind unerwünscht und somit Reformen auch. Selbst wenn sie, wie hier in Deutschland, bereits lange ersehnt und zum Teil vorbereitet werden.

Auszeit und Bußzeit  – Annette Zoch (Süddeutsche Zeitung)

Noch einen Schritt weiter geht Annette Zoch in ihrem Kommentar für die Süddeutsche Zeitung (@SZ) und prophezeit der katholischen Kirche, dass sie eine Institution des Glaubens wird, der keiner mehr glaubt.

Dass Woelki sein Bischofsamt nicht mehr ausüben kann, wiegt schwerer als Vertuschungsvorwürfe in Missbrauchsfällen. Dies ist ein weiterer Schlag ins Gesicht der Opfer sexualisierter Gewalt. Was ihnen angetan wurde, zählt offenbar nicht so viel.

Die Apostolischen Visitatoren schickte Franziskus auch erst, nachdem sich der leitende Klerus des Erzbistums gegen Woelki gestellt hatte. Dass die Laien seit Monaten über eine Vertrauenskrise klagten, war nicht wichtig. Auch die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff bleiben.

Zoch sieht Kardinal Woelki als Gesicht der verkorksten Missbrauchsaufarbeitung innerhalb der Kirche. Wenn Bischöfe in ihren Predigten zu einer Wende aufriefen, reiche das nicht aus, auch die Spitze müsse mitmachen.

Papst Franziskus belässt Kölner Kardinal Woelki im Amt – Florian Breitmeier (NDR)

Für den NDR kommentiert Florian Breitmeier (@breitmeierf) das Kölner Geschehen. Wie auch Daniel Deckers in der FAZ sieht er den Bischof von Rom, Papst Franziskus, in der Verantwortung:

Klar ist, dass Franziskus in den kommenden Monaten abwarten kann, ob der erhoffte Versöhnungsprozess im Erzbistum Köln ohne Woelki überhaupt in Gang kommt oder ob dieser Prozess von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist, weil die Gläubigen eine Rückkehr des Kardinals partout nicht wollen. Sehr viel spricht für die zweite Variante. Es mag sein, dass der Papst den mächtigen Kardinal nicht einfach ohne ein zuvor eingereichtes Rücktrittsgesuch hart aus dem Amt befördern wollte und ihn zu neuen Überlegungen in der Auszeit bringen möchte.

Beim umstrittenen Limburger Bischof Tebartz-van Elst ordnete der Papst damals eine mehrmonatige Auszeit an, bevor er ihn endgültig aus Limburg abberief. Wie auch immer, zunächst heißt es aus Rom: Der Papst zählt auf Kardinal Woelki. Unter dem Strich muss man aber fragen: Auf wen bitteschön zahlt das am Ende ein?

nachgefasst

Diese Woche haben sich die deutschen katholischen Bischöfe zu ihrer Herbstvollversammlung in Fulda getroffen. Neben Wahlen standen wichtige Themen auf der Agenda.

Vollversammlung der Bischofskonferenz in Fulda beendet – Matthias Altmann und Björn Odendahl (katholisch.de)

Einen Überblick über die Ergebnisse der Vollversammlung der deutschen Bischöfe geben Matthias Altmann und Björn Odendahl auf katholisch.de (@katholisch_de).

Am aktuellen Verfahren bei den Anerkennungsleistungen für Betroffene sexualisierter Gewalt wollen die Bischöfe demnach grundsätzlich festhalten. Die Bearbeitungsdauer soll aber verkürzt und die Leistungshöhe erhöht werden. Die Bischöfe haben sich außerdem auf eine Standardisierung der Personalaktenführung von Klerikern geeinigt.

Die Personalaktenordnung (PAO) soll demnach als diözesanes Gesetz möglichst wortlautidentisch in den Amtsblättern der (Erz-)Diözesen veröffentlicht werden und zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Damit können Missbrauchsbeschuldigungen künftig in allen Diözesen verbindlich, einheitlich und transparent dokumentiert werden. Die Standardisierung der Personalaktenführung war eine der Verpflichtungen, die die deutschen Bischöfe im Anschluss an die Veröffentlichung der MHG-Studie eingegangen sind.

