Brücken bauen?! – Die #LaTdH vom 2. März
Nach der Bundestagswahl analysieren Kirchen und Christ:innen die Ergebnisse: Könnte eine kleine „GroKo“ sogar ganz nützlich sein? Außerdem: CDU-Kirche-Connections, Ukraine-Update und ein Schwurbler als Papst-Nachfolger?
Herzlich Willkommen!
Mit dem Aschermittwoch beginnt die Passionszeit vor Ostern und auch in diesem Jahr kreuzt die Frage auf, ob und was man dieses Jahr sinnvoll fasten kann. Ich führe die bleibende Begeisterung für das Fasten und auch das Pilgern ja darauf zurück, dass viele Menschen sich ein gutes Gefühl dafür erhalten haben, dass unser übliches Konsumverhalten irgendwie entgleist ist. Sei es beim Futtern, bei der Social-Media-Zeit oder eben beim Reisen: Im Hinterkopf meldet sich der Restverstand und fragt leise: „Braucht’s das wirklich?“
Damit ist natürlich auch die Frage aufgerufen, was es zum guten Leben überhaupt braucht; also nicht nur die Frage nach der Auskömmlichkeit gestellt, sondern danach, was es dafür unbedingt braucht. Der Fastenaktionen, -Briefe und seelsorglichen Begleitaktionen ist darum kein Mangel. Dabei meint ja Fasten vor allem erst einmal Verzicht und nicht ein „Mehr“. Aber darüber setzen sich nicht nur evangelische Fastenaktionen seit Jahren beharrlich hinweg.
Wenn der Verzicht, der „Weg in die Wüste“ vor allem einen gelegen kommenden Ausstieg und Rückzug meint, sollte man wohl auch skeptisch werden. Was ist, wenn die „Wüste“, in der wir uns bewähren müssen, schlicht der Alltag ist? Vielleicht kann ja die Fastenzeit ein Anlass sein, grundsätzlich nach Sinn und Unsinn unserer Diäten und Gewohnheiten zu fragen. Nicht nur beim Futtern, so habe ich mir sagen lassen, kommt es ja auf die langfristige und nachhaltige Umstellung des Speiseplans an.
Wenn Sie also in den kommenden Wochen bis Ostern auf Social-Media-Plattformen verzichten wollen, was ich sehr (also wirklich: sehr) gut verstehen kann, dann am besten nicht nur als heilsame Unterbrechung Ihres Social-Media-Nutzungsverhaltens, sondern als dessen segensreiches Ende. Überlegen Sie mal, wie viel Zeit und Lebensqualität sie womöglich gewännen, wenn Sie die Zeit, die sie mit Doomscrolling, Micro-Videos und Reply-Guys totschlagen, zum Beispiel mit qualitätvollen Nachrichten und Debatten verbrächten! Ein Abschied von Instagram, Facebook & Co. bedeutet nicht automatisch einen Abschied von der Teilhabe an der digitalen Gesellschaft, sondern vielmehr ein mündig werden.
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Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
Debatte
Deutschland hat gewählt. Ganz Deutschland? Nein. Wie ich schon in den #LaTdH vom vergangenen Sonntag schrieb, sind ganz und gar nicht alle Menschen in Deutschland an die Wahlurnen der Bundestagswahl gerufen gewesen. Knapp 23 Millionen Menschen, die in Deutschland leben, waren aus guten oder weniger guten Gründen von der Wahl ausgeschlossen. Und ich rede nicht von den Auslandsdeutschen, die gerne per Briefwahl gewählt hätten, sondern von unseren Kindern und Jugendlichen, Kranken und Alten, Menschen mit Behinderungen und natürlich von den vielen Menschen, die sich dauerhaft in Deutschland aufhalten, sich aktiv an der Gesellschaft beteiligen, gute Nachbar:innen und Bürger:innen, aber eben keine Staatsbürger:innen sind.
