#ChurchToo, Told you – Die LaTdH vom 19. August 2018

Thema der Woche ist die Aufdeckung des neuesten Missbrauchsskandals der katholischen Kirche. Außerdem: Ne fesche Predigt, Einwanderungs-Mythen & mutige Frauen.

Debatte

Das Sommerloch scheint vorbei. Und wird gleich mit einem Thema gefüllt, das alle schockiert, das viele lieber vergessen wollen oder gar nicht erst hören wollen, vor allem – so scheint es – die katholische Kirche ganz vorne weg. Obwohl diese doch endlich mal angefangen hat aufzuräumen, nachzufragen. Und dann kommt es zur Aufdeckung eines neuen Missbrauchskandals und der katholischen Kirche wird erneut Gemauschel bei der Aufarbeitung vorgeworfen, wie auch bei uns immer wieder unter #ChurchToo zu lesen ist.

Das Leid lässt sich nicht beziffern – Christiane Florin (deutschlandfunk.de)

Die Redakteurin für „Religion und Gesellschaft“ beim Deutschlandfunk Christiane Florin (@ChristianeFlori) kommentiert den Kindesmissbrauch in Pennsylvania und weist darauf hin, dass trotz der zahlreichen Aufdeckungen nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland, Irland, Australien und in Chile die Kirche sich immer noch den weltlichen Autoritäten überlegen fühle.

Das Leid der Kinder und ihrer Familien lässt sich nicht beziffern. Aber Medien und Öffentlichkeit reagieren auf Zahlen: 1000 – das schockiert. Und ist doch Routine: Schon wieder ein Bericht, schon wieder sind die meisten Fälle verjährt, schon wieder äußern hohe Geistliche Bedauern. Pittsburghs Kirchgänger wurden am Sonntag vorgewarnt: „Trauriges und Tragisches“ erwarte sie, hörten sie von der Kanzel, so als handele es sich um einen Opernstoff.

Vatikan beschämt über Missbrauchsbericht aus den USA – Thomas Jansen u.a. (katholisch.de, KNA)

Tragischerweise gibt der Bericht aus der KNA und Redaktion von katholisch.de gerade das von Christiane Florin kritisierte wider. Auch wenn die Überschrift anders klingt, so scheint es, dass der Vatikan die Fälle zu relativieren versucht, wenn er im gleichen Atemzug darauf hinweist, dass die Missbrauchsfälle in der Mehrzahl aus den Jahren vor 2002 stammen. Bleibt die Frage, ob seit 2002 die Fälle tatsächlich zurückgegangen sind, oder ob sie nicht offen aufgearbeitet werden, weil die Täter noch in Amt und Würden sind.

Nicht ohne Grund kritisiert auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Johannes-Wilhelm Rörig, dass Aufarbeitung nicht erst beginnen darf, wenn sich Betroffene zu Wort melden, sondern man sich dem auch proaktiv stellen solle.

Der am Dienstag vorgestellte Pennsylvania-Bericht einer staatlichen Jury beschuldigt rund 300 zumeist verstorbene Priester, in den vergangenen 70 Jahren mindestens 1.000 Kinder und Jugendliche missbraucht zu haben. In den untersuchten Diözesen des Bundesstaates habe eine „Kultur des Vertuschens“ durch ranghohe Kirchenobere geherrscht, die massenhaften Missbrauch erst ermöglicht habe.

Der Klerus und seine Verbrechen – Thomas Seiterich (Publik-Forum)

Dieser Beitrag erklärt u.a., warum gerade neben Deutschland und USA die katholische Kirche auch in Australien, Irland und Chile am Pranger steht bzw. der Klerus in den verschiedenen Ländern. Dabei wirft Thomas Seiterich in der alt-ehrwürdigen Publik-Forum (@publikforum) die Frage auf, ob man in einer Kirche, deren Klerus tief und bis in die höchsten Instanzen in Verbrechen und Vertuschung involviert ist, überhaupt noch bleiben kann.

Horror-Tatbestände dieser Art warten – so ist bedauerlicherweise zu vermuten – noch viele auf die Veröffentlichung. Aus afrikanischen Ländern, wo die katholische Kirche geschlossene Systeme bildet und es kaum eine gesellschaftliche Debatte über sexuellen Missbrauch von Abhängigen gibt. Oder aus Ländern im ehemaligen kommunistischen Ostblock wie Polen, wo die früher bedrängte Kirche ebenfalls geschlossene Milieus bildete und es für Opfer von pädophilen Priestern folglich praktisch keinen Weg gab, ihr Leid zu äußern und den Täter anzuklagen.


nachgefasst

Heiß oder Kalt? Krieg oder Frieden? – Michael Wuliger (Jüdische Allgemeine)

In seiner Kolumne „Wuligers Woche“ in der Jüdischen Allgemeinen macht der Autor am Beispiel der vergangenen Hitzewelle und der daraus resultierenden Überschriften bezüglich des Klimawandels deutlich, wie differenziert Berichterstattung aus dem Nahen Osten zu lesen ist. Nicht jeder Fachmann ist auch ein Experte, auch wenn er noch so gut schreibt und noch so viel gelesen wird.