Die Vollversammlung will Anfang November neue Leitlinien zur Jugendpastoral veröffentlichen. Das Papier soll Bischöfen helfen, die veränderte Lebenswirklichkeit junger Menschen besser zu verstehen. Außerdem waren Perspektiven für Afghanistan und der Dialog zwischen der katholischen Kirche mit dem Judentum Themen auf der Herbstvollversammlung.

Ein zusammenfassendes Video der Versammlung der deutschen Bischöfe in Fulda hat die Hessenschau (@hessenschau) veröffentlicht.

Neuwahl der Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz – Felix Neumann und Christoph Brüwer (katholisch.de)

Stühle rücken bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK): Sieben der insgesamt 14 Kommissionen haben seit dieser Woche einen neuen Vorsitzenden. Damit wurde auch ein Generationenwechsel eingeleitet, schreiben Felix Neumann (@fxneumann) und Christoph Brüwer (@chrisbruew). Die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter wurden für eine Amtszeit von fünf Jahren neu gewählt. Wer genau in den verschiedenen Kommissionen ab jetzt das Sagen hat, hat katholisch. de hier aufgelistet.

Sexueller Missbrauch oder sexualisierte Gewalt? – Ute Leimgruber und Doris Reisinger (feinschwarz.net)

Die Professorin für Pastoraltheologie und Homiletik Ute Leimgruber und die Theologin Doris Reisinger (@ReisingerWagner) setzen sich in ihrem Text auf feinschwarz.net mit der Sprache rund um den sexuellen Missbrauch in der Kirche auseinander. Der Begriff „sexueller Missbrauch“ sei im deutschen Sprachraum am weitesten verbreitet und werde auch in Bezug auf die Kirche meist verwendet.

Zum einen hält sich hartnäckig der Verdacht, die Rede von sexuellem Missbrauch von Personen setze logisch die Möglichkeit eines sexuellen Gebrauchs von Personen voraus. Zum anderen klingt „Missbrauch“ angesichts der Schwere der Taten manchen zu harmlos im Vergleich mit anderen Begriffen wie insbesondere „Gewalt“.

Daraufhin machen die Autorinnen den unterschied zwischen sexueller und sexualisierter Gewalt klar. Sie plädieren für die Beibehaltung der drei verschiedenen Begrifflichkeiten, um verschiedene Taten voneinander abzugrenzen und die Betroffenen und deren Leid sichtbarer zu machen.

Die ausschließliche Rede von „sexualisierter Gewalt“ hingegen würde verkürzend nur Handlungen umfassen, in denen es zu einer intentional offenkundigen Gewaltanwendung kam und ließe gerade diejenigen Taten außer acht, die in der Kirche besonders oft auftreten und einen „spezifisch katholischen Geschmack“ besitzen: Wenn es vor dem sexuellen Missbrauch einen spirituellen Missbrauch gab, und wenn Täter ihren Vertrauensstatus als Priester bzw. Seelsorgende zum eigenen Lustgewinn missbraucht haben.

Buntes

Kirche = konservativ = Union: Das stimmt längst nicht mehr – Malte Lehming (Tagesspiegel)

Je häufiger jemand in die Kirche geht, desto wahrscheinlicher wählt er oder sie die Union. Das ließ sich lange Zeit beobachten und die Studie „Religiosität und Wahlverhalten – eine repräsentative Untersuchung“ der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem vergangenen Jahr bestätigte dies noch einmal. Doch ganz so einfach scheint es bei dieser Bundestagswahl nicht mehr zu sein. Denn vor allem die Grünen verfolgen in ihrem Parteiprogramm viele Ziele, die sich auch die Kirchen gesetzt haben.

Im Jahr 2018 veröffentliche die Deutsche Bischofskonferenz unter der Überschrift „Schöpfungsverantwortung als kirchlicher Auftrag“ Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung. Gefordert wird, die Verantwortung für die Schöpfung in Gottesdiensten zu thematisieren, angemahnt werden ein nachhaltiges Wirtschaften und ein umweltverträgliches Gebäudemanagement.