Vielleicht geht mir diese bleibende Ungerechtigkeit des Zugangs zur Wahl auch besonders auf den Zeiger, weil ich hier im Norden Thüringens die Folgen einer sich verengenden Wähler:innenschaft deutlich spüre: Wo überdurchschnittlich viele Männer, viel zu wenig junge Menschen und Migrant:innen und viele „biodeutsche“ Wohlstandsverängstigte leben, da reüssierte bei der Bundestagswahl die AfD.
Das ist, aus bekannten Gründen, vor allem im Osten der Republik der Fall, wo die AfD unangefochten stärkste Kraft wurde (teilweise mit Wahlkreisergebnissen über 40 Prozent). Aber auch im Westen ist die AfD in vielen Regionen mindestens einmal zweitstärkste politische Partei geworden und in „Brennpunkten“ wie Kaiserslautern und Gelsenkirchen sieht’s noch drastischer aus.

Karte Zweitstimmen – Zweitstärkste Kraft 2025 der „Tagesschau“
Sich mal ausführlich mit dem Ergebnis der Bundestagswahl jenseits von „Gewinner/Verlierer“-Gerede und schiefen historischen Vergleichen zu befassen, kann nicht schaden. Bei der „Tagesschau“ der ARD kann man sich eine große Vielfalt unterschiedlicher Karten anzeigen lassen und auch einzelne Regionen und Wahlkreise studieren. Ich tät mich ungemein freuen, wenn das auch in den Kirchenämtern einmal geleistet würde. Dann wäre es nämlich sehr wohl möglich gut regionalisiert zur Wahl und den kommenden Herausforderungen, zu sprechen und nicht im allgemeinen Betroffenheitsjargon hängen zu bleiben, gerade im Blick auf den Rechtsruck in der Gesellschaft.
Ein gutes Beispiel für solche im Ungefähren bleibenden kirchenleiterischen und -amtlichen Verlautbarungen ist das traditionelle Lob der Wahlbeteiligung, ohne das BischöfInnen und Pressestellen offenbar nicht auskommen. Bei dieser Bundestagswahl ist die Wahlbeteiligung tatsächlich stark gestiegen (2021: 76,6 %, 2025: 82,5 %). Es ist und bleibt aber doch entscheidend, wer wählen darf und was gewählt wird und welche guten oder abgründigen Gründe für Wahlentscheidungen identifiziert werden können. Nicht jede Wahl ist gleich gut.
AfD verdoppelt ihr Ergebnis unter Christen – Philipp Greifenstein (Die Eule)
Auf Grundlage der Nachwahlbefragung der Forschungsgruppe Wahlen (die vor allem für das ZDF tätig ist), haben in dieser Woche alle christlichen Medien des Landes über die Wahlpräferenzen der Christen und Konfessionslosen berichtet. Am Tag nach der Wahl hatte die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) die grundlegenden Daten erfragt. Für meine Wahlanalyse in der Eule haben wir eigene Grafiken erstellt, die auch auf die Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen für die Bundestagswahlen der letzten Jahre zurückgreifen. So werden einige Entwicklungen doch noch einmal deutlicher.
Die AfD hat ihr Ergebnis unter Christ:innen im Vergleich zu 2021 verdoppeln können. Dabei bleibt auffällig, dass Konfessionslose der AfD noch ein wenig mehr zustimmen als Christ:innen (katholisch: 18 %, evangelisch: 20 %, konfessionslos: 24 %). Ganz wirkungslos sind konfessionelle Politikvorlieben und auch die Warnungen der Kirchen vor der AfD offenbar doch nicht, wenngleich sie vor allem Menschen mit hoher Kirchenbindung erreichen, von denen es bekanntlich immer weniger gibt, die auch noch immer älter werden. Der Jugendwahltrend DIE LINKE spiegelt sich im Wahlergebnis unter Christ:innen zum Beispiel kaum wieder.