Natürlich gibt es Experten, die sich seit Jahren fachlich fundiert mit dem jeweiligen Thema beschäftigen. Beim Wetter etwa Jörg Kachelmann, bei Nahost beispielsweise Michael Wolffsohn. Aber denen ist nicht zu trauen. Kachelmann: Ist da nicht einmal etwas gewesen? Wolffsohn: Ist der nicht Jude, sogar Israeli?

Benedikt XVI.-Papier „anschlussfähig für Antijudaismus“ – Gregor Maria Hoff im Gespräch mit Christiane Florin (Deutschlandfunk)

Um religiösen Antisemitismus und den mindestens missverständlichen Text von Benedikt XVI. / Joseph Ratzinger ging es erst in der letzten Ausgabe der #LaTdH von vergangener Woche. Im Deutschlandfunk hat Christiane Florin mit Gregor Maria Hoff, Professor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Uni Salzburg, gesprochen. Ihr Gespräch gibt es zum Nachhören und Nachlesen.

Hoff: Ich unterstelle Benedikt XVI. nicht, dass er in irgendeiner Weise antijudaistisch denkt. Ich unterstelle ihm auch keinesfalls, dass er in diese Richtung hineinmöchte. Aber ich unterstelle dem Text, dass er für theologischen Antijudaismus anschlussfähig ist.

Buntes

12 Fakten: Diese Mythen und Vorurteile über Geflüchtete sind falsch – Thomas Laschyk (Volksverpetzer.de)

Hier wird mal richtig aufgeräumt. 12 Vorurteile, die Basis für rechtsextreme Politik sind, werden hier mit gut recherchierter Quellenlage widerlegt. Thomas Laschyk (@ThomasLaschyk) betrachtet Zahlen, Statistiken, Studien und Fakten zu Kriminalität, Integration, Fluchtursachen, Sozialleistungen und Arbeitsmarkt.

Am 4. September veröffentlichte die Weltbank, die International Labour Organization der UN und der OECD einen Bericht, der schließt, dass „in den meisten Ländern Migranten mehr an Steuern und Sozialleistungen zahlen als sie beziehen.“ Andere Studien zeigen, dass Immigranten weniger wahrscheinlich zum Sozialfall werden und nicht öfter in Sozialwohnungen leben.

In Schwarz für eine bunte Zukunft – Christiane Oelrich (ref.ch)

70 Jahre ist es her, dass am 23. August 1948 in Amsterdam der Ökumenische Rat der Kirchen gegründet wurde. Heute steht ihm eine afrikanische Frau vor, eine Sozialwissenschaftlerin, die mutig ist und den Papst dazu auffordert, es ihr und vielen anderen Frauen gleichzutun und donnerstags schwarz zu tragen.

Papst und Publikum waren ganz Ohr, als Abuom von ihrem Redetext abwich, sich an den Papst wandte und mit Wut in der Stimme sagte: „Wir tragen Schwarz, weil heute Gewalt gegen Frauen und Vergewaltigung zu den grössten Sünden gehören. […] Wir beten, dass Sie mitmachen bei unserer Bewegung, um diese Pest zu beenden, die eine Schande in der Familie der Gläubigen, den Familien und der Öffentlichkeit ist.“

Predigt

Wirf die Gnade nicht weg! – Christiane Quincke (Freie Worte)

Eine poetisch-szenische Predigt von Christiane Quincke (@CQuincke) zum Antiochenischen Zwischenfall, wie ihn Paulus im Brief an die Gemeinden in Galatien schildert (Gal 2, 16-21).

Paulus ist sauer.
Und sagt: Wirf die Gnade nicht weg.
Du, Petrus, baust Schranken auf, die für Gott nicht gelten.
Gott hat alle Schranken, die wir Menschen brauchen, abmontiert.
Da braucht es nichts mehr, was uns aufhält und abhält von einander.
Und von ihm.
Und das gilt für Neue und Die-schon-immer-dabei-gewesenen gleichermaßen.

Und weil es die Predigt unterbrechen soll und dieser Tage wunderbar ins Bild passt: Aretha Franklin singt „Amazing Grace“ (Youtube):

Aretha Franklin singt Amazing Grace im Weißen Haus, Bild: Screenshot Youtube

Ein guter Satz