Mit der evangelischen Kirche ist die Schnittmenge sogar noch größer, meint Malte Lehming (@MalteLehming) in seinem Tagesspiegel-Kommentar. Egal ob Friedensbewegung, Anti-Atomkraft-Bewegung, Flüchtlingskrise, im Kampf gegen den Klimawandel oder bei der Bio-Ethik – die Ziele sind dieselben.

Mit seiner Unterstützung der Ehe für alle könnte Armin Laschet nun „konservative Katholiken verprellen, deren Loyalität zu den Unionsparteien lange Zeit legendär war“, so Lehming weiter. Er habe damit das Signal gesendet, dass zwischen Katholizismus und liberaler Familienpolitik und Sexualmoral kein Widerspruch bestehe.

Mehrheit der Deutschen hält Religion für unwichtig (Deutsche Welle)

In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov kam heraus, dass gerade einmal 33 % der Deutschen angeben, dass ihnen Religion „wichtig“ oder „sehr wichtig“ sei. Und das obwohl noch rund 51 % Mitglied der evangelischen oder katholischen Kirche sind.

61 % der Befragten gaben sogar an, Religion sei ihnen nicht oder sogar überhaupt nicht wichtig. Die Institution Kirche verliere außerdem an Bedeutung, vor allem anderen Institutionen gegenüber.

Nur eine kleine Minderheit der Menschen in Deutschland glaubt, dass die Welt durch Religion gerechter wird. Zwölf Prozent der Befragten finden, dass Religionen eher positiv oder positiv zu einer gerechteren Welt beitragen. Keine andere abgefragte Institution erhielt dabei niedrigere Werte. 33 Prozent sehen diesen (eher) positiven Beitrag bei Nichtregierungsorganisationen, 30 Prozent bei den Vereinten Nationen und 27 Prozent bei der Europäischen Union.

Die Umfrage wurde von der Stiftung Friedensdialog (@ringforpeace) in Auftrag gegeben, die das friedliche Zusammenleben der Religionen fördern will. Anfang Oktober veranstaltet sie eine Konferenz zum Austausch zwischen jungen und alten Generationen in Religionsgemeinschaften.

Netzgemeinde da_zwischen. Nominiert in der Kategorie „Sozial Handeln“ (Smart Hero Award)

Die Netzgemeinde da_zwischen (@da_zwischen) ist für den Publikumspreis des Smart Hero Awards in der Kategorie sozial Handeln nominiert. Der Smart Hero Award kürt Projekte, die sich mit Hilfe sozialer Medien für unsere Mitmenschen, unsere Umwelt und unsere Gesellschaft einsetzten. Die Netzgemeinde begleitet mit ihrer digitalen Glaubensverkündung Menschen in ihrem Alltag und teilt Glaubenskommunikation per Messenger-Dienst. Bis zum 8. Oktober kann abgestimmt werden.

Theologie

„Ich wäre gerne Theologin geworden, aber nicht unter diesen Umständen.“ – Projektteam der Jungen AGENDA (feinschwarz.net)

Ein Projektteam der Jungen AGENDA (@JungeAGENDA) sucht Geschichten und Lebensläufe von Theologinnen, die an der wissenschaftlichen Theologie „gescheitert“ sind. So wollen die Autorinnen Gründe aufzeigen, woran es liegt, dass vor allem junge Frauen keine berufliche Zukunft für sich in diesem Bereich sehen. Als erstes Beispiel berichtet die Theologin Anna Kontriner:

Es gab kein Ereignis, das mein Scheitern markiert hätte; ich hätte auch noch Möglichkeiten gehabt, im Bereich der Theologie oder der Kirche weiterzuarbeiten. Aber mir ist im Laufe der Zeit sehr klar geworden, dass ich in dem Bereich mittelfristig keine Perspektive habe, und da habe ich den Zeitpunkt, an dem ich gehe, lieber gleich selbst bestimmt.

Ein guter Satz

„Vertrauen ist für alle Unternehmungen das große Betriebskapital, ohne welches kein nützliches Werk auskommen kann. Es schafft auf allen Gebieten die Bedingungen gedeihlichen Geschehens.“

– Albert Schweitzer