Ihren Wahlerfolg von 28,5 Prozent verdanken die Union und ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) jedenfalls in erheblichem Ausmaß den katholischen Wähler:innen, die mit 39 % signifikant häufiger christdemokratisch- oder -sozial wählten (evangelisch: 29 %). Das spielt in den zahllosen Wahlanalysen und Kommentierungen der vergangenen Tage in den großen Medien nach meinem Eindruck eine eher untergeordnete Rolle. Trauen wir uns Religion in der Politik schon nicht mehr zu?
Insgesamt zeigt sich eine hohe Ausdifferenzierung der Wahlvorlieben von Christ:innen. Anders als in der Gründungszeit der Bundesrepublik oder in anderen Ländern lässt sich keine typische christliche, katholische oder evangelische Wahlentscheidung aus den Daten ableiten. Vielmehr verlieren traditionelle konfessionelle Parteivorlieben weiterhin an Bedeutung für den Wahlausgang.
Das liegt auch am demografischen Wandel: Die Kirchenbindung ist bei älteren Menschen deutlich stärker als bei jüngeren Menschen. Je jünger Menschen in Deutschland sind, desto seltener fühlen sie sich einer Kirche zugehörig. Das starke Abschneiden der Union bei älteren Wähler:innen korreliert mit ihrer im Vergleich zur Gesamtbevölkerung stärkeren kirchlichen Bindung.
RE: Februar 2025 – Bundestagswahl-Analyse – Michael Greder und Philipp Greifenstein (Die Eule, 56 Minuten)
Die Wahlanalyse haben wir in dieser Woche auch im Monatrückblick „Eule-Podcast RE:“ verlängert. Mit Michael Greder habe ich über das Bundestagswahlergebnis, den Osten, die AfD und die Zukunft der Christdemokratie gesprochen. Im zweiten Teil haben wir dann auch die Wahlpräferenzen der Christ:innen in den Blick genommen – und noch einmal geklärt, wie die Kritik aus den Kirchen an den (Bundestags-)Manövern von Friedrich Merz gemeint war und was sie bewirkt oder eben gerade nicht bewirkt hat.
Die Union sucht nach dem richtigen Umgang mit der AfD, die nicht nur im Osten dabei ist, die Christdemokratie zu zerstören. Das Wahlergebnis der LINKEN zeigt: Man muss nicht rechtsradikal werden, auch wenn die Lage schwierig ist. Und wie steht es eigentlich um die SPD Michael und Philipp schauen in die Zukunft: Was können wir von der „Groko“ aus CDU/CSU und SPD auf dem Feld der Religions- und Kirchenpolitik erwarten? Wie kann der Kampf für die Demokratie und gegen Autoritarismus und Ressentiment gelingen? Am Ende der Episode gibt es natürlich auch wieder eine gute Nachricht des Monats.
Und in meiner aktuellen (und insgesamt 50.) zeitzeichen-Kolumne habe ich mich am Freitag dem Schicksal der SPD gewidmet, die heftig abgestraft wurde und doch gebraucht wird: „Kopf hoch, SPD!“ Ebenda wagt Stephan Kosch „ein paar Prognosen“ für die Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD und die beginnende Legislatur: „Es gibt viel zu tun“.
„Es muss Kompromisse geben“ – Fragen an Anja Esch von Martina Hahn (Brot für die Welt)
Bei Brot für die Welt gibt Anja Esch, Gruppenleiterin Lobbykoordination und Dialog des evangelischen Hilfswerks, knappe Antworten auf dringende Fragen, zeigt sich aber auch „hoffnungsstur“. Der Blick auf die internationale Entwicklungszusammenarbeit ist wegen des Zusammenstreichens der US-Entwicklungshilfe (USAID) durch die Trump-Regierung dringend notwendig.
Nicht nur der neue Deutsche Bundestag und die Bundesregierung, sondern auch Christ:innen und Kirchen aus Deutschland sind hier besonders gefordert. Millionen von Menschen mit HIV sind zum Beispiel konkret bedroht. Insgesamt droht eine humanitäre Krise, deren Ausmaß mit der Corona-Pandemie durchaus vergleichbar ist.
Deutschland muss jetzt, da die Auslandshilfen der USA wegbrechen, Verantwortung übernehmen. In fünf Jahren wird die Welt beurteilen, inwieweit wir es geschafft haben, niemanden zurückzulassen – so lautet das Versprechen der Agenda 2030. Damit wir dieses Ziel erreichen, haben Brot für die Welt und Misereor gemeinsam ein Positionspapier erarbeitet, das wir in diesen Tagen an die politischen Entscheidungsträger*innen schicken.
In diesem Papier benennen wir auch klar weitere politische Forderungen. Etwa, dass die künftige Regierung fiskalische Spielräume nutzt: Dass sie vermögensbezogene Besteuerung von Superreichen einführt sowie klimaschädliche Subventionen abbaut. Und dass das Entwicklungsministerium, das seit 1961 eigenständig ist, auch eigenständig und finanziell gut ausgestattet bleibt!
Das gemeinsame Positionspapier von misereor und Brot für die Welt gibt es hier als PDF. Es kommt jetzt auch auf die Christ:innen in der Politik an, dafür zu sorgen, dass dringend notwendige Hilfen nicht an die Wirtschaftsinteressen Deutschlands allein gebunden werden. Das wäre in einer „America first“-Welt katastrophal. Am Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hatte die Union im Wahlkampf erhebliche Zweifel geäußert. Im Wahlprogramm heißt es u.a.:
Wir sorgen dafür, dass sich unsere internationale Zusammenarbeit gezielt an den strategischen Wirtschaftsinteressen Deutschlands orientiert. Außenwirtschaftsförderung und Entwicklungszusammenarbeit verzahnen wir dazu besser.
Übrigens haben libertäre und konservative Akteur:innen in Deutschland ihre Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit auf dem Weg eines transatlantischen Informationstransfers von der „Make America Great Again“-Bewegung Donald Trumps und insbesondere aus dem „Project 2025“ der Heritage Foundation übernommen. Christdemokrat:innen sollten hier also maximal hellhörig werden, was ihnen da eingeflüstert wird. (Einen Überblick über die Positionen des „Project 2025“ zur Entwicklungszusammenarbeit hat Karen Mathiasen für das Center for Global Development (CGD) angefertigt (auf Englisch).)
Kirchen-Lobbyist Jüsten: Mit der AfD suchen wir das Gespräch nicht – Interview mit Prälat Karl Jüsten von Robert Boecker (Kirche + Leben)
Prälat Karl Jüsten, der Leiter des Katholischen Büros bei Bundesregierung und Bundestag, stand nicht nur in den vergangenen Wochen im Fokus der Debatte von Kirchen und Union, sondern bleibt auch weiterhin Botschafter seiner Kirche im politischen Berlin. Bei Kirche + Leben erzählt er, wie er die Lage nach der Bundestagswahl einschätzt:
Haben Sie zu allen Parteien gleich gute Kontakte?
Ja, natürlich sprechen wir über unsere Anliegen mit fast allen Parteien. Die unterschiedlichen Ausrichtungen oder Schwerpunkte der Parteien spiegeln sich dabei sicher auch in unseren Gesprächen. Unsere Anliegen stoßen dann mitunter auf ein unterschiedliches Echo. Mit deutlicher Zurückhaltung begegnen wir der AfD, weil sie ein Menschenbild vertritt, das nicht mit dem christlichen in Übereinstimmung zu bringen ist. Hier suchen wir das Gespräch nicht.
Das politische Geschehen in Berlin ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind die Bischöfe, in deren Auftrag Sie tätig sind. Fühlen Sie sich vom Episkopat immer getragen?
Ja, ich bin in einem guten und regelmäßigen Austausch mit den Bischöfen. Deshalb glaube ich, ist es mir noch immer gelungen, die inhaltlichen Positionen entsprechend des Auftrags des Katholischen Büros zu vertreten. Wenn es in einem seltenen Fall Fragen bezüglich unserer Vorgehensweise gibt, dann sprechen wir selbstverständlich darüber.
Seit Freitag führen Union und SPD Gespräche über eine neue Regierungskoalition. An die neue kleine „GroKo“ haben auch die Kirchen Ansprüche, äußern Wünsche und Erwartungen. Mit Blick auf ihre Eigeninteressen bei Staatsleistungen und kirchlichem Arbeitsrecht sowie auf zentrale anwaltschaftliche Anliegen von Kirchen und kirchlichen Wohlfahrtsverbänden (z.B. Pflegereform, Suizidprävention) kommt ihnen eine Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD vielleicht sogar gelegen. Bei all den Seitenblicken auf die Interessen der Institution darf nicht in Vergessenheit geraten, was Jüsten als zentral für seine Arbeit erklärt:
„Ich versuche, denen in Deutschland eine Stimme zu geben, die Fürsprecher brauchen: ungeborenen Kindern, Migranten, sozial Schwächeren, Menschen am Rande der Gesellschaft, Kranken und Pflegebedürftigen …“
nachgefasst I: Papst Franziskus
Papst Franziskus liegt nun schon seit zwei Wochen im Krankenhaus, offenbar kam es am Freitag zu einer erneuten Verschärfung seiner gesundheitlichen Disposition. Einige Medien bleiben am Krankenstand des Papstes inzwischen mit Live-Tickern dran. Wie sinnvoll oder gar pietätvoll das ist, darf bezweifelt werden. Vatican News informiert (zwei Mal) täglich über den aktuellen Gesundheitszustand von Franziskus, d.h. es werden die öffentlichen Bulletins des Vatikans veröffentlicht.
Derweil laufen offenbar in der Kurie die Debatten über ein baldiges Konklave und die Nachfolge des Papstes heiß. Im Zentrum einiger (gelegentlich reißerischer) Berichte steht diese Website. Ein Online-Portal, auf dem zwei JournalistInnen Dossiers über Kardinäle angelegt haben. Offenbar gelten auch die Kardinäle Kurt Koch, Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, und Gerhard Ludwig Müller, ehemaliger Präfekt der Glaubenskongregation und als Hardliner und zunehmend rechtsradikaler Verschwörungsideologe bekannt, als papabile.
nachgefasst II: Ukraine
Archbishop Gallagher on Trump’s negotiations with Putin, mass deportations and gutting of USAID – Interview von Gerard O’Connell (America, auf Englisch)
Das Abrücken der USA unter Donald Trump von der Ukraine ist neben der Bundestagswahl das bestimmende Nachrichtenthema der vergangenen Tage. Der Außenminister des Vatikan, Erzbischof Paul Gallagher, hat dem Magazin der US-Jesuiten America ein ausführliches Interview gegeben, in dem er den Blick der römisch-katholischen Kirche und von Papst Franziskus auf die multiplen Krisen unter Trump erklärt:
„We always believe that when you’re talking about the future of Ukraine, the Ukrainian people have to be part of that negotiation. It’s true that sometimes people need mediation. But in this case, we can understand the Ukrainian concern that they are apparently being sidelined. They have to be involved; they have to be because it’s their future, their life. It’s their country, after all. […]
Our position is pretty clear. The Holy See will always oppose mass deportation. Collective punishment of peoples is always going to be unjust. One has to be realistic in saying that the United States, like many countries in Europe, needs migrants; they need workers.“
Ukrainische Lutheraner trennen sich von postsowjetischem Kirchenbund
Vor einigen Tagen bereits wurde bekannt, dass die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche der Ukraine (DELKU) aus dem Bund der Evangelisch-Lutherischen Kirchen Osteuropas und Asiens (ELKOeA) ausgetreten ist. Die ELKOeA verbindet lutherische Kirchen deutscher Geschichte in den ehemaligen Sowjetrepubliken Russland, Georgien, Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und Moldawien. Institutionelle Beziehungen ukrainischer Kirchen zu russischen Kirchen stehen in der Ukraine unter Kollaborationsverdacht und werden staatlicherseits intensiv beobachtet und kritisiert (s. #LaTdH vom 24. November 2024 & Ukraine Update 2024 im „Eule-Podcast“ mit Regina Elsner vom Dezember 2024).
Der leitende Bischof der ELKOeA, Ralf Bareis, kritisierte laut der evangelikalen Idea den Austritt der deutschen lutherischen Kirche der Ukraine als „verständlich, aber sehr bedauerlich und schmerzhaft“. Er habe eindringlich darum gebeten, die Tür „nicht zuzuschlagen“. Bareis ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche (ELKWUE) und seit 2023 Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus (ELKG).
Buntes: CDU/CSU, AfD und Kirchen
„Menschen verbinden, statt Öl ins Feuer zu gießen“ – Interview mit Thomas Arnold von Jan Hendrik Stens (Domradio)
Wer nach den Wochen der CDU/CSU-Kritik aus den Kirchen und christdemokratischer Kritik der Kritik noch Interesse christdemokratischen Perspektiven auf das kirchliche Handeln während des Wahlkampfs hat, wird bei Thomas Arnold fündig. Sowohl in seinem „Standpunkt“ bei katholisch.de am Tag nach der Wahl als auch im Domradio-Interview erklärt er, wie er die Lage sieht:
„Aber wir dürfen uns hinter dieser sogenannten Brandmauer nicht verstecken, auch nicht als Kirche. Das sage ich als Berater der Bischofskonferenz. […] Ich habe die Debatten der letzten Wochen wahrgenommen und hätte mir gewünscht, dass Kirche an mancher Stelle etwas gelassener und dadurch etwas ruhiger gewesen wäre. […]
Es ist notwendig, dass die Kirchen eine Position beziehen, gerade zu in der Tendenz rechtsextremen Parteien, ohne Diskussionen, ohne Frage. Aber wir brauchen die Debatte in der Mitte der Gesellschaft. Die Kirche könnte, weil sie verschiedene Milieus erreicht in der Gesellschaft, in ihrer Analyse am Kern des Problems, entgegenwirken.“
Arnolds Analyse kann man als gut mittige Positionierung zwischen denjenigen wahrnehmen, die scharfe Kritik am Einreißen der „Brandmauer“ zur AfD im Bund und dem Verhalten von PolitikerInnen aus den katholischen Verbänden äußern, und jenen, die aufgrund des politischen Agierens von Kirche und Verbänden am liebsten gleich die Kirchensteuer abschaffen wollen oder noch viel schlimmer herumgeifern.
Es wäre natürlich richtig nice, wenn Arnold in katholischen Medien nicht nur beständig mit seinen kirchlichen und verbandlichen Funktionen vorgestellt würde, sondern auch mit seinen CDU-Ehrenämtern. Arnold ist Berater der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), engagiert im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und war Mitglied der Synodalversammlung des Synodalen Weges. Mitglied der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP) ist er außerdem. Und er sitzt im Vorstand der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) Sachsens und hat den Vorsitz des Arbeitskreises „Gesellschaft, Werte und Ehrenamt“ der CDU Dresden innen. Unter der Leitung von Andreas Rödder hat er zuletzt auch am neuen CDU-Grundsatzprogramm mitgeschrieben.
Engagement in demokratischen Parteien ist nichts Ehrenrühriges, gehört aber so offengelegt, dass Leser:innen und Hörer:innen auch verstehen können, von wem z.B. Wahlanalysen auf zentralen Sendeplätzen stammen.
Beruflich ist Arnold übrigens seit einem Jahr im CDU-geführten sächsischen Staatsministerium des Innern für „strategische Planung, Organisationsentwicklung und Controlling“ zuständig. Chef des Hauses ist der konservative CDU-Hardliner Armin Schuster, der Angela Merkel dereinst zu „rechts“ war, um Präsident des Verfassungsschutzes werden zu dürfen (stattdessen wurde damals der inzwischen vollständig ins rechtsradikale Schwurbellager abgedriftete Hans-Georg Maaßen berufen).
Nach den Manövern der CDU/CSU im Bund und der für die CDU Sachsen katastrophal ausgegangenen Bundestagswahl (19,7 %), hat die AfD (37,3 %) ihr Angebot zur Zusammenarbeit im Freistaat übrigens gerade wieder erneuert. In Sachsen regiert seit der Landtagswahl im Herbst eine Minderheitsregierung aus CDU und SPD. Tobias Krone und Alexander Moritz klären im Deutschlandfunk (15 Minuten) über Bayern und Sachsen auf, „wo CDU und CSU dem Rechtsruck hilflos gegenüber stehen“. Thomas Arnold schreibt in seinem „Standpunkt“ auf katholisch.de über den Ausgang der Bundestagswahl:
Wie nach jeder Wahl stehen die politischen Gegner nun vor der Aufgabe, Gemeinsamkeiten zu suchen, Kompromisse zu schmieden und damit dem Land die Verantwortung zu erweisen, es stabil und zum Wohl des Volkes in den kommenden Jahren zu regieren. […] [Die Kirche sollte] [g]esellschaftlich nicht leichtfertig Brücken einreißen. Das ist mehr, als sich öffentlich gegen politische Lösungskonzepte zu stellen. Es ist die Kunst, als Minderheit in dieser pluralen Gesellschaft als Versöhner zum Brückenbauer zu werden.
Arnold sieht mit der Bundestagswahl für ganz Deutschland „endgültig ostdeutsche Verhältnisse“ gekommen. Mir fällt da der alte Ost-West-Schlager von Karat und dann Peter Maffay ein: „Über sieben Brücken musst Du gehn, sieben dunkle Jahre überstehn, sieben Mal wirst du die Asche sein …“. Nein, über manche Brücken sollte man besser nicht gehen. Warum, das erklären wir in der aktuellen „Eule-Podcast“-Episode ebenso wie Alexander Roth in der ZVW („Warum die CDU dringend aufhören muss, wie die AfD zu klingen“) und Politikwissenschaftler Thomas Biebricher im SPIEGEL-Interview (€):
SPIEGEL: Ist der Erfolg der AfD in dem Sinne die gerechte Strafe?
Biebricher: Das ist zu einfach. Zunächst einmal zehrt die Union bis heute vom Andenken an die Ära Merkel. Dass ihr in fast allen Politikfeldern große Kompetenz zugetraut wird, hat ja mit ihrer vermeintlichen Gabe zum Krisenmanagement zu tun. Zum anderen: Die Kontinuität und der Erfolg jener Jahre hat – anders als in fast allen anderen europäischen Ländern – auch dazu geführt, dass die rechte Radikalisierungsdynamik, die es dort gab, bei uns lange ausgeblieben ist.
SPIEGEL: Der Aufstieg der AfD hat die Union in eine Zwickmühle gebracht. Wenn sie sich deren Vorstellungen von einer anderen Migrationspolitik annähert, heißt es: So macht man die AfD nur noch stärker, weil die Leute im Zweifel lieber das Original wählen. Tut die Union das nicht, heißt es, sie ignoriere den Wunsch der Mehrheit nach einer anderen Politik – und mache die AfD stark. Wie kommt der pragmatische Konservatismus da raus?
Biebricher: Mir ist kein einziger Fall bekannt, wo es geklappt hat, die Rechtsautoritären zu entzaubern, indem man mit ihnen zusammenarbeitet. Da kann man alle europäischen Länder durchgehen, es gibt ihn nicht. Es ist jedes Mal nach hinten losgegangen. Die Christdemokraten haben immer verloren.
Ein guter Satz
„Es ist Zeit für neue politische Visionen, für Lust auf Zukunft. Wenn die Probleme so groß und überwältigend scheinen wie im Moment, dann müssen die Antworten dem ebenbürtig sein.“
– SPD-Politiker Carsten Brosda im Stern